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Marionette

Hoffnungsschimmer am Horizont
von

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Immerzu, den ganzen Tag lag sie still da. Alleine, in ihrer Ecke.

Vergessen? Ja, das war sie. Liegen gelassen hatte man sie bei dem Umzug.

Vermisst? Nein, das war sie nicht. Staub fing sich schon an ihr.

Geliebt? Das war sie einmal gewesen. Das Mädchen war nie zurückgekehrt, hatte sie nicht geholt.

Wertvoll? Sie war es nicht wirklich. Wurde sie aber in ein Herz eingelassen, konnte sie es sein.

Teuer? Sie war es nicht, nur das Haus, in dem sie lag. Es würde dauern, bis hier wieder jemand leben würde.

Einsam? Sehr sogar. Sie war so unglaublich einsam, unfähig, sich zu rühren.
 

Soraya staunte. Groß war noch untertrieben. Gigantisch traf die Ausmaße des neuen Hauses ihrer Familie wohl eher. Hier sollten sie, ihre Eltern und ihre ältere Schwester Grace fortan leben. Sie konnte nicht länger warten. Aufgeregt lief sie in das Haus. Staub begrüßte sie. Überall lag er. Sie und ihre Familie würden in einem Hotel unterkommen, bis er entfernt worden war und das Haus eingerichtet war.

Ihre Neugier trieb sie. Auf der Suche nach irgendwelchen Geheimnissen stieg Soraya die Treppe hinauf. Obwohl das Haus schon gut zehn Jahre leer stand, musste wohl irgendwer gelüftet haben. Da musste Soraya unbedingt später im Dorf nachfragen. Nun aber ging ihre Erkundungstour vor! Sie wollte einen der Räume betreten, stolperte aber noch im Flur. Was das wohl war? Sie sah sich um. Und sah den „Übeltäter“. Es war eine Marionette. Sie war über und über mit Staub bedeckt. Trotzdem erweckte sie Sorayas Mitleid. Sie entschloss, ihre Erkundungen auf morgen zu vertagen und das arme Ding erstmal zu reinigen.

Im Auto hatte sie auf der Rückbank ein Tuch ausgebreitet. Darauf lag nun die Marionette. Ihr Vater hatte den Kopf geschüttelt und etwas von kindlicher Naivität gemurmelt und ihre Schwester Grace hatte es ihm gleichgetan. Ihre Mutter hatte Angst um die schönen Bezüge gehabt. Sie war es, die auf das Tuch bestanden hatte. Dennoch, Soraya war glücklich, dass sie die Puppe nicht hatte liegen gelassen. Woher sie wohl kam?
 

Vergessen? Lange hatte sie in ein und der selben Ecke gelegen. Jetzt nicht mehr.

Vermisst? Nie war jemand gekommen. Jetzt war jemand da.

Geliebt? Sie war es einmal. Und schöpfte Hoffnung, es wieder zu sein.

Wertvoll? Nie und nimmer war sie es. Aber sie konnte es noch immer werden.

Teuer? Nicht einmal das Haus war es mehr. Und doch wollten nun Leute darin leben.

Einsam? Lange Zeit war es so gewesen. Es war noch immer so, aber es regte sich etwas in ihr.

Hätte sie gekonnt, so hätte sie gelächelt. Da sie aber nicht konnte, freute sie sich still. Nun würde sich bestimmt alles zum Guten wenden!
 

Nachdem Soraya geduscht hatte, hatte sie die Marionette ganz vorsichtig und behutsam im Waschbecken von der dicken Staubschicht befreit. Mehrere Male hatte sie dabei niesen müssen. Doch es hatte sich gelohnt, denn sie staunte nicht schlecht, als sie fertig war. Wunderschön. Das war sie wirklich, die Marionette. Sie stellte ein Mädchen dar. Blonde Locken, die aber durch die Sonne schon weiß geworden waren, streichelten die hellen, hölzernen Wangen. Die Augen mussten wohl von einem dunklen Meerblau gewesen sein, nun waren sie aber über die Jahre hinweg hellblau geworden. Das Kleid, das sich von weinrot zu erdbeerrot gewandelt hatte, war über und über mit Spitzen und Rüschen verziert, aber leider auch steif geworden. Und als Soraya es ausprobierte, quietschten die Gelenke der Marionette. Doch die Puppe würde Glück haben. Soraya hatte im Internet nachgeforscht und herausgefunden, dass es in diesem Dorf einen Marionettenbauer gab. Er war zwar seit etwa einen Monat im Ruhestand, aber er würde bestimmt keine so schöne Marionette ablehnen. Und er tat es in der Tat nicht, denn Soraya hatte ihn noch am selben Abend aufgesucht.
 

Vergessen? War sie es wirklich? Man hatte sie doch gefunden.

Vermisst? Das Mädchen von damals wird nie kommen. Das war ihr nun klar.

Geliebt? Sie wurde es nicht. Noch nicht, dachte sie sich, aber bald.

Wertvoll? Man konnte es fast glauben. Sie bekam Hilfe.

Teuer? Durch die Bewohner wurde es das Haus wieder. Und sie war ebenfalls auf den Weg dorthin.

Einsam? Heute Nacht würde sie es sein. Vorübergehend.

Gab es sie immer noch? Sie hatte es aufgegeben, an liebende Herzen zu glauben. War es ein Fehler? Hatte sie tatsächlich doch eines gefunden?



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