Zum Inhalt der Seite

Lichtbringer

Der Fall des Lichkönigs einmal anders...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Weg des Paladin

Mit geradezu penibler Akribie hatte Kallian von Seebrück seine Bettstatt gerichtet und seine wenigen Habseligkeiten obenauf in gleicher Sorgfältigkeit drapiert. Seine schmucklose, von vielen Kämpfen gezeichnete Rüstung hatte er auf Hochglanz poliert und auf dem Rüstungsständer arrangiert, seinen ebenfalls vor Sauberkeit funkelnden Hammer, die heilige Waffe aller Paladine hatte er davor gelehnt. Dann nahm er, eins nach dem anderen, die beiden an seinen Schulterstücken befestigten Votivbänder und hauchte einen Kuss auf die in alter Schrift gehaltene Segnung.

Er trat einen Schritt zurück und betrachtete seine Panzerung, die ihm schon so viele Male geschützt hatte. Vor vielen Jahren hatte er die gesamte Erbschaft seiner früh dahingeschiedenen Eltern einem der besten Rüstungsschmiede Sturmwinds für diese schlichte, aber meisterlich gefertigte Arbeit gegeben. Und sie hatte sich bis heute bewährt.

Aber in seinen letzten Kampf würde sie ihn nicht begleiten. In der schwarzen Kathedrale würden sie die Roben des Feindes tragen müssen.

Nicht einen Moment hatte er gezögert, als Hochlord Fordring ihm diese Mission ohne Aussicht auf Rückkehr angeboten hatte. Es war Bestimmung. Das Licht hatte ihn berufen. Endlich schloss sich der Kreis und Gerechtigkeit würde walten. Zu guter Letzt, nach so langer Zeit!

Kallian hatte den pergamentbespannten Rahmen aus dem schmalen Fenster der kleinen Kammer, die er sich mit Seyfried teilte, genommen und stand, nur mit einer kurzen Bruche bekleidet im gleißend hellen Schein der kalten Herbstsonne Nordends, sein Atem wandelte sich zu feinen, schimmernden Wolken vor seinem Mund. Das harte Licht zeichnete jeden einzelnen Muskelstrang auf seinem sehnigen, athletischen Körper nach, so auch die beiden auffälligen, sichelförmigen Narben auf seinem Bauch.

Für einen Moment ruhte sein Blick auf den Narben, dann schloss er die Augen und atmete tief ein. Er hatte viele Jahre die Erinnerungen erfolgreich zur Seite geschoben- aber jetzt kamen sie umso lebhafter nach oben. Jetzt, wo sich dieses Kapitel dem Ende zuneigte.

Es war im Alteracgebirge passiert, im Frühling des Jahres, in dem seine Weihe zum Paladin stattfinden sollte. Sie waren als Adepten unter der Führung des großen Uther Lichtbringers in einer kleinen Gruppe unterwegs zurück von einem Besuch in der Zwergenhauptstadt Eisenschmiede nach Lordaeron. Man hatte ihn angewiesen, an der Seite des jungen Kronprinzen zu reiten, der vor einem Jahr ebenfalls die schwierige Prüfung zum Adepten der silbernen Hand abgelegt hatte. Allerdings war Kallian, wie auch den meisten anderen Adepten klar gewesen, das für den Kronprinz von Lordaeron ganz offensichtlich andere Prüfungsregeln gegolten hatten – der Junge war doch in keiner Weise dazu geeignet, einen heiligen Hammer zu führen! Von den anderen Defiziten ganz zu schweigen. Selbst der große Uther Lichtbringer schien das so zu sehen, denn er beachtete den Prinzen in seinem Unterricht so gut wie nie. Aber er war nun einmal der Kronprinz und da es in der Tradition der Herrscherfamilie Menethil lag, dass der König auch immer ein ausgebildeter Paladin sein musste, nahm man es diesmal mit den Regeln wohl nicht so genau.

 Es hatte einen schneereichen Winter gegeben und so führte der Barren reichlich Schmelzwasser. Soviel, das die kleine Brücke beschädigt worden war und zusammenbrach, nachdem ein Großteil der Gruppe sie überquert hatte. Kallian und Arthas allerdings standen noch auf der anderen Seite. Es kostete sie mehr als einen halben Tagesritt flussaufwärts, um die nächste Überquerungsmöglichkeit zu finden, eine Furt, die trotz des Hochwassers noch durchquerbar war. Kaum hatten sie das andere Ufer erreicht, passierte es. Als sie die Gruppe Strauchdiebe bemerkten, war es bereits zu spät – ein Pfeil hatte das Pferd des Kronprinzen tödlich getroffen und Arthas im Sturz halb unter sich eingeklemmt. Kallian war ihm sofort zur Hilfe geeilt und kaum, das er den Prinzen unter dem Pferd hervorgezogen hatte, griffen die Halunken auch schon an. Es waren mindestens acht oder neun von ihnen, allesamt schwer bewaffnet. Kallian hatte sofort seinen Hammer gezogen und war in Verteidigungshaltung gegangen. Arthas war gerannt. Hatte sich sein Pferd genommen und ritt fort.

Kallian war so verblüfft gewesen, dass er den ersten Angriff nicht kommen sah und die Klinge in seinen Bauch fuhr. Aus den Augenwinkeln hatte er noch gesehen, dass die meisten der Strauchdiebe dem Prinzen hinterher eilten, dann kam auch schon der nächste Hieb, der ihn zu Boden streckte.

Aufgewacht war er wieder in Lordaeron. Uther Lichtbringer kümmerte sich persönlich um ihn  und heilte seine Wunden. Aber die Schwere der Verletzungen zwang ihn, lange Monate zu liegen und es sollte drei ganze Jahre dauern, bis er zur alten Form zurückgekehrt war.

Er erfuhr, dass Uther gerade noch rechtzeitig gekommen war. Mehr wurde ihm nicht erzählt. Arthas war nicht einmal an sein Krankenlager gekommen. Er hätte ihn ohnehin nicht sehen wollen.

Drei Jahre waren seiner Ausbildung unwiederbringlich verloren gegangen und da das Schicksal eine hinterhältige Hure sein kann, fand er sich, als er das Training wieder aufnehmen konnte, ausgerechnet in dem Abschussjahrgang wieder, in dem auch Arthas sich befand.

 

Kallian öffnete wieder seine Augen und sah direkt in das blendend helle Licht an diesem schicksalträchtigen Tag. Genau so rein und hell hatte die Sonne vor fast zehn Jahren an diesem denkwürdigen Tag geschienen, als sie in der Kathedrale zu Stratholme ihre Weihe empfangen sollten…

 

Den  breiten, gepflasterten Weg zu den Stufen der mächtigen Kathedrale zu Stratholme bedeckte wie Schnee ein Teppich aus weissen Blütenblättern, die die jüngsten Frühlingsstürme aus den zarten Blütenmänteln der beidseitig den Weg säumenden, wilden Apfelbäume gerissen hatte. An allen Fahnenmasten flatterten die Banner und Wimpel aller Reiche im fröhlichen Wettstreit gegeneinander. Begleitet von dem weitragenden Geläut der riesigen Bronzeglocken und dem Jubel des zuschauenden Volkes zu beiden Seiten, schritten sie andächtig, einer nach dem anderen in funkelndem Stahl durch das Ehrenspalier der gold-blau gerüsteten, lordischen Königsgarde die Stufen zum weit offenstehenden Hauptportal der Kathedrale hoch. In Prunkornaten gewandete Priester des Lichts nahmen sie oben mit einer tiefen Verbeugung in Empfang und geleiteten sie ins Innere.

Das helle Frühlingslicht fiel durch das bunte Glas der hohen Bogenfenster auf die langen Banner der Königreiche Azeroths, die in der Kathedrale Stratholmes von den Wänden hingen und ließ die prachtvollen Gold- und Silberstickereien in allen Farben des Regenbogens glitzern. Direkt über dem wuchtigen Eingangsportal hing das lange, weiße Banner der silbernen Hand und flatterte leicht in der leisen Brise, die durch die offenen Tore hineinwehte. Die ganze, prächtige Kathedrale war erfüllt von dem süßen Geruch nach Frühlingsblumen und Rauchwerk.

Unter dem immer noch andauernden Glockengeläute schritten sie langsam mit demütig gesenkten Kopf auf den großzügig gehaltenen freien Platz vor dem Altar zu und knieten auf dem eigens ausgelegten, blauen Teppich nieder. Kallian hatte es nicht gewagt, seinen Blick vom Boden zu richten, aber das ihn umgebende Rascheln in dem Kirchengestühl links und rechts gab ihm eine deutliche Vorstellung, wie voll die Kathedrale sein musste.

Er wusste, dass fast der gesamte Hochadel und Klerus von Azeroth anwesend sein würde, ebenso wie eine stattliche Anzahl Bürger aus dem gemeinen Volk. Der junge König Varian von Sturmwind mit seiner Königin würde da sein, ebenso  wie Muradin Bronzebart, der Bruder des Zwergenkönigs Magni Bronzebart und natürlich König Terenas II. von Lordaeron nebst hoher Adliger wie Fürst  Daelin Prachtmeer mit seiner hübschen Tochter Jaina.

Nachdem einer nach dem anderen von ihnen auf dem blauen Teppich niedergekniet war, verstummten die Geräusche in dem gewaltigen Kirchenschiff nach und nach.

Nun fielen die schweren Türen mit einem leisen Donnern zu und das Glockengeläute verstummte langsam. Für einen langen Moment war es so still, dass man eine Nadel hätte zu Boden fallen hören.

 Jetzt begann der Chor, zuerst die tragenden Männerstimmen deren warmes Volumen in die hintersten Ecken des riesigen Kirchenschiffes schwebte um dann von den glasklar jubilierenden Knabenstimmen bis hinauf in den goldenen Himmel der Kathedrale getragen zu werden.

Ein Schauer der Erhabenheit rann Kallian den Rücken hinab und nur mühsam konnte er Tränen der Rührung unterdrücken. Alle Initianten hatten, wie die Tradition es wollte, die Nacht über in der Kathedrale vor ihren Rüstungen gewacht und kurz vor Beginn der Zeremonie das rituelle Bad genommen, dass ihr bisheriges Leben symbolisch von ihnen abwaschen sollte.

Trotz der durchwachten Nacht war Kallian munter wie nie zuvor. Dies war der Augenblick, auf den er sein Leben lang diszlipiniert hingearbeitet hatte. Und es war viel größer, als er es sich je hätte vorstellen können.

Nur wenige von ihnen hatten diesmal die schweren Prüfungen geschafft. Die acht Männer und zwei Frauen kamen aus allen Schichten des Volkes, diesmal waren sogar zwei Zwerge dabei. Und natürlich der Prinz von Lordearon. Er war durch die Kampfprüfung mit dem Hammer gefallen und hatte die Heilerprüfung nicht bestanden und doch kniete er vor em Altar. Uther Lichtbringer hatte ihn nicht zulassen wollen, aber die Kirche war da wohl anderer Meinung gewesen. Und nicht nur das, man hatte den ehrwürdigen Paladin dazu genötigt, als Geste des guten Willens der Krone gegenüber Weihpate für Arthas zu sein.

Kallian wischte derart dunkle Gedankengänge schnell hinfort. Dies war sein großer Tag.

Der Chor stimmte einen neuen Choral an und als die letzten Stimmen verklungen waren, sah Kallian zum ersten Male auf.

Hinter dem wuchtigen, aus weissem Marmor gehauenem und heute blumenbekränztem Altar standen auf einer Empore in zwei Reihen zwanzig der verdientesten Ordensmitglieder. Heute kamen sie allesamt als Weihpaten der jungen Menschen und Zwerge, die hier feierlich in den Orden aufgenommen werden sollten. Er erkannte den ehrenvollen Tirion Fordring, den riesenhaften Gavinrad, den wilden Agravan, Rabineaut, den Eleganten und natürlich den großen Uther Lichtbringer. Mit unbewegter und doch würdevoller Miene wirkten sie in ihren blitzenden Rüstungen und den wallenden, weissen Umhängen wie Statuen vor der riesigen, reichverzierten Goldscheibe, die als Symbol des Lichts den ganzen hinteren Raum einnahm.

Rechts hinter dem Altar, auf einem damastgedeckten Tisch lagen zehn schwere Kriegshämmer, kunstvoll verziert mit den Insignien des Ordens der silbernen Hand. Dem gegenüber stand ein weiterer Tisch auf dem zehn akkurat zusammengefaltete Umhänge lagen.

Nach einem weiteren, langen Schweigemoment trat Erzbischof Alonsyus Faol aus der Apsis und trat zum Altar, verharrte dort mit geschlossenen Augen in der rituellen Geste der geöffneten Arme und schlug dann das Buch der Gebete auf, einen mächtigen Folianten gehalten von einem reichziselierten, juwelenbesetzen Einband aus purem Gold. Hinter ihm waren lautlos zwei weitere Priester aus der Apsis getreten. Beide trugen goldene, nach oben gewölbte Schalen in den Händen.

 Alonsyus Faol sah auf und hob die Stimme.

„Im Angesicht des Lichts haben wir uns heute hier versammelt um diese zehn jungen Männer und Frauen in die Gemeinschaft des Ordens der silbernen Hand aufzunehmen.

Lange Jahre schon sind sie auf dem Pfad des Lichts gewandelt. Sie wissen die Macht des Lichts gegen unsere Feinde zu richten. Sie wissen Weisheit des Lichts zum Wohle unserer Völker einzusetzen. Sie wissen in der Klarheit des Lichts die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Sie wissen den Trost des Lichts dem Leid entgegenzusetzen. Sie alle sind den Pfad bis zum Ende gegangen und nun bereit, in die Gemeinschaft derer aufgenommen zu werden, die mit dem Licht im Herzen ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben unsere Völker schon seid Generationen beschützen.“

Die weit über siebzig Jahre hörte man dem durchdringenden Bariton des Erzbischofs nicht an. Er war wieder einen Schritt hinter den Altar zurückgetreten, schloß die Augen und begann nun das Gebet des Erwachens zu sprechen. Leise murmelnd fiel Kallian wie viele andere auch in dieses Gebet mit ein.

Dann stimmte der Chor die Ode an das Licht an und fast alle Anwesenden sangen mit. Nachdem die letzten Stimmen im Kirchegewölbe verhallt waren trat Erzbischof Faol vor den Altar. Die beiden Priester folgten ihm und positionierten sich zu beiden Seiten. Nun lösten sich zwei Paladine aus den zwei Reihen der Ordensmitglieder, einer von ihnen war der damals schon graubärtige Tirion Fordring, der einen der Hämmer ergriff,  der andere Marinor der Gerechte,  der sich einen der Umhänge über den Arm legte. Mit würdevoll bedächtigen Schritten kamen sie nach vorne und stellen sich neben den Altar.

 Im Gegensatz zu dem Kronprinzen wusste noch keiner der anderen Initianten, wer Weihpate sein würden und so richteten sich neun gespannte Augenpaare auf die beiden Paladine.

Erzbischof Faol breitete nun die Arme aus und rief: „Im Namen des Lichts rufe ich dich, Kallian aus Seebrück.  Tritt vor wenn du bereit bist den Schritt ins Licht zu gehen!“

Tirion Fordring war sein Taufpate! Mit stolzgeschwellter Brust erhob er sich mit einem kaum merklichen Zögern und trat vor den Erzbischof.

„Willst du, Kallian aus Seebrück im Namen des Lichts die Weihe zum Ritter der silbernen Hand demütig empfangen und die dir wörtlich erklärten Regeln des Codex nach deinem besten Können erfüllen?“

Kallian nickte und entgegnete mit lauter, energischer Stimme. „ Ja ich will!“

Nun trat Marinor hinter ihn, entfaltete mit einer sorgfältig ausgeführten, rituellen Geste den langen weißen Umhang und hielt ihn über Kallians gerüstete Schultern.

Tirion Fordring stellte sich vor ihn und reichte ihm den Schaft des horizontal gehaltenen Hammers den er in der Mitte ergriff währen Fordring den Hammer auch noch weiterhin festhielt. Auf dem Gesicht des älteren Paladins  stand ein feines Lächeln und er nickte Kallian kaum merklich zu.

„Schwörst du, Kallian aus Seebrück,  mit der dir vom Licht verliehenen Macht unsere Feinde zu bekämpfen und die Wehrlosen zu beschützen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“

Der Hammer in seinen Händen hatte sanft zu leuchten begonnen.

„Schwörst du, Kallian aus Seebrück,  mit der dir vom Licht verliehenen Weisheit das Wohl anderer immer über dein eigenes zu stellen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“

Das Leuchten des Hammers wurde immer stärker.

„Schwörst du, Kallian aus Seebrück,  mit der dir vom Licht verliehenen Klarheit niemals deine Sicht von Schatten trüben zu lassen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“

Der Hammer erstrahlte in gleissender Helligkeit und hüllte Kallian in eine Aura reinsten Lichtes. Das Gefühl, das ihn durchströmte, war unbeschreiblich.

„So knieet denn nieder und empfangt den Segen.“

Marinor, der hinter ihm  stand legte ihm jetzt den Umhang über die Schultern, während Tirion Fordring seine Hände von dem Hammer löste. Das weiß glühende Licht blieb. Kallian kniete nieder, den Hammer mit beiden Händen senkrecht vor sich haltend. Die leuchtende Waffe umgab ihn immer noch mit einem geradezu magischen Strahlen.

Der Erzbischof legte seine Fingerspitzen auf Kallians Stirn.

„Sei treu und beständig, sei freigiebig und demütig, sei mutig und voller Güte, achte auf dein Benehmen, sei standhaft deinen Feinden gegenüber und wohltätig zu den Armen. Vor allem liebe das Licht und richte weise gemäß seinem Gebot.“

Einer der Priester reichte ihm die Schale die er trug. Mit dem Finger fuhr Faol hinein und drückte einen Aschepunkt auf Kallians Stirn.

„Das Mal der Asche soll dich ständig an die Demut erinnern, die du im Herzen tragen sollst.“

Dann tauchte er seinen Finger in die Schale des anderen Priesters und wusch die Asche mit einem Wassertropfen weg. „Mit dem Wasser der heiligen Quelle segne ich dich- möge das allgegenwärtige Licht dich beschützen, heute und immerdar.“ Zum ersten Mal lächelte der Erzbischof.

„Und nun erhebt euch, Kallian von der silbernen Hand!“

Mit einem glückseligen Lächeln auf seinem Gesicht wandte Kallian, den immer noch leuchtenden Hammer in den Händen haltend, sich für einen kurzen Moment zu den Zuschauern um. Applaus brandete auf während der frisch gekürte Ritter zu den Ordensbrüdern und – schwestern auf der Empore schritt um sich dort unter willkommenem Kopfnicken einzureihen.

Dann wandte sich der Erzbischof dem nächsten Initianten zu. Es war die junge Maygwen Turnstub, ein burschikoses Mädchen aus Stratholme, das mit ihrer unkomplizierten Art von allen sehr geschätzt wurde. Trotz ihrer eigentlich recht schlanken Statur hatte sie als eine der wenigen Frauen die Prüfung mit dem Hammer bestanden.

Und als sie nun mit dem heiligen Hammer vor dem Altar um die Wette strahlte, freute Kallian sich aus ganzem Herzen mit ihr.

Eine Weihe folgte der nächsten, alles lief ab wie zuvor. Schließlich rief Erzbischof Faol als letzten den Prinzen von Lordaeron vor den Altar. Kallian beflügelte Stimmung begann zu sinken. Er war zu einem zugegebenermaßen gut aussehenden, jungen Mann herangewachsen, dem, wie man allenthalben hörte, die Herzen der Hofdamen nur so zuflogen. Obwohl er mittlerweile erstaunlich gut gelernt hatte, mit dem Schwert umzugehen sah Kallian immer noch den ungelenken, feigen Jungen in ihm, der ihn einst im Stich gelassen hatte.

„Im Namen des Lichts rufe ich dich, Arthas Menethil. Tritt vor wenn du bereit bist den Schritt ins Licht zu gehen!“ Der Prinz erhob sich und trat ohne zu Zögern vor. Und Kallian stellte fest, was wohl kaum einem anderen auffiel, dass der Prinz immer noch sein rechtes Bein leicht nachzog. Kallian schüttelte unmerklich seinen Kopf. Arthas Menethil hätte niemals eine Paladinausbildung beginnen dürfen!

„Willst du im Namen des Lichts die Weihe zum Ritter der silbernen Hand demütig empfangen und die dir wörtlich erklärten Regeln des Codex nach deinem besten Können erfüllen?“

„Ja, ich will!“ Eine unbeirrbare Entschlossenheit klang deutlich in der klaren Stimme mit.

Uther und Sir Agravan waren mit Hammer und Umhang vor wie hinter ihn getreten und nun reichte Uther ihm den Hammer. Ein wenig überrascht bemerkte Kallian, dass nach seinem zunächst sehr entschlossenen Auftreten der Prinz jetzt einen Moment zögerte bevor der den Hammerschaft in der Mitte packte.

„Schwörst du, Arthas Menethil mit der dir vom Licht verliehenen Macht unsere Feinde zu bekämpfen und die Wehrlosen zu beschützen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“

Der Hammer blieb dunkel.

„Schwörst du, Arthas Menethil mit der dir vom Licht verliehenen Weisheit das Wohl anderer immer über dein eigenes zu stellen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“

Kein Licht. Nichts. Die Anspannung auf dem Gesicht des Prinzen wuchs. Wie auch bei Kallian. Mit wachsender Erregung beobachtete er, was er sich niemals hatte träumen lassen.

„Schwörst du, Arthas Menethil mit der dir vom Licht verliehenen Klarheit niemals deine Sicht von Schatten trüben zu lassen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“ Jetzt machte sich die Nervosität des Prinzen auch mit einem deutlichen Zittern in seiner Stimme bemerkbar. Der Hammer wirkte dunkel und leblos.

Dann knallte der Hammer mit lautem Geschepper auf den Marmorboden. Uther und Arthas hatten den Hammer offensichtlich im selben Moment losgelassen. Sir Agravan der hinter Arthas stand war mit dem Umhang irritiert ein paar Schritte zurückgetreten. Ein Raunen ging durch die Reihen der Zuschauer. Und obwohl der junge Prinz allem Anschein nach mit aller Kraft versuchte ruhig und gelassen zu bleiben gelang es ihm nicht- Verbitterung, Enttäuschung und Wut waren nur zu deutlich von seinem Gesicht abzulesen.

Kallian mochte seinen Augen nicht trauen. Und dann durchzog ihn das kribbelne Gefühl des finalen Triumpfes. Das Licht versagte Arthas die Segnung! Gerechtigkeit, endlich!

Hier zu stehen und zu erleben, wie das Licht den Kronprinzen vor aller Augen demütigte und entlarvte entschädigte ihn für all die Jahre voller Frustration und Verbitterung. Das heilige Licht hatte der Gerechtigkeit einmal mehr Genüge getan!

 

Uther stand mit dem Rücken zu Kallain, aber seine Körperhaltung sprach Bände. König Terenas II. wirkte wie versteinert. Gerade als Uther sich zu Erzbischof Faol hinüberbeugte um ihm etwas ins Ohr zu flüstern sprang Muradin Bronzebart auf und eilte zum Altar.

„Hochwürden, lasst den Jungen auf ein Schwert schwören!“

Verärgert fuhr Uther Lichtbringer herum. „Herr Bronzebart, ihr mögt der Bruder eines Königs sein- das aber gibt euch noch lange nicht das Recht, diese Zeremonie auf derart unangebrachte Weise zu stören!“ Das Raunen im Zuschauerraum wurde lauter.

Der Zwerg zeigte sich von Uthers Worten völlig unbeeindruckt.

„Hochwürden, ich bitte euch- lasst den Jungen auf ein Schwert schwören. Mit Hämmern ist er noch nie gut klargekommen!“ Auch Arthas war Bronzebarts Auftritt offensichtlich ausgesprochen unangenehm.

„Herr Bronzebart!“ Uther konnte den höflichen Tonfall seiner Stimme nur mühsam beibehalten. „Dies sind alte, erwürdige Rituale die über Generationen weitergegeben worden sind und in ihrer Beständigkeit unsere Werte zementieren. Und da kommt ihr daher und wollt sie mal eben ändern! Das ist anmaßend- und eine Beleidigung all derer, die für diese Werte einstehen!“

Muradin rümpfte die Nase. „Geht es hier um Waffen oder um Personen?“

Erzbischof Faol sah sich beinahe hilfesuchend zu den anderen Paladinen um. Kallian beobachtete mit dem besorgten Gefühl des schwindenen Triumpfes seine Ordensbrüder- und schwestern. Bronzebarts Frage hatte einige von ihnen wohl zum Nachdenken gebracht, denn jetzt wurden vereinzelte Stimmen aus ihren Reihen laut.

„Ja, gebt ihm ein Schwert!“

„Lasst ihn auf ein Schwert schwören!“

Aus dem Zuschauerraum ertönten mittlerweile ähnliche Rufe.

Tirion Fordring sah sich fragend in den Reihen der Paladine um. Und fast alle nickten ihm zustimmend zu. Fordring, als dienstältester Paladin des Ordens, trat vor und richtete seine förmlichen Worte laut und deutlich an den Erzbischof.

„Erzbischof Faol, lasst den Initianten im Namen des Lichts auf ein Schwert schwören.“

Kallian schrie innerlich auf. Nein! Wie konnte Tirion Fordring so etwas zulassen? Wie konnte sein Weihpate so eine Blasphemie ausprechen?

Aber auch Uther wandte sich entrüstet zu dem älteren Mann um.“Beim Licht, Fordring, wie könnt ihr es billigen, dass unsere heiligen Traditionen derart gebrochen werden!“

Tirion sah ihn ruhig an. „Uther, selbst das Licht ist tagtäglich einem ständigen Wandel unterzogen. Auch Traditionen können sich ändern- und dennoch ihren Wert und ihre Beständigkeit behalten.“ Uther wollte etwas entgegnen, besann sich aber und warf einen langen Blick auf Arthas. Dann drehte er sich wieder zu Tirion um und nickte mit einem eigenartigen Ausdruck von Einsichtigkeit und Trotz. „So sei es denn. Aber ich kann der Zeremonie nicht länger als Pate beiwohnen.“

Er deutete eine kurze, steife Verbeugung in Arthas Richtung an und reihte sich dann bei den Paladinen ein. Kallian sah ihm verzweifelt nach. Agravan, der immer noch mit dem Umhang in der Hand hinter Arthas stand zuckte mit den Schultern und warf Erzbischof Faol einen fragenden Blick zu.

Dieser wirkte mittlerweile wieder sehr gefasst. „Holt ein Schwert!“

Auf den Zuschauerbänken hatte sich jetzt ein breitschultriger Mann in festlicher, aber einfacher Kleidung erhoben. „Ich habe ein Schwert für seine Hoheit!“ Er zwängte sich an seinen Sitznachbarn vorbei zum Mittelgang und kam nach vorne. Am Altar angekommen kniete er demütigst vor Faol nieder und hob ihm einen schlichten, aber wunderbar gearbeiteten Anderthalbhänder entgegen. Behutsam nahm Faol das Schwert auf und betrachtete es kurz. Dann wandte er sich an den immer noch knienden Mann.

„Wie ist euer Name, guter Mann?“ Der Mann hielt seinen Kopf weiterhin gesenkt.

„Guston Turnstub, Waffenschmied aus Stratholme, euer Hochwürden. Ich fertigte die Klinge für meine Tochter als Geschenk zu ihrer heutigen Weihe. Und ich weiß, dass sie mir aus ganzem Herzen zustimmt wenn diese Klinge nun seine Hoheit bekommt.“

Kallian warf Maygwen einen schnellen Blick zu und sah, wie die junge Frau mit überglücklichem Strahlen auf dem Gesicht fast unmerklich nickte. Das war doch ein abgekartetes Spiel!

Jetzt drehte sich auch Erzbischof Faol zu ihr um. „Maygwen von der silbernen Hand, so bitte ich euch als Zeremonienpate für den Initianten nach vorne zu kommen.“

Verunsichert zögerte die junge Frau, als könne sie noch gar nicht begreifen, welche Ehre ihr gerade zuteil wurde. Die Zeremonienpatenschaft war stets ein Privileg verdienter Paladine gewesen. Faol reichte ihr jetzt einladend seine Hand entgegen.

„Unter diesen ungewöhnlichen Umständen heute erscheint es mir genau richtig, dass ihr diese ehrenvolle Aufgabe übernehmt.“

Kallian war fasusnglos. Ein Traditionsbruch folgte dem nächsten. Was geschah hier?

Maygwen war mittlerweile nach vorne gekommen, nahm von Faol das Schwert entgegen und hielt es nun stolz dem Thronfolger von Lordaeron hin. Dieser hatte die ganze Zeit regungslos dar gestanden, nur sein Gesicht hatte die ganze Bandbreite der Emotionen wiedergespiegelt, die in seinem Innersten tobten. Aber jetzt umspielte ein leises, fast dankbares Lächeln seine Mundwinkel als er auf die junge Frau vor ihm hinab sah. Ein Kirchendiener in weißer Robe kam herbeigeeilt, nahm den Hammer der immer noch vor Arthas’ Füssen lag und brachte ihn fort.

Der Erzbischof wandte sich wieder an den knienden Guston Turnstub und legte seine Fingerspitzen auf dessen Stirn. „Gesegnet seiest du und deine Familie im Namen des allgegenwärtigen  Lichts. Gehe hin in Frieden.“ Dann setzte er ihm den Aschepunkt auf die Stirn und wusch ihn mit dem heiligen Wasser wieder ab. Der Waffenschmied erhob sich, verbeugte sich noch einmal tief, warf seiner Tochter einen schnellen und sehr stolzen Blick zu und ging wieder zurück zu seinem Sitzplatz. Auch Muradin Bronzebart war mit einem ausgesprochen zufriedenem Gesichtsausdruck wieder zu seinem Platz gegangen.

Erzbischof Faol räusperte sich, laut und deutlich. Feierliches Schweigen kehrte wieder in die Kathedrale ein.

Auf ein Nicken des Erzbischofs hin legte Arthas seine Hände auf das Schwert.

„Schwörst du, Arthas Menethil mit der dir vom Licht verliehen Macht unsere Feinde zu bekämpfen und die Wehrlosen zu beschützen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“

Und wieder blieb es dunkel. Die Paladine auf der Empore tauschten Blicke, im Publikum ertönte leises Raunen. Kallian beruhigte sich langsam wieder

„Schwörst du, Arthas Menethil mit der dir vom Licht verliehen Weisheit das Wohl anderer immer über dein eigenes zu stellen?“

„Beim Licht, ich schwöre!“

Arthas Stimme war leiser geworden. Und kein Leuchten auf dem Schwert. Ein leises Lächeln spielte um Kallians Mundwinkel. Er hatte sich umsonst aufgeregt. Alles war gut.

„Schwörst du, Arthas Menethil mit der dir vom Licht verliehenen Klarheit niemals deine Sicht von Schatten trüben zu lassen?“

„Beim Licht und bei meinem Blute, ich schwöre!“

Arthas Stimme klang nun fast verzweifelt. Und als ob das fehlende Leuchten auf dem Schwert nicht ausreichte, schob sich nun draussen ein dunkle Wolke vor die Sonne und die tanzenden bunten Sonnenflecken wichen einem eigenartigen Dämmerlicht. Das besorgte, teilweise sogar verängstigte Tuscheln im Publikum war lauter geworden.

Arthas Gesicht war kreideweiss geworden. Da standen nicht nur Entäuschung und das hochpeinliche Gefühl des völligen Versagens in seinem Gesicht, das war auch etwas anderes. Angst. Nackte, blanke Angst. Das überraschte Kallian nun doch, aber es nährte nur noch seine tiefe Genugtuung. Nun sahen alle!

Dann explodierte das Licht in der Katherdrale, schoß Lichtspeeren gleich durch alle Fenster auf den Prinzen zu und entzündete das Schwert zu einer gleissend hellen Fackel, die Maygwen Turnstub beinahe hätte fallen lassen.

Unbeirrt fuhr Faol mit der Zeremonie fort.

„So kniet denn nieder und empfangt den Segen.“

Maygwen, sichtlich überwältigt, reichte Arthas das immer noch flammende Schwert mit dem Heft voran während Agravan ihm den Umhang um die Schultern legte. Das Schwert vor sich kniete Arthas nieder, immer noch umhüllt von der Corona weissen Lichts und empfing den Segen vom Erzbischof.

Kaum hatte Faol das letzte Wort der Zeremonie gesprochen schnellte Arthas hoch, drehte sich zu den Zuschauern um und stieß triumphierend das strahlende Schwert in die Höhe während ihm Tränen der Erleichterung und des Glücks über das Gesicht rannen. Tosender Applaus donnerte von den hohen Wänden wieder, viele der Zuschauer waren aufgesprungen und jubelten dem jungen Prinzen frenetisch zu.

Kallian starrte mit offenem Mund fassungslos auf das, was er da sah. Das konnte nicht sein, das war unmöglich! Er hatte keine Ahnung wie sie es gemacht hatten, aber sie waren betrogen worden! Sie waren von Anfang an betrogen worden! Man wollte einen Paladin als Thronfolger und so hatte man sich einen Paladin geschaffen und jegliche Warnung des Lichtes ignoriert! Er würde herausfinden, wer und wie sie es gemacht hatten und würde die Wahrheit ans Licht bringen!Aber das Schlimmste von allen war, dass sie seinen großen Tag in einen Albtraum verwandelt hatten. Am liebsten hätte er ihnen seine Insignienkette mit der silbernen Hand vor die Füsse geworfen und wäre aus der Kathedrale gestürmt. Aber dann besann er sich. Schließlich hatte er dem Licht die Treue geschworen, nicht denen, die das hier veranstaltet hatten!

Kallians Gedanken kehrten wieder in die kleine Kammer zurück. Es war ihm zwar nicht gelungen, die Wahrheit über den Verrat ans Licht zu bringen, aber er hatte recht behalten. Und sie alle hatten bitterlich für die Ignoranz und den Betrug bezahlt.

Er drehte sich wieder zu seiner Bettstatt um und schlüpfte in eine dunkle, mit Wollfilz gefütterte Hose und zog eine Tunika aus dunklem, schweren Wolltuch darüber. Die leichte Rüstung aus schwarzgefärbten Leder würde er später anziehen. Schwarz war die Farbe für Verräter. Aber wenn es notwendig war, um einen Verräter zur Strecke zu bringen, dann würde er auch diese Farbe tragen!

Hätten sie nur von Anfang an auf den großen Uther Lichtbringer gehört. Er hatte das Naturell des Prinzen schon früh erkannt, aber kein Gehör gefunden. Als es zu spät war, hatte auch er nicht mehr die Macht sich der verderbten Schattenmagie des gefallenen Prinzen und seiner verfluchten Runenklinge entgegenzustellen. Er starb mit denen, die sich aufgemacht hatten, die Überreste König Terenas des Zweiten zu seiner letzten Ruhestätte zu bringen. Oftmals wurde die letzte Begegnung Uthers mit dem Vatermörder danach als furioser Kampf geschildert. Kallian aber hatte anderes gehört. Uther hatte sich nichtmals verteidigt. Es war eine Hinrichtung gewesen.

 

 

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Sin66
2015-03-06T19:06:10+00:00 06.03.2015 20:06
Deine FF wird immer besser, die Kapitel waren
der Hammer.
Darum wollte Kallian allso
nicht von seiner weihe erzählen.
Bin schon echt gespannt wie es weiter geht.

Viel Glück weiterhin.Sin66.


Zurück