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Untouched

TaKa/Kakao
von

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Wake me up

Er stand kurz vor seinem Abschluss. Die Schulzeit lief mit einem Prüfungsmarathon aus. Das letzte Hindernis vor seiner etwaig vielversprechenden Zukunft. Einer Zukunft, von der er nichts wusste.
 

Takao hatte keine Ahnung, was er mit seinem Leben anstellen sollte. Er war fast achtzehn und hatte die letzten zwei Jahre damit verbracht alle seine Pläne umzuwerfen.
 

Ob er gebladet hätte?

Ja, das hatte er. Allerdings nur alleine und nicht mehr bei den World Championchips.

Ob er einen Berufswunsch hätte?

Ja, eigentlich schon, doch der war in weite Ferne gerückt. Arbeit an sich war in weite Ferne gerückt.
 

Es war nicht so als hätte er in den letzten Jahren nichts gearbeitet. Das hatte er. Vorzugsweise als Trainer für die Nachwuchsblader und für die Schule hatte er sowieso fleißig gelernt. Er war sogar richtig gut geworden. Einer der besten in seinem Jahrgang unter dem Chef und ein paar anderen Strebern. Und wenn ihn doch die Freizeit ereilte, die Gedanken zuviel wurden und es einfach nichts zu tun gab, ging er einfach feiern.
 

Das war länger gut gegangen als er es je für möglich gehalten hätte.
 

Irgendwann war der Punkt jedoch erreicht, an dem die völlige Erschöpfung eintrat und sich die Auseinandersetzung mit seiner beruflichen Zukunft nicht mehr aufschieben ließ.
 

Die Müdigkeit zerrte an seinem Nervenkostüm, die vielen Eroberungen befriedigten, stopften nicht dieses Loch in seinem Unterbewusstsein, die einzige Routinequelle - die Schule - war in ein paar Monaten vorbei und jene, die er einst als Freunde bezeichnete, hatten sich von ihm abgewandt.
 

Hiromi hatte es kurz nachdem sie ihm nachts vor seinem Haus aufgelauert war, aufgebenden mit ihm zu reden und begonnen ihn zu ignorieren.
 

Der Chef hatte es ihr wenige Wochen später gleichgetan.
 

Daichi hatte ihn abgehakt, nachdem Takao ihm bei einem Streit bösartige Dinge an den Kopf geworfen hatte.
 

Max und Rei waren sowieso in ihren jeweiligen Geburtsländern und stellten ihre Mails und Anrufe nach unzähligen unbeantworteten Versuchen ein.
 

Er hatte sie alle vergrault und eine Zeit lang war ihm das egal gewesen.
 

Der Zusammenbruch kam plötzlich. Auf einmal konnte er sich nicht mehr dazu aufraffen abends wegzugehen und blieb einfach in seinem Bett liegen. Wach, ruhelos, einsam.
 

Seine Passivität setzte sich auch bei seiner ehrenamtlichen Arbeit als Beybladetrainer im BBA-Trainingscenter der Stadt durch, nur zur Schule schleppte er sich.
 

Doch die zuvor vorgetäuschte Zufriedenheit auf seinem Gesicht verschwand und Melancholie spiegelte sich in seiner Mimik und Körperhaltung wider.
 

Seine Klassenkameraden fanden das seltsam, aber er hatte seinen Ruf schon längst ruiniert und die Ursache wurde in mangelndem Aufreißerglück oder Geschlechtskrankheiten gesucht. Für sie war es nicht allzu neu, dass junge, sehr erfolgreiche Leute in einem gewissen Alter abstürzten. Warum dies so war interessierte sie irgendwann nicht mehr und damit entgingen ihnen auch Verhaltensunterschiede.
 

Der Zug raste ungebremst auf den Abgrund zu und in dem Moment, in dem er die Bremse doch noch reinhaute und das Unglück geradeso verhindern konnte, entrissen unzählige Hände ihm die Möglichkeit sich zu retten und gaben ihm in der entscheidenden Situation den Gnadenstoß.
 

Takao hatte nie darüber gesprochen, was er nachts tat, aber die Gerüchte tauchten schneller auf als ihm lieb war. Er hatte gar nicht erst versucht sie auszuräumen oder klarzustellen. Es wäre vergebene Liebesmüh gewesen und solange seriöse Medien nichts davon berichteten, schadete es ihm bisher auch nicht. Ein großes Glück, wohl aber nicht ganz so viel Zufall.
 

Es hatte auch zu dieser Zeit ein paar Leute gegeben, die ihm halfen, doch das hatte er erst später realisiert.
 

Nie hatte sich Takao schlecht zu den Frauen benommen, mit denen er schlief. Er hatte nie ihre Betrunkenheit ausgenutzt und immer betont, dass es eine einmalige Sache war und bis auf zwei Mal war es stets unkompliziert und einvernehmlich bei einem One-Night-Stand geblieben.
 

Er hatte keine einzige Geschlechtskrankheit, weil bei der Verhütung nie etwas schief gelaufen war.

Er hatte keine fraglichen Sexualpraktiken ausprobiert und der eine Dreier, den er mal gehabt hatte, fiel sicherlich nicht in diese Kategorie.

Drogen hatte er aus Neugierde probiert, aber nie konsumiert.

Er war nie ausfallend geworden oder hatte jemanden verletzt, außer zur Verteidigung, wenn er unfreiwillig in eine Schlägerei geraten war.
 

Er war lediglich eine männliche Schlampe oder - schöner ausgedrückt - ein Macho. Obwohl ihm persönlich die Prahlerei und fordernde Umgangsart fehlte, mit der er das Bild eines Machos verband.
 

Das Ereignis, das ihm zum Rettungsseil aus der Isolation werden sollte, war ein denkbar unglückliches. Die Spontanität dessen war es im Endeffekt wohl gewesen, was ihm zugute gekommen war.
 

Er hatte an seinem Schreibtisch gesessen, als ihn eine junge, panische Stimme aus der Konzentration riss. Sie rief nach ihm. Alarmiert war er aus seinem Zimmer gestürzt und in einen Kendoschüler gelaufen.
 

Takaos Großvater war bei einer besonders gewagten Aktion ausgerutscht und hatte sich den Arm gebrochen. Keine Situation, mit der eine Meute Sechsjähriger umzugehen wusste.
 

Takao hatte die Eltern der Schüler benachrichtigt, dass sie ihre Kinder abholen konnten und war mit seinem Opa, der mehr in seinem Stolz als sonst wie verletzt war, ins Krankenhaus gefahren.
 

Der Knochenbruch stellte sich als kompliziert heraus. Eine Operation ließ sich nicht vermeiden und so saß er mit seinem Opa im Krankenzimmer und wartete geduldig darauf, dass sie ihn abholten.
 

"Ich weiß nicht, was ich tun soll", durchbrach Opa die drückende Stille im Raum.

Er saß im Krankenbett, der rechte Arm mit einer Schlinge um den Hals herum fixiert und trübe vor sich hinstarrend.
 

Takao saß in einem Plastikstuhl daneben.

"Das ist ein Routineeingriff. In ein paar Wochen bist du wieder fit."
 

Opa wandte ihm den Blick zu. Auf einmal lag etwas altes, mürbes in den sonst so entschlossen funkelnden Augen.

"Ich muss doch unterrichten! Ich kann den Dojo doch nicht schließen und Hiro ist ja in Indonesien."
 

"Ich kann doch unterrichten", erklärte Takao spontan und meinte es auch absolut ehrlich.
 

"Du hast doch seit über einem Jahr kein Kendo mehr gemacht", entgegnete Opa vorwurfsvoll.
 

Takao lächelte ihn beherrscht an. Das hatte er in den letzten zwei Jahren gelernt: Emotionen vortäuschen und vor allem verhüllen.

"Ich brauche mich bloß einzuüben und um den Schülern das wichtigste einzuschärfen reicht es allemal." Davon war er auch überzeugt.
 

"Deine Prüfungen-"
 

"Leiden nicht darunter", unterbrach er seinen Großvater, "Mir wird der Ausgleich sowieso gut tun."
 

Sein Opa schwieg daraufhin und betrachtete ihn stattdessen eingehend. Seine Augen waren ein wenig trüb geworden und tiefere Falten zerfurchten das leicht gebräunte Gesicht.
 

Wie auf einen Schlag erfasste Takao die Erkenntnis, dass sein Opa alt geworden war und sein Magen zog sich erschrocken zusammen.
 

Die jugendliche Art und sein Aktionismus hatten Takao immer die Tatsache ignorieren lassen, dass er mit seinen Mitte 70 tatsächlich ein alter Mann war und nicht mehr uneingeschränkt alles einfach ging. Auch sein Opa war endlich. Endlicher als er und er würde irgendwann seinen Tod erleben müssen.
 

Vielleicht albern, aber bis zu diesem Augenblick hatte er nie darüber nachgedacht und gefühlt angenommen, dass sein Großvater immer da sein würde.

Anders konnte Takao es sich gar nicht vorstellen.

Es war erschreckend. Beklemmend. Einfach nur unfassbar.
 

Takaos Mimik schien zu bröckeln und wahre Emotionen in seine Augen zu dringen, denn Opa zog sorgenvoll seine Augenbrauen zusammen.
 

"Ich habe schon oft versucht mit dir darüber zu sprechen, aber du hast mich bisher immer abgeblockt", begann Opa in ruhigem Ton, haderte dann jedoch und ungewohnte Nervosität schlich in seine Augen.
 

In diesem Moment fiel die Mauer, die Takao sich errichtet hatte und er folgte seinen Gefühlen - wie früher.
 

Er griff nach der runzligen Hand seines Großvaters und drückte sie sanft. Eine stumme Aufforderung. Ein Versprechen. Dieses Mal würde er nicht auf stur schalten.
 

Opa sah ihm direkt in die Augen und etwas Entschlossenes trat in sie.

"Du bist kein Einzelgänger, Takao. Trotzdem hast du dich völlig zurückgezogen und anfangs dachte ich, es ist eine Phase, aber es wird nicht besser. Dir geht es nicht gut und ich mache mir Sorgen, weil du zu niemandem gehst und mit ihm redest."
 

Von allem, was sein Großvater ihm hätte vorwerfen können, war das das geringste Übel.
 

Verschämt senkte Takao den Blick.

"Es tut mir leid, dass ich so unfreundlich zu dir war und ständig abgehauen bin."
 

Opa erwiderte den Händedruck und strich mit dem Daumen über seinen Handrücken. Takao sah wieder auf.

"Junge, ich wünsche mir nur, dass es dir gut geht und unser Haus wieder voll ist mit deinen Freunden."
 

Freunde. Das Wort versetzte ihm einen Stich. Scham kroch in seine Wangen.
 

"Du solltest mit deinen Leuten reden, klar Schiff machen und dich an Mr. D wenden, wenn du bei der BBA später arbeiten möchtest", bekräftigte Opa mit aufflammender Zuversicht.
 

"Ich weiß nicht, ob ich dazu noch das Recht habe. Zu beidem. Außerdem bin ich mir nicht mehr sicher, was ich mal will."
 

"Das wirst du schon herausfinden, wichtig ist jetzt erstmal der Versuch." Opa tätschelte ihm die Hand und lächelte ihn aufmunternd an.
 

Dankbarkeit durchflutete Takao und er stand kurzentschlossen auf, um seinen Opa vorsichtig, ob des gebrochenen Arms, zu umarmen. Dieser gluckste froh, offensichtlich der Meinung, dass sich nun alles zum besseren wandte.
 

Und vielleicht... Vielleicht konnten ihm seine Freunde ja tatsächlich verzeihen wie es sein Opa gerade getan hatte.
 

***
 

Takao lächelte freundlich, als ihm die unentwegt redende Frau mit den spitzbübisch kurzen, schwarzen Haaren seine Teetasse überreichte.

Belustigt bemerkte er aus dem Augenwinkel wie Akira es ihm mit einem leicht gequälten Ausdruck in den Augen gleichtat.
 

Sie waren bei Hana zu Hause. In der geräumigen Dreizimmerwohnung, in der sie mit ihrer großen Schwester Reika lebte und welche sie nun mit Tee und Keksen versorgte, dabei ohne Unterlass von allem möglichen erzählend.
 

Takao wunderte sich, dass sie überhaupt Luft bekam, so schnell sprach sie. Aber obwohl Reikas Art recht anstrengend war, konnte man nicht umhin sie irgendwie zu mögen. Sie besaß eine sehr feminine Ausstrahlung, war zierlich gebaut und ihre großen verwaschen-grünen Augen strahlten freundlich.
 

Dagegen wirkte Hana fast burschikos, deren Figur eher einer Sportlerin glich und ihr Auftreten war mehr dominant als feminin. Trotz allem, wenn Takao sich entscheiden müsste, zöge er Hana auf jeden Fall vor. Er mochte durchsetzungsfähige Frauen, die nicht nur mit einem sinnlichen Wimpernschlag zu überzeugen versuchten. Frauen, wie er sie aus dem Leistungssport her kannte.
 

Obwohl sie sehr unterschiedlich waren, vermittelten die Schwestern einen verhältnismäßig harmonischen Eindruck. Es war amüsant ihren Gesprächen zu lauschen.
 

"Takao? Wann feierst du eigentlich deinen Geburtstag mit uns nach?", wandte sich plötzlich Akira an ihn, was Hana abrupt in ihrem Redeschwall innehalten ließ. Auch Reika sah ihn neugierig an.
 

"Ähm", begann er leicht verlegen und kratzte sich an der Wange, "Geplant hatte ich jetzt eigentlich nichts."
 

"Was?" Entgeistert riss Akira seine schwarzen Augen auf.
 

Auch Hana verschränkte entrüstet die Arme vor der Brust: "Das kannst du doch nicht machen!"
 

"Wann hattest du denn Geburtstag, Takao-kun?", richtete Reika sich mit ihrer melodischen Stimme an ihn, was Takao eine willkommene Ablenkung von den bösen Blicken seiner Freunde war.
 

"Am 9. April", lächelte er die hübsche Frau dankbar an.
 

Bei ihren nächsten Worten verrauchte seine Dankbarkeit allerdings im Nu.

"Ach, das ist erst eine Woche her, da kann man noch nachfeiern."
 

"Allerdings", nickte Akira.
 

"Finde ich auch", pflichtete Hana ihrer Schwester bei, "Schließlich warst du an deinem Geburtstag in Tokio und wir konnten nur erahnen, wie du dort gefeiert hast."
 

"Ich habe nur ein paar Freunde getroffen. Bei mir zu Hause. Im Dojo. Da gab es nur Essen und Trinken", versuchte sich Takao herauszureden.
 

"Ich will auch etwas zu Essen und zu Trinken", meinte Akira empört, was ihm einen mahnenden Blick von Hana und ein Kichern von Reika einbrachte. Selbst Takaos Mundwinkel zuckten belustigt bei Akiras schmollendem Gesicht.
 

"Warum möchtest du denn nicht noch einmal feiern gehen, Takao-kun?" Reika sah ihn mit ihren großen Augen fragend an.
 

Takao atmete tief durch, ehe er sich geschlagen gab.

"Na gut, wir gehen ein wenig feiern."
 

Er hob die Hand, als Akira und Hana sich triumphierend einen High-Five gaben.

"Es wird aber nur was ganz Kleines sein. Was essen und dann Kino oder so."
 

"Aww, kein Club?", jammerte Hana mit flehenden Augen. Das konnte sie echt gut, wenn sie wollte.
 

"Kein Club."
 

"Kino ist cool, Mann. Den neuen Tarantino wollten wir uns sowieso noch zusammen ansehen", grinste Akira und schlug Takao freundschaftlich auf die Schulter.
 

"Oh nein, muss das sein? Die sind immer so blutig." Hana zog ihre Mundwinkel nach unten.
 

"Ach was, du kannst dich ja an mich kuscheln, wenn es dir unheimlich wird." Akira warf Hana einen schmutzigen Blick zu.
 

"Als ob. Das hättest du wohl gerne", schnaubte sie, doch Takao sah den leichten Rotschimmer auf ihren hellen Wangen.

Wenn sich da mal nichts ergab...
 

Ein Klingeln ließ Reika hochfahren: "Ah, ich habe ja völlig vergessen, dass Sora noch mit einer Freundin vorbeischauen wollte! Ich hoffe, es macht euch nichts aus?"
 

"Nein, nein", winkten Takao und Akira synchron ab, während Hana ihrer Schwester einen irritierten Blick zuwarf.
 

"Wird es nicht ein wenig voll? Und was für eine Freundin bringt Sora mit?" Neugierig folgte sie Reika zur Tür und ließ die Jungs eine Weile alleine.
 

"Boah, ich hoffe, die beiden Mädels reden nicht auch so viel. Ich komm ja jetzt schon fast nicht mit", stöhnte Akira und streckte seine Beine aus, ehe er sich wieder korrekt hinkniete.
 

Takao schob sich indessen ein paar Schokoladenkekse in den Mund.

"Ich glaube nicht, dass das noch möglich ist."
 

Als sie sich ansahen, breitete sich ein fettes Grinsen auf ihren Zügen aus und mehr Kekse wurden verschlungen. Wenn man zu so einem Besuch schon "überredet" wurde, dann musste man auch das Beste daraus machen und das hieß essen.
 

Keinen Augenblick später öffnete sich die Türe und die Schwestern traten fröhlich mit zwei weiteren Frauen ungefähr in Reikas Alter herein.

"Darf ich euch Takao und Akira vorstellen? Das sind Sora und Kassandra."
 

Die Jungs standen höflich auf und verbeugten sich zur Begrüßung, während ihnen ein simultanes "Hallo" entgegenschlug.
 

"Sora studiert noch mit mir und Kassandra ist bereits letzten Sommer fertig geworden und arbeitet nun in Kyoto", meinte Reika lächelnd, während Hana Gläser und Säfte für den Zuwachs aus der Küche holte.
 

"Kyoto? Bist du denn ursprünglich von dort oder warum bist du so weit runter?", wollte Akira neugierig wissen.
 

Kassandra nahm das gereichte Glas Orangensaft dankend an, ehe sie ihre königsblauen Augen auf Akira richtete.
 

"Nein, ursprünglich komme ich aus Tokio, aber meine Eltern leben nicht mehr in Japan. Deswegen bin ich dem besten Angebot nach dem Studium gefolgt. Wichtig war für mich nur, dass ich in wärmere Gefilde ziehen kann", erklärte sie bereitwillig.
 

"Ach so? Und wo leben deine Eltern dann? Du siehst auch nicht ganz japanisch aus", spielte Akira auf Kassandras europäisches Aussehen an und kassierte dafür sogleich eine Kopfnuss von Hana, was alle zum Lachen brachte.
 

"Sei doch nicht so unhöflich!", knurrte Hana und ignorierte Akiras Gejammer geflissentlich.
 

"Das ist schon in Ordnung", wiegelte Kassandra ab und wandte sich wieder an ihn, "Meine Eltern sind aus Belgien und haben 17 Jahre in Tokio in der Deutschen Schule als Lehrer gearbeitet, wollten aber ihren Ruhestand in der alten Heimat genießen. Ich bin also hier seit der 1. Klasse und fühle mich auch eher als Japanerin."
 

"Glücklicherweise und endlich besucht sie auch mal wieder ihre beste Freundin", lachte Sora und umarmte Kassandra freundschaftlich.
 

"Du weißt wie stressig es ist und ich bin schließlich gleich gekommen, kaum, dass ich Urlaub bekommen habe", rechtfertigte sich Kassandra, wofür sie ein Augenrollen erntete.
 

"Seit wann bist du in Sapporo?", hakte sich Reika ein.
 

"Ich bin erst heute Vormittag gelandet", lächelte sie.
 

Takao beobachtete die Frauen neugierig, während Akira sie geradezu musterte und dies beim Trinken verstecken wollte.
 

Sora war sicherlich eine typische Jurastudentin, elegant gekleidet und mit einer modernen Nerdbrille auf der Nase, während Kassandra mit ihren halblangen, wuscheligen Haaren und ihren bequemen Schlabberklamotten eine angenehme Natürlichkeit und Gelassenheit ausstrahlte. Sie fiel damit etwas aus dem Rahmen und passte nicht so recht in das Bild einer erfolgreichen Jungjuristin.
 

Takao fand das sympathisch.
 

***
 

Es war bereits spät Abends und die beiden Männer waren froh, dass es genug Leckereien zu naschen gab, ansonsten wären sie wohl geflohen.
 

Zwei Frauen am Tisch waren schon anstrengend und schwer in ihrem Redefluss zu stoppen.

Aber bei vier Frauen?

Unmöglich.

Man brauchte nicht zu glauben, dass man da auch nur seine eigenen Gedanken hören konnte.
 

Diese typischen Frauengespräche interessierten Takao und Akira herzlich wenig und die meiste Zeit schwiegen sie oder plauderten kurz miteinander.
 

Ein ungläubiges Aufkreischen von Sora ließ Beide zusammenzucken.

"Das ist doch nicht dein ernst!!?"
 

"Doch, natürlich. Ich habe mir den Schlüssel nicht umsonst heimlich nachmachen lassen", erwiderte Kassandra unbekümmert und zuckte mit den Schultern.
 

"Das endet doch nur wieder im Chaos", murrte Sora mit verschränkten Armen und mahnendem Blick.
 

"Nein, tut es nicht. Wir sind schließlich nicht mehr zusammen."
 

Sora schnaubte.

"Ja ja, das kenne ich schon. Zwei Jahre lang ist das hin und her gegangen. Ihr seid beide verrückt!"
 

"Oh, danke! Wie lieb von dir!", Kassandra rollte mit den Augen, "Und nein, wir waren vorher nie getrennt, wir haben nur ständig gestritten wie die Metzgerhunde."
 

Sauer und verständnislos schüttelte Sora den Kopf, als sich Reika einmischte.

"Sprecht ihr von deinem Ex-Freund?"
 

"Richtig", erklärte Kassandra bereitwillig.
 

"Na, warten wir mal ab", motzte Sora nuschelnd und versuchte ihre Freundin mit ihrem Blick zu erdolchen, doch die ließ das vollkommen kalt.
 

"Ach, bist du dann diejenige, die mit Hiwatari-san zusammen war?"
 

Ein Nicken, das die ganze Situation für Takao veränderte und Hana aufquietschen ließ.
 

"Hiwatari ist unser Sensei!"
 

"Ja, ich hab gehört, dass er zu einer Übung verdonnert wurde", grinste Kassandra verschmitzt.
 

"Telefoniert ihr auch oder was?", moserte Sora, woraufhin sie einen freundschaftlichen Klaps kassierte.
 

"Hör schon auf dauernd zu lästern, da wird nix mehr sein. Und ja, ich habe ihn Anfang des Jahres angerufen. Wie sollte es auch anders gewesen sein, er ist ja unfähig sich zu rühren."
 

"Tch", machte Sora.
 

"Und ihr seid im Guten auseinander gegangen?", fragte Hana neugierig.
 

"Sag nichts, Kassandra. Hana ist ganz vernarrt in ihn", warnte Akira genervt und bekam dafür die nächste Kopfnuss verpasst.
 

Kassandra lachte vergnügt.

"Ja, wir sind im Guten auseinander. Die Beziehung hat nicht funktioniert und die Tatsache, dass ich nach dem Abschluss wegziehen und er überraschend die Stelle am Lehrstuhl angeboten bekam, hat sie schließlich auch beendet. Das war völlig in Ordnung für uns."
 

Hana und Reika blickten etwas verdattert drein, bevor Akira aussprach, was sie dachten.

"Warum ward ihr dann zwei Jahre zusammen, wenn es absolut nicht hingehauen hat?"
 

Kassandra zuckte mit den Schultern.

"Ich hab mich verknallt und wollte ihn haben."
 

"So einfach?", hakte Hana ungläubig nach, die Stirn gerunzelt.
 

"Es war alles andere als einfach. Es war ein ganzer 24/7-Job und hat ein halbes Jahr gedauert, bis ihm der Kragen geplatzt ist und er mich zur Rede gestellt hat." Sie lächelte verschmitzt.
 

"Bitte fragt sie nicht weiter aus. Die Sache hat so schon genug genervt", meckerte Sora missliebig.
 

"War er denn nicht gut", flüsterte Reika Sora zu, doch es war laut genug für alle.
 

"Er ist der anstrengendste Mensch, der mir je begegnet ist, aber wir haben viel voneinander gelernt", Kassandra klatschte einmal in die Hände, "So und nun wirklich Themenwechsel."
 

Reika und Hana fügten sich notgedrungen, während Sora aufatmete und über die Dinge zu sprechen begann, die sie in der kommenden Woche erledigen musste.
 

Takao versuchte sich nichts anmerken zu lassen und aß stoisch weiter Chips, obgleich sie sich in seinem Mund staubig und trocken anfühlten und er kaum schlucken konnte.
 

Diese Frau - so hübsch und sympathisch - war mit Kai zusammen gewesen. Zwei Jahre! Sie hatte Zeit mit ihm verbracht, ihn angefasst, mit ihm geschlafen und es machte ihn krank.

Vor Wut, weil Kai mit so einem fröhlichen, netten Mädchen eine Beziehung hatte, statt zu leiden, oder vor Eifersucht, weil sie es war, die Kai hatte festhalten können - Takao wusste es nicht.
 

Auf jeden Fall waren Kassandras Anblick und Stimme nun unerträglich für ihn und er brauchte all seine Kraft noch einige Minuten zu warten, bevor er ging.
 

Hana und Akira begleiteten ihn noch zur Tür, was Takao etwas irritierte.

"Du bleibst noch, Akira?"
 

"Hey! Warum klingt das so ungläubig? Wir fressen ihn schon nicht!", empörte sich Hana scherzend.
 

Akira zuckte bloß mit den Schultern und setzte ein schiefes Lächeln auf.

"Ich finde es sozialwissenschaftlich sehr spannend. Frauen, in ihrer natürlichen Umgebung." Er wackelte spitzbübisch mit den Augenbrauen.
 

"Okay", grinste Takao und verabschiedete sich mit einer Umarmung von seinen Freunden.
 

Als er allein im Treppenhaus stand, atmete er erstmal tief durch.
 

Das war echt mieses Karma. Da suchte er sich im nördlichen Eck Japans eine Uni und traf einen verschollenen Ex-Teamkameraden, der zu allem Überfluss seine Übung hielt.

Der ihn besoffen küsste, ihn pflegte und so ansah. Diese verfluchten roten Augen!

Und nun hatte er beim ersten Besuch bei Reika dessen charmante Ex-Freundin kennenlernen dürfen.
 

Es war zum Kotzen.
 

Wenn er zuvor dachte, sein Leben sei ein Irrenhaus, so wurde er eines besseren belehrt. Und eigentlich hätte er wissen müssen, dass er nicht so einfach vor der heutigen Situation fliehen können würde.
 

Kaum hatte er den nächsten Treppenabsatz erreicht, öffnete sich hinter ihm eine Tür.

Er ignorierte es.
 

Schnelle Schritte auf Frauenschuhen klackerten durchs Treppenhaus.

Warum beachten?
 

"Takao-kun?"
 

Verdammte Scheiße.
 

Kassandra holte ihn ein und lächelte ihn freundlich an, das pure Temperament flackerte in ihren Augen. Doch der wahre Alptraum begann mit ihren nächsten Worten.

"Ich weiß, dass ich nicht die Person deiner Wahl bin und du mich nicht sehen willst, aber ich möchte mit dir reden."
 

Takao war so baff, dass er sich sicher war einen Moment mit offenem Mund dazustehen, völlig erstarrt.
 

Kassandra ließ ihm nicht die Zeit sich zu fangen, sondern hakte sich forsch bei ihm ein und zog ihn sanft die letzten Treppen hinunter und auf die Straße.
 

Alle wirren Gedanken und chaotischen Gefühle wurden mit dem Hammer niedergeknüppelt, als sie die ersten Schritte aus der Türe traten und die kalte Nachtluft ihn aus seinem tranceartigen Zustand holte.
 

"Was soll das?", unwirsch löste Takao die Hand um seinem Oberarm, bevor er sich zusammenriss, "Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich muss wirklich nach Hause."
 

Kassandra blickte ihm direkt in die Augen und Takao verfluchte sie für ihren perfekten Welpenblick.

"In welche Richtung musst du denn?"
 

Schmollen und schweigen oder souverän und erwachsen?

Er entschied sich für die zweite Variante.
 

Ein großer Fehler.
 

Missmutig deutete er in eine Richtung, woraufhin sich ihre Gesichtszüge aufhellten.

"Klasse, ich auch! Dann können wir ein Stück zusammen gehen."
 

Takao gab sich redliche Mühe seine anhängliche Begleitung zu ignorieren, doch das wollte einfach nicht recht klappen. Diese Frau kennenzulernen hatte ihm zu seinem Kai-Alptraum noch gefehlt.
 

Er konnte sie nicht verteufeln oder gar nur hässlich finden. Sie war interessant und attraktiv. Und scheinbar auch sehr stur.
 

"Ich freu mich, dich kennengelernt zu haben, Takao-kun", beendete sie selbstbewusst die Stille mit Worten, die Takao nicht gegensätzlicher empfinden konnte.

"Jetzt kann ich meiner Nichte wenigstens erzählen, dass ich mit dem erfolgreichsten Beyblader aller Zeiten unterwegs war." Ein schelmisches Grinsen bildete sich auf ihren geschwungenen Lippen.
 

"Interessierst du dich für Beyblade?", erwiderte Takao höflich. Sie hatte ihn etwas aus der Reserve gelockt und er wusste es, aber...
 

Kassandra summte und fasste sich an den Hals, wo sie eine Kette aus ihren Klamotten hervorzupfte und hielt ihm einen runden Silberanhänger hin.

Darauf war ein rotgoldener Fuchs mit mehreren Schwänzen abgebildet. Ein Bit-Beast.
 

Baff und neugierig wie er von Natur aus war, fasste er nach dem Anhänger und betrachtete ihn genauer.

"Wow, also beladest du auch?"
 

"Nein", seufzte Kassandra,"Kitsoon ist ein Erbstück und ich habe auch mal ein wenig mit ihm gebladet, aber ich bin eher jemand, der Sport als Ausgleich und nicht zielorientiert und aus purer Leidenschaft betreibt."
 

"Verstehe. Und deine Nichte?"
 

Kassandra lächelte ihn an: "Die ist in einem Verein und ziemlich gut. Aber sie ist erst acht und muss noch eine Weile warten, bis sie an nationalen Turnieren teilnehmen darf. Ich dachte mir, ich schenke ihr Kitsoon, wenn sie soweit ist."
 

"Das ist eine gute Idee. Ohne Bit-Beast ist es fast unmöglich bis an die Spitze zu kommen."
 

Kassandra schnalzte mit der Zunge.

"Ich habe gehört, dass du Nachwuchssportler trainierst."
 

"Als ich meine Ausbildung in der BBA-Zentrale in Tokio gemacht habe, konnte ich nicht widerstehen und habe mich manchmal eingemischt, aber meine eigentliche Aufgabe war es nicht. Vielleicht später. Jetzt studiere ich erst einmal."
 

"Betriebswirtschaft."
 

"Nein, Rechtswissenschaften."
 

"Oh", machte Kassandra und blieb stehen. Mit großen Augen blickte sie ihn an, sodass Takao ein wenig irritiert zurückschaute.
 

"Was denn?", hakte er schließlich nach, als sie nicht aufhörte ihn anzustarren.
 

Sie schüttelte den Kopf und erklärte dann:

"Jetzt ergeben Kais kryptische Aussagen einen Sinn, als ich ihn zu seiner ersten Übungsstunde befragt habe; du bist in seiner Übung gesessen!"
 

Unverzüglich spannte sich Takaos Körperhaltung an und das ein wenig gelüpfte Rollo fiel herunter. Der Fluchtmechanismus setzte wieder ein.
 

Kassandra merkte es und sprach schnell weiter.

"Ich weiß nicht wirklich, was da zwischen euch damals passiert ist, aber ich weiß, dass es eine schwierige Situation ist-"
 

"Schwierig?", unterbrach Takao sie, Wut begann in ihm hoch zu brodeln, "Schwierig ist ja wohl eine Untertreibung!"
 

"Dann eben katastrophal", schoss Kassandra plötzlich zurück und die Schärfe in ihrer Stimme, überraschte Takao lange genug, um ihr Gelegenheit zum Sprechen zu geben.
 

"Als ich Kai kennengelernt habe, war er ein absoluter Bastard und - Himmel! - er ist immer noch einer. Ich meine, er ist unfähig einen Telefonhörer in die Hand zu nehmen und wenn man ihn dann schon selbst anruft, dann kriegt er den Mund nicht auf. Es kommt einem so vor, als wäre ihm völlig egal, ob man lebt oder tot ist."
 

Takao starrte sie an, unfähig zu gehen, denn ihre Augen hielten ihn gefangen und unterschwellig wollte er hören, was sie zu sagen hatte. Er hätte nicht erwartet, dass sie so über Kai sprechen würde, nachdem wie zufrieden sie mit dem Verhältnis zu ihrem Ex geklungen hatte.
 

"Aber weißt du, was ich herausgefunden habe, nachdem ich fast zwei Jahre mit ihm über sein Verhalten gestritten habe? Ich habe herausgefunden, dass er der unsicherste Mensch ist, den ich je getroffen habe und er gar nicht anders kann."
 

Als er das hörte, setzte eine Übersprungsreaktion ein und Takao begann schallend zu lachen.

Es war ein freudloses, zynisches Lachen.
 

Er musste sich den Bauch halten und krümmte sich.

"Das ist das Lächerlichste, was ich je gehörte habe", japste er glucksend und lachte weiter.
 

Kassandra stand vor ihm auf der von Laternen beleuchteten Straße und beobachte ungerührt Takaos Ausbruch. Die wenigen Fußgänger, die an ihnen vorbeischlenderten, sahen sie verständnislos an.
 

Sie wartete bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte und nach Luft schnappte.
 

"Ist es das wirklich?", wollte sie ruhig wissen, "Kommt es dir so unglaubwürdig vor?"
 

Takao nickte und sah sie mit vor Lachtränen glänzenden und unglücklichen Augen an.

"Ich wusste damals, dass Kai kompliziert ist und es ihm schwer fällt Freundschaft zuzulassen, dennoch hätte ich nie erwartet, dass er einfach verschwindet und sieben Jahre nichts von sich hören lässt. Ohne diesen unglückseligen Zufall wüsste ich bis heute nicht, dass er noch lebt. Es war ihm scheißegal, was aus seinen Freunden geworden ist. Er ist ein treuloses Arschloch."
 

"Und warum ist er das?", verlangte Kassandra zu wissen, was Takao sich wieder gerade aufrichten ließ.
 

Diese Frage machte ihn wütend. Sie war irritierend und ziemlich impertinent.

Was interessierte es ihn schon, warum Kai so ein Arschloch war, redete er sich ein.

Nichts konnte dieses Verhalten entschuldigen. Entschuldigen, was er ihm damit angetan hatte. Er hätte damals fast seine Freunde verloren, so sehr war Takao von seinem Weg abgekommen. Es könnte nichts geben, was ihn besänftigen würde.
 

"Das spielt keine Rolle. Es ändert nichts", presste Takao aus zusammengebissenen Zähnen hervor.
 

Kassandras Augen nahmen einen sanften Schimmer an.

"Es ändert nichts an der Vergangenheit, nein. Aber vielleicht ändert es etwas an der Zukunft."
 

Takao schnaubte.

"Ach ja? Dann lass mal hören!"
 

"Weißt du, es hat sehr lange gedauert, bis ich Kai soweit hatte, dass er mich nicht mehr ignoriert hat. Fachlich konnten wir wunderbar streiten und es hat ewig gedauert, bis ich den Eindruck hatte, dass er mich als Freundin akzeptiert. Nochmal solange hat es dann gedauert, ihn um den Finger zu wickeln und es wäre mir fast nicht gelungen. Er ist so schrecklich stur und misstrauisch. Ich war, bis ich Sapporo verlassen habe, die einzige Person, die Kai als Freundin bezeichnen konnte. Alle anderen Menschen hat er sich gekonnt vom Leib gehalten. Ich weiß, dass er mich nie geliebt hat, aber ich weiß auch, dass er sich sehr freut, wenn ich ihn anrufe, obwohl er muffig ist und kaum was sagt. Ich weiß, dass er mein unangemeldet bei ihm abgeliefertes Gepäck in sein Schlafzimmer gebracht hat und sich selbst die Couch zum Schlafen herrichtet und jetzt wartet, dass ich komme. Ich weiß, dass er mir die Tür öffnen, mich böse ansehen und dann ignorieren wird bis ich mir Hausklamotten angezogen habe. Dann wird er in der Küche stehen, etwas kochen und sich über meinen plötzlichen Besuch beschweren und sich solange darüber auslassen, wie viel er zu tun hat und er keine Zeit für mich aufbringen kann, bis ihm sämtliche Argumente ausgehen, warum er mich nicht haben will. Und wenn das erst überstanden ist und ich immer noch dasitze und diesmal nicht mit ihm streite, wird sich ein vernünftiges Gespräch ergeben. Erst dann."
 

Kassandra machte eine Pause und beobachtete Takaos Reaktion.
 

Der schwieg und sah neben ihrem Kopf vorbei ins Leere.

All das, das ganze Szenario..., all das war Kai.
 

"Ich habe erkannt, dass Kai so eine große Angst vor anderen Menschen hat, dass er selbst diejenigen, die ihre Freundschaft zu ihm eigentlich längst bewiesen haben, ständig auf die Probe stellt. Es ist ihm schleierhaft, dass man ihn ehrlich mögen könnte. Den einzigen Geschöpfen, denen er das glaubt sind Tiere, denn keines von ihnen hat ihn je verraten. Das Einzige, an das er sich klammert und über das er sein ganzes Selbstbewusstsein definiert, ist der Sport und neuerdings sein rechtliches Fachwissen."
 

Konnte das wirklich sein?

Und wenn schon, das würde nichts ändern.

Und? Dann hatte Kai ein Vertrauensproblem mit anderen Menschen. Er selbst war ja auch ein verräterisches Mistschwein - war abgehauen, als es kompliziert wurde.
 

"Ich weiß, dass Kai, nachdem eure Freundschaft erschüttert wurde, eine so große Panik bekommen hatte, dass er nicht anders konnte als zu fliehen. Und obwohl er es später bereut hatte und eingesehen hatte, dass diese Angst nicht seine Größte ist, war er nicht in der Lage eine Möglichkeit zu finden sich bei dir zu entschuldigen, da bereits sechs Jahre vergangen waren."
 

Takao holte tief Luft.
 

"Er war noch nie der Schnellste", flüsterte er, was Kassandra ein kleines Lächeln entlockte.

"Du sagst, es war nicht seine größte Angst?" Takao fühlte sich auf einmal so kraftlos und ausgelaugt. Seine Gedanken rasten, wusste er doch, dass er sich insgeheim eine Erklärung wünschte, die ihm möglich machte Kai zu vergeben. Andererseits wollte er nichts davon wissen.
 

"Er hat begriffen, dass er mit seinem Verhalten dich und denjenigen Menschen, die ihm am meisten bedeuteten, einen größeren Schaden zugefügt hatte als sich selbst und er euch mit seinem Verschwinden alles andere als einen Gefallen getan hatte. Nämlich das hatte er vorher geglaubt. Dass es besser gewesen war zu verschwinden, denn die Freundschaft hatte er seiner Ansicht nach ja zerstört."
 

Takaos Ohren pfiffen ganz laut und er hatte kurz den Eindruck, er höre nichts mehr. Kassandras Worte stressten ihn, machten ihn fertig. Er war auf einmal völlig durcheinander.
 

Nur eine Frage...

"Und wie kam er auf die Idee?"
 

"Ich habe ihm zig tausendmal erklärt, dass man gute Freunde nicht so einfach vergraulen kann und auch schwierige Situationen mit ihnen lösbar sind. Natürlich nicht eins zu eins so, aber von der Kernaussage her schon so ungefähr", lächelte Kassandra sanftmütig.
 

Takao fasste sich an seine pochende Schläfe. Er wusste nicht.... Er wusste einfach nicht...

Er atmete tief durch.
 

Und jetzt?
 

"Er hat sich bei mir entschuldigt, gesagt, dass er feige war. Aber das ändert nichts. Das macht es nicht besser. Es erklärt rein gar nichts. Er war schon immer egoistisch...", murmelte er stoisch vor sich hin, versuchte sich an diesen Worten festzukrallen, sie einzuverleiben, sie zu glauben.
 

Kassandra fasste ihn an der Schulter, was ihn hochschrecken und in ihre gutmütigen Augen blicken ließ.

"Rede mit ihm. Klärt ein für alle mal, was da passiert ist und vor allem was danach passiert ist. Schlimmer wird es die Situation kaum machen und egal was dabei rauskommt, es gibt dann kein quälendes 'was wäre, wenn' mehr."
 

Takao sah sie an und wusste, dass sie recht hatte. Diese fürchterliche Frau. Sein Alptraum.
 

Er musste nun nachdenken.
 

***
 

Es gibt keine Worte, die entschuldigen, dass ich so lange gebraucht habe, um das Kapitel fertig zu stellen.

Ich kann nur betonen, dass es einfach nicht schneller ging. Ich habe daran gearbeitet, doch mir wollte Kassandras Auftauchen nicht gelingen. Seit Herbst 2012 habe ich versucht daran zu schreiben, aber kein Satz war gut genug. Im Laufe von 2013 habe ich es oft versucht, doch es kam nichts dabei raus. Erst ungefähr im November/Dezember hat es Satz für Satz geklappt und kurz vor Weihnachten gelang es mir Kassandra zu schreiben und auch das Gespräch zwischen ihr und Takao. Die Vergangenheitsszene vom Anfang habe ich nach Weihnachten geschrieben und nun ist es endlich fertig.

Ursprünglich hätte Takao Kassandra auf Reikas Geburtstagsparty kennenlernen sollen, doch das verwarf ich.

Dann sollten sie in einem Café landen und Kassandra viel mehr über sich und Kai erzählen, Takao auch mehr darauf eingehen, aber letztlich sind sie doch nur auf der Straße geblieben.

Es war schwer.

Endlich ist es geschrieben.

Ideen habe ich für das nächste Kapitel und natürlich will ich schneller daran schreiben. Erzwingen kann ich ein höheres Tempo nicht.

Ich hoffe, es gibt noch ein paar Leute, die diese Geschichte mögen.
 

Liebe Grüße und ein gutes Jahr 2014!
 

Bye
 

Minerva



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  Kinare
2022-02-01T20:45:52+00:00 01.02.2022 21:45
wow ich muss sagen super ff. ich war so gefesselt das ich erst alles durchlesen musste um dann ein kommi zu schreiben.
Ich muss sagen die beiden habens nicht leicht. Total überfordert und dann tief gefallen........ja das kenn ich nur zu gut^^
dennoch stur sind sie und das hast du wundervoll rübergebracht *daumen hoch* auch ihre quahl ist nicht zu übersehen....was mich echt hoffen lässt das sie zusammen einen Weg finden das zu beenden und sich wieder zu fangen.
hoffe du schreibst bald mal weiter^^
Lg Kinare
Von:  jasuminu
2016-06-25T11:48:04+00:00 25.06.2016 13:48
Hey mir gefällt diese ff sehr und hoffe das du sie noch zu ende schreibst...wäre sonst echt schade :( ich liebe dieses pairing *.*
Antwort von:  Minerva_Noctua
26.06.2016 06:59
Hi!

Vielen Dank für deinen Kommentar!
Es freut mich, dass ich nach so langer Zeit doch noch einen Kommi kriege:)
Ja, ich werde weiterschreiben. Allerdings dauert es noch.
Dank der FF "Die Geister die wir riefen" bin ich selbst wieder inspiriert und hab sogar kürzlich ein paar Sätze geschrieben. Abgebrochen wird also nicht:)
Übrigens kann ich die FF von Eris_the-discord (in meinen Favos) nur empfehlen, falls du sie noch nicht kennst:)

Liebe Grüße,

Minerva
Antwort von:  jasuminu
12.09.2016 13:45
Hey ist mir jetzt etwas peinlich aber hab deine Antwort erst jetzt entdeckt 0//0 ich wollte nämlich nachschauen, ob du eventuell schon an einer deiner FFs weiter geschrieben hast und naja dann hab ich das hier entdeckt haha ojee...aber es freut mich das du weitermachst bei dieser FF und bei Russian in the house ich liebe beide Parings andere interessieren mich irgendwie nicht...und ja du hast bestimmt gemerkt das ich auch einige kommis bei Eris da gelassen hab. Ich finde auch das die FF der Wahnsinn ist *.* komisch das sonst keiner mal ein kommi da lässt.. sie zählt mit deinen zu den besten das ist kein schleimen ist einfach so! Soo hoffe du schreibst schnell weiter ^.^ LG jasu
Von:  smartynp
2014-11-15T13:38:58+00:00 15.11.2014 14:38
hi,

habe die ff gerade gefunden und finde sie super. da sie ja schon länger geht hoffe ich doch das du auch weiter dran bist. würde zu gerne wissen wies weitergeht.

smart
Von:  nu
2014-01-06T21:28:37+00:00 06.01.2014 22:28
Ein neues Kapitel nach langer Zeit..und ich habe diese ff wieder entdeckt. Ich habe sie sogar noch einmal komplett gelesen, weil ich schon ziemlich raus war.
Ich glaube, dass es recht schwierig ist Kassandra in ihrer Rolle als Ex-Freundin sympathisch darzustellen. Aber ich finde, dass dir das gelungen ist und, dass es auch nicht völlig unrealistisch rüber kommt wo bzw. wie Takao und sie sich begegnen.
Was mir noch aufgefallen ist, dafür dass sie und Kai 2 Jahre lang zusammen waren und sie ihn unbedingt haben wollte, scheint auch sie ihn nicht wirklich geliebt zu haben? Weil sie so entspannt über die Trennung spricht und ihn weiterhin anruft und besucht..
Ich hoffe es wird dir leichter fallen, dass nächste Kapitel zu schreiben und dass es schnell weiter geht. Ich möchte wissen, wie sich das Gespräch weiter auswirkt ;)
LG
Von:  chrono87
2014-01-04T16:27:33+00:00 04.01.2014 17:27
Der erste Teil des Kapitels ist in der Tat verwirrend, wenn man total aus der FF raus ist, aber sobald man zum hier und jetzt kommt, macht es wieder Klick.
Ich muss sagen, ich bin überrascht, dass es ein Krankenhausbesuch geben musste, um Takao zumindest wachzurütteln. Wäre sein Opa nicht wegen eines komplizierten Armbruches ins Krankhaus gekommen, hätte Takao wohl nie die Wirklichkeit gesehen. Es geht nicht nur um die Sterblichkeit seines Opas. Man darf nicht vergessen, dass alle Menschen sterblich sind und demzufolge auch einer seiner Freunde sterben könnte. Dann hätte er sich hinterher wahrscheinlich noch viel mehr zurückgezogen, weil ihn die Schuldgefühl aufgefressen hätten.
Sie an, Kais' Ex. An Takaos Stelle hätte ich mich eher gefragt, wieso Kai ihn geküsst hat, wenn er doch eindeutig eher auch Frauen steht. Im nächsten Moment wäre ich sogar sauer gewesen, weil ich das Gefühl hätte, Kai würde nur mit mir spielen. Doch an all das denkt Takao gar nicht.
Zumindest hört er ihr zu und lässt sich mehr oder weniger ins Gewissen reden. Ich meine, vieles was sie sagt, ist ihm doch schon selbst aufgefallen. Zumindest kam das so herüber, als ich gestern das vorherige Kapitel noch einmal gelesen hatte.
Ich vermisse den Geburtstagsteil von Takao. Im letzten Kapitel wird nur erwähnt, dass er dafür nach Hause kommt, aber in diesem Kapitel wird nur erwähnt, dass er dort war. Mich würde interessieren mit wem er alles gefeiert hat und vor allem wie. Er war früher ja der totale Draufgänger und Partylöwe...

P.S. danke für deinen GB-Eintrag. ich habe das Kapitel bereits gestern gelesen, aber da ich im Moment in den Semesterklausuren stecke, hatte ich keine Zeit sofort einen Kommi zu hinterlassen.
Antwort von:  Minerva_Noctua
04.01.2014 21:31
Deine Interpretation gefällt mir sehr gut.
Manchmal braucht es ungewöhnliche, extremere Ereignisse, um aus seinem „Trott“ herauszukommen.
Takao denkt sich nicht sonderlich viel bei dem Kuss, weil er selbst nur mit Frauen geschlafen hat. Kai war eine Ausnähme für ihn und er nimmt einfach an, dass Kai das auch so geht. Falls er überhaupt so einen Gedanken zulässt und es nicht gleich verdrängt.
Na ja, er hat daheim im Dojo gemütlich gefeiert. Ob außer Kenny und Hiromi auch andere da waren ist unklar, aber es werden nur die Leute aus der Umgebung da gewesen sein.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit zum Kommentieren genommen hast:-)
Ich weiß, wie das ist. Ich hab nächste Woche zwei Klausuren, dann Messearbeit und wieder zwei Klausuren. Der Januar wird/ist anstrengend.
Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinen Klausuren!
Antwort von:  chrono87
04.01.2014 22:38
Eine Ausnahme ist gut XD Ich wette, wenn es nach Kai ginge, dann würde es keine Ausnahme bleiben. Ich frage mich sowieso wie Kai die Kühle von Takao aushält. Früher wäre er bei dem geringsten zwischenmenschlichen Problem einfach getürmt. Daher rechne ich es ihm hoch an, dass er zumindest versucht Takao näher zu kommen. Ich hoffe sehr, er macht das bei Max und Ray auch so.
Nichts zu danken, ich hab mir gern Zeit genommen.
Oh, ich weiß was du meinst. Ich schreibe 8 Klausuren im gesamten Januar, jede woche min. 2. Daher wünsche ich dir ebenfalls viel Erfolg bei deinen Klausuren.
Ich bedanke mich schon jetzt für die Erfolgswünsche und hoffe sie gerecht zu werden. ^^
Von:  WeißeWölfinLarka
2014-01-03T13:37:04+00:00 03.01.2014 14:37
Also ich muss gestehen, ich war anfangs raus aus der Story. Die kursiv gestaltete Erzählung über Takaos Leben zuvor wollte sich mir irgendwie nicht ganz recht einfügen, aber ich war auch zu faul, das vorherige kapitel noch mal nachzulesen. Im Laufe des Kapitels hab ich mich aber doch recht schnell zurecht gefunden. Dass dir besonders die stelle mit Kassandra Probleme bereitet hat, kann ich mir vorstellen, dennoch war davon nichts zu spüren beim Lesen.
Wie immer gut lesbar , und dass Kassandra Takao sozusagen ins Gewissen redet, ist auch interessant. Mal sehen, ob er Lehre annimmt.
Seine Vorgeschichte dagegen war sehr beklemmend zum Teil und insgesamt furchtbar spannend. Besonders die Stelle mit seinem Opa hat mich sehr berührt. Die Selbstoffenbarung, dass Opa nicht immer da sein wird. Das war traurig und doch so schön zugleich, das genau diese Erkenntnis ihn wieder auf den rechten Weg bringt.
Andererseits frag ich mich ab und zu (noch), was genau an Kais Verschwinden so furchtbar grausam war, dass Takao sich so gehen lässt und alles.. Vielleicht kann ich mich in der Hinsicht einfach nicht gut genug in Takao hineinversetzen.
Also, trotz der langen Pause (ich muss grade reden...), wieder ein großartiges, langes Kapitel! :-*
Antwort von:  Minerva_Noctua
03.01.2014 17:41
Vielen Dank für deinen prompten Kommentar:-)
Ich freue mich sehr darüber:3
Ich schreibe gern über Takaos Vergangenheit. Im nächsten Kapitel wird allerdings der voraussichtlich letzte Teil kommen.
Was so schlimm an Kais Verschwinden war, habe ich mehrmals angedeutet, aber ich gebe zu, dass es selbst für mich nicht ganz so einleuchtend rüber kommt. Ich werde darauf noch eingehen. Baustellen gibt es schließlich noch genug;-)
Takaos Erkenntnis bezüglich seines Opas hat ihm zumindest die Augen insoweit geöffnet, dass er begreift, welche Menschen ihm wirklich wichtig sind und dass er sie nicht mehr von sich stoßen darf. Und dieses erste Gespräch mit seinem Opa lässt er jetzt zu.
Ich hoffe, dass es so rüberkommt und sich nicht allein auf die Sterblichkeit seines Opas reduziert.

Vielen Dank nochmal und schönes Wochenende!

PS.: Ich hatte mir eher Minerva_Eule vorgestellt;-D
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
03.01.2014 17:56
Nein, so kommt das schon rüber. Aber der Auslöser war ja schon die "Sterblichkeitsmöglichkeit" des Opas. DAS hat ihm die Augen geöffnet dafür, dass er sich weider öffnen und Freunde zulassen kann.


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