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Reneé

von

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Unfreiwillige Weggefährten

Die Baumwipfel waren so hoch und dicht, dass der Himmel nicht zu sehen war. Die Sonne ging unter und die Nacht kroch mit dem Dämmerlicht zwischen die Blätter.

Mit der Dunkelheit begann der Wald zu flüstern und zu wispern.

Es raschelte, als ein Tier sich durch das Unterholz bewegte. Amaury fuhr mit keuchendem Atem herum und presste seine Arzttasche noch fester gegen die Brust. Eine Eule gurrte. Sein Herz raste, kalter Schweiß überzog seine Haut. Er blickte sich suchend um, doch die Dunkelheit war vollkommen. Dann hörte er leises Knurren in seiner Nähe und glaubte gelbe Augen aus der Dunkelheit leuchten zu sehen.

„Aramis“, flüsternd Amaury und als er außer Schweigen keine weitere Antwort erhielt, schrie er nach ihr, schrill und viel zu hoch. Aramis fuhr erschrocken hoch. „Was? Wo?“

„Bist du wach?“, fragte er zischend.

„Jetzt schon“, brummte es widerwillig zurück.

An dieser Stelle fand Amaury heraus, dass das Knurren von seinem leeren Magen kam. Seit dem Frühstück hatte er nichts mehr gegessen und das Frühstück schien Wochen zurückzuliegen. Er hatte mörderischen Hunger.

Er schluckte betreten. „Wo sind wir?“, fragte er, um überhaupt etwas zu sagen.

Aramis kämpfte mit Übelkeit. Ihrer Brust entfuhr ein Ächzen, dass mit ihrer eigenen Stimme nichts zu tun zu haben schien. „Irgendwo in diesem gottverlassenen Wald“, murrte sie gereizt. „Was weiß ich.“ Der Kampf gegen die Spanier und die Flucht in den Wald hatten sie an die Grenzen ihrer Kraft getrieben. Was sie brauchte war Schlaf. Sie ließ sich wieder in das Gras zurücksinken, aber die Schmerzen im Bein machte es ihr unmöglich eine angenehme Position zu finden.

„Sie haben so viele getötet“, bemerkte Amaury verstört.

„Ja!“ bemerkte Aramis knapp.

„Und die anderen?“

„Wahrscheinlich tot - oder gefangen genommen worden, was bedeutet das sie so gut wie tot sind.“ Der Gedanke an eine Gefangenschaft war für Aramis der Punkt gewesen, wo jegliche Handlung auf Flucht hinauslief ohne dass sie etwas dagegen hätte tun können, wie ein unbezwingbarer Selbsterhaltungstrieb.

„Hätten wir nicht …

Sie schnitt ihm das Wort ab. „Nein!“,

„Aber …“

„Dann wären wir jetzt auch tot.“

„So einfach ist das?“, fragte er ungläubig.

„Ja, so einfach ist das. Wir haben Glück gehabt, sie nicht und nun lass es gut sein.“ Ihre Stimme war grantig. So war der Krieg, so war eben das Leben eines Soldaten.

„Versuche zu schlafen!“

Amaury schluckte und schwieg. „Ich kann nicht“, gestand er schließlich kläglich. „Alles ist so …ähm beunruhigend.“

Aramis murmelte abweisend etwas, was wie „Ach was!“ klang und wälzte sich ächzend auf die andere Seite. Der Waldboden roch schwer nach Erde und Pflanzen. Die Nacht war kalt, aber nicht frostig. Sie erinnerte sich an einen anderen Wald, verschneit und in eisiger Kälte erstarrt, vollkommen leblos und abweisend. Ihr Atem war in der Luft gefroren. An diesem Wald ist nichts schrecklich, dachte sie, aber ein zynisches Lächeln wollte ihr nicht gelingen, da sie vor Schmerz die Lippen fest zusammenpresste.

Amaury wartete, aber von Aramis kam keine Antwort mehr. Seufzend legte er sich nieder, die Beine an die Brust gezogen, seine Tasche wie eine Geliebte fest im Arm und wartete ob irgendwann ein neuer Morgen anbrach oder ein Untier ihn verschlang.
 

Der neue Tag brach an und sie lebten immer noch. Gegen Mittag kamen sie endlich zum Waldrand und obwohl das Bild was sich ihnen bot vertraut war, traf es sie völlig unerwartet. Beide starrten ungläubig auf das Stück Landschaft, was sich vor ihren Füßen ausbreitete.

„Wir sind wieder hier!“, ächzte Amaury. Aramis sagte gar nichts, Aramis verdaute. Es gab zahlreiche Stellen, an denen sie hätten aus dem Wald kommen können, aber sie landeten ausgerechnet an dem Ort, wo sie in den Wald geflüchtet waren.

„Wie können wir wieder hier sein“, wiederholte Amaury und klimperte ungläubig mit den Wimpern, „wir waren doch den ganzen Tag im Wald unterwegs.“

Aramis zuckte die Achseln. „Das ist ein Wald“, stellte sie spröde fest, „jeder Baum sieht gleich aus. Man weiß ohnehin nicht wo vorn und hinten ist.

„Ja, aber ausgerechnet wieder hier?“ Aramis warf ihm einen langen Blick zu. Vielleicht hätte sie ihm sagen sollen, dass ihr Orientierungssinn nicht gerade zu ihren Stärken zählte, wenn man nicht sogar sagen könnte, er war fürchterlich. Andererseits, gehörte es auch nicht zu ihren Stärken, ihre Fehler einzugestehen und so schwieg sie.

Still und verlassen lag die Ebene vor ihnen, ein friedliches Bild unter einem blauen Himmel mit einzelnen Zupfwolken. Das Wasserband des Bachs glitzerte in der Sonne. Es war das gleiche trügerische Bild von Friedlichkeit und Sicherheit was sich ihnen gestern geboten hatte, bis plötzlich die Spanier aufgetaucht waren und, nun ja, vielleicht jeden ihrer Kameraden getötet hatten, außer ihnen. Eine dünne Rauchsäule am Horizont kroch in den Himmel empor. Das war die Stelle, an der die Leichen lagen. Amaury trat aus dem Schatten der Bäume hervor, den Blick starr auf die dünne Rauchsäule gerichtet. Plötzlich raschelte es im Gebüsch neben ihnen. Beide starrten erschrocken den Busch an. Das dichte Gestrüpp des Busches erzitterte, dann schwieg er.

„Was ist das“, wisperte Amaury und riss seine Tasche wie ein Schutzschild hoch.

„Nicht was, sondern wer. Das klang, als wenn jemand hustet“, erwiderte Aramis und zog misstrauisch die Augenbraue zusammen.

„Und wenn es ein wildes Tier ist?“ Amaury flüsterte noch immer und trat vorsichtig einen Schritt zurück. „Ein großes wildes Tier?“, fügte er hinzu.

„Unsinn, dass war ein Husten“, behaarte Aramis und trat dafür ein Stück näher, „ein menschliches Husten.“ Büsche husteten nicht und die einheimischen Tiere auch nicht. Sie nahm einen Stock und haute in den Busch hinein. Der Busch verlor etliche seiner Blätter und schrie „Aua!“

Selbstzufrieden schlug Aramis erneut zu und weitere Blätter fielen.

„Aua!“, wiederholte der Busch, nun wesentlich lauter und gereizter.

„Rocheforte, du Feigling“, schrie Aramis triumphierend, immer noch den Stock schwingend, „hör auf dich zu verstecken und komm da raus!“ Und haute noch einmal zu. Der einäugige Lord kroch, den schmerzenden Schädel reibend, aus seinem Versteck. Der Busch war ohnehin schon kahl. Zerrissen, verdreckt, mit grünen Blättern besprenkelt und äußerst pikiert stand er vor ihnen.

Arrogant reckte Rochefort die Nase hoch „Ich habe mich nicht verkrochen. Reiter kamen plötzlich und da hielt ich es für besser mich zu verbergen. Falls es wieder die Spanier waren“, fügte er blasiert hinzu.

„Verkrochen, sag ich doch“, höhnte Aramis.

„Was nützt es mir zu sterben, du dummer Musketier?“

„Ihr habt Eure Leute im Stich gelassen“, fuhr Aramis ihn an.

„Im Stich gelassen?“, herrschte Rochefort zurück und stieß mit der käsigen Spitze seiner großen Nase fast in ihr Gesicht. „Dieser riesige Bauertölpel hat mich niedergeschlagen. Als ich wieder erwachte, waren alle um mich herum schon tot.“

„Ach was“, brüllte Aramis, ziemlich feucht und laut, denn Rochefort wich angewidert zurück. „Ihr habt euch tot gestellt und dann seid Ihr davon gekrochen.“

Und Rochefort brüllte zurück. „Das ist eine infame Unterstellung und ihr habt euch doch genauso aus dem Staub gemacht.“

Amaury war einen weiteren Schritt zurückgetreten und klammerte sich an den sperrigen Bauch seiner Tasche, während seine Augen zwischen den beiden Kontrahenten umherirrten.

„Ja, natürlich mussten wir fliehen. Wir hatten nie auch nur die geringste Chance gegen diese Übermacht und warum? Weil unser famoser Kommandant nicht einmal Späher ausgeschickt hat.“

Bei der Lautstärke der beiden, fielen die Blätter aus den Baumkronen zu Boden.

„Was hätte ich denn tun sollen, du dummer Musketier?“, ereiferte sich Rochefort. „Als ob es was genützt hätte. Und dann, Monsieur Musketier, dann hätten wir uns besser verteidigen können, oder was?“

„Das weiß ich auch nicht“, brüllte Aramis frustriert zurück. Sie sah ihn müde an und Rochefort wurde ruhiger. „Wir waren einfach wenig und die Hälfte war verletzt!“, erklärte er resigniert.

„Und Ihr seid ein Idiot“, schlussfolgerte Aramis, einfach um das letzte Wort zu haben.

„Unterbemittelter Musketier“, herrschte Rochefort zurück, weil ein Musketier nie das letzte Wort haben durfte. Ihre Stimmen gewannen wieder an Lautstärke, während die Beschimpfungen hin und her folgen.

„Bastard!“

„Hurensohn!“

Amaury warf angesichts der Lautstärke der Beiden, ängstliche Blicke in Richtung der Rauchsäule. Was wenn neue Soldaten kamen? „Wir sollten wieder in den Wald gehen“, sagte er.

„Ich nehme den da nicht mit!“ gestikulierte Aramis, mit schriller Stimme in Rocheforts Richtung.

„Aber Aramis", warf Amaury empört ein.

„Soll er doch sehen wo er bleibt.“

„Aber Aramis, er ist verletzt.“ Rochefort sagte gar nichts. Er stand nur da wie ein Lamm vor der Schlachtbank.

"Dieser Mann ...", sagte Aramis, nur mühsam beherrscht und ihr Zeigefinger stach in Richtung Rochefort, "hat mich versucht gefangen zu nehmen und zu foltern. Beim zweiten Mal hat er versucht mich heimtückisch zu ermorden!"

"Ach, diese Sache", sagte Rochefort spröde. "Ihr Musketiere seid aber auch nachtragend", äußerte er mit vorgeschobener Schmolllippe.

Aramis Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Ihr seid eine ganz miese Ratte, Rochefort!“, stellte sie fest. Rochefort wiegelte ihre Worte mit einer affektierten Geste ab, den Brustkorb und das Kinn angriffslustig vorgestreckt, aber er schwieg. Er brauchte ihre Hilfe, dass erkannte sogar er.

Den Schmerz in ihrem Bein mit zusammengebissenen Zähnen ignorierend, drehte sich Aramis wortlos um und zog ihr Pferd hinter sich her. Sie zwang sich ruhig zu bleiben. Natürlich würden sie ihn nicht zurücklassen, aber nun musste sie ihr Geschlecht auch vor Rochefort verbergen und er war ein weitaus größeres Übel als Amaury. Fast hätte sie hysterische aufgelacht. Erst einmal mussten sie den Weg nach Hause finden.
 

Sie schlugen sich erneut durch den Wald, diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Auf ihrem Weg versuchten sie irgend ein Tier zu erlegen, um etwas zu essen zu bekommen, aber der Wald gab seine Tiere nicht her. Er war wie ausgewildert. Sie hatten Schusswaffen ohne Munition, Aramis einen Dolch, Rocheforte seinen Degen, Amaury seine medizinischen Instrumente und zu ihrem Glück einen Feuerstein.

Als die Nacht hereinbrach, machten sie sich ein Lagerfeuer und verbrachten die Nachtstunden schweigend vor Hunger und Frustration. Das Knurren ihrer Mägen war der einzige Laut, der die Nacht durchbrach. Der Hunger raubte ihnen den Schlaf, obwohl ihre Körper sich so sehr danach sehnten.

Am zweiten Tag humpelte ihnen ein altersschwacher Hase vor das Messer. Er starb eher vor Entkräftung und sein Fleisch war zäh und faserig. Sie stritten sich dennoch darum, aber es stillte nicht ihren Hunger. Immerhin fanden sie Wasser an einem schmalen Bachlauf.

Hunger macht böse. Sie traten nach zwei Tagen laut zeternd aus dem Wald und hatten nicht die mindeste Ahnung wo sie waren.
 

Die unbewaldete Landschaft, sah nicht viel anders aus, als ihr Gegenstück auf der anderen Seite. Vielleicht ein wenig hügliger. Hoch über weitflächigen Kornfeldern kreisten Raubvögel. Ein schmaler Feldweg führte durch die Felder und verschwand am Horizont. Kein Mensch, kein Tier, kein Haus war zu sehen, nur endlose friedliche Landschaft unter einem immer grauer werdenden Himmel. Die Sonne hatte sich davongeschlichen und der Himmel hing tief und voller Wolken. Dichtes Dornengestrüpp versperrte ihnen den Weg aus dem Wald. Mühevoll und gegen die heftige Gegenwehr der Pferde, kämpften sie sich voran. Keiner von ihnen sprach, nur gelegentlich ächzte oder stöhnte einer von ihnen, wenn die Ranken und Dornen an ihrer Kleidung zerrten. Sie erreichten das Feld, als der Himmel seine Schleusen öffnete und es zu regnen begann. Das hohe nasse Gras durchweichte ihre Stiefel, der Regen durchnässte ihre Kleidung.

Sie stiegen auf die beiden Pferde und trabten los, aber schnell kamen sie nicht voran, dazu war es zu nass. Mit gesenkten Häuptern stemmten sie sich Wind und Regen entgegen. Es gab keinen richtigen Weg, dem sie folgen konnten, nur einen schmalen kaum erkennbaren Pfad, der sich in schlängelförmig durch meterhohe Büsche und Gehölz zog, dessen feuchte Äste nach ihnen griffen und ihnen in die Gesichter schlugen.

Durch immer stärker werdenden Regen setzten sie ihren Ritt fort, in der Hoffnung auf Menschen oder eine Wegbeschreibung zu stoßen. Doch das Land war menschenleer und namenlos.

Als es Nacht wurde, waren sie am Ende ihrer Kräfte. Mit überwältigender Sehnsucht verlangte es sie nach Wärme und Trockenheit. Auch die Pferde waren am Ende ihrer Kraft. Die Kälte und Nässe quälte auch sie.

Aramis, Amaury und Rochefort machten Halt und krochen in das Dickicht, um unter den Zweigen ein wenig Schutz vor dem Regen zu finden und bis zum Morgen auszuharren.

Aramis kroch bis zu einem Baum und lehnte sich an dessen Stamm. Das Wasser lief ihr kalt den Rücken hinunter. Sie umklammerte mit beiden Armen ihre Beine und legten den Kopf auf die Knie. Sie war so müde, dass sie ihren Hunger vergaß, so nass, dass sie glaubte, nie wieder warm zu werden. Ihre Kraft war aufgezerrt. Amaury und Rochefort ließen sich an ihrer Seite nieder und rückten wie selbstverständlich an sie heran. Aramis, die bisher immer jeglichen Körperkontakt vermieden hatte, störte nicht einmal das. Im Gegenteil, es war ein wenig Schutz und Wärme.

„Arzt“, blaffte Rochefort halbherzig. „Der Knochen in meinem Arm schmerzt.“

„Was Sie brauchen“, erwiderte Amaury müde, „kann ich Ihnen nicht geben – Wärme und Trockenheit.“ Aramis lauschte Rocheforts Grummeln und dem Platschen der Regentropfen auf ihrem Blätterdach, darüber schlief sie ein.
 

Der nächste Tag brach an. Es regnete noch immer, wenn auch feiner und nicht mit der stürmischen Wut vom Vortag. Der Boden war schlammig und aufgeweicht. Die Pferdehufe lösten sich aus der wässrigen Erdpampe schmatzten und schwerfällig.

Gegen Mittag kamen sie endlich zu einer Straße, doch bei dem Wetter war kein Mensch unterwegs. Als sich endlich ein Fuhrwerk näherte, verbargen sie sich im Gebüsch. Aramis wurde ausgelost, sich dem Wagen zu nähern. Aramis sah nicht weniger verwildert aus, als die anderen beiden, aber irgendwie vertrauenerweckender.

Der Wagen näherte sich. Aramis brach so plötzlich aus dem Dickicht, dass der Mann auf dem Fuhrwerk erschrak und ihm die Zügel aus der Hand fielen. Sein Maultier, das die neue Freiheit verspürte, machte einen kräftigen Satz nach vorne. Aramis setzte das Lächeln auf, von dem sie glaubte, dass es ihr strahlenstes war. Anscheint hatte sie übertrieben, denn das Erstaunen im Gesicht des Mannes war so übermächtig, dass Aramis befürchtete, er könne vom Bock fallen.

„Wenn Sie so höflich wären, uns zu sagen, wo wir sind und wie wir auf eine ausgeschilderte Straße kommen?“ Aramis hatte sehr langsam und deutlich gesprochen. Der Mann schaute verständnislos und starrte sie mit seinem einen Auge von oben bis unten an und dann wieder umgekehrt. Vor ihm stand ein Wesen, dass der Kleidung nach ein ziemlich abgerissener Soldat war. Aus einem überaus dreckigen, wenn auch bartlosem Gesicht blickten ihn zwei leuchtend blaue Augen an und eine Reihe weißer Zähne blitze auf, als es lächelte. Blonde, dreckige Haare, standen wie eine verflitzte Wolke zu allen Seiten ab. Er überlegte, ob er ein Halbwüchsiger war, aber wie ein Kind sah er auch nicht aus. Verstehen konnte er kein Wort, da es nicht in seiner Muttersprache sprach. Er schwang hektisch die Zügel und machte, dass er davonkam.
 

„Und nun?“

Mit langen Gesichtern sahen die drei unfreiwilligen Weggefährten dem davonrasenden Ochsenwagen nach.

„Wo sind wir nun und wohin müssen wir, um nach Hause zu kommen?“ Die Frage konnte keiner von ihnen Beantworten.

„Nun, wir richten uns nach der Sonne und gehen nach Himmelsrichtung?“, schlug einer vor.

„Es regnet!“

„Irgendwann hört es sicherlich auf zu regnen.“

Kritisch blickten drei dreckige Gesichter zum wolkenverhangen Himmel.

„Bis dahin gehen wir einfach geradeaus und hoffen auf eine Straße oder einen Menschen zu treffen, der uns den Weg weisen kann.“ Misstrauisch musterten sie die menschenleere Straße, dann sich selbst, drei hagere abgerissene und fürchterlich nasse Gestalten, dessen Kleider schon bessere Tage gesehen hatten. Unfreiwillig und ungewollt zusammengeworfen und doch abhängig von einander.

„Mh, wir sind in einem feindlich besetzten Gebiet. Ich glaube nicht, dass wir, deutlich zu erkennen, als lauthals streitende Franzosen, einfach auf der Straße marschieren sollten. Es ist doch egal wo wir sind. Das ist ohnehin alles Habsburger Land und damit in den Händen der Spanier.“

Der Regen hörte auf, aber die Sonne zeigte sich an diesem Tag nicht und tat es auch an den darauffolgenden Tagen nicht. Sie litten unter Hunger, Durst und Erschöpfung. Nur den Pferden, die sich am Gras satt fressen konnten, ging es gut. Müde und abgekämpft setzten sie ihren Weg fort. Sie waren schon eine Weile geritten, als sie an einer Gruppe Menschen vorbeikamen, die am Wegrand saßen. Es waren zwei Männer und eine Frau und sie waren kaum noch als Menschen zu bezeichnen. Hohlwangige Wesen mit stumpfen Blick und in löchrigen Lumpen gekleidet. Der Blick ihre Augen wirkte auf dem ersten Blick apathisch und doch stand dahinter eine Gier, die Aramis eine Gänsehaut verursachten. Vielleicht war die Frau noch jung, denn sie hielt ein Kleinkind auf den Armen, aber Hunger und Dreck ließen sie wie eine alterlose Vogelscheuche aussehen, ausgezerrt und verhärmt. Sie erhob sich und trat einen wackligen Schritt auf die Straße zu. Sie schien kaum die Kraft zu haben, sich auf den Beinen zu halten. Das Kind in ihren Armen schrie. Abwesend steckte sie ihm einen dreckigen Finger in den Mund, ohne den glasigen Blick den Reitern zu wenden. Das Kind saugte kurz am Finger, dann plärrte es enttäuscht weiter. Ungerührt entzog ihm die Frau die Hand und entblößte stattdessen ihre knochige Schulter und eine ihrer ausgelaugten Brüste, um mit dem Finger einladend über die Haut zu fahren. Die Geste war eindeutig. Sie wollte Geld oder Essen für ihren Körper, aber ihr Gebärden wirkte ekelerregend, ausgehungert und dreckig wie sie war.

Rochefort ritt in seiner üblichen Arroganz an ihnen vorüber, ohne sie mehr als einen verächtlichen Blick zu würdigen. Aramis empfand Scharm und Mitleid. Sie und Amaury folgten ihm auf dem zweiten Pferd. Das Schreien des hungrigen Kindes klirrte in ihren Ohren.

Aramis dachte noch über ihr Unbehagen nach, als Amaury erschrocken aufrief. Etwas weiter vorn, lag ein zusammengekrümmt Mann im Gebüsch, scheinbar bewusstlos.

Bevor Aramis etwas sagen konnte, war Amaury schon vom Pferd geglitten und zu dem Mann geeilt.

„Amaury“, rief sie ihn alarmiert zurück, aber der Arzt hörte sie nicht, sondern beugte sich zu dem Bewusstlosen herunter. Rochefort fluchte laut und brachte sein Pferd zum Stehen.

„Amaury“, rief Aramis erneut, diesmal schärfer, doch der Arzt wollte nicht auf sie hören. „Wir müssen hier weg!“ Ihr Pferd tänzelte nervös, weil es ihre Unruhe spürte.

„Ich muss ihm helfen!“ Amaury drehte den Mann vorsichtig auf den Rücken. Aramis erschrak und zog hart die Luft ein.

„Der Fuhrmann“, keuchte sie. Der Mann lag in seinem Blut. An seinem Schädel klaffte eine Wunde, als hätte ihn jemand mit stumpfer, brachialer Gewalt versucht den Schädel zu spalten. Er war nicht bewusstlos, er war tot.

„Amaury, komm zurück. “Aramis sah sich um. Die Wegelagerer hatten sich erhoben und kamen langsam auf sie zu, nur die Frau blieb zurück. Rochefort fluchte erneut und zog seinen Degen.

„Amaury, schnell!“, schrie Aramis schrill, doch Amaury schien vor Schreck wie festgefroren und die Männer kamen immer näher.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kajuschka
2012-05-05T08:17:45+00:00 05.05.2012 10:17
Sorry, ich bin leider erst jetzt dazu gekommen, dein neues Kapitel durchzulesen.
Na sowas! So viel zu der Frage, ob Rochefort noch am Leben ist. ;) Aber ich kann Blubbie zustimmen, die arme Aramis kommt ja vor lauter Pech gar nicht mehr zur Ruhe. Ich hoffe doch, es geht alles gut aus und sie kann ihre wahre Identität lang genug geheim halten... Aramis muss doch unter permanenter Spannung stehen, wenn sie keinerlei Rückzugsmöglichkeiten hat,auch noch Rochfort in der Nähe rumspringt und nicht klar ist, wann sie wieder in Paris sein werden.
Ich bin natürlich auch schon sehr gespannt zu wissen, wie's weiter geht. Wird Athos sie wieder sehen? Wird er zwischenzeitlich mit einer anderen verkuppelt werden? Wird Rochefort herausfinden, dass sie eine Frau ist? Wird der arme Armaury sich in sie verlieben? ;) *grins*
Ich freu mich schon auf ein neues Kapitel, egal, wie lange es bis dahin dauert!
Von:  blubbie
2012-04-26T22:19:11+00:00 27.04.2012 00:19
Du bist ja sowas von fies! Erst der Kreisgang im Wald, dann Rochefort als Weggefährten udn jetzt auch noch Wegelagerer udn das Greenhorn von Arzt, der mal wieder alles verbockt...nicht gut. Sorry, ich mag ihn ja auch und finde es gut, dass er sofort helfen will...aber verflixt nochmal, Armais kommt aus dem Pech ja gar nciht mehr raus! Wenn Rochefort herausfindet, dass sie eine Frau ist... Obwohl er mir ja schon fast sympathisch war in diesem Kapitel...ind er Not kann er also mit den anderen zusammenhalten. Und dann das Schreiduell...herrlich. Der endgültige Lachflash war aber da, als er die Musketiere beschuldigt nachtragend zu sien.^^
Ich bin jedenfalls froh, dass Du weitergeschrieben hast. Und wage es nicht aufzuhören, bevor sie mit Porthos, D'Artagnan und ganz besonder Athos wiedervereint ist!!!!!!!!!!!! Hörst Du...soinst bin ich sehr sehr traurig udn das willst Du doch cniht oder *schnief*
;)
Von:  Kira_Lira
2012-04-14T08:06:24+00:00 14.04.2012 10:06
Hello! like this? ^ _____ ^ Thanks for updating, God as it is possible that there Aramis lost direction, she is so weak, tired and hurt, they can not concentrate, to make things better, they realize they returned to the site of the attack, even worse Rocheford found, it feels so wrong that it is dropping their guard about his secret, are at the mercy of inclement weather, no living where they walk and when they find some people, they do not speak your language, it is frustrating for them , you are very cruel, to make matters worse robbers encountered normally would not be problem but are very weak, Aramis must be careful not to be discovered, of the three it is worse, your condition may be complicated, so rain may develop pneumonia, your leg may be worse and now has to fight, but ended up where they are in Spain?, that would be terrible, Aramis has to take the doctor and run out of that place, fighting in such conditions is dangerous, they have to be careful not to lose the horses, how much they will wander?, I hope that next chapter will not take so long, thanks for sharing, ^ ____ ^.



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