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Weißdorn und Birke

von

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Kapitel 1

Luise von Laub war eine so überaus beliebte und hübsche junge Frau, dass niemand auch nur im Entferntesten daran gedacht hätte, sie stände in irgendeiner Art und Weise mit untugendhaften oder gar dunklen Mächten in Verbindung. Tatsächlich hätte jeder mit dem man gesprochen hätte mit vollster Überzeugung verneint, dass die junge Frau des Grafen von Laub den üblichen Normen der Gesellschaft abgewichen wäre. Der Zufall wollte es nun, dass gerade Luise, die in der Stadt wegen ihres sonnigen Gemüts und ihrer fröhlichen und frischen Art so geschätzt wurde, den Normen in jeder nur erdenklichen Art und Weise widersprach. Denn Luise war eine Hexe.

Zu dieser Zeit galten Hexen und Schwarzmagier als die gefährlichsten Personen, die das Land bewohnten und schon als kleines Kind bekam man erklärt, wieso diese Wesen so grauenhaft und abscheulich waren. Man sollte sie ja meiden, denn Hexen verachteten nicht nur die Regeln und Gebote der heiligen Kirche; sie sahen auch die Kurfürsten nicht als ihre Herren an und - schlimmer noch - sie betrieben ihre unheilvollen Zauber und Tränke mit dem sündenhaften Lebenssaft Blut. In wilden Orgien huldigten diese Frauen fremden Göttern; lebten allein im Wald neben Bären und Wölfen und verdienten ihren Lebensunterhalt, indem sie schwachen Herzen ihre sündenhaften Wünsche erfüllten oder Zigeuner mit neuem Diebeswerkzeug ausstatteten. Niemals sollte man als ehrenwerter Bürger auch nur in die Nähe solcher Gestalten kommen, die Stadtwache und Kirche gleichermaßen suchten und bestraften.

Fast drei Kriege hatten diese Wesen der Bevölkerung bereits beschert. Darüber hinaus hatten die Hexen natürlich überall ihre schmutzigen Finger im Spiel, liebten sie es doch anderen Menschen Kummer und Ärger zu bereiten. In der Tat war es geradezu eine Tatsache, dass hinter sämtlichen Katastrophen der Menschheit diese Sünderinnen steckten. So auch an der Mordserie, die vor Kurzem erst die Stadt in Angst und Schrecken versetzt hatte. Lediglich die heilige Kirche vermochte es noch diese Gestalten im Zaum zu halten und zu bändigen. Und natürlich wurden bereits Schritte eingeleitet, um diesen Morden ein Ende zu bereiten und das Hexenwerk dahinter zu überführen. Grauenhafte Morde waren das im Übrigen. Alle mit unglaublicher Gewalt und Brutalität ausgeführt. Gebrochene Schädel, zerstochene Körper, erwürgte Hälse. Die Leichen waren jedes Mal in einem solch grauenhaften Zustand gewesen, dass selbst die Stadtwache erst den Tatort untersuchte, als die Opfer mit Tüchern zugedeckt wurden. Erst wenige Tage vor dem Abend an dem diese Geschichte beginnt, wurde das insgesamt fünfte Opfer, die allseits bekannte Lady Ur, erwürgt in einer Seitengasse entdeckt. Ebenfalls erwähnenswert wäre vielleicht die Tatsache, dass allen Opfern ein merkwürdiges Symbol in den Bauch geritzt worden war. Kein Zweifel also, dass auch die schöne Lady zum Opfer eines teuflischen Hexenrituals geworden war.

An jenem Abend verließ Luise gerade den alljährlichen Frühlingsball der Stadt Vigor. Vigor war zwar nicht die Hauptstadt des Landes, doch dank seiner fabelhaften zentralen Lage war die Stadt schon früh zum Mekka für Geistliche, Händler, Alchimisten und allerlei Gesindel geworden. Anders als die Hauptstadt war Vigor recht schmutzig und überfüllt. Die Häuser wirkten wahllos innerhalb der Stadtmauers zerstreut. Überall ragten unpassende Gebäude aus dem Wirrwarr der Dächer hervor. Goldene Klosterkuppeln erschienen in Mitten des schmutzigen Rauchs der Gasthäuser im Provinzviertel, auf den großen Händlerplätzen standen die merkwürdigsten Skulpturen verschiedenster Persönlichkeiten und das imposante Gebäude der hiesigen Bibliothek konnte man hinter den gewaltigen Lagerhäusern des Hafenviertel kaum noch erkennen.

Gleich neben dem Hafenviertel, in dem nobleren Teil der Stadt, trat Luise gerade aus einer großen Eichentür heraus und schritt eine große, steinerne Treppe hinunter. Luise war klein und zierlich. Ihren schmalen Körper umgaben ein Kleid aus smaragdgrünem Stoff und ein schwarzer Pelzmantel mit kleinen, silbernen Knöpfen, den sie nun enger um sich schlang. Hinter ihrer blonden Lockenpracht glitzerten Perlohrringe. Luises Gesicht war schmal und von feinen Zügen. Ihre Nase war klein und spitz, die Haut ein wenig blass und über den klaren, grünen Augen lagen lange, dunkle Wimpern. Ihre Stiefel klackerten auf dem steinernen Boden, als sie rasch die Straße hinunter ging und in eine etwas engere Seitenstraße einbog. Sie hatte es eilig. Sie wollte zu Hause ankommen, ehe ihr Gatte Geert von Laub die Feier ebenfalls verließ. Die junge Frau hatte mittlerweile eine große Villa erreicht. Rasch öffnete sie das kleine Tor und schritt einen gepflasterten Weg entlang zur Haustür. Ihr wurde geöffnet; mit einem charmanten Lächeln schwärmte sie dem Butler ihres Mannes von der Feier vor, dann tippelte die die Treppe in den oberen Stock empor. Der Flur hier war mit einer blass grünen Tapete geschmückt. Luise ging zu einer Tür am Ende des Ganges, einer schweren Tür aus dunklem Holz und drückte die bronzene Klinke herunter. Dann betrat sie das Zimmer.

An dieser Stelle wäre zu erwähnen, dass Luise zu diesem Zeitpunkt noch durchaus davon ausging, dass das Zimmer, welches sie soeben betreten hatte, leer sei. Tatsächlich war dem aber nicht so. So war es weiter nicht verwunderlich, dass Luise vor Schreck ihre Tasche fallen ließ und mit erschrockenem Gesicht herum wirbelte, als sie aus der Ecke des Zimmers eine Stimme vernahm.

„Du hast aber lange gebraucht. Wie viele Gläser Sekt hast du getrunken?“

Glücklicherweise kannte Luise diese Stimme und ließ sich erleichtert auf einen großen lachsfarbenen Sessel in der Ecke plumpsen.

„Du bist es…“



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