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Forever

von

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Kapitel 1
 

Wir waren beste Freunde. Ich wünschte, wir wären mehr gewesen als das. Jetzt ist es zu spät für solche Gedanken und alles ist vorbei. Zumindest fühlt es sich so an. Der Gang über die Flughafen-Halle hinüber zum Boarding-Schalter fühlt sich seltsam surreal an, denn den Grund für den kommenden Flug habe ich noch immer nicht so ganz fassen können. Wahrscheinlich ist alles nur ein dummer Scherz und in Tokyo wartet er strahlend und mit ausgebreiteten Armen auf mich. Wir gehen zusammen Essen, lachen und planen die Zukunft. Am Abend trinken wir einen über den Durst und fallen völlig erschöpft auf die Couch in seinem Wohnzimmer nur um am nächsten Morgen mit einem ausgewachsenen Kater und Rückenschmerzen aufzuwachen.
 

„Ihr Ticket, bitte!“ Die Stimme der freundlich lächelnden Airline-Mitarbeiterin reißt mich aus meinen naiven Gedanken und holt mich zurück in die verstörende Realität. Abwesend reiche ich ihr die geforderten Papiere und werfe einen Blick durch das Fenster auf die Rollbahn des Los Angeles Airport. Die Sonne knallt auf den Asphalt hinab und blendet meine überanstrengten Augen. Vielleicht wäre es doch eine gute Idee gewesen die letzte Nacht zu Hause zum Schlafen zu nutzen... aber daran war natürlich nicht zu denken gewesen.
 

Die Karawane aus Urlaubern und Geschäftsleuten bewegt sich in Richtung des Flugzeugs und hätten von hinten nicht zwei schlecht gelaunte Anzugträger gedrängelt wären meine Füße glatt auf der Stelle stehen geblieben. Alles in mir wehrt sich dagegen dieses Flugzeug zu betreten und zu akzeptieren, was mein Unterbewusstsein bereits als traurige Realität akzeptiert hat. Bis ich auf meinem bequemen Platz in der ersten Klasse sitze habe ich das Gefühl immer wieder halb das Bewusstsein zu verlieren. Mein Körper bewegt sich aus eigenem Antrieb, funktioniert um den Eindruck von Normalität zu wahren, doch meine Gedanken schweben um andere Dinge.
 

Während der Trubel um mich herum langsam abebbt und das Warten auf den Abflug beginnt, versuche ich einen Moment die Augen zu schließen, doch sofort empfängt mich ein strahlendes, nur allzu bekanntes Gesicht, das mir einen Schauer über den Rücken jagt und mich dazu zwingt, die Lider wieder zu öffnen. Der Gedanke, dass er wirklich nicht mehr hier sein soll, ist unerträglich und ihn zuzulassen würde etwa einem Sprung vom nächsten Hochhaus gleichkommen.
 

Das leichte Vibrieren und das Rauschen der Triebwerke, als sich der Flieger endlich in Bewegung setzt, wirken beruhigend und fast schon hypnotisierend. Wie oft bin ich in den letzten Jahren an dieser Stelle gesessen und habe diese flaue Gefühl im Magen verspürt? Aber nicht einmal unter diesen unzähligen Flügen habe ich eine derartige Ohnmacht erlebt, die mir beinahe den Atem raubt. Wie immer, wenn ich unter Stress stehe, spüre ich die alten Wunden in meinen Handgelenken, den dumpfen, pulsierenden Schmerz, der gleichzeitig unerträglich und doch so beruhigend ist. Vorsichtig reibe ich mit den Fingern über die Gelenke und massiere die schmerzenden Stellen leicht, als ob das etwas ändern würde.
 

Aus den Augenwinkeln erkenne ich, wie der kleine Bildschirm in der Rückenlehne des Vordersitzes aufflackert und das Bild der NHK Nachrichten erscheint. Es versetzt mir einen schmerzhaften Stich, wenn ich daran denke, wie klein meine Probleme im Vergleich zu denen im Rest der Welt zu sein scheinen. Neben Kriegen, Verbrechen und politischen Krisen ist der Tod eines einzigen Menschen wohl kaum einer Erwähnung wert, auch wenn er für mich eine ganze Welt zum Einsturz bringt. Ich muss stark sein, muss mich um so vieles kümmern, was dort in Tokyo auf mich warten wird, obwohl mir eigentlich nur nach einem stillen dunklen Ort ist, an dem ich mich mit meinen eigenen Erinnerungen vergraben kann.
 

„...das Foto sieht doch verboten aus!“ Scheinbar hat doch noch jemand den leeren Platz zu meiner Linken an sich gerissen, aber es interessiert mich nicht genug um den Blick vom Fenster zu heben vor dem Los Angeles langsam am Horizont verschwindet. Die Stimme scheint mir seltsam vertraut, wahrscheinlich nur eine Einbildung und trotzdem bringt sie mich fast dazu einige wenige Tränen zu vergießen. Ein leises Kichern setzt noch einen oben drauf und lässt mich leise seufzen.
 

„Hey, Yo-chan, findest du nicht auch, dass die mich richtig mies getroffen haben?“, fragt die Stimme neben mir gespielt empört. Warum nennt mich diese Person so, absolut respektlos und noch dazu unpassend. Ich habe keine Lust mich mit irgend jemandem zu unterhalten oder über solche Belanglosigkeiten auch nur nachzudenken. Fast schon automatisch sehe ich mir doch für einen kurzen Moment die Nachrichten an und meine beinahe mein Herz bliebe stehen. Der letzte Funke Hoffnung erlischt, das Bild vor meinem inneren Auge, das mir sein lachendes Gesicht am Tokyoter Flughafen zeigt, wirkt plötzlich erschreckend verzerrt und entstellt bevor es schließlich verschwindet.
 

Auf dem kleinen Bildschirm nur wenige Dutzend Zentimeter entfernt grinst mich ein jugendlich erscheindender Mann an, ein glückliches Funkeln in den dunklen Augen und eine Strähne seines grell gefärbten Haares hängt ihm in der Stirn. Obwohl ich es versuche, kann ich den Blick nicht davon lösen und sehe die Worte, die unter dem Bild stehen. Sie verschwimmen vor meinen Augen, trotzdem verstehe ich ihren Sinn. „Die sagen, dass du tot bist...“, flüstere ich der Person neben mir gedankenverloren zu. Ein kurzer Blick zu meiner Linken bestätigt, was ich vom ersten Augenblick an genauso gehofft, wie auch befürchtet hatte. „Wie können die so etwas behaupten, wenn du doch hier bist?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  RedSky
2011-09-08T08:36:48+00:00 08.09.2011 10:36
Ein guter Einstieg.
Du schreibst sehr flüssig, sowohl Handlungen als auch Gedankengänge sind sehr gut nachvollziehbar. Sie passen, wirken realistisch und nicht zu überzogen. Auch hast du das Kapitel an einer sehr interessanten Stelle beendet, was natürlich neugierig macht und zum weiter lesen anstachelt. ;)


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