Zum Inhalt der Seite

Zeitlos -♠-

100 Storys -1-
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Vail (Der Spinner und ich -1-)

»Warum, Vail?«, fragte ich nüchtern, aber doch leicht besorgt.

»Warum?«, entgegnete mein stämmiger Freund und zuckte die Schultern, »Ganz einfach! Weil ich sie liebe!«

Ich schüttelte den Kopf und betrachtete das Lagerfeuer, wie es stetig vor sich hin flammte und sich an dem Holz nährte. Wie es seine Flammen hungrig nach allen Seiten ausschlug, in der Hoffnung etwas Essbares zu finden. Doch die Steine, die in einem Kreis um es herumlagen ließen dies nicht zu.

Wieder schüttelte ich den Kopf, aber diesmal, weil meine Gedanken mit mir durchgingen. Jetzt dachte ich schon ausgiebig über das Feuer nach.

»Weißt du, Travor«, begann Vail und band sich seine langen weißen Haare zu einem Zopf zusammen, »Es ist so ein unbeschreibliches Gefühl, das mich überkommt, wenn ich sie sehe… Es ist wahrlich das Vollkommenste und Schönste, was ich jemals gefühlt habe.«

Ich seufzte und stocherte mit einem Stock im Lagerfeuer herum. Vail würde es nie begreifen. Er würde nie begreifen, dass sein Job es ihm nicht erlaubte Gefühle wie Liebe zu anderen Personen zu hegen. Und er würde auch nie begreifen, dass er nur eins haben konnte: Entweder seine Liebe, oder seinen Job. Und dennoch, obwohl ich wusste, dass es nichts an seiner Meinung ändern würde, klärte ich ihn ein weiteres Mal über die Folgen auf: »Du bringst damit nicht nur dich selbst, sondern auch sie in Gefahr. Du wirst dich entscheiden müssen, Vail. Wenn du sie wirklich liebst, dann musst du es.«

Doch als ich geendet hatte grinste Vail bloß und ich sah das Funkeln in seinen kalten, grauen Augen, das mir sagte, dass er sich niemals entscheiden würde. Und wie zur Bestätigung streckte er mir die ungesund wirkende, hellrote Zunge raus und entgegnete: »Ich muss mich nicht entscheiden! Ich bin Magier, Travor, schon vergessen? Was glaubst du wohl, wer es wagen würde sich mit mir anzulegen? Cath wird absolut nichts passieren!«

Wohl war, dachte ich und stocherte weiter im Feuer herum. Vail war wahrhaftig einer der Mächtigsten. Ihm war das Magier-Dasein mit in die Wiege gelegt worden. Seine Eltern waren beide ebenfalls Zauberer und hatten somit einen Großteil ihres Erbguts an meinen Freund weitergegeben. Er hatte auch schon früh mit dem Lernen begonnen, hatte seine Fähigkeiten ausgebaut und verbessert. Heute war er definitiv nicht mehr so leicht unterzukriegen. Aber er hatte sich selbst einen Schwachpunkt verschafft, den er sich eigentlich nicht leisten durfte, weder als großer Magier, noch als Assassine. Und er war beides. Es war bloß eine Frage der Zeit, bis jemand auf die glorreiche Idee kam sich Vails Schwachpunkt zunutze zu machen.

»Du musst dich wirklich entscheiden!«

Kaum merklich zogen sich meine Augenbrauen zusammen, als ich mit Unbehagen daran dachte, dass Vail sich niemals hätte verlieben dürfen. Ich hatte mir nie einen solchen Schwachpunkt zugezogen. Nein, ich hatte nachgedacht und mich für eine Seite entschieden: Für die Seite der Assassinen. Und damit musste ich nun leben. Doch Vail…

Ich stand auf und warf den Stock ins Feuer. Dann sah ich auf meinen Freund hinunter, der vor mir auf dem Waldboden hockte. Sein weißes Haar schimmerte rot im Schein des Feuers. Seine Haut war absolut rein. Ich konnte nicht einen winzigen Makel entdecken, schon gar nicht in seinem Gesicht. Er trug eine graue Lederweste und darunter ein schmutziges, weißes Hemd. Daran waren Bänder und Gürtel befestigt, an denen allerhand Dolche und Messer hingen. Auch seine schwarze, mit Löchern übersäte Hose war mit kleinen Waffen bespickt. Sogar in seinen ebenfalls schwarzen Stiefeln befanden sich Dolche. Um genau zu sein wirkte Vail mehr ein Waffenlager, als wie ein Magier.

Plötzlich verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und summte leiste eine Melodie. Es war die Melodie einer dieser komischen Balladen, die wir uns manchmal gezwungener Maßen anhören müssten, wenn wir in einer Taverne saßen und uns betranken. Schließlich wurde aus seinem Summen ein Murmeln und aus dem Murmeln wiederrum wurde ein Gesang.

»Hast du mir überhaupt zugehört?«, fragte ich stutzig, doch Vail ging voll und ganz in seinem ohrenbetäubenden Gesang auf.

»Denn wenn die Welt sich dem Ende neigt, wenn weder Stein noch Tier verweilt, meine Liebe, werden wir gemeinsam untergehen, weil das der Sinn ist, der dahinter schwebt. Von Drachen verbrannt, von Menschen gebrochen, von Henkern gejagt und von Königen verbannt!«

Ich pfiff laut durch meine spitzen Zähne, in der Hoffnung er würde dieses Krächzen lassen. Leider vergeblich. Ich konnte Musiker und vor allem Balladensänger nicht im Mindesten leiden, doch Vails „Gesang“ war mehr als nur grauenvoll. Er war wahrlich unzumutbar! Jedes normale Wesen würde sich lieber auf der Stelle dem Henker ausliefern, als Vail ein paar Sekunden zu lauschen. Zum Dunkel mit diesem Narr, dachte ich und versuchte erneut ihn zu stoppen, »Sag mal! Kannst du vielleicht damit aufhören?« Doch der Bleiche trällerte unaufhaltsam weiter. Ich hatte allmählich Angst, meine Ohren könnten zu bluten beginnen, wenn ich sie noch weiter dieser Lärmbelästigung aussetzen würde. Zum Glück wusste ich, dass sich das Lieb allmählich dem Ende neigte. »Und wenn die Welt in Schutt und Asche liegt, mein Fräulein, dann nehme ich dich huckepack und trag´ dich einfach weg!«

Endlich, dachte ich und ließ mich erleichtert zu Boden sinken. Es war, als würde mich ein Stein von den Ohren fallen, der mutwillig auf sie eingeschlagen hatte.

»Jetzt höre ich dir zu«, verkündete mein Freund und nahm einen großen Schluck von dem Zwergenschnaps, den wir letzte Woche von einem Händler entwendet hatten. Ich hob die Augenbrauchen, wollte aussprechen, was ich zu sagen hatte, öffnete den Mund und stoppte. Was wollte ich eigentlich sagen? Sein Gesang hatte mich so niedergeschmettert, dass ich gar den Faden verloren hatte. »Das ist nun nicht mehr von Belang«, meinte ich, ohne zeigen zu müssen, dass ich vergessen hatte, was ich sagen wollte, »Du solltest jedenfalls eine Entscheidung treffen. Und das sage ich dir als guter Freund, Vail. Also denk darüber nach.«

Er sah nach oben in den Himmel, den man zwischen den Baumkronen erkennen konnte. Seine Augen glänzten im Licht des Feuers. »Ich habe mich doch bereits entschieden«, flüsterte er, ohne den Blick vom Himmel abzuwenden, »Hast du mit denn nicht zugehört, als ich gesungen habe?«

Bei der Erinnerung an den Gesang musste auch ich unweigerlich zum Schnaps greifen und mir einen großen Schluck davon einverleiben. Außerdem hatte ich das dumme Gefühl die Worte bereits zu kennen, die er als nächstes auszusprechen gedachte. »Ich habe mich dazu entschieden, nicht zwischen Cath und meinem Job zu wählen!« Dann lachte er, zuckte kurz mit den Schultern und warf mir den Korken der Flasche an den Kopf, als wollte er damit sagen, dass ich sie verschließen sollte. Ich nahm den Korken zur Hand und senkte den Kopf und beließ es einfach bei Vails Worten, Ich hätte ihn ohnehin nicht mehr umstimmen können, das war mir bewusst. Nach einem weiteren Schluck des scharfen Gebräus steckte ich den Korken auf die Flasche und stellte sie beiseite. Wie eine Flasche voller Alkohol, dachte ich, Liebe ist wie eine Flasche voller Alkohol. Anfangs freundlich und wohltuend, doch später, bei zu großem Genuss kann sie tödlich sein. Es bereitete mir Sorgen, dass Vail sich so entschieden hatte, doch was sollte ich noch tun? Ich konnte bloß das Beste daraus machen und versuchen ihn irgendwie zu beschützen, vor dem Unheil der Welt und vor der Gier eines jeden Wesens. Nur das, mehr nicht. Plötzlich beugte er sich zu mir herüber, direkt über die Flammen des Lagerfeuers, sodass sein schneeweißes Haar beinah Feuer fing. »Was ich dich noch fragen wollte«, begann er im Flüsterton und grinste breit, »gefällt dir mein Gesang nicht?«

»Nein! «, stellte ich klar, »Und ich schwöre dir, wenn du noch einmal anfängst zu trällern, dann erlebst du dein blaues Wunder!«



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2012-02-19T16:33:33+00:00 19.02.2012 17:33
Hallo.
Und wieder ist der Titel schuld. Spinner? Er lässt mich an etwas unbeschwertes oder witziges (meinetwegen auch beides) denken. Bisher hatte ich recht bedrückende Texte von dir gelesen, ernst. Mal sehen, wie richtig ich hier mit meiner Vermutung liege.

Und er war beides.
Bis hierhin wieder interessant. Assassine (worüber ich endlich mal ein Buch lesen wollte) und Magier in einem. Weißes Haar, ungesunde rote Zunge... Was ist Vail wohl? ^^

Um genau zu sein wirkte Vail mehr ein Waffenlager, als wie ein Magier.
Diese Formulierung hier ist irgendwie unschön. "wirkte Vail mehr wie ein Waffenlager, als ein Magier" ? Vielleicht.

Was Vail da singt, ist das ein echter Song? Jedenfalls klingt das ziemlich gut. ^^

Ich konnte Musiker und vor allem Balladensänger nicht im Mindesten leiden, doch Vails „Gesang“ war mehr als nur grauenvoll.
Dieses "doch" wirkt an dieser Stelle nicht. Ein "und" wäre dem Sinn angemessener. Vor allem aber, war Vails Gesang mehr als grauenvoll - klingt auch ganz nett, finde ich.

Zum Glück wusste ich, dass sich das Lieb allmählich dem Ende neigte. "Lied"

als würde mich ein Stein von den Ohren fallen,
Es müsste "würde mir ein" heißen. Allerdings weiß ich nicht, ob diese entstellte Redwendung hier so gut aufgehoben ist. Ein Stein ist eine Last, diesen Lärm als solch eine Last zu bezeichnen, finde ich recht komisch. Er hat sich schließlich vor blutenden Ohren gefürchtet, dann kann das schon mehr als eine schlichte Last sein.
der mutwillig auf sie eingeschlagen hatte.
Aha, so ist die Verwendung hier also gedacht. Wobei ich sie recht witzig finde, die Vorstellung, dass ein Stein auf Travors Ohren schlug und plötzlich runterplumpste.
Ich bin mir unschlüssig, was diesen ganzen Satz angeht, aber tue es einfach mal als Geschmackssache ab. ;)

Hast du mit denn nicht zugehört, als ich gesungen habe?
Klitzekleiner Fehler: "du mir"

Ich nahm den Korken zur Hand und senkte den Kopf und beließ es einfach bei Vails Worten,
Einmal weniger "und" würde diesem Satz gut tun. Außerdem am Ende ein Punkt statt des Kommas.

Den Schluss mag ich allerdings. Vail hat mir zu wenig seinen inneren Spinner gezeigt. Sein Gesang, der Korken, das Feuer. Es hätte, für meinen Geschmack, mehr sein können. Aber trotzdem hat er einen Eindruck hinterlassen. Ein wenig mehr als Travor, den ich ein bisschen... langweilig empfand. Er hätte schon etwas mehr erzählen können, warum er sich solche Sorgen macht.
Nicht ganz das, was ich vom Titel her erwartet hätte. Wieder nicht schlecht geschrieben. Auch ein tieferer Sinn muss bei kurzen Episoden nicht vorhanden sein.

~present for you~
Turnaris
Von:  Remy
2011-08-15T10:53:29+00:00 15.08.2011 12:53
Eine interessante Geschichte, die auch verständlich ist ohne die eigentliche FF zu kennen.
Ich finde die Beschreibungen, wie schlecht Vail singt, irgendwie fast schon witzig. Auch das du so das Wort/Thema untergebracht hast, finde ich gut.
Auch die Darstellung des Feuers und wie sich Travor dann über sich selbst wundert, dass er so ausgiebig darüber nachdenkt, finde ich gut - und irgendwie menschlich.
Ein paar kleine Kommafehler hab' ich zwar entdeckt, finde diese aber jetzt nicht so schwerwiegend, um sie hier extra aufzuführen. Vielleicht schaust du einfach mal selber nochmal drüber, ob du sie entdeckst. ;)

LG Remy
Von: abgemeldet
2011-07-03T14:11:39+00:00 03.07.2011 16:11
interessanter Auftakt zu einer vielversprechenden Geschichte *g*
Ich mag Vail!
Er singt gerneund laut, auch wenn er es nicht kann *lol*

Wie eine Flasche voller Alkohol, dachte ich, Liebe ist wie eine Flasche voller Alkohol. Anfangs freundlich und wohltuend, doch später, bei zu großem Genuss kann sie tödlich sein
Hehe, der Vergleich hat was, besonders wenn man Vails Job bedenkt.

Auf der zweiten Seite kurz vor dem letzten Absatz, ist mir ein Minifehler ins Auge gesprungen. das Lieb das sich da zu Ende neigt, würde bestimmt gerne ein b gegen ein d tauschen *g*

Mir gefällts, und ich geh gleich mal gucken, was das nächste Kapitel bringt :)


Zurück