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Reneé

von

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Lord Rochefort

Seit das königliche Heer im Frühjahr zu seinem Feldzug aufgebrochen war, erwachte Lord Rochefort zum ersten Mal wieder wie ein Lord Rochefort, - in einem Bett, mit einer weichen Matratze, feinster Leinenbettwäsche, Bettvorhängen und einen Pisstopf, den er nur zu füllen brauchte, nie zu leeren. Rochefort reckte sich ausgiebig und gähnte herzhaft. Es raschelte neben ihm und zu seinem Erstaunen kam ein blonder Haarschopf unter den Decken hervor. Verdutzt starrte er sie an. Das Mädchen hatte etwas von einer sommersprossigen Kuh. Und sie lächelte ihn ziemlich verklärt an. Rochefort zog an der Klingelschnur.

Sein Kammerdiener Hugo erschien nach einem diskreten Klopfen und verbeugte sich.

„Mylord?“

„Hugo, was soll das?“ Hugso Gesichtsausdruck blieb leer.

„Mylord?“

„Wer ist das?“ Rocheforts Stimme war finster. Der Gesichtsausdruck des Mädchens schlug um in Verwirrung. Sie wimmerte leise, als ihr aufging, dass sie besser nicht da sein sollte.

Rochefort hatte eigentlich nichts gegen Frauen in seinem Bett, aber er achtete stets drauf, dass sie am nächsten Morgen nicht mehr da waren. Oder vielmehr war es Hugos Aufgabe darüber zu wachen, dass er alleine erwachte. Und nie, wirklich nie, hatten sie Sommersprossen und vorstehende Augen.

„Eine von Euren Mägde, Mylord!“, erklärte Hugo souverän.

„Eine Magd?“ Rocheforts Gesichtsfarbe verfärbte sich. Das Mädchen rückte ab und suchte hektisch nach Kleidern, die sie nirgends fand.

„Was hat eine Magd in meinem Bett zu suchen?“, brüllte Rochefort, dass die Vorhänge zittern. Zum Glück hatte das Mädchen nichts gesagt. Es wäre ihr Untergang gewesen.

„Ihr habt sie mit hineingenommen, Mylord!“

Rocheforts Gesicht sah aus, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. „Eine Magd“, wiederholte er mit ätzender Stimme. „Wie konntest du erlauben, dass ich eine Magd vögle?"

„Ihr wolltet sie!“, gab Hugo mit unverändertem Gleichmut zurück.

„Entferne sie!“, schrie Rochefort.

„Ja, Mylord!“ Hugos Gesicht blieb ausdruckslos, als das Mädchen aus dem Bett zwang und zur Tür schickte. Sie roch nach viel Schweiß und ein wenig nach Ruß, weil sie für die Kamine und Öfen verantwortlich war. Sie schluchzte leise. Es war nicht ihre Schuld. Seine Lordschaft wollte die Magd bespringen, also bekam er sie. Er hätte sich gar nicht an sie erinnert, wenn sie nicht in seinem Bett geblieben wäre, aber seine Lordschaft war auf ihr eingeschlafen, noch während er mit ihr beschäftigt war. Hugo stellte die Kaminmagd nackt vor die Tür und schloss diese hinter ihr. Den Kamin im Zimmer seiner Lordschaft würde heut ein anderer kehren.

Rochefort wusste zwar nicht, wie das Mädchen in sein Bett gekommen war, aber er wollte schon gern wissen, was er gehabt hatte. Doch der nackte weiße Hintern, der da vor seinem Zorn floh, war enttäuschend breit und schwabblig. Ihm drängte sich die Erinnerung an ein anderes Hinterteil auf. Interessehalber hätte er dieses gern nackt gesehen.

Er nagte nachdenklich an seiner Unterlippe. Nun ja, er hatte es wohl nötig gehabt, aber das war kein Grund mit dem Rumschreien aufzuhören.

„Das war nachlässig von dir, Hugo!“, tadelte er und warf Hugo einen vernichtenden Blick zu.

„Wir waren alle sehr bekümmert, dass Ihr so lange fort geblieben seid“, sagte Hugo.

Lord Rochefort grunzte und sah seinen Kammerdiener misstrauisch an. Hugo sah auch sehr bekümmert aus.

Er maulte noch ein wenig herum, dann schwang er die Beine aus dem Bett und stellte sich breitbeinig hin. Hugo versuchte halbherzig zu übersehen, was sich bei seinem Herrn hüllenlos entgegenreckte, aber er dachte bei sich, dass die Küchenmagd ja doch seinem Herrn gefallen haben musste. Rochefort folgte dem Blick des Dieners und sagte: „Es ist nicht das wonach es aussieht! Bring mir den Pisstopf!“ Und während er seine natürlichen Bedürfnisse stillte verlangte er nach einem üppigen Frühstück, seinem Masseur und dem Schneider. Es war gut, ein Lord Rochefort zu sein.
 

Die Sonne ruhte nur kurz. Schon entfaltete sie wieder ihre ganze Pracht. Athos erwachte vor Aramis. Er war kein Langschläfer. Normalerweise stand er früh auf, absolvierte eine ganze Reihe von Fecht- und Dehnübungen, um sich dann mit frischem Brunnenwasser gründlich zu waschen. Danach frühstückte er und manchmal las er dabei. Heute blieb er jedoch im Bett liegen und dachte nach. Was war gestern Nacht vorgefallen? Er war es nicht gewohnt, dass er die Kontrolle über sich verlor. Nun war es ihm bei Aramis schon das zweite Mal passiert. Das gab ihm zu denken. Bei der Erinnerung an die Nacht fühlte sich Athos erneute erregt, doch er ignorierte es. Aramis Enthüllung hatte seine ganze innere Ordnung durcheinandergebracht, denn er hatte sie die ganze Zeit für einen Mann gehalten. Und wie konnte man jemanden begehren, indem man nie die Frau gesehen hatte? Und doch war es so! Es war wie zwei Bilder von einer Person die nicht zusammenpassen wollten. Nachdenklich betrachtete er die schlafende Aramis. Sie lag mit dem Rücken zu ihm und die Decke bis über die Schultern hochgezogen. Er hätte gern die Decke weggeschoben, um ihren nackten Körper zu sehen, aber er ließ es bleiben.

Athos liebte die Frauen, aber ohne sein Herz zu geben, nur um sein Verlangen zu stillen. Und er liebte sie gerne, denn der weibliche Körper war etwas ganz wunderbares und seiner Ansicht nach geschaffen dafür liebkost zu werden und weil er das so sah, war er auch ein guter Liebhaber. Er hatte gelernt sie ganz unbefangen zu lieben, nur bei Aramis hatte er Angst, dass er das nicht konnte. Sein Selbstbild bekam Risse und sein Gleichgewicht begann zu schwanken.

Er seufzte und schwang die Beine aus dem Bett. Es gab noch einiges zu erledigen.

Aramis wurde von lauten Hämmerschlägen wach, die ihn ihrem Kopf widerhallten, als wollten sie ihn zertrümmern. Als sie ihre verklebten Augen öffnete, erlebte sie den Schock ihres Lebens. Sie war nackt und hatte nur eine unklare Vorstellung davon, warum sie nackt war. Die Schläge wurden immer beharrlicher und lauter. Aramis setzte sich auf. Sie stöhnte laut auf, als der Schmerz in ihrem Schädel wie Dornenstiche wütete. Ihre Magenwände drehten sich einmal um. Sie sank zurück in die Kissen und fuhr vor Scheck wieder hoch, als sie Porthos Donnerstimme hörte, die nach ihr rief. Eine Tür fiel scheppernd ins Schloss und schwere Schritte donnerten über Athos Dielen. An dieser Stelle setzte ihr Herz aus, als ihr aufging, was Porthos gleich erblicken würde. Panisch sah sie sich in der Kammer um, doch eine Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Sie erwog gerade, unter das Bett zu kriechen, als die Zimmertür aufging. Es war jedoch Athos, der das Zimmer betrat, nicht Porthos. Er trug ein Bündel unter dem Arm und schlug die Tür hinter sich wieder zu. Aramis Herz begann wieder zu schlagen, wenn auch schneller als es das gemeinhin tat.

„Du bist mir zu Dank verpflichtet. Ich habe gerade Porthos davon abhalten können, mein Schlafzimmer zu stürmen“, sagte er heiter.

„Ich bin dir zu einigem Verpflichtet“, murmelte Aramis mit belegter Stimme und vergrub sich tiefer unter die Bettdecke. „Was will er?“

Athos lächelte. „Er will sich überzeugen, dass du auch wirklich noch lebst.“ Er warf ihr das Bündel auf den Schoß. „Hier sind neue Kleider und Stiefel. Ich habe dir auch etwas zum Frühstück besorgt, aber ich fürchte davon wird nichts mehr übrig sein. Der Korb steht schon zu lange in Porthos Nähe. Er grinste schief. Das Geräusch scheppernder Töpfe zeigte, dass Porthos in Athos Küche randalierte.

„Beeile dich mit dem Anziehen, sonst überfällt Porthos wirklich noch mein Schlafzimmer!“ Aramis versuchte in seinem Gesicht zu lesen, doch dort stand nichts für sie geschrieben.

Er nickte ihr zu und ging. Sie rollte das Bündel auseinander und zog einen breiten Leinenverband heraus. Athos hatte an alles gedacht. Athos dachte immer an alles.

Langsam, ganz langsam hob Aramis die Faust zum Mund und bis sehr fest darauf. Sie schloss die Augen und hoffte, dass die Welt eine andere war, wenn sie sie wieder öffnete.
 

Kardinal Richelieu ließ Lord Rochefort warten und mit jeder Minute die verstrich, wurde der Klumpen Unbehagen in Rocheforts Magen größer und größer. Die Dauer des Wartens im Vorzimmer seiner Eminenz, war der Indikator für Richelieus Wohlwollen. Eine Stunde für die, die Richelieu gleichgültig waren, aber etwas von Interesse hatten. Bei mehr als sechs Stunden Wartezeit konnte der Bittsteller sicher sein, jetzt besser zu gehen. Rochefort saß nun schon seine siebente Stunde hier und starrte düster die Tür zum Arbeitszimmer seiner Eminenz an. Alle Bittsteller waren weg, nur er war noch da, denn er war abhängig von der Gunst des Kardinals. Der ausschweifende Lebensstil seiner Familie hatte die Erblinie hoch verschuldet. Zu viele Teile der großen Ländereien waren verkauft und die Gläubigerliste sehr lang. Also war er in den Dienst des Kardinals getreten und es war nicht zu seinem Schaden gewesen. Bis jetzt, ohne die Gunst des Kardinals, fiel er.

Einer von Richelieus allgegenwärtigen Sekretären eilte an ihm vorbei. Rochefort bekam gerade noch den Ärmel zu fassen und zog den Mann heran.

„Ihr wisst doch wer ich bin?“, fragte Rochefort. Richelieus Sekretär schaute ihn über die Oberkante seines Aktenstapels hinweg an. „Ja, sicher, Lord Rochefort. Die Augenklappe hat Euch verraten!“ Rochefort war sich nicht sicher, ob der Mann ihn veräppeln wollte.

„Hauptmann Rochefort“, plärrte er zurück.

„Hauptmann Rochefort“, wiederholte der Mann jovial.

„Warum empfängt mich seine Eminenz nicht?“

„Seine Eminenz arbeitet“, kam zur Antwort. „Außerdem wird er gerade von seinen Leiden geplagt. Er wird Euch sicherlich bald empfangen. Hauptmann Rochefort!“

„Wann wird er mich empfangen?“ Der Mann zuckte die Achseln und schüttelte Rocheforts Hand ab. Dann eilte er davon, jederzeit bereit mit seiner kleinen eifrigen Feder seinen Beitrag zum Wohle Richelieus zu tun.

Rocheforts staunte indes nicht schlecht, als sein Adjutant Jussac hereinspazierte. Jussac trug neue Kleider, aufwendige neue Kleider. Jussacs Kinnlade klappte herunter, während er den wiederauferstandenen Lord mit dümmlichem Gesichtsausdruck anstarrte. Plötzlich grinste er feist. „Rochefort, Ihr lebt also doch noch!“

Rochefort musterte ihn, wie eine Katze eine unerwartet freche Maus musterte.

„Hauptmann Rochefort!“, bellte er zurück.

Das Grinsen wurde so breit, dass es sein Gesicht zu zerteilen schien. Jussac hieb sich stolz die Faust auf die Brust. „Ne, nicht mehr. Ich bin jetzt der Hauptmann der Garde!“ Rochefort stierte ihn an und hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Er hatte Jussiac noch nie besonders leiden können. Niemand mochte Jussac, nicht einmal seine eigene Mutter, die theoretisch ein wenig laue Zuneigung für ihren Sohn empfinden sollte. Er war einfach nur dumm, was nicht weiter schlimm war, weil Jussac dumm und kriecherisch gewesen war. Aber dumm und aufsässig war zu viel. Dazu kam noch ein ziemlich strenger Körpergeruch. Diese Kombination wollte der Kardinal nie in seiner Nähe wissen. Es war völlig unmöglich, dass Jussac Hauptmann war.

Um Rochefort drehte sich alles. Er schwieg und wartete darauf, dass die Welt wieder einen Sinn ergab.

„Nun, Ihr wart tot und der Kardinal brauchte einen guten Mann für den Posten.“ Ja, aber ausgerechnet Jussac? Er beugte sich vertraulich näher. „Es hießt, Ihr hättet Eure Truppe im Stich gelassen.“

Rocheforts Zähne knirschten. „Ich habe meine Truppe nicht im Stich gelassen“, gab er mit starrem Unterkiefer zurück. „Es war ein gemeiner, feiger und ziemlich mieser Hinterhalt und ich hatte nur einen Haufen Krüppel um mich.“

Jussac brüllte vor Lachen. „Na immerhin sind sie tot und Ihr seid hier! Der König ist wütend und Athos, der ist jetzt sein neuer Liebling und das macht unseren Kardinal wütend.“ All das sagte Jussac mit einem Lächeln und sehr viel Zähnen, aber die Botschaft war klar: Rochefort war in Ungnade. Rocheforts Zähne knirschten, als wollten sie zerbrechen.
 

Fertig angekleidet, kam Aramis aus Athos Schlafzimmer. Athos stand alleine in seiner Wohnstube. Er sah sie an, schweigend und nachdenklich, als könnte er sich nicht entscheiden, was er in ihr sehen wollte. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Wangen sich verräterisch rot färbten.

Plötzlich flog Aramis auf Athos zu, direkt in seine Arme hinein.

„Aramis“, rief Porthos freudestrahlend und tätschelte ihr freundschaftlich den Rücken.

„Na, wie war die Nacht mit Athos?“

Aramis rote Wangen wurden, obwohl es kaum möglich war, noch eine Spur dunkler. Wieder dieser schwer zu deutende Blick von Athos.

Porthos schien von all dem nichts zu bemerken. „Du hast eine reizende junge Dame verpasst. Schnarcht Athos?“

„Nicht so laut wie du!“

„Ach, ich hab ja auch einen sehr breiten Brustkorb. Mehr Masse, weißt du?“ Porthos haute sich voller Stolz auf seinen stattlichen Resonanzkörper. Er druckte die Brust durch und mit einer geschickten Anspannung der Muskeln konnte er den Effekt sogar noch verstärken.

„Mir hast du immer erzählt, dass wären alles Muskeln.“

Porthos lachte dröhnend. Er war bester Laune. „D’Artagnan wartet an der Rue Petit Pont auf uns. Liegt Euch auch Marthas Kaninchenbraten so schwer im Magen?“

„Nein, das wird das Frühstück sein, was ich für unseren ausgehungerten Freund gekauft hatte“, erwiderte Athos streng. Porthos hatte wenigstens den Anstand beschämt dreinzublicken. Aramis lachte und tätschelte Porthos Arm. „Schon gut, Porthos. Du darfst dir und mir was unterwegs zum Hauptquartier kaufen.“ Athos ging hinaus, um seine Sachen zu holen.

Porthos sah ihm nach. „Athos ist recht schweigsam. Ich meine schweigsamer als sonst. Hat er nicht gut geschlafen?“

„Nein, ich glaube nicht“, murmelte Aramis und machte sich davon.

Athos war verwirrt und hilflos. Athos hatte seine beiden Freunde beobachtet. Nach außen hin schien alles normal zu sein. Es war das gleiche Geplänkel wie immer und doch war es anders. Jetzt teilte er ein Geheimnis. Aramis hatte den Schleier weggezogen und eine andere Wirklichkeit enthüllt.
 

Es war nicht weit bis zur Rue Petit Pont, wo D’Artagnan auf sie wartete. Mit einem unwirklichen Gefühl, lief Aramis durch die sonnenbeschienen Straßen, flankiert von ihren Freunden. Allein schon die Vielzahl von Menschen, die geschäftig hin und her eilten. Der Sommer war zurückgekehrt: feucht, klebrig und ein wenig unangenehm. Das Brot lag noch warm in ihrer Hand, die Sonne beschien ihr Gesicht und sie brauchte keinen furchtsamen Blick über die Schulter zu werfen.

An dem Quariter des Halles verabschiedete sich plötzlich Athos von ihnen und eilte in Richtung Louvre davon.

„Wo will er denn hin?“, fragte Aramis. Porthos zuckte die Schultern. „In letzter Zeit muss er dauernd irgendwohin“, sagte er finster und beließ es dabei.

D’Artagnan antwortete. „Der König hält große Stücke auf Athos. Er sucht seinen Rat und vertraut ihm. Gerade jetzt wo die Spanier versuchen in Frankreich einzufallen.“

Aramis bekam große Augen. „Die Spanier?“

D’Artagnan lächelte verlegen. „Ich vergesse immer wieder das du so lange weggeblieben bis. Ja, sie versuchen die Grenzposten im Nordosten einzunehmen.“

Aramis sah die Menschen an. Jetzt bemerkte sie, dass ein paar in Gruppen zusammenstanden. Auf ihren Gesichtern ein besorgter Gesichtsausdruck. Aber die meisten Menschen gingen wie gewohnt ihren Geschäften nach und am Porte Saint-Antoine hatte es ausgesehen wie immer. Paris lag wie ein dickes fettes Stück Torte da. Bereit verschlungen zu werden.

„Warum ist keiner beunruhigt?“

„Oh, ein bisschen beunruhigt sind die Menschen schon, aber eben nur ein bisschen.“

Aramis sah sie mit ungläubigem Gesichtsausdruck an. In ihren Ohren rauschte es. „Und der König, der Kardinal?“

„Du verstehst das nicht, Aramis!“, sagte D’Artagnan, „Sie versuchen es zu erklären und die Leute versuchen es zu verstehen, aber das Problem ist, dass sie glauben, dass es nur um neue Steuern geht und dagegen haben die Leute was!“

Das wirkliche Problem war, dass sich die Franzosen keinen Krieg in ihrem Land vorstellen konnten. Seit dem Hundertjährigen Krieg hatte kein Krieg mehr in Frankreich stattgefunden und der jetzige Krieg wütete seit zwanzig Jahren in einem anderen Land.

Wären Aramis, Amaury und Rochefort nicht zu weit nach Osten gegangen, wären sie den kaiserlichen Truppen direkt in die Arme gelaufen.

„D’Artagnan das hatte ich vollkommen vergessen.“ Zwischen all den plötzlichen Neuigkeiten fiel Aramis noch etwas anderes ein „Was ist mit deiner Hochzeit?“

„Wir habe sie verschoben.“

„Warum denn?“

„Nun ja, wir dachten du bist tot. Und es schien uns nicht angemessen zu feiern.“

Es folgte kurzes rührseliges Schweigen.

„Wir werden schon noch heiraten!“, erwiderte D’Artagnan heiter.
 

D’Treville war schon lange kein junger Mann mehr. Doch heute sah man ihn das auch an. Aramis erschrak über seinen Anblick. Die Augen des Kapitäns wirkten glanzlos und schwer. Das Gesicht war bleich.

„Du siehst mager aus!“, begrüßte er sie.

„Danke, aber Ihre seht auch nicht gerade dick und gesund aus.“

„Die Galle, sagen die Ärzte“, seufzte der Kapitän kummervoll. „Aber mehr Sorgen als die Galle, bereiten mir die verfluchten Spanier.

„Ich habe dich zurückgelassen.“

„Ihr müsst Euch keine Gedanken machen, Kapitän. Ihr habt es nicht wissen können.“

„Doch“, widersprach er, „ich vergesse manchmal wer du wirklich bist.“

Aramis sah ihn betreten an. Sie hatte nie eine besondere Beziehung zu ihm gehabt. Dass er sie bei den Musketieren aufgenommen hatte, war Erpressung gewesen, kein Gefallen. Seine Sympathie galt ihren Fähigkeiten, nicht ihrer Person. Sie hatten beide vergessen, dass sie eine Frau war und Aramis gefiel es gar nicht, daran erinnert zu werden.

Sie räusperte sich. „Nun ich habe doch überlebt! Mir geht es doch gut.“

„Nein, tut es nicht!“

Das verstand Aramis nicht. „Doch tut es.“

„Tut es nicht!“ Die Faust des Kapitäns krachte auf die Tischplatte. Aramis hob verwundert eine Augenbraue.

„Kapitän, alles in Ordnung?“

„Ich hätte dich gar nicht erst hinziehen lassen dürfen!“

„Aber wir hatten eine Abmachung“, widersprach Aramis. „Ihr vergesst, wer ich bin und ich tue alles, damit Ihr es vergesst.“

„Und ich habe es vergessen!“, brüllte D’Treville aufgebracht.

„Na, dann ist doch gut!“

„Nichts ist gut!“ Die Wände erzitterten.

Aramis atmete so tief ein, dass ihr Busen an seine Schranken stieß. „Kapitän, ich komme nicht mehr mit!“

„Ich hätte diesen ganzen Unsinn nicht erlauben dürfen. Du bist eine Frau und du gehörst in ein Kleid und nicht in eine Musketieruniform.“

„Kommt die Erkenntnis nicht ein wenig spät“, fragte sie bissig. Als er die Vormundschaft abtrat, hatte D’Treville ihrer Meinung nach, das Recht sich zu Sorgen verspielt.

Der Kapitän wedelte sie verdrießlich hinfort. „Ach geh weg, du überforderst mich.“

Doch das war nicht ernst gemeint. D’Treville versank wieder in seinen Gedanken. Es klopfte und sein Diener trat ein.

„Euren Tee, Kapitän!“, verkündete er fröhlich. D’Treville verzog das Gesicht und drehte sich weg.

„Der Arzt hat ihn Euch verordnet!“, drohte er streng und hielt ihm die Tasse entgegen.

Mit dem Ausdruck tödlicher Verachtung, kippte der Kapitän das Zeug hinter und schüttelte sich. Sein Diener zwinkerte Aramis zu und nahm ihm, sichtlich amüsiert, die Tasse wieder ab.

„Das Zeug hilft überhaupt nicht. Es schmeckt nur widerlich“, gestand der Kapitän, als sein Diener verschwunden war. „Bis auf weiteres bist du beurlaubt!“

„Warum?“

„Bis das da verheilt ist!“ Er zeigte auf ihr Bein.

„Aber ich bin damit immerhin bis nach Hause gekommen, wandte Aramis ein. „Und ich …“

„Ganz wunderbar und wir freuen uns auch alle, dass du wieder da bist“, unterbrach er sie mit dröhnender Stimme. „Und nun, will ich dass du brav nach Hause gehst und dich ausruhst.“

Aramis sah ihn gekränkt an. „Aber Kapitän?“

D’Trevilles Blick blieb unnachgiebig. „Erste Regel: Du hörst auf mich und nur auf mich! Zweite Regel: Du machst nur, was ich dir befehle. Dritte Regel: Verstößt du gegen die ersten beiden Regeln, setze ich dich unter Hausarrest!“

Aramis schnitt eine Grimasse. „Und wie lange?“

Er stand schwerfällig auf. „Erst einmal zwei Wochen und dann sehen wir weiter. Und jetzt gehen wir zum König.“

„Ich denke, ich bin beurlaubt?“

„Wir fangen mit dem beurlauben nach dem König an.“
 

Als Rochefort endlich vor dem Kardinal stand, fragte er fassungslos:

„Jussac, Eure Eminenz, warum ausgerechnet Jussac?“ Richelieu trommelte verdrießlich mit den Fingern auf der Tischplatte, sagte aber nichts. Rochefort klang wie ein quengelndes Kleinkind. Seine Eminenz der Kardinal bedachte seinen ersten Leibgardisten mit dem gleichen Blick, wie er eine Made im Essen betrachtete. Richelieu fand, dass Rochefort mager geworden war.

Seine Eminenz war miserabler Laune. Wie immer bei schlechten Nachrichten, wurde der Kardinal von seinen Krankheiten geplagt und die Spanier waren eine schlechte Nachricht. All seine Pläne, die geheimen Absprachen, die Bündnisse, die Unmengen von Geld die er zahlte, damit dieser Krieg französischen Blutzoll forderte. Nun war er doch zu ihnen gekommen. Der fehlgeschlagene Feldzug in der Spanischen Niederlande hatte zu viel ihrer militärischen Reserven gefordert. Sie köchelten auf Sparflamme.

Es war ein schwacher Moment gewesen, als der Kardinal Jussac zum Hauptmann seiner Garde ernannte.

Das Trommeln der Finger hörte auf.

„Ihr lebt also noch“, sagte Richelieu und es klang nicht so, als würde dieser Umstand zu Rocheforts Gunsten sprechen.

„Ähm, ja“, war alles was Rochefort daraufhin einfiel. „Wenn ich erklären dürfte …", aber der Kardinal fiel ihm ins Wort. „Ihr habt Euch nicht gerade mit Ruhm bekleckert.“ Rochefort grunzte. „Der König war schrecklich wütend, als er davon hörte. Zumal einer seiner Musketiere dabei war.“ Der Kardinal kräuselte verächtlich die Lippen. „Einer aus seiner persönlichen Leibwache“, sagte er gedehnt.

„Aber der Musketier lebt doch noch.“

Der Kardinal hob eine Braue. „Ach so? Euer Glück. Hat er diesen Umstand Euch zu verdanken?“

„Ja“, log Rochefort dreist.

„Und was ist mit den anderen fünfzig Männern, die in Eurer Obhut waren?“

„Ähm“, erwiderte Rochefort lahm.

„Wisst Ihr wer der neue Liebling des Königs ist?“

„Athos“, gab Rochefort kleinlaut zu.

Zorn stieg wie Dampf vom Kardinal auf. „Ja, Athos“, keifte er. „Athos hat den Aufstand gegen den König in der Provence niedergeschlagen und mein eigener Gefolgsmann, mein Hauptmann, aus dem ich einen Kommandanten gemacht habe, schafft es nicht einen Trupp Soldaten nach Hause zu bringen.“ Irgendwie klang diese Feststellung wie eine Drohung für Rochefort. Es folgte keine direkte Drohung, aber irgendwie machte es die Situation noch unangenehmer.

„Wir waren kaum kampffähig und sind in einen gemeinen Hinterhalt geraten“, verteidigte sich Rochefort fast wehklagend.

Richelieu lehnte sich in seinem Stuhl zurück und bedachte seinen Untergebenen mit einem Blick eisiger Verachtung.

„Nichts was ich versucht habe, kann das Vertrauen des Königs in Athos erschüttern. Nicht einmal sein ungehorsamer Klotz von Vater, der den ganzen Aufstand angezettelt hat.“ Rochefort bekam große Augen. „Athos Vater hat gegen den König rebelliert?“

„Ja“, erwiderte der Kardinal gedehnt. „Und Athos hat seinen eigenen Vater verraten, der ihn ohnehin verstoßen hat, weil er gegen den Wunsch seines Vaters Musketier geworden ist. Der König ist vor Verzückung ganz außer sich.“ Nachdenklich starrte der Kardinal aus dem Fenster und versuchte den Schmerz der durch seinen Darm jagte zu vergessen. „Es müsste etwas geben, was der König als wirklichen Vertrauensbruch sieht“, sagte er, mehr zu sich selbst.

Rochefort räusperte sich und sprach gleichzeitig. „Ähmvielleichtgebeesdaetwashämm.“

Der Kardinal wandte ihm seine dunklen Augen zu.

Lord Rochefort hatte in den vergangenen Wochen etwas Interessantes über Aramis herausgefunden und er lechzte danach, dieses Wissen loszuwerden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Kira_Lira
2012-11-22T00:38:31+00:00 22.11.2012 01:38
Hello! like this? ^ _____ ^, Please leave us much time with suspense, a chapter with many conflicts, waking looks Aramis Athos, is a rare sight, always saw him as a man now known to be a woman who falls for the second time her desire, sees trimmed with him, but do not know how to treat it, not like the others, does not dare to see her naked in the morning, even the wish, and wakes Aramis still has a hangover from drinking, she not know how to behave with Athos after that night, he will feel rejected by their attitude?, your friends this happy to see her alive, Aramis is going to talk to the captain, apparently the pain it caused him to lose affection Aramis health, now has a second chance to make things right with her, he does not want to remain a musketeer, does not want to risk it, especially if you see that a new war is coming, but Aramis has nothing more that life, she does not agree with the wishes of the master, they discuss reproached Aramis has not right to meddle in his life, but he knows how to handle it, she did not disobey an order, sends her home confinement, plus wants to heal his leg, not a cure yet, but first go to the king, to report that she is alive, in terms Rocheford, the assets have to be of the nobility, had no problems going to their home but if in their position of captain, Cardinal tells what happened since the incident and its aftermath, the hatred of the two men against Athos is now the king's favorite was swift, Rocheford will say to Cardinal discovered the secret of Aramis, Athos for revenge, or keep it for himself, the night he came to her house maid asked a blonde virgin, do not remember, perhaps unconsciously is that you want to Aramis, after having discovered the truth?, how long it will take to try to be with the real Aramis also not lose the opportunity to hurt Athos, if Count learns that Aramis and Athos was as will, that will Athos learns if the captain does not want to remain a musketeer Aramis, but the captain would not want it if Aramis as a musketeer, where the will to rule, he wants to return to being a lady, I hope not late update, thanks for sharing ^ _____ ^.
Von:  citosol
2012-11-18T12:30:48+00:00 18.11.2012 13:30
OMG!
This chapter was SO interesting! You always make me not wanting to stop reading, I'd read you forever! This story is so complicated: the whole Athos' story, the relationship between him, his father, the king, Aramis, and now Rochefort and the cardinal...but especially the thing with Aramis: she cannot be the usual Athos'woman. She is dramatically different, and I know Athos will soon realize it!
And now Rochefort: what's he gonna say to Richelieu? How are they going to behave with Athos?
Oh gosh, things are going to become really complicated, I fear. (AND I LOVE IT!! SO MUCH!!!)
I really want an happy ending between Athos and Aramis, but I feel it's gonna be a difficult road...

Thanks SO much for having updated, I really love this story, and I'm so curious to see what you've in mind!

Hope to see you really soon!


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