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Köln bei Nacht

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Köln bei Nacht
 

Gelangweilt hockte sie auf dem Treppenabsatz, einem der Nebeneingänge zum Dom. Hier saßen sie immer. Saskia und ihre Clique. Eine kleine eingeschworene Truppe von vielleicht zehn Leuten. Einige von ihnen waren noch nicht einmal volljährig. Dennoch saßen sie hier und ließen sich diverse alkoholische Getränke schmecken.

Jeden Abend dasselbe Spiel. Jedenfalls so lange, bis eine Polizeistreife sie verjagte. Dann waren alle immer ungemein schnell auf ihren Fahrrädern verschwunden. Nur heute nicht. Irgendetwas schien heute Abend wieder passiert zu sein, denn es tauchte keiner, der auch so verhassten, Polizisten hier auf. Und genau das, war gerade das Gesprächsthema.
 

Saskia sah unauffällig auf ihre Armbanduhr, und lauschte dem Rülpsen einer der Jungs, worauf das obligatorische Gelächter der Anderen folgte. Irgendetwas stimmte nicht. Sie sah sich unruhig um. Ihr ungutes Gefühl schien jedoch anderer Natur zu sein. Seit geraumer Zeit fühlte sie sich nämlich beobachtet. Aber warum bemerkten die Anderen das nicht?

Dass sie sich komisch fühlte, hatte sie jedoch nur ihrer besten Freundin erzählt. Schließlich wollte sie nicht für verrückt erklärt werden. Nur zu schnell war man in dieser Clique für geraume Zeit die Lachnummer. Nicht im Bösartigen Sinne, jedoch schlimm genug, dass es einem nach wenigen Tagen bereits auf die Nerven ging.

Während sie ihren Gedanken nachhing, wurde sie plötzlich mit dem Ellenbogen angestoßen. Erschrocken hob sie den Blick.

„Wirst du schon wieder beobachtet?“, flüsterte ihr Conny zu.

Sofort schenkte sie ihre Freundin ein Nicken, doch diese verdrehte nur die Augen.

„Du spinnst doch. Du scheinst verrückt zu werden.“

„Wer wird verrückt?“ Einer der Jungs hatte diese Worte, trotz des allgemeinen Geplappers, aufgeschnappt und wand sich mit einem Grinsen den beiden Mädchen zu.

„Sassi“, gab ihm Conny als Antwort.

Saskia sah ihre Freundin grimmig an. Sie sollte doch die Klappe halten!

„Ist dein Verehrer wieder da?“ Ein weiterer der Jungs wand sich mit dem Bier in der Hand zu ihr um.

Sie hatte es etwa doch weiter getratscht?

„Was?“ Saskia war bei diesen Worten sofort von der Treppe aufgesprungen. Schnell musste sie jetzt hier weg, bevor alle dazu kamen, es tiefgründiger auszuwerten.

„Ich spinnt doch! Ihr alle!“, murrte sie und griff sich ihren Gitarrenkoffer.

„Ich verschwinde! Tschau!“ Mit diesen Worten drängte sie sich auch schon an allen vorbei. Sie machte sich dabei sogar mit den Füßen Platz, wo sich nicht gleich richtig vorbei kam und erntete dabei natürlich auch den ein oder anderen Laut des Missfallens.

Saskia hatte eigentlich sowieso vor gehabt, auf der Gitarre zu üben. Heute wollte sie gar nicht hier abhängen, aber dann war sie doch geblieben und nun hatte sie endlich die Gelegenheit wieder zu verschwinden.

Conny war ebenfalls sofort aufgestanden. „Jetzt warte doch mal. Hey! Sassi warte! Es war doch nicht so gemeint.“

Eilig hastete sie ihr nach und erst nach einigen Metern hatte sie die im Laufschritt Davoneilende eingeholt. Saskia schnallte sich ihren Gitarrenkoffer auf den Rücken und griff nach dem Lenker ihres Fahrrades.

„Es tut mir leid, Okay? Ehrlich“, sagte Conny schnellstens, bevor ihre Freundin aufsteigen und davonbrausen konnte. Sie sah irgendwie betroffen aus und warf nur einen knappen Blick zu den Anderen zurück. Ihr Johlen und Pfeifen war nicht zu überhören.

„Jetzt mach doch nicht gleich so ein Drama draus.“ Sie versuchte dabei nicht allzu gelangweilt dabei auszusehen. Wer weiß, was sich ihr Freundin da einbildete: Hier war niemand, der sie beobachtete!

„Ich denke mir das doch nicht aus. Er ist hier irgendwo.“ Unruhig sah sie sich bei diesen Worten um, doch das einzige, was sie hören konnte, waren Motorengeräusche der Stadt und das Gegröle der Jungs.“ Ich hab eine Scheiß Angst, weißt du das? Jetzt mal im Erst! Ich bilde mir das nicht ein und du musst mich vor Allen als bescheuert hinstellen? tolle Freundin. Echt.“

Saskia war stinksauer. Sie ballte eine Hand zur Faust.

„Ach Sassi..“ Conny legte ihr die Hand auf die Schulter und versuchte sei damit wieder etwas zu beruhigen. „Wer zum Teufel sollte dir denn nachsteigen? Irgendwer aus der Schule? Einer von den Jungs aus den älteren Klassen?“ Sie verzog das Gesicht. „Oder wer?“

„Ich weiß es eben nicht“, gab ihr Saskia bissig zurück und kontrollierte mit dem Blick wieder verstohlen sämtliche Fassaden der Altstadt. Vielleicht wohnte dieser Jemand ja hier und stand mit einem Fernglas an irgendeinem Fenster? Oder auf einem Balkon? So abwegig war die Sache doch gar nicht.

Mit einem Seufzen wand sie sich schließlich von Conny ab. „Ich fahr nach Hause.“

„Soll ich vielleicht ein Stück mitkommen?“, fragte diese zur Sicherheit und wartete angespannt auf eine Antwort. Wenn ihre Freundin schon unter Verfolgungswahn litt, wollte sie diese auch nicht unbedingt alleine losziehen lassen, doch sie bekam eine Ablehnung.

„Nicht nötig. Da ist ja Niemand. Ich spinne doch nur herum...“ In Wirklichkeit wollte sie jetzt erst recht ihre Ruhe haben. Gerade von ihr.

Erst so und dann plötzlich wieder anders? Conny sollte sich endlich mal entscheiden. Entweder sie glaubte ihr, oder sie hielt sie für eine Verrückte. Beides zugleich war da leider nicht drin, wie sie selbst fand.

„Sehen wir uns morgen in der Schule?“ Auch wenn Conny selbst nicht viel von dieser Einrichtung hielt, wollte sie wenigstens die Sicherheit haben, dass Saskia dieses Mal kam. Wenn diese so weitermachte, würde sie noch von der Schule fliegen. Viel fehlte da nicht mehr und das wusste sie ganz bestimmt selbst.

„Mal sehen“, waren jedoch lediglich die zurückgerufenen Worte des Mädchens, mit dem Gitarrenkoffer, auf dem Rücken, während sie bereits davon radelte.

Schulterzuckend blieb Conny zurück. Es gefiel ihr nicht, was mit ihrer Freundin los war. Sollte vielleicht wirklich Jemand hinter ihr her sein? Aber warum gerade hinter ihr? Vielleicht war es doch ein Verehrer? Die Rufe, aus der Ferne, hinter ihr, rissen sie aus den Gedanken und Conny begab sich wieder zur Treppe.
 

Saskia überquerte den Roncalliplatz und bog in die nächste Straße ein. Sie hatte nicht einmal an der Ampel gewartet. Sie war einfach drauflosgefahren. Saskia war stinksauer. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Wie lange ging das jetzt schon? Wie lange glaubte sie sich bereits verfolgt? Einen Monat? Oder zwei? Saskia wechselte von der schmalen, unbefahrenen Straße jetzt doch auf deren Fußweg. Sie ärgerte sich, dass sie hier wieder nur herum gegammelt hatte. Wo sie doch eigentlich üben wollte. Für diese Gitarre hatte sie extra Taschengeld gespart und die Geige verschachert, die sie eigentlich spielen lernen sollte, wenn es nach ihrer Mutter ging. Dass sie die Geige gar nicht mehr hatte, wusste diese noch nicht einmal. Sie kümmerte sich aber auch nicht wirklich darum. Ihre Mutter hatte eh nie Zeit. Seit ihr Vater einfach abgehauen war, hatte sich diese nur noch in die Arbeit gestürzt. Alles andere schien ihr reichlich egal geworden zu sein und dazu gehörte unweigerlich auch Saskia.
 

Als sie in der nächsten Straße links einbiegen wollte, passierte es. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie den plötzlich, vor ihr Fahrrad laufenden Fußgänger, erst wahr nahm, als es bereits fast zu spät war. Mit seiner schwarzen Kleidung hatte dieser jedoch selbst seinen Teil dazu beigetragen, nicht gesehen zu werden. Saskia bremste sofort ab und stürzte dabei fast über den Lenker.

„Scheiße!“, fluchte sie, als sie endlich die Füße sicher auf dem Boden hatte.

Der Passant war im allerletzten Augenblick ein Stück aus dem Weg gesprungen und hatte somit schlimmeres verhindert. Eng an die Wand gepresst stand der nun da.

„Haben... Sie sich verletzt?“ Saskia spürte deutlich den dicken Kloß in ihrem Hals, erst recht, als ihr die schwarzgekleidete Person keine Antwort gab. Aber tot konnte dieser Jemand unmöglich sein, denn er stand immer noch an der Hauswand.
 

„Du bist schrecklich leichtsinnig, weißt du das!?“, bekam sie endlich als Antwort. Es war ein Mann, den sie fast umgefahren hätte. „Um diese Tageszeit ohne Licht zu fahren.“ Saskia schnappe nach Luft und starrte irritiert in seine Richtung. Erst recht, als er sich wieder vollends aufgerichtet hatte und mit langsamen Schritten auf sie zukam.

„Bleiben Sie stehen!“, sagte sie schließlich, als sie die Gänsehaut, auf ihren Armen, nicht länger aushalten konnte. Was war das nur für einer? Würde er sie jetzt etwa verprügeln wollen? Ihr wurde mulmig.

Als er ihren Worten jedoch nachkam, stand er schließlich in einem recht günstigen Licht, der nächsten Straßenlampe.

Groß, breitschultrig, langes, dunkles Haar... Er trug einen schwarzen Ledermantel. Ein Grufti? Na wunderbar. Gesehen hatte sie diesen Mann jedoch noch nie.

„Vielleicht solltest du um diese Tageszeit nicht mehr ohne Licht fahren, Saskia!“

Als ihr Name fiel, horchte sie auf.

„Woher... kennen Sie meinen Namen?“ Ihr Mund zuckte unruhig, während sie auf eine Antwort wartete.

„Woher? Rate doch mal.“ Er strahlte enorme Selbstsicherheit aus und verschränkte die Arme vor der Brust.

Kannte sie diesen Mann vielleicht doch und erinnerte sich jetzt gerade nur nicht an ihn? Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

„Wer sind Sie? Der Perverse, der mir seit Monaten nachstellt?“

„Nein. Ganz bestimmt nicht.“

Sie hätte auch nicht erwartet, dass er das hier und jetzt zugegeben hätte, zumal es ohnehin nur eine Vermutung war – bis jetzt jedenfalls.

„Ich habe dich im Auge, zugegeben, aber ich bin ganz gewiss kein Perverser!“

„Ich wusste es!“ Saskia schnaufte verärgert und stieg ganz langsam wieder auf ihr Fahrrad auf, damit sie schnellstens verschwinden konnte. Da ihr dieser Freak genau in die Richtung den Weg versperrte, in die sie eigentlich wollte, war sie nun gezwungen, einen Umweg zu fahren. Na herrlich! Dann würde es noch später werden! Hatte sie das verdient? Ohne länger darüber nachzudenken, fuhr sie, nach einem klein gehaltenen Radius, in die Gegenrichtung dieser Straße.
 

Ihr Herz raste fürchterlich, als sie nur so über den Gehweg düste. Dieser Grufti beobachtete sie also? Aber warum? Und vor allem: wie lange schon? Ihr wurde richtig schlecht bei diesem Gedanken, doch dann verlangsamte sie erst einmal ihr Tempo wieder und hielt schließlich an. Unruhig blickte sie zurück, doch von hier aus war er nicht mehr zu sehen. Mit einer Hand klappte sie dabei den Dynamo herum, um den Rest der Strecke mit Licht zu fahren. Mit ganzer Kraft sträubte sich jedoch ihr Inneres dagegen, dass sie das jetzt nur tat, weil sie darauf hingewiesen worden war. Kurz atmete sie tief durch und griff mit der zweiten Hand wieder ihren Lenker, doch als sie aufsteigen wollte und den Blick unweigerlich wieder nach vorne richtete, entfuhr ihr ein heißer Schrei. Keine drei Meter von ihr entfernt, stand wieder dieser Kerl.

Wie konnte das sein? Panik ergriff sie augenblicklich. Wurde sie jetzt verrückt? Schleunigst machte sie abermals kehrt, bevor er erneut das Wort an sie richten konnte und radelte heim, so schnell sie konnte. Dabei blickte sie sich jetzt jedoch nicht auch nur ein einziges Mal um.

Was war das bitte? Wie zum Teufel machte er das? Wie konnte er einfach so wieder irgendwo auftauchen? Er war doch nicht an ihn vorbei gelaufen und eine andere Straße hätte ganz gewiss länger gedauert. Das ergab alles keinen Sinn für sie.
 

Als endlich die Haustür von innen zuschlug, atmete sie erleichtert auf. Was auch immer das jetzt gewesen war: Es missfiel ihr! Saskia schob das Rad durch den kleinen Hausflur, buxierte es die wenigen Stufen zum Fahrradkeller hinter und sicherte es mit dem Zahlenschloss an der Halterung an der Wand. Hatte ihre Mutter diesen Kerl vielleicht geschickt? Weil sie mittlerweile doch mitbekommen hatte, was sie den Tag über trieb? Konnte das sein? Saskia schüttelte den Kopf und versuchte somit diesen Gedanken schleunigst wieder loszuwerden. Das war doch Unsinn. Wie kam sie nur auf so etwas? Als ob ihre Mutter für so einen Kerl Geld ausgeben würde.

Die Stille im Treppenhaus war jetzt furchtbar erdrückend, als sie die Stufen bis in den vierten Stock nahm. Saskia beeilte sich, dass sie in die Wohnung kam. Auf dem Flur kam ihr ihre Mutter nicht entgegen. Der Fernseher lief zwar noch, aber von ihr selbst kam kein Mux. Sicherlich war sie bereits eingeschlafen. Saskia würde sie nicht wecken. Sie würde jetzt schnell duschen und dann sofort zu Bett gehen, was ihr auch ohne weitere Zwischenfälle gelang. Von diesem Tag hatte sie erst einmal genug.
 

Ihre Nacht war jedoch alles andere als ruhig. Sie schlief ewig nicht ein, träumte seltsames Zeug und am Morgen hätte sie ihren Wecker am liebsten zertreten.

Ihre Mutter war bereits auf Arbeit gewesen, als auch Saskia die Wohnung wieder verließ. Übellaunig schlurfte sie schließlich über den Fußweg. Diese Nacht war die Hölle gewesen und auch jetzt hatte sie wieder das Gefühl, dass dieser Kerl nicht weit war.
 

„Ich habe ihn gesehen“, sagte sie Conny schließlich, kaum dass sie das Klassenzimmer betreten und sich neben ihrer Freundin nieder gelassen hatte. Mit diesen Worten schmiss sie ihre Tasche auf den Tisch.

„Was? Wen denn?“ Conny war jedoch mit anderen Dingen beschäftigt. Sie versuchte sich noch einmal alle Englischvokabeln in die Erinnerung zurückzurufen. Sie brauchte zur Abwechslung einmal wieder eine gute Note.

„Na der Kerl, der mir nachsteigt“, flüsterte sie ihr ins Ohr.

Mit diesen Worten hatte Saskia sofort die volle Aufmerksamkeit ihrer Freundin.

„Was redest du da?“ Diese verzog das Gesicht.

„Er scheint zu wissen, wer ich bin. Er kannte meinen Namen.“

Conny runzelte die Stirn. „Das sagt gar nichts“, hatte diese jedoch zu widersprechen. Jeder, der Saskia kannte, hätte ihm diese Information geben können. Vielleicht kannte ihn ja auch einer der Jungs? Und diese hatten sich einen Scherz erlaubt, dass es endlich einen Grund für sie gab, warum Saskia sich so seltsam aufführte. Dennoch wagte es Conny nicht, diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Diese Sache wäre auch für sie eine ganze Spur zu fies. Stattdessen griff sie auf eine andere Vermutung zurück.

„Ist er vielleicht doch von hier aus der Schule? Wusste er das deshalb vielleicht?“

Saskia zog ebenfalls ihr Vokabelheft heraus, schlug es auf und blätterte darin herum.

„Nein ich denke nicht. Der wäre mir aufgefallen. Außerdem sah er wesentlich älter aus. Der geht hier nicht mehr zur Schule.“

„Hm...“ Conny überlegte kurz, wo er sonst her sein sollte. Das hörte sich alles so seltsam an. „Hat er dir etwas antun wollen? Ich hätte vielleicht doch mitgehen sollen“, gab sie kleinlaut zu verstehen. Das schlechte Gewissen begann sie zu plagen, dass sie Saskia allein gelassen hatte.

„Nein hat er nicht. Er hat mir nur verklickert, dass ich mein Licht einschalten sollte.“ Bei diesem Gedanken musste sie kurz grinsen. Es klang einfach zu lächerlich. „Er ist ein Geist, oder sowas.“

„Ein... Geist?“ Unweigerlich streckte Conny ihre Hand nach Saskias Stirn aus, um zu prüfen, ob diese vielleicht Fieber hatte.

„Ich bin nicht krank!“, gab ihr diese erbost zu verstehen und schlug Connys Hand weg. „Er ist groß, dunkelhaarig und hatte einen schwarzen Ledermantel an“, zählte sie auf. „Und er scheint wie aus dem Nichts an einem anderen Ort auftauchen zu können. Das ist kein Witz! Ich habe ihn fast umgefahren, habe kehrt gemacht und am Ende der Straße stand er plötzlich wieder vor mir.“

Bei ihren ersten Worten hatte Conny noch interessiert und mit großen Augen zugehört, doch als sie weitersprach, verdrehte sie nur die Augen, denn jetzt hatte sie eine ganz andere Vermutung.

„Was soll das? Hast du schlecht geträumt oder versuchst du dich gerade wichtig zu machen, oder so? Das ist doch das Dümmste, was ich jemals von dir gehört habe!“ verärgert wand sich Conny daraufhin ab.

Saskia stieß ein Murren aus. „Ich spinne nicht rum. Ich zeig dir diesen Kerl, wenn du mir nicht glauben willst. Der ist heute Abend bestimmt auch wieder dort.“ Mit diesem Worten, war dieses Thema beendet und die Schulstunde kündigte sich endlich mit einem Klingeln an.
 

Wortlos trotteten die beiden Freundinnen nach der Schule in Richtig Straßenbahnhaltestelle. Der Vokabeltest war möglicherweise wieder ein Desaster gewesen. Höchstwahrscheinlich sogar für Beide.

„Du behauptest also, du hast diesen Kerl gesehen?“, unterbrach Conny schließlich die Stille. Es hatte ihr keine Ruhe gelassen, wenn sie ehrlich zu sich selbst war. Auch wenn sie anders herüberkam, war sie zum platzen neugierig.

„Das ist keine Behauptung, sondern eine Tatsache“, stellte sie Saskia sofort richtig. „Wir haben uns unterhalten. Na ja ganz kurz jedenfalls. Ich... bin dann abgehauen. Der war mir zu gruselig.“

„War er geschminkt?“

„Das weiß ich nicht. Dafür war es zu dunkel. Spielt das eine Rolle?“ Versuchte ihr ihre Freundin jetzt doch zu helfen, obwohl sie zuvor noch so erbost geklungen hatte?

Conny seufzte. „Nein, nicht wirklich, aber ich habe nachgedacht. Vielleicht kennt den möglicherweise meine große Schwester. Die hängt doch mit diesen Leuten ab. Das wäre doch eine Möglichkeit. Vielleicht kennt sie ihn ja.“

Saskias Blick hellte sich auf. Sie wusste von Doreens düsteren Ader. Ein paar der bei ihr herumstehenden Dinge hatten sogar sie verschreckt. Aber wenn diese helfen könnte, wäre ihr das mehr als recht. „Das wäre echt toll. Vielleicht kennt die den wirklich.“ Doch dann senkte sie den Blick. „Aber ich weiß sonst nichts über ihn.“

„Na ja das macht nichts. Du hast doch auch gesagt, du hast ihm zum ersten Mal gesehen. Ich kaufe dir allerdings die Sache mit dem Verschwinden und anschließend anderswo wieder auftauchen nicht ab.“

Saskia blinzelte in ihre Richtung. Sollte sie ernsthaft erneut versuchen, ihr diese Sache zu schildern? Jetzt, wo Conny bereit war, ihn zu helfen und diese sie nicht mehr für verrückt hielt? Ausgeschlossen! Dann gab es eben dieses Detail nicht.

„Möglicherweise kam mir das in diesem Moment auch nur so vor“, war es schließlich, was sie darauf antwortete und senkte dabei den Blick. Dennoch machte sie diese Tatsache weiterhin nervös.

„Vielleicht solltest du gleich mit zu mir kommen.“ Auch wenn Conny es nicht zugeben würde: sie war ein schrecklich neugieriger Mensch.
 

Doreen war jedoch nicht zu Hause gewesen, wie die Beiden feststellen mussten. Ihre Mutter hatte schließlich erneut erzählt, dass sie für drei Tage auf Klassenfahrt war.

„Wie habe ich das nur vergessen können!?“ Am liebsten wäre Conny im Boden versunken und Saskia hätte wohl darüber gelacht, wenn ihr die Sache nicht so verdammt erst gewesen wäre. „Wir rufen sie heute Abend an, in Ordnung?“

Sassi nickte. Was sonst hätte sie auch anderes tun können.

„Und jetzt?“ In Connys Zimmer stehend, fiel ihr Blick auf den Spiegel. „Dann könnten wir doch genauso gut wieder auf diesem Kerl warten, oder?“

„Hältst du das für eine kluge Idee?“

„Hast du eine bessere?“ Saskia ließ sich auf ihr Bett plumpsen und begann an die Decke zu starren. Ich würde ja sagen, dass wir wieder zum Dom gehen, aber nachdem was gestern dort passiert ist, muss ich da nicht wieder hin. Ich habe das Gefühl, die Jungs verblöden langsam.“

Conny grinste breit und setzte sich zu ihr. „Vielleicht ist es ja auch nur der Alk gewesen.“

Sassi seufzte und blinzelte schließlich zu ihrer Freundin hinüber. „Eigentlich sollte ich Gitarre üben, weist du?“

„Falsch!“, gab ihr Conny jedoch zurück und grinste breit. „Eigentlich sollten wir Mathe üben, aber Gitarre hört sich viel besser an.“
 

Da das Vorhaben, mit dem Üben, nach der Schule, am gestrigen Tag, leider gänzlich gescheitert war, hatte sie es sich heute umso fester vorgenommen. Jedoch würde sie sich heute vom Dom fernhalten. Weg von den Knallköpfen, in deren Gegenward sie sich ohnehin nicht konzentrieren konnte.

In der U-Bahn, auf dem Weg zum Stadtgarten, starrte Saskia unruhig vor sich hin.

Neben ihr saß Conny und wippte im Takt zu ihrer Musik aus dem MP3-Player. 21 Guns von Green Day. Es war laut genug, dass es wohl den ganzen Wagen beschallte. Eine Tatsache, die Saskia heute irgendwie störte, auch wenn sie sich nicht darüber aufregte. Ihre Gedanken hingen bei diesem komischen Kerl. Wenn er sie wirklich beobachten würde, fand er sie sicherlich auch im Stadtgarten.

Conny hatte sich nicht davon abhalten lassen, sie zu begleiten. Sie wollte diesen angeblichen Verfolger auch einmal gesehen haben und wenn Saskia ehrlich zu sich selbst war, war ihr das auch ganz recht gewesen.
 

Als sie endlich ausgestiegen waren und über den Weg liefen, kam Saskia dennoch nicht umhin, sich ständig umzublicken. Sie machte auf Conny schon nach kurzer Zeit einen schrecklich gehetzten Eindruck.

„Du machst mich nervös, weißt du das?“, bekam sie von dieser schließlich zu hören, während sie den Player endlich ausschaltete.

„Du hättest ja auch nicht mitkommen brauchen!“ Wieder blickte sie sich um. Es war wohl eine ziemlich beschissene Idee von ihr gewesen. Zum einen, hier herzukommen und desweiteren ihre Freundin mitzunehmen. Vom spielen eines Instruments verstand diese nämlich nicht das Geringste.
 

Auf einer der Bänke, in einer etwas abgelegenen Ecke, ließen sich Beiden nieder.

„Na dann zeig mir mal, was du schon drauf hast“, bekam sie von Conny grinsend zu hören. Saskia verzog den Mund. Wenn es nach ihrem Musiklehrer ging, war sie noch gar nicht so weit. Einige der Griffe bekam sie noch nicht einmal hin. Aber das war auch kein Wunder. Sie war viel zu unkonzentriert und so wirklich Lust zum üben hatte sie auch nicht. Und dennoch wollte sie es gerne können. Im Grunde widersprach sie sich selbst.

Mit einem Schnauben packte sie schließlich ihr Instrument aus. Dabei strich sie fast schon liebevoll über den Klangkörper, bevor sie sich den Gurt endlich umhängte. Connys Interesse, ihren Klängen zu lauschen, war jedoch recht schnell verflogen. „Dann werde ich mal ein bisschen Ausschau halten nach diesem Typ.“ Mit diesen Worten war sie keinen Moment später aus ihrem Blickfeld verschwunden.

Conny war also auch der Meinung, dass er genauso gut hier sein konnte. Nicht wirklich beruhigend, wenn sie bedachte, dass sie der bloße Gedanke an diesen Kerl schon schrecklich nervös machte. Wie bitte sollte sie denn in diesem Zustand üben? Es war wirklich zum schreien!
 

Nach zwei reichlichen Stunden des mehr oder weniger ausdauernden Übens von Saskia und dem regelmäßigen Herumlaufen für Conny, ließ sich diese schließlich wieder neben ihrer Musikalischen Freundin nieder und sah sich gelangweilt um.

„Hör mal. Ich habe jetzt alles abgejackt. Der ist hier nirgendwo. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich verschwinde? Matheüben und so?“ Eigentlich war ihr hier einfach nur totlangweilig.

Saskia schüttelte den Kopf. „Ach was. Geh ruhig. Ich denke, ich bleibe noch. Ich werde gerade warm.“

Sie lächelte Conny zuversichtlich an. Wenn sie diese beiden Griffe noch hinbekommen würde, könnte sie sich endlich an ‚Teenager Liebe’ heranwagen.

„Bist du sicher?“ Mit diesen Worten sah sie sich abermals um, doch auch jetzt kam ihr nichts vor die Linse, was annähernd daran erinnerte, was ihre Freundin gesehen hatte.

„Ja, ich bin sicher.“ Saskia nahm die Finger von den Seiten und blickte zu ihr auf. „Dann sehen wir uns morgen?“ Die Sache mit dem Anruf bei Doreen war ihr doch tatsächlich aus dem Gedächtnis verschwunden, weil ihre Konzentration jetzt so enorm bei ihrem Spiel lag und auch Conny war es wohl für den Moment entfallen.

„Na schön. Dann also bis Morgen und wehe, du kommst nicht!“

„Ich komme schon. Mach dir mal keinen Kopf.“

Und nach einer freundschaftlichen Umarmung was Saskia endlich allein.
 

Sie war schon ein bisschen beeindruckt, wie lange ihre Freundin hier fast ohne murren durchgehalten hatte. Stillsitzen und vor allem Still sein war sonst gar nicht ihr Ding. Was doch seltsame fremde Kerle in Ledermänteln alles bewirken konnten. Sie schmunzelte leicht, als sie ihrer Freundin nachsah und dabei die Finger wieder auf die Seiten legte. Sie nicht mehr hier zu haben, war für ihr Spiel vielleicht sogar förderlicher? Sie würde es gleich herausbekommen...
 

Wie eine böse Vorahnung, hörte sie kaum ein paar Minuten, nach denen Conny verschwunden war, hinter sich Schritte auf dem Kies. Saskia spürte sofort die Gänsehaut ihren Rücken hinuntergleiten, doch mit Sicherheit konnte sie gar nicht sagen, wer das war, immerhin hatte sie sich nicht danach umgewand.
 

„Ziemlich hartnäckig deine Freundin.“

Saskia verharrte in der Bewegung. Er war es. Verdammt! Was sollte sie jetzt nur tun? Ihr wurde plötzlich übel. Und da war sie allen ernstes zunächst noch scharf darauf gewesen, ihn wieder zu sehen, um ihn zur Rede zu stellen, doch in diesem Moment dachte sie mit keiner Silbe mehr daran. Stattdessen hatte Saskia sofort ihr Telefon zur Hand, um Conny wieder her zu befehlen, denn so weit konnte sie noch nicht sein, doch er legte, hinter ihrer Bank stehend, ganz langsam seine Hand auf ihre Handy, so dass sie nicht umhin kam, die Hand wieder zu senken.

„Du willst sie doch nicht wirklich wieder hier haben, oder?“

Saskia war verwirrt und doch war sie sauer. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein!? Ruckartig wand sie den Kopf zu ihm hinauf. Aber sein Lächeln war so freundlich. Mit einer ruppigen Bewegung befreite sie sich von seinem Griff.

„Ich traue Ihnen nicht, Mister!“ Gedanklich hatte sie ihre Gitarre in der Hand und zog sie ihm bereits über den Schädel. Ein Gedanke, der sie zusammenfahren ließ und ein zweites Mal, als er sich neben sie auf die Bank setzte.

„Ich werde die Polizei rufen!“, gab sie ihm mit wütendem Blick zu verstehen, doch dieser Kerl schüttelte selbstsicher den Kopf.

„Nein, dass wirst du nicht. Dafür gibt es nämlich auch gar keinen Grund.“

„Ach nein?“ Offensichtlich rückte sie ein Stück von ihm weg. Auf ihr Spiel war ihr die Lust nun gänzlich vergangen. Dabei hatte sie jedoch bereits wieder unauffällig ihr Handy betätigt und es auch fast geschafft, Conny anzuwählen.

„Was soll das? Ich sagte doch, ich bin keine Gefahr.“

Die Verbindung stand fast, da ging wie von Geisterhand das Telefon einfach aus. Sassi schluckte hart. Was war denn jetzt los, mit diesem Ding? Der Akku war frisch geladen gewesen und hier hatte das Telefon auch nicht nach einem Netz suchen müssen, was vielleicht ein vorzeitiges entleeren erklärt hätte. Es war einfach ausgegangen. Aber wieso? Im mürrischer Blick hing sofort wieder an dem Fremden, neben ihr.

„Wie haben Sie das gemacht? Und vor allem warum? Conny will mein realgewordenes Hirngespinst eben auch einmal kennen lernen.“

„Das geht nicht.“

„Wie, dass geht nicht?“ Ein älteres Ehepaar mit ihrem Hund, welches gerade an der Bank vorbeilief, warf einen kritischen Blick auf Saskia. Diese steckte ihnen die Zunge heraus, als sie endlich vorbei waren. „Wieso geht das nicht?“

„Ich kann das eben nicht zulassen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Ärgerlich schnaubend sprang sie von der Bank auf. „Na schön. Dann verschwinde ich jetzt!“

Ruckzuck war das Instrument im Koffer verstaut, die wenigen Notenseiten vom Boden aufgehoben und zur Gitarre im Koffer verschwunden und dieser verschlossen.

„Ich gehe und laufen Sie mir nicht nach!“

Mit großen Schritten stapfte sie davon, doch bereits nach wenigen Metern stand er wieder neben ihr und dieses Mal war sie sich mehr als sicher, dass er einfach so aus dem Nichts aufgetaucht war.

„Verdammte Scheiße!“ Mit vor Schrecken geweiteten Augen blickte sie zu ihm auf. „Wie zum Teufel machen Sie das?“

„Du solltest nicht fluchen, Saskia.“ Mit diesen Worten lächelte er wieder so vertrauenserweckend.

Sassi verzog übellaunig den Mund. Sie hatte jetzt genug. Es reichte! Dieser Kerl tickte doch nicht ganz richtig!

„Hören Sie gefälligst auf, mir nachzulaufen!“

„Das geht leider nicht“, bekam sie allerdings auf ihren Befehl hin zurück und hörte keinen Moment später wieder seine Schritte knapp hinter ihren, auf dem Kiesweg.

Das war doch alles ein schlechter Scherz. Wie kam dieser Kerl dazu, gerade ihr hinterher zu rennen? Gab es keine Frauen in seinem Alter? Oder welche, die diesen Grufti-Stil mochten? Doreen zum Beispiel?

„Es gefällt mir nicht!“ Saskia beschleunigte die Schritte in Richtung Ausgang. Dabei hob sie immer wieder prüfend den Blick, doch Conny war wie es schien, bereits über alle Berge. „Ich wäre so langsam einmal für eine Antwort!“ Sauer starrte sie ihn an. „Aber eine, mit der ich etwas anfangen kann, weil sie Sinn ergibt, klar?!“

„Meinst du wirklich, du verträgst das jetzt bereits?“

Saskia begann sauer zu knurren, was ihm sein Lächeln aus dem Gesicht wischte.

„Na schön. Ich bin geschickt worden. Zufrieden?“

„Geschickt? Von wem? Meiner Mutter?“

Ein Kopfschütteln war seine Antwort darauf.

„Von wem dann? Den Jungs am Dom? Weil die jetzt auch noch versuchen, mir das Leben zur Hölle zu machen?“

„Nein, ich...“ Er suchte nach den richtigen Worten. „Ich befürchte, ich hab bereits zu viel erzählt, sagte er stattdessen jedoch.“

„Finden Sie? Ich allerdings nicht. Ich hab noch immer keinen blassen Schimmer was hier gespielt wird!“

Der langhaarige Kerl nahm die Hände hinter den Rücken und folgte ihr weiterhin gemächlichen Schrittes. „Ich habe dir gesagt, dass ich geschickt wurde und eigentlich dürfte ich so gar nicht hier bei dir sein. Du musst schon von selbst dahinter kommen. Ich darf es dir nicht sagen.“

„Na da haben wir es doch! Sie dürfen NICHT hier sein! Also verschwinden Sie wieder.“ Sie schenkte ihm ein bösartiges Grinsen.

„Ich befürchte jedoch, dass geht auch nicht.“

Resigniert ließ Saskia die Schultern hängen.

„Na schön. Ich gebe auf. Dann werde ich Sie eben ignorieren.“
 

Auf dem Weg zur U-Bahnhaltestelle sagte sie kein weiteres Wort mehr. Ihr war diese Sache einfach zu undurchsichtig. Saskia schwieg tapfer. Obwohl das so gar nicht ihre Art war und sie die Schritte dieses Kerls mehr als genau hinter sich hören konnte. Auch die Treppe zum Bahnsteig hinunter. Sie würde so tun, als sei er nicht hier! Das wäre ja noch schöner! Er hielt sie hier mit völlig unsinnigen Worten hin und sie sollte tun, als sei alles in Ordnung! Falsch gedacht! So nicht! Nicht mit ihr! Da musste er sich schon ein anderes Dummchen suchen, welches sich von seiner Geheimniskrämerei beeindrucken ließ.

Auf die Bahn wartete sie keine fünf Minuten und zu ihrer Überraschung war er auch plötzlich nicht mehr hinter ihr. Der Bahnsteig war nahezu leer. Erleichtert atmete Sassi auf. Sie war ihn losgeworden? War das so einfach? Ihn ignorieren und Schwupp! war er weg? So einfach? Völlig entspannt stieg sie ein und ließ sich auf einem der ruinierten Sitze nieder. Dabei hing ihr Blick dennoch an in Leuten in ihrem Abteil. Auch wenn sie den langhaarigen Kerl nicht sehen konnte, hatte sie dennoch das Gefühl, er war nicht weit. Was war das nur? Welche seltsame Kraft strahlte dieser Mann aus? Was stimmte nicht mit ihm? Sie war irritiert darüber, dass sie gerade jetzt, wo er nicht hier war, sich ernsthaft über ihn Gedanken zu machen schien.
 

Doch sie sollte nicht mehr lange nur dem Gedanken an ihm nachhängen. Kaum hatte sie die Wohnungstür aufgeschlossen, stand er auch schon im Flur. Ihr rutschte das Herz fast in die Hose. Saskia versuchte sich zu sammeln und blickte über den Gang. Der Fernseher im Wohnzimmer lief auch am heutigen Abend. Mürrisch blickte sie den langhaarigen Mann an.

„Verschwinden Sie endlich!“, zischte sie schließlich ungehalten und trat aus der Wohnungstür, dass er vorbei kam, doch er tat nichts dergleichen. „Ich werde jetzt die Polizei rufen!“

„Du solltest stattdessen einmal nach deiner Mutter sehen“, bekam sie darauf jedoch zurück. Ungerührt ließ er seine Hände in den Manteltaschen verschwinden.

„Nach meiner Mutter?“

Er nickte.

„Und Sie verschwinden?“

Genau in diesem Moment löste er sich vor ihren Augen tatsächlich in Luft auf. Saskia schnappte nach Luft. Was war das jetzt? So war das doch gar nicht gemeint gewesen. Sie hatte sich diesen Mann doch nicht nur eingebildet! Oder doch? Unruhig sah sie über den Gang und zwickte sich dabei schmerzhaft in den Arm, aber er war in keinem Zimmer verschwunden. So viele Zimmer hatte diese Wohnung nicht.

Sie legte schließlich die Gitarre auf ihr Bett und betrat mit einem nun erst recht unguten Gefühl schließlich das Wohnzimmer. Ihre Mutter hockte zusammengekauert auf der Couch und heulte Rotz und Wasser, doch was im Fernseher gerade lief, war lediglich Werbung. Als Sassi eingetreten war, versuchte ihre Mutter tapfer das Schluchzen zu unterdrücken.

„Geht’s dir nicht gut?“ Sie bekam nur ein Schweigen auf ihre Frage und setzte sich schließlich zu ihr. „Was hast du denn?“ Die Ruhe machte sie verrückt. „Komm schon, Mum.“ Dabei griff sie nach ihren zitternden Händen. „Was ist denn passiert?“

Tief atmete diese durch, bis sie sich endlich zu einer Antwort durchringen konnte.

„Mein Chef hat mich entlassen, aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, es dir zu sagen.“

Daher wehte also der Wind. Saskia schloss ihre Mutter sofort in die Arme. Auch wenn ihr jetzt so einige Dinge auf der Seele brannten, schwieg sie nur. Und Gefühlsduselei war auch nicht ihr Ding.

„Soll ich dir einen Tee machen?“, sagte sie stattdessen. Was auch eine wunderbare Gelegenheit war, hier wieder wegzukommen. Saskia tat die Sache zwar leid, aber was hätte sie denn machen sollen?

„Ich bin gleich wieder da“, sagte sie schließlich mit einem vertrauenserweckenden Lächeln und trat den Weg zurück durch den Flur an. Beim Gedanken daran, das hier gerade dieser Kerl verschwunden war, war ihr Unwohlsein jedoch sofort wieder zurück.
 

In der Küche war keiner, als sie eintrat. Ihr Weg führte sie zunächst zum Kühlschrank, der zu ihrer Überraschung weitaus weniger gut gefüllt war, als sie es gewohnt war. Sie schnappte sich die letzte Erdbeere und ließ die Tür wieder zufallen, doch als sie sich dem Wasserkocher zuwenden wollte, traf sie erneut fast der Schlag. Da war wieder dieser Kerl. Warum nur war sie jetzt dennoch überrascht?

„Sie wussten das mit meiner Mum?“

„Ja“, gab er lediglich zurück und ließ sich auf einem der Hocker nieder, während er sie dabei beobachtete, wie sie den Wasserkocher füllte.

„Wie lange geht das schon?“

„Seit zwei Wochen“, war seine prompte Antwort darauf.

Saskia starrte ihn überrascht an.

„Wie kann es sein, dass ich davon nichts mitbekommen habe...?“, fragte sie sich zwar selbst, bekam aber trotzdem eine Antwort.

„Weil du kein besonders aufmerksamer Mensch bist.“

Sassi biss anstelle einer zickigen Antwort lediglich die Zähne zusammen.

„Und wie lange treiben Sie hier bereits ihr Unwesen?“

Er musste schmunzeln, als sie ihre Frage derartig formulierte. „Seit etwa drei Wochen.“

Saskia trat schließlich heran und ließ sich ihm gegenüber nieder. „Sind Sie... ein Geist?“ Etwas anderes würde kaum einen Sinn ergeben. Sie hatte ihn auftauchen und wieder verschwinden sehen. Aber rein logisch betrachtet, ergab das alles dennoch keinen Sinn.

„Nein, ich bin kein Geist. Ich bin ein bisschen realer, als es ein Geist ist.“

Mit gerunzelter Stirn sah sie ihn einfach nur an. Auf sie machte er irgendwie den Eindruck, als müsste alles so sein, wie es gerade war. Ohne zu zögern streckte sie schließlich die Hand nach seinem Arm aus und wurde auch nicht enttäuscht. Sein Arm war real. Genauso wie das kalte Leder unter ihren Fingern echt anfühlte.

„Zufrieden?“ Er schmunzelte keck, doch dann sprang Saskia auch bereits auf, weil der Wasserkocher soweit war. Sie nahm zwei Gläser aus dem Schrank versah diese mit Teebeuteln und füllte das Wasser ein.

„Nimm doch noch ein paar Erdbeeren mit“, kam der Vorschlag von seltsamen Geist, doch Saskia stockte kurz, denn sie wusste genau, dass sie die Letzte gerade gegessen hatte.

Er konnte ihre Hemmung wohl spüren. „Sieh doch einfach noch einmal nach.“

Resigniert tat sie schließlich doch, wie ihr geheißen und sie staunte nicht schlecht, als die eben noch leergewesene Schale wieder voll war.

„Wie...?“ Saskia wand sich zu ihm um, doch sie fragte nicht weiter. Diese Sache war einfach im ganzen betrachtet viel zu skurril. Das zu verdauen, würde bei ihr wohl noch eine Weile dauern. Stattdessen nahm sie sich die Erdbeerschale und die beiden Gläser.

„Kein Wort von mir! Dass ich mich dir offenbart habe, bedeutet bereits genug Ärger. Es sei denn natürlich, du willst mich wirklich loswerden...“

Saskia hatte es sich plötzlich anders überlegt und schüttelte den Kopf. „Ich werde ihr nichts verraten.“
 

Ich habe diese Geschichte leider hier beenden müssen. Irgendwie läuft sie mir gerade aus dem Ruder.

(Ich hoffe dennoch, meine Viruserkrankung und der Matsch , der sich in meinem Kopf tapfer hält, hat diese Geschichte nicht völlig versaut. Es gab noch einiges, was ich noch einbauen wollte, aber das hätte den Rahmen wohl mittlerweileganz klar zersprengt)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Monsterseifenblase
2011-03-05T10:38:43+00:00 05.03.2011 11:38
Einen wunderschönen guten Morgen!

Ich habe an die acht Stunden geschlagen und gerade eben lecker gefrühstückt und aufgrunddessen fühle ich mich jetzt endlich dazu in der Lage, die Geschichte noch einmal in Ruhe zu lesen und dir auch einen gebührenden Kommentar dafür zu schreiben:) Ich muss dieser wunderfeinen FF die ja extra für mich geschrieben worden ist (was ich immer noch super finde) auch gerecht werden.

Also,
Ich fang einfach mal ganz allgemein bei der äußeren Form an. Das Layout find ich gut gelungen, ich mag die Fotos, die du ausgesucht hast. Besondern das von Saskia. Das sieht wirklich gut aus, was mich um so neugieriger auf die FF selbst gemacht hat. Auch den Titel finde ich an sich gut, aber dadrauf komme ich stpäter noch einmal zu sprechen.
Die Absätze finde ich gut gesetzt und machen das Lesen ziemlich angenehm. Ich gebe zu, ich bin gestern abend das ein oder andere Mal in der Zeile verrutscht, aber aufgrund der Tatsache, dass mir das heute morgen nicht passiert ist, tippe ich darauf, dass daran eindeutig meine Übermüdung schuld war:D

Sprachlich gesehen ist es meiner Meinung nach überhaupt kein Vergleich zu der FF 'Das Tor' die ich ja noch nebenher lese und an der ich diesbezüglich immer ein bisschen rummecker. Ich hab ja schon die ganze Zeit gesagt, dass man immer aufpassen muss in wie weit man sich die Kritik an alten FFs zu Herzen nehmen soll:) Aber um wieder zum Thema zurückzukommen, zusammenfassend auf sprachlicher Ebene defintiv deutlich besser als bei 'Das Tor'. Klar, es sind ab und an noch Macken drin, aber das ist normal, das findet man bei mir genauso, gerade wenn ich eine FF erst einmal Korrektur gelesen habe. Irgendwo in der Geschichte hier hast du zum Beispiel geschrieben: bereits fast zu spät.
Grammatikalisch denke ich von in Ordnung, aber von der Formulierung bin ich da einfach kein Fan von. Und ja, ich habe in FFs häufig Sätze die ich nicht mag, auch wenn sie richtig sind und dafür habe ich aber auch sogenannte 'Lieblingssätze' die ich aus irgendeinem Grund toll finde. (Frag mal das arme Mädchen, deren Sachen ich beta...da steht dann manchmal nur: Uuuu...den Satz mag ich!:) Aber in deiner FF hier habe ich auch einen Lieblingssatz gefunden, was bei dem Tor noch nicht der Fall gewesen ist:
Ihre Nacht war jedoch alles andere als ruhig. Sie schlief ewig nicht ein, träumte seltsames Zeug und am Morgen hätte sie ihren Wecker am liebsten zertreten.
Keine Ahnung war, aber die Sätze bzw. die Formulierung mag ich :)

An manchen Stellen hast du ein paar Flüchtigkeitsfehler drin was das Setzen von den Anführungszeichen drin, aber das passiert, nehm ich dir nur krum. Heute mrgen konnte ich es trotzdem ohne weiteres lesen, auch wenn es mich gestern Nacht ein wenig verwirrt hat. Ach ja, bevor ich es vergessen, bei dieser FF kann auch mal wunderbar was zum Aufbau sagen, den ich ziemlich gut gelungen finde, weil du einen schönen Spannungsbogen drin hast. Schade ist natürlich, dass sich das ganze am Ende nicht wirklich auflöst und das typische Ende an sich eigentlich fehlt...das hättest du vielleicht noch in ein oder zwei Sätzen ein bisschen abrunden können. Sprachlich gesehen! Ich rede nicht davon, dass du das Rätsel inhaltlich auflösen sollst, aber was den Inhalt betrifft...da kommen wir gleich zu....du weißt ja jetzt, ich heb mir das Beste immer bis zum Schluss auf :D
Also, Ende hätte sprachlich vielleicht noch ein bisschen abgerundet werden können, ansonsten gefiel mir der Aufbau, auch wenn die Sprünge, die du eingebaut hast ein bisschen sehr stark ins Gewicht fielen, aber großartig gestört hat das nicht. Besonders super fand ich übrigens das hier:
Gelangweilt hockte sie auf dem Treppenabsatz, einem der Nebeneingänge zum Dom. Hier saßen sie immer. Saskia und ihre Clique. Eine kleine eingeschworene Truppe von vielleicht zehn Leuten. Einige von ihnen waren noch nicht einmal volljährig. Dennoch saßen sie hier und ließen sich diverse alkoholische Getränke schmecken.
Jeden Abend dasselbe Spiel. Jedenfalls so lange, bis eine Polizeistreife sie verjagte. Dann waren alle immer ungemein schnell auf ihren Fahrrädern verschwunden. Nur heute nicht. Irgendetwas schien heute Abend wieder passiert zu sein, denn es tauchte keiner, der auch so verhassten, Polizisten hier auf. Und genau das, war gerade das Gesprächsthema.

Das ist Einleitung wie ich sie mag, gefällt mir gut!

So, und jetzt noch zum Inhalt, bevor ich mich auf das nächste Kapitel was ich noch betan muss, schmeiße:)
Den Inhalt mag ich. Sehr sogar. Die Idee an sich finde ich schon super, nicht so wie bei 'das Tor' wo die Grundidee - seien wir ehrlich - nicht wirklich neu und überragend ist. Hier ist das anders und das gefällt mir. Saskia an sich ist eine Person die mir ganz symptatisch ist. Conny mag ich gar nicht. Ich glaube die würde mir nach einer Weile total auf den Zeiger gehen. Und das ich sie auf die Art und Weise nicht mag ist meiner Meinung nach ein gutes Zeichen, weil es ein Stück weit darauf hindeutet, dass du es geschafft hast die Charaktere so ein Stück weit lebendig erscheinen zu lassen :)
Diese seltsame namenlose Mann ist natürlich das mysteriöse an der Geschichte und wenn ich irgendwann mal lieb frage, musst du mir vielleicht erklären wofür er steht. Ganz durchschaut habe ich die Metapher glaube ich nicht -.- *sich schlecht fühlt* Also ich finde ihn unglaublich faszinierend und auch interessant, aber im Ganzen fehlen vielleicht die Hinweise darauf, was er eigentlich darstellt und was er verkörpert...oder ich war doof und hab es nicht verstanden. Will ich gar nicht abstreiten. Oder du hast es bewusst so gehalten, dass sich das nicht eröffnet, was bestimmt auch eine interessante Variante wäre.

*nach oben schielt*
Wow...jetzt hab ich aber echt schon einen Monsterkommi geschrieben, der einer Monsterseifenblase würdig ist. Aber eins habe ich noch. Ich hab ja gesagt, ich komm noch einmal kurz auf den Titel zurück :)
Der Titel ist schön und macht auch neugierig, keine Frage, deshalb fand ich ihn auch von Anfang an so super, weil er damit irgendwie das erfüllt was ich mit einem Titel auch verbinde und so...
Allerdings muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich nicht immer ganz den Bezug zur Geshcichte gefunden habe. Klar, du hast den Dom erwähnt, der ja an manchen Tagen einen sehr zentralen Platz ins Saskias Leben einnimmt, aber das hättest du vielleicht noch schöner ausarbeiten können. Also so, dass man fühlt, dass die Geschichte wirklich im Zusammenhang mit Köln steht oder so...auch das bei Nacht. Der Großteil der Geschichte spielt doch eigentlich tagsüber, oder? Also wenn Saskia mit Conny unterwegs ist z.B. in dem Park oder so...
Also, Titel sehr schön, steht aber nicht komplett im Bezug zur Geschichte finde ich, man erwartet ein bisschen was anderes:)

Und das wars jetzt erst einmal von mir. Muss reichen :D
Ich ziehe mal das Fazit, dass mir die Wichtelgeschichte sehr zusagt und sie mir gut gefällt und ich gerade was die Idee betrifft positiv überrascht bin. Wie gesagt, kein Vergleich zu der anderen FF:)
Und hiermit bedanke ich vielmals dafür, dass du eine so schöne FF für mich geschrieben hast ♥

LG
Monsterseifenblase
Ps. Ja, könnten durch aus Tippfehler drin sein, habe keine Lust diesen Roman noch einmal zu lesen:D


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