Because of you
Und schon ist das nächste Kapitel fertig^^.
Enjoy reading!
„Was soll das eigentlich?“
„Was?“ Takao sah seinen Freund verwundert an.
Akira stand vor ihm in der Bibliothek und hatte gerade ein BGB vor seine Nase auf den Tisch geknallt.
„Du hockst jetzt immer am Dienstag den ganzen Nachmittag in der Bib, nur um die Strafrechtsübung bei Haruyama-sensei zu besuchen, obwohl der viel schlechter ist als...“
„Akira“, unterbrach ihn Takao, „ich bin zu faul, um zu Hause zu lernen und so ist der Montag nicht so lang und ich lerne wenigstens einmal in der Woche ein paar Stunden.“
Akira setzte sich leger auf die vordere Tischkante: „Oh je, ich seh’ schon. Dann willst du bestimmt nicht wissen, was bei mir am Samstag war.“
Neugierig blickte Takao von seinem Lehrbuch auf.
„Oder etwas doch?“
Die Schokoaugen nahmen einen freundschaftlich ungeduldigen Ausdruck an: „Matsumura- kun, was hast du am Samstag erlebt?“
„Du weißt doch, dass ich diesen Reitstall zehn Kilometer von Sapporo gefunden habe und am Samstag meine erste „Reitstunde“ war.“
Takao nickte.
„Was glaubst du, wer mir da auf dem Pferd entgegen kam?“
„Ich glaube, ich will es doch nicht wissen“, meinte Takao, wobei ihm im Magen flau wurde.
„Ganz genau. Hast du gewusst, dass er reiten kann?“
„Nein.“
„Das hättest du sehen müssen! Der sah auf dem schwarzen Pferd aus, wie ein britischer Adliger aus so einem historischen Film.“
Akira schüttelte mit dem Kopf. Hiwatari-sensei war in der Halle einen kleinen Springparcours geritten und hatte ihn prompt erkannt, als er ihn entdeckt hatte. Dieser große schwarze Hund war ebenfalls da gewesen.
Takao konnte sich vorstellen, dass Kai auf dem Pferd ein interessanter Anblick war, aber er war ihm nicht seit einem Monat – erfolgreich - aus dem Weg gegangen, um auf diese Weise mit ihm konfrontiert zu werden. Daher steckte er seine Nase wieder ins Buch und hämmerte sich Definitionen zu verschieden Straftatbeständen ein.
Der Türkishaarige bemerkte durchaus, dass sein Kumpel nichts mehr von seinem ehemaligen Teamkollegen wissen wollte. Er wusste ja schon zuvor, dass sie sich nicht grün waren, aber diese Reaktion zeigte Akira deutlich, dass da mehr als ein Streit gewesen sein musste. Soweit er Takao kennen gelernt hatte, war dieser einer der loyalsten Menschen, denen er je begegnet war. Auch die anderen guten Eigenschaften, von denen er in der Presse gehört hatte, trafen zu. Der Profiblader war ein gut gelaunter Kerl, mit dem man viel Spaß haben konnte, impulsiv, charakterstark, leidenschaftlich, klug und hin und wieder anfällig für Fettnäpfchen, was ihn jedoch umso liebenswerter machte. Akira konnte sich bei bestem Willen nicht vorstellen, was man so einer treuen Seele antun musste, um so eine tiefe Abneigung zu provozieren.
„Also ich bin heute mit Lernen fertig geworden“, offenbarte Hana am Abend mit einem strahlenden Lächeln.
Akira starrte sie entgeistert an: „Bitte was? Wir schreiben in drei Wochen!“
„Ja, eben. Ich bin endlich mit dem Stoff durch und habe jetzt nur noch Gerichtsurteile, die ich durchlesen kann.“
„Eben? Endlich? Ich habe noch gar nicht angefangen.“
Jetzt war es Hana, die entsetzt dreinschaute: „Das meinst du doch nicht etwa ernst?“
Akira seufzte schwer: „Ich seh’ schon. Du bist eine Streberin à la Hermine Granger.“
„Ich bin keine Streberin! Ich mach halt das, was ich machen muss“, entrüstete sie sich.
„Aham.“ Er sah seine Kommilitonin mit hochgezogenen Augenbrauen an und hielt ihr die Tür zum Juridicum auf.
„Oh! Schau mal, wer da geht“, gluckste sie dann plötzlich und zeigte unauffällig in eine Richtung.
Akira folgte ihrem Blick und entdeckte Hiwatari-sensei, der gerade aus dem ersten Stock die Treppen runter lief. Dann fiel sein durchdringender Blick auf sie beide und kam ihnen sogar entgegen, was zu Akiras Irritation einen Rotschimmer auf Hanas Wangen zauberte.
„Ishimo-san, Matsumura-san, können Sie mir sagen, wo ich Kinomiya finden kann?“
„Können schon“, murmelte Akira defensiv, was ihm einen Ellenbogenschlag in die Rippen von Hana einbrachte. Hiwatari bemerkte seinen Widerwillen, was streng genommen wahnsinnig unhöflich war, aber Akira neigte dazu, die Feinde von Freunden ebenfalls nicht zu mögen.
„Kinomiya-kun hat jetzt Chinesischunterricht, Sensei. Ansonsten besucht er dieselben regulären Veranstaltungen und Übungen wie wir“, antworte Akira schließlich höflich.
„Danke.“ Hiwatari nickte ihnen zu und verschwand auf dem Wege, den sie zuvor gekommen waren.
„Mann, ist der heiß“, schwärmte Hana plötzlich.
„Häh?“ Mit großen Augen starrte er zu der breit lächelnden Frau.
„Findest du nicht, dass er gut aussieht? Ich finde ihn unglaublich attraktiv.“
Akira gestikulierte wie wild, als er sagte: „Du weißt schon, dass er wahrscheinlich ein riesiges Arschloch ist? So wie Takao-kun sich ihm gegenüber verhält...“
„Ja, aber das ändert nichts an dem heißen Anblick“, flötete Hana vergnügt vor sich hin und ging weiter. Akira folgte ihr mit großen Augen.
„Herr je, du bringst mich noch um, Kinomiya-kun! Wie soll hier denn einer mit deiner Schnelligkeit mithalten?“
Lachend hielt Takao dem Mann die Hand hin und half ihm auf.
„Mein Opa hat mit mir Kendo trainiert, seit ich laufen kann. Irgendwann musste ja was hängen bleiben.“
„Ja, aber und wie“, grinste ihn der Mann, der zudem sein Sensei war, an, „wenn ich nicht dafür bezahlt werden würde, würde ich dir meinen Posten sofort überlassen.“
Das ging bei Takao runter wie warmer Honig. Geehrt grinste er wie ein stolzer Gockel und strich sich verlegen über den Kopf.
Dann wackelte plötzlich der ganze Boden und die Fenster klirrten gequält für ein paar Sekunden.
„Ein Erdbeben?“, fragte Takao niemand bestimmten und blickte auf den Boden.
„Das sind wieder die blöden Beyblader - nichts für Ungut Kinomiya-kun“, ärgerte sich Kenji-kun und klopfte betonend mit dem Holzschwert auf den Boden.
„Die meinen auch, die hätten das Rad erfunden. Als gäbe es keinen anspruchsvolleren Sport und immer diese Prahlerei mit ihren ach so tollen Bit-Beasts“, echauffierte sich Kiki-chan.
„Sie sind ja nicht mehr lange hier“, beruhigte ihr Sensei den aufkommenden Disput.
Takao schaute neugierig in die Runde: „Wohin gehen sie denn?“
„Zurück in die Halle, die sie geschrottet haben.“ Kenji-kun machte sich nicht die Mühe seine Abneigung zu verbergen.
Ein schalkhaftes Grinsen breitete sich auf Takaos Zügen aus: „Das kann schon mal passieren.“
„Das Problem ist nur, dass die einzige Halle, in die sie kurzfristig hin und wieder rein können, direkt unter uns ist und es nicht nur beim Training stört, sondern auch unter Umständen gefährlich werden könnte. Das Dach in der Bey-Trainingshalle hat ein Loch“, erklärte der Sensei.
„Mit Löchern dürftest du dich aber auch auskennen“, feixte Iruka-kun und deutete bekräftigend zur Decke.
Takao grinste, ehe er ernst meinte: „Klar. So etwas kann passieren, aber nie unkontrolliert oder gefährlich für die Zuschauer. Außerdem wissen sie, dass hier oben auch Trainingsräume sind und werden sicherlich aufpassen.“
Kiki-chan legte ihren Kopf schief: „Warum bladest du eigentlich nicht?“
„Tu ich, aber alleine und draußen. Ich habe in Tokio jeden Tag Nachwuchsblader trainiert und war gar nicht mehr zum Kendo gekommen.“ Und jetzt wollte er sich einfach wieder mal auf diesem Gebiet verbessern.
„Die absolut richtige Entscheidung!“, lachte Kenji-kun und legte ihm kameradschaftlich den Arm um die Schultern.
Dann bebte die Erde erneut und diesmal sogar so heftig, dass Kenji-kun das Gleichgewicht verlor und auf dem Hintern landete.
Wie ein Rohrspatz schimpfte er drauf los: „Diese vermaledeiten Arschlöcher! Na, warte, wenn ich die in die Finger kriege!“
Takao legte ihm besänftigend eine Hand auf die Schulter: „Ich geh’ mal nachschauen, was da los ist.“
Seine Augen wanderten zum Sensei, der bestätigend nickte. Dann verbeugte sich Takao höflich und verschwand aus dem Raum.
Das Sportzentrum war riesig. Es gab viele Trainingshallen und Fittness-Räume, wo man fast allen Sportarten, die es gab, nachgehen konnte. Takao hatte gewusst, dass die Beyblader ein eigenes Trainingszentrum etwas außerhalb der Stadt hatten, war aber noch nicht dort gewesen. Er liebte das Beybladen, aber er hatte keine Lust ständig im Mittelpunkt zu stehen und Ratschläge geben zu müssen. Er wollte auch mal wieder kämpfen, richtige Gegner haben, die ihn an seine Grenzen trieben. Zwar hatte er das Vergnügen hin und wieder von dem aktuellen Weltmeister herausgefordert zu werden – und sie waren auch wirklich gut – aber das war zu selten. Als Takao Max erzählt hatte, er überlege sich wieder an World Championchips teilzunehmen, hatte dieser ihm abgeraten. Er solle sich lieber auf seine berufliche Zukunft konzentrieren, dem Nachwuchs etwas beibringen. Dann könne man ja weitersehen. Takao kam das vor, als müsste er seinen Lieblingssport aufgeben... oder sich zumindest aufs Abstellgleis stellen. Aber Takao kam sich mit seinen 22 Jahren einfach noch zu jung vor, um „nur“ noch als Trainer zu fungieren oder wie ihre berühmten Vorgänger nur noch auf Wohltätigkeitsveranstaltungen zu spielen.
Ein langer Gang oberhalb der Haupthalle erlaubte den Blick in vier voneinander abgetrennte Einheiten. In einer Halle wurde Fußball gespielt, in der zweiten Basketball, in der dritten Volleyball und schließlich in der vierten gebladet. Noch bevor er auf derselben Höhe war, konnte er das weiße Leuchten eines Bit-Beasts sehen, meinte das Summen der Kreisel zu hören. Takao ging regelrecht das Herz auf. Er lehnte sich an die Balustrade und blickte auf einen Blizzard, in dessen Mitte ein Schneeleopard gefährlich knurrte, sodass es ihm schien, dass alles vibriere. Abgesehen davon konnte er weder die Blader, noch das Tableau ausmachen, lediglich ein paar Zuschauer standen erregt an der Wand und starrten auf das Geschehen.
„Los, Snow Leopard!“, rief eine Stimme, woraufhin der Blizzard sich unter einem wütenden Gebrüll zu einem Schneetornado formierte.
Mit erstaunt aufgerissenen Augen beobachtete Takao das Szenario. Der Blader war stark, zu stark für diese Räumlichkeiten und das konnte in der Tat problematisch werden.
Plötzlich bebte der Boden erneut und Takao duckte sich unter das Geländer, als Eisstückchen bis zu ihm hoch gewirbelt wurden und an der Wand hinter ihm zersplitterten.
Ein schrilles Kreischen zerriss die Luft.
Mit geweiteten Augen durchfuhr ihn dieser Laut, ließ ihn innerlich erzittern.
Er erschauderte heftig, als er sich aufrichtete. Er sah den roten Phönix, groß und schön breitete das stolze Bit-Beast seine Schwingen aus. Feuer trat zwischen den Federn hervor, bildete Bälle wie kleine Sonnen, die sich rasch vergrößerten.
Dann ging alles ganz schnell. Ein gleißendes Licht erfüllte die Halle, sodass Takao die Augen schließen musste.
Als er sie wieder öffnete, war es neblig. Winzige Wassertropfen benetzten seine Haut, schwebten in der Luft und verwährten die Sicht auf das Geschehen in der Halle.
Der Nebel lichtete sich nur langsam, aber er erkannte die Kontrahenten bereits kurze Zeit später. Ein junger Mann kniete auf dem Boden und hob mit zornverzerrtem Gesicht den weißen Blade auf, während ein blauer, Dranzer, zurück in die Hand seines Besitzers fand.
Kai stand aufrecht am Rand des Tableaus. Er trug ein dunkelviolettes T-Shirt und die passende Hose dazu, ähnlich der Kleidung, die er früher getragen hatte. Schaal und blaue Dreiecke fehlten zwar, aber Takao wurde auch so schmerzlich genug an ihre Kämpfe von damals erinnert.
„Naoki!“, donnerte Kais Stimme wütend, „Wenn du noch ein einziges Mal deine Umgebung gefährdest, werde ich deinen Blade auseinander nehmen. Reicht dir die zerstörte Halle nicht?“
„Ich hatte alles unter Kontrolle“, fauchte dieser Naoki trotzig.
Takao bewunderte diesen Kerl für seinen Mut – oder eher Dummheit.
Wie erwartet, kam Kai auf den Blader zu, blieb direkt vor ihm stehen:
„Noch so eine Aktion und ich sorge dafür, dass du von der BBA gesperrt wirst.“
Außer sich starrte Naoki Kai an: „Aber du hast auch voll angegriffen.“
Jetzt konnte sich Takao ein Lachen nicht verkneifen und zog unwillkürlich die Aufmerksamkeit der am Rand stehenden Zuschauer auf sich: „Kinomiya?“
Als hätte man ihm ein heißes Eisen durch den Kopf gejagt, blickte Kai zur Balustrade. Takao lehnte dort leger mit den Unterarmen auf dem Geländer, bekleidet in seiner dunkelblauen Kendotracht. Doch die ruhigen braunen Augen erwiderten seinen Blick nicht, besahen vielmehr Naoki, der überrumpelt zu ihm nach oben starrte.
Störrisch, wie dieser war, rief er: „Was ist so lustig?“
Takao legte den Kopf schief: „Du. Weil du anscheinend keine Ahnung hast, was gerade eben geschehen ist.“
Kai verengte analysierend seine Augen.
„Ach ja? Und was ist geschehen? Ich habe verloren, und?“ Naoki ließ sich auch vom dreimaligen Weltmeister nichts gefallen.
Aber Takao war es regelrecht zu dumm. Er wollte nicht vor Kai sagen, dass dieser ihn mit einem Wimpernschlag zermalmt hatte. Voll angegriffen? Wahrscheinlich hatte er Kai noch nie richtig bladen gesehen, sonst würde dieser Naoki nicht so einen Unsinn von sich geben.
„Die Halle ist nicht für solche Kämpfe geeignet. Uns fällt da oben der Kopf von den Schultern“, meinte Takao lediglich und wandte sich nonchalant ab.
Kai sah ihm noch kurz nach. Er trainierte hier also Kendo und war nachsehen gegangen, was hier für ein Radau veranstaltet wurde. Und er hatte ihn keines einzigen Blickes gewürdigt.
Seufzend suchte Takao spätabends die Umkleidekabinen auf. Er war als Letzter gegangen, wie immer. Seit den Geschehnissen nach Hanas Geburtstag tat er eigentlich nicht anderes mehr, als zu joggen, draußen zu bladen oder Kendo zu trainieren. Er war geradezu sportverrückt. Die Kraftanstrengung ließ ihn wenigstens für kurze Zeit abschalten. Müde betrachtete er sein Gesicht im Spiegel, der neben seinem Spind hing, während er diesen öffnete. Er merkte nicht, dass sich ihm jemand näherte.
„Warum kommst du nicht mehr in meine Übung?“
Takao zuckte unwillkürlich zusammen und blickte kurz über die Schulter. Kai stand plötzlich in der Tür zur Umkleidekabine schräg hinter ihm.
„Lass mich in Ruhe und geh“, antwortete Takao reserviert.
„Du weißt, dass ich besser bin, als die anderen Übungsleiter. Zuvor bist du auch gekommen.“
Takaos Hände ballten sich zu Fäusten, als in ihm heißer Zorn aufstieg. Nur mit Mühe konnte er sich beherrschen, als er mit zusammengepressten Zähnen zischte: „Hau ab!“
„Nein.“
Das war es. Takaos Selbstbeherrschung stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus und er drehte sich mit wutverzerrtem Gesicht zu Kai um: „Hau ab, hab ich gesagt!“
Er zeigte mit der Hand zum Ausgang und als Kai keine Anstalten machte sich von der Stelle zu bewegen, ging er bedrohlich auf ihn zu und wollte ihn grob packen, um ihn hinauszuwerfen: „Raus!“
Doch Kai war viel zu stur und wich Takaos Griff aus, bewegte sich von der Tür weg in die Umkleidekabine. Dummerweise hatte er sowohl Takaos Wut, als auch seine Geschwindigkeit bei weitem unterschätzt. Ehe er sich versah, fand er sich gegen einen Spind geschleudert wieder, Takaos Arme links und rechts von seinem Kopf abgestützt.
Kai ertappte sich dabei, wie kurz Furcht vor Takao in ihm hoch schwappte, doch er appellierte an seine Erfahrungen mit dem impulsiven Japaner.
Nie hatte er jemanden was zu leide getan, allerdings hatte Kai ihn auch noch nie so erlebt...
Er wusste nicht, was ihn dabei mehr erschreckte: Die Tatsache, dass Takao zu solchen Wutausbrüchen fähig war, oder dass er es war, dem sie galten, der sie provoziert hatte.
Gewissensbisse machten sich in Kai breit, aber er fragte mit überheblichem Gesichtsausdruck:
„Was ist passiert, dass du mich jetzt meidest und zuvor nicht?“
„Du bist passiert!“, spuckte Takao aus, immer noch vor Wut bebend. Die roten Augen musterten Takao, als wäre er ein Scherz. Dieser arrogante Kerl wollte wohl, dass er die Beherrschung völlig verlor, ihm wirklich noch etwas tat.
Kais Gedanken rasten auf der Suche nach dem Auslöser. Dann fiel ihm etwas ein:
„Was ist eigentlich geschehen, als du mich nach Hause gebracht hast?“
Vollkommen außer sich starrten ihn die braunen Augen an, dann veränderte sich ihr Ausdruck, wurde beinahe boshaft.
„Du hast dich entschuldigt, dass du damals aus Feigheit abgehauen bist und dann hast du das gemacht.“ Mit diesen Worten, fuhr Takaos Hand unter Kais Kinn und küsste ihn kurz auf die Lippen. Kai war zu überrascht, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Dementsprechend fassungslos starrte er Takao an, nachdem er sich von ihm gelöst hatte.
„Und nun sag mir, wie ich das bitte zu werten habe“, meinte Takao, triefender Spott in der Stimme.
Kai brauchte einige Sekunden, ehe er in der Lage war Takao anzublicken: „Ich...“
Ihm blieben die Worte im Hals stecken. Kai fühlte sich, als müsse er sich jeden Augenblick übergeben. Sein Puls raste und ihm wurde so schrecklich kalt. Er verfluchte sich innerlich, dass Takao so einen Einfluss auf ihn einübte. Sie hatten sich sieben Jahre lang nicht mehr gesehen. Sieben Jahre! Und er fühlte sich, als wäre ihr Kampf gerade erst zu Ende gegangen.
„Weißt du“, fing Takao plötzlich an, „ich habe die Schnauze von dir voll. Du tust mir nicht gut. Ich mag dich nicht einmal mehr als Sensei ertragen.“
Die roten Augen fanden auf diese Worte hin die Takaos. Fieberhaft versuchte Kai in ihnen zu lesen, doch er musste feststellen, dass Takao gelernt hatte seine Gefühle ebenso zu verbergen. Eine traurige Kälte spiegelte sich in den braunen Iriden, mehr konnte er nicht erkennen. Die sonst so lebensfrohen und selbstsicheren Augen Takaos wirkten so freudlos und verbittert. Und es war seine Schuld.
„Es tut mir so leid“, flüsterte Kai ehrlich.
„Du hast mich kaputt gemacht. Entschuldigen hat keinen Sinn mehr“, gab Takao vorwurfsvoll von sich und sah nach unten. Er fühlte sich auf einmal so erschöpft. Diese ganzen Emotionen, die ihm durch den Körper jagten, laugten ihn völlig aus und er war müde.
Zwei Hände umfassten sein Gesicht, brachten ihn dazu Kai anzusehen. Die aufkeimende Gegenwehr erlosch jäh, als er den rubinroten Augen begegnete.
„Ich wollte dich niemals verletzen. Du musst mir glauben.“
Reue, Trauer, Bedauern, Zuneigung. Unzählige Gefühle lagen vor Takao blank und die sonst so stolzen Augen so zu sehen, raubte ihm den Atem.
„Und warum hast du es dann getan?“, flüsterte Takao kraftlos und ließ seine Stirn gequält an Kais sinken.
Dieser fühlte sich schlicht elendig: „Ich konnte nicht anders.“
Takao löste sich wieder von ihm, blickte ihn direkt an.
„Sieben Jahre lang?“
Darauf antwortete Kai nicht mehr. Er konnte nicht.
Und Takao kam sich auf einmal so bescheuert vor. Warum stand er hier?
Kais Nähe verwirrte ihn und trieb ihn zurück in dieses seelische Desaster, dass er durchlitten hatte. Aber er war keine fünfzehn mehr. Er hatte zwischenzeitlich so viel erlebt und dazu gelernt. Er musste doch mittlerweile reif genug sein, um sich nicht von einem Menschen, der ihn einst über die Maße enttäuscht hatte, erneut so erschüttern zu lassen. Er würde die Vergangenheit endlich hinter sich lassen, aber dafür musste er noch etwas erledigen.
„Ich vergebe dir.“ Kai starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, doch Takao fuhr ruhig fort: „Ich möchte einfach nur studieren und dann wieder zurück nach Tokio. Bitte mach mir das nicht so schwer und ignoriere mich - wie du es in den letzten Jahren auch gemacht hast.“
Mit diesen Worten drehte sich Takao ruckartig um, holte seine Klamotten aus dem Spind und ging. Kai machte gar nicht erst den Versuch ihm hinterher zu rennen. Der stand immer noch wie erstarrt am Spind.
Als er im Flur war, fing er an zu rennen. Mit rasendem Herzen rannte Takao aus dem Gebäude immer weiter, bis ihm die Luft ausging und er sich schwer atmend in den Schnee sinken ließ.
Warum nur? Warum fühlte er sich so taub und verloren? Wie konnte es sein, dass diese plötzlichen Gefühle von damals immer noch da waren?
Verzweifelte Wut über Kai, über sich selbst, ließ ihn mit der Faust in den Schnee schlagen. Seine inneren Schmerzen wurden dadurch jedoch nicht gelindert.
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Ich habe lange überlegt, ob ich das Kapitel umschreiben soll. Aber dann habe ich mir gedacht, man macht in seinem Leben so viel irrationalen Unsinn. Deswegen habe ich Kai und Takaos Zusammentreffen so gelassen, wie es ist.
Sagt mir einfach, was ihr davon haltet^^.
Es wäre auch schön, wenn diesmal mehr Leute, was dazu schreiben würden. Ansonsten schreibe ich als nächstes bei den anderen FFs weiter, die besser kommentiert, also von mehr Leuten gelesen werden und die jetzt warten.
Bye
Minerva