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Sekai no himitsu

6 junge Mädchen auf der Suche nach ihrem wahren Ich
von

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Realität, grausam und dennoch wahr

Leise hörte ich ein Geräusch, das mich aus meinem Alptraum zog. Ich konnte meinem Körper nicht befehlen aufzustehen und auch nicht, meine Augen zu öffnen. Etwas hinderte mich daran. Mein Geist war mit mir nicht im Einklang, als wieder Bilder auftauchten, die ich zuvor schon gesehen hatte. Ich wurde gefoltert, meine Hände über meinem Kopf zusammengebunden. Die letzte Kraft, die ich noch hatte, ließ ich einen lauten Schrei ertönen, doch die Männer, die mir dieses Leid antaten, lachten zu grausam auf. Erschöpft sackte ich in den Ketten zusammen, mein restlicher Widerstand sinnlos verschwendet. Dennoch nahm ich immer mehr war. Letzten Traum konnten durch die Schmerzen nicht einmal meine Augen öffnen. Doch ich nahm mich zusammen und ries sie auf. Kurz nahm ich wahr, dass es sich um einen dunklen Kerker handelte, in der ich die einzige war.

Ein übles Gefühl kroch meiner Lunge bis zu meiner Kehle hoch. Ich spuckte, ungeachtet wohin. Angeekelt wichen die Männer von mir, als sich zu meinen Füßen eine grüne Pampe aus meiner Kotze und meinem letzten Essen bildete, wenn ich überhaupt sagen konnten, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hatte. Dennoch schwamm auch Blut, dessen rote Farbe sich mit der grünen mischte. Meine anderen Wunden, die ich durch die Peitschenhiebe abbekommen hatte, füllten sich mit meinem Blut, mein Körper roch nach Urin und Schweiß. Ich konnte nur noch schwach atmen, schmeckte meinen Lebenssaft in meinem Mund. Wenn ich jetzt mich erlösen wollte, musste ich nur noch aufgeben, einschlafen, und nie mehr aufwachen. Das war zwar ein erfüllbarer Wunsch, trotzdem würde man mir das nie verzeihen. Ich mir selbst und auch niemand sonst.

„Yukino?“, Sorus Stimme drang durch mich hindurch und erfüllte meinen Körper mit neuer Hoffnung. Ich würde erst aufgeben, wenn ich selbst nicht mehr konnte. Ein hohes Ziel, dass ich seit meiner Kindheit hatte. Dennoch gab es Situationen, in denen ich zu schwach war.

„Schlaft bitte nicht länger! Es wird Zeit! Ihr müsst…“, immer wieder schwafelte er von meiner Bestimmung und meiner Pflicht, frühestmöglich mich in der Halle einzufinden, um einen guten Eindruck zu schinden.

Doch irgendwann wurden mir seine Worte zu viel. Reflexartig schwang ich meine Hand nach ihm, wie ein störender Wecker, der nicht aufhören wollte zu klingeln. Mich traf der Schlag, als Soru meine Hand hielt und weiterredete, ich solle gefälligst aufstehen und mich ankleiden.

„Nervst du deine Kameraden auch immer so?“, mürrisch blickte ich ihn an. Wenn Blicke töten könnten, hätte ich ihn mindestens zwei Mal umgebracht, damit er mich wenigstens noch fünf Minuten schlafen ließ.

Ohne, dass er mir auf meiner Frage antwortete, zog er beliebige Kleider aus dem Schrank. Stöhnend gab ich auf. Ich konnte nichts gegen ihn aufrichten, dass wusste ich. Also warum noch stressen?

Langsam erhob ich mich aus meinem Bett, nahm die Decke, die er mir teilweise weggezogen hatte als Versteck vor meiner Brust hin.

„Hättest du die Güte, mich in Ruhe anziehen zu lassen, danach werde ich runterkommen, okay?“, nickend ging er, auch wenn nur widerstrebend, vor die Tür, schloss die, bis sie angelehnt und fast ins Schloss rastete. Ich ging auf den Schrank zu, an dem mir Soru einen dunkelblauen Kimono mit verschiedenen und verschnörkelten Ornamenten, dessen goldene Farbe in der Morgensonne schimmerten.

Vor dem Spiegel stehend sah ich mich an, hielt in der Bewegung inne, als ich mir den Arm durch den Ärmel durchschob. Sah mir in die grünen Augen. Mein Spiegelbild schien ein anderes zu sein, spiegelte eine völlig andere Person wieder. Nein. Oder Doch. Das Gefühl kam wieder in mir hoch. Fragte sich nur, wann diese bevorstehende Katastrophe stattfinden sollte. In geraumer Zeit, dass stand fest. Selbst mein Verstand und meine Vernunft wollten mich nicht davon abbringen, dass ich nicht daran glaubte.

Schließlich schaffte ich es, mich in kürzester Zeit zu richten, dennoch meckerte Soru, ich solle schneller werden, weil ich sonst viel zu viel Zeit bräuchte, für Dinge, bei denen er nur wenige Minuten braucht und ich ganze Stunden. Männer und Übertreibung passen zusammen wie die Faust aufs Auge.
 

Ich hätte nicht gedacht, dass die Besprechung in einem so noblen Gebäude stattfinden würde. Die großen Fenster, die Mahagonitische, und ebenfalls die anderen Möbel waren reich an goldenen Ornamenten. Der blaue Teint des gesamten Raumes verursachte eine etwas angespannte Atmosphäre. Ich selbst war mir nicht wirklich richtig vorgekommen. Soru erwähnte den anderen nichts gegenüber, als wir in dem edlem Haus ankamen. Die zwei Bodyguards, jedenfalls glaube ich, dass es sich um solche handelt, hielten ihre Arme verschränkt, blickten stur geradeaus, ohne eine einzige Mimik zu verziehen. Mein kindliche Ader wäre gerne vor ihnen stehen geblieben, davor verschiedene Grimassen verzogen, um zu sehen, ob sie in grinsen können, oder nicht.

Doch Soru warnte mich, ich solle seriös wirken und einen guten Eindruck schinden. Neue Herrscher, die in der oberen Liga spielten, konnten nur schwer schnell Vertrauen zu den anderen gewinnen. Nickend blieb ich stumm, bis wir in den Versammlungsraum ankamen. Ebenfalls gut ausgerüstet mit teuren Artefakten, die nicht unbedingt meinem Geschmack entsprachen. Ich setzte mich auf einen Stuhl. Bequem war etwas anderes. Die drückende Atmosphäre verdeutlichte, dass noch nicht alle da waren. Soru ließ mich allein. Er sagte ja, dass er mich nicht begleiten durfte. Dankend verschwand er. Mein Blick schweifte über den runden Tisch, der mich an die Tafelrunde erinnerte. In alten Geschichten waren Ritter der Tafelrunde auch an einem runden Tisch gesessen, besprechen was. So war es auch hier.

Mich umzusehen würde mir nicht wirklich Spaß machen denn ich versuchte herauszufinden, warum ich überhaupt in diese Welt gelangt bin. Angeblich wegen meiner Großmutter, die daran schuld war. Wieso musste ich es denn dann ausbaden? Seufzend rieb ich mir innerlich meinen Hintern, da die „Sitzkissen“ etwas hart waren und ich mir lieber ein Brett anstatt eines solchen Stuhls vorziehen wollte. Doch leider konnte ich weder frei meine Meinung äußern, noch überhaupt irgendetwas meinen, ohne gleich wieder als inkompetent dar zustehen. Klasse, meine Leben war einfach der Wahnsinn.

Nach langer Wartezeit und ständigem Versuch, eine wenigstens etwas angenehme Sitzposition zu finden, trafen auch blad die anderen Vorsitzenden ein. Sie nahmen Platz auf ihren farbigen Stühlen und beäugten sich misstrauisch, ohne ein einziges Wort miteinander zu wechseln.

Mit fiel erst jetzt auf, dass jede Organisation ihre einzige Farbe hatte, wie Ritter ihre Wappen. Manche waren eine Mischung aus zwei verschiedenen Färbungen, andere waren eintönig, verdeutlichten aber dennoch eine gewisse Gefahr. Meine Farbe war anscheinend die Blaue, weiß der Himmel warum.

Ebenfalls strahlten auch die Anführer eine solche Aura aus. Ich beäugte jeden ebenfalls, aber eher mehr mit etwas anderen Gefühlen, wie sie mich. Niemand schaute mich direkt in die Augen oder beäugte mich mehrere Minuten. Ich gestattete mir, meine Fähigkeit anzuwenden und mir die Auren der verschiedenen Personen zu untersuchen. Doch leider fand ich weniger heraus, als ich anfangs dachte. Außer den gleichen Farben, wie die Organisation wiederspiegelte bzw. die Personen repräsentierten entdeckte ich relativ wenig.

Nun, da sich endlich am Ende sich doch alle in der Tafelrunde versammelt hatten, erkannte ich, dass ich die einzige junge Person war. Im Gegensatz zu den anderen besaß ich weder einen grauen Bart, der in unterschiedlichster Weise geknotet war, mal gelockt mal glatt, noch hatte ich faltige Haut im Gesicht. Dennoch, wie Greise sahen sie mir nicht aus. Die scharfen Blicke machten mir in gewisser Weise Angst. Und Macht strahlten sie auch aus. Gewaltige Macht.

„Nun lasst uns beginnen, meine Brüder!“, einer erhob sich. Seinen schwarzen Mantel mit grauem Bart, der ihm bis zum Bauch hing, nach zu urteilen, war er vielleicht auch in der Zauberei tätig. Wie zu erwarten wurde ich gleich nachschaut. „Und…ähm…Schwester.“

Ja, es waren nur Männer anwesend. Und darunter ein Jungspund, der keine Ahnung hatte, was er hier überhaupt zu tun bzw. sagen sollte. Hoffentlich brauchten diese Männer nicht lange.

Die kräftige und rauchige Stimme des Sprechers drang bis in mein Gehirn, so laut sprach er. Doch auch die bestimmte und klare Sprache betonte seine Macht.

„Wieder einmal haben wir uns versammelt, um unsere Erfahrungen der letzten Woche beisammen zutragen. Aber doch...“, er zeigte mit seiner Rechten zu mir. „…haben wir ein neues Mitglied. Bitte, stellt Euch vor, Sensei.“

Kaum als das er gesprochen hatte, setzte er sich und alle Augenpaar hingen an meiner Gestalt fest. Instinktiv stand ich einfach auf und winkte mit der Hand.

„Hallo zusammen. Ich bin Yukino…schönes Wetter, nicht?“, was zum Teufel schwafelte ich da?

„Ich bin…in der Zauberei tätig.“, dann gleich setzte ich mich wieder.

„Nun, so sei es. Seid gegrüßt, Yukino-Sensei. Fühlt Euch hier wohl.“, er machte eine Pause. „Sind welche nicht mit der Einweisung einverstanden? So erhebt Euch.“ Da sich niemand wirklich erhob, dachte ich insgeheim, dass niemand damit ein Problem hatte, dass ich so jung war. Doch meine Stimme im Kopf sagte mir, dass ich nicht hier sein sollte, sondern etwas anderes.

„So, fahrt bitte mit Eurem Antrag fort, Meister Hirei.“, der Typ im schwarzen Mantel setzte sich. Zu seiner rechten Hand erhob sich ein anderer. Er sah mich mit mörderischem Blick an, als er anfing zu reden. Meister Hirei hatte ebenfalls eine dunkle, doch auch hinterlistige Stimme, weswegen ich eine Gänsehaut bekam.

„Meine Bogenschützen entwickeln sich prächtig. Nicht, dass es Schwierigkeiten gäbe, oder dergleichen. Durch eine gewisse Person, die sich unser angeschlossen hatte, ist unsere Kampfkraft gestiegen, da sie über sehr viel Erfahrung verfügt und sehr gut in Fernkampf ist. Bitte, führt fort Meister Kiro.“, er setzte sich auch. Ich dachte, er sprach über Rei.

Als auch noch die anderen von ihren letzten Wochen sprachen, wie es war, welche Schwierigkeiten es gab, und noch andere Kleinigkeiten, war die Sitzung beendet.

„Das ging ja schnell rum…und war langweilig.“, flüsterte ich in mich hinein, als ich meinen Namen hörte. Als ich mich umdrehte, sah ich den schwarzen Mantel-Typ, der seine Hand hochhielt und auf mich zukam.

„Wie ich vermute, hatte unsere Versammlung Euch gelangweilt.“, sprach er. Aus reiner Freundlichkeit, verneinte ich. Kopfschüttelnd meinte er: „Ihr müsst wissen, ich gehöre der anderen Sparte der Zauberei an, wie Ihr es nennt. Ich bin alt und werde bald nicht mehr unter uns weilen, das weiß ich, aber dennoch habe ich einige Fähigkeiten, die Euch verraten, Yukino.“

„Und die wären??“, fragte ich vorsichtig.

„Ich kann Gefühle…erkennen. Das wäre wohl das richtige Wort. Diese Fähigkeit erlernt man im Alter. Ich hoffe Ihr werdet hier glücklich.“

„Wie meint Ihr das, Meister äh…?“

„Bitte, nennt mich Datsu. Ich mag ebenfalls wie Ihr nicht diese Höflichkeiten. Ihr solltet wissen, dass ich ursprünglich Eurer Großmutter versprochen war. Ihr seht Ihr wirklich sehr ähnlich. Entschuldigung, wenn ich Euch zu Nahe trete, aber ich sehr bezaubernd aus, das Ihr sehr viel Charakter von Ihr geerbt habt.“, er lächelte herzhaft zu mir und legte mir seine Hand auf meine Schulter. Als ich ihn genau anschaute, merkte ich, dass er Trauer empfand.

„Ich kann verstehen, dass Ihr Euch nicht wirklich einleben könnt und es vielleicht auch erst gar nicht wollt, aber falls Ihr Probleme bekommt oder fragen, könnt Ihr gerne zu mir kommen, sofern ich Euch helfen kann.“, wieder lächelte er mir zu und wollte sich zum Gehen wenden, doch ich drückte seine Hand weiterhin auf meine Schulter.

„Ich hätte jetzt schon ein paar fragen, Datsu. Hättet Ihr ein paar Minuten?“, vielleicht würde sich jetzt die eine oder andere Antwort aufdecken, auf die ich nie hätte kommen können.

„Natürlich, wie Ihr wollt. Kommt mit mir in mein Büro, dort können wir ungestört darüber reden.“, er wies mich nicht ab. Mein Bauchgefühl sagte mir, ich sollte und konnte ihm vertrauen. Mein Herz ließ sich nicht ausschütten, aber ich empfand diese stürmende Neugier und Ungeduld, da ich vielleicht jetzt weiß, mit wem ich mich hier einließ.

Als wir in sein kleines Apartment kamen, schloss er direkt hinter mir die Tür, als ein Geräusch ertönte. Ein Siegel leuchtete grell, dann erlosch er abrupt und die Tür knarrte leise.

„Keine Sorge, ich halte Euch nicht gefangen. Das ist ein Siegel, das verhindert, dass…ungestörte Gäste uns belauschen. Wenn ich erlaube, dürfen sie eintreten, ansonsten werden sie unangenehme Erfahrungen erwarten. Also kommt bitte nicht zu nahe dran. Es wäre ärgerlich, wenn es zerstört würde.“ Er ließ sich mit einem schweren Schnauben auf seinen schwarzen Sessel nieder, sein dicker Bierbauch erblickte sich aus seinem Mantel und ich musste grinsen. Das Zimmer war vollgestellt mit reinster Chemie. Überall kleine und große Flaschen mit irgendeiner Flüssigkeit darin, manche dampften, manche waren leer. Ein großer Papierhaufen hielt sich hinter dem Stuhl versteckt, ein kleiner Käfig mit Ratten oder anderen Nagetieren war in der anderen Ecke vollgestellt.

„Also, welche Fragen habt Ihr denn?“

Ich nahm mir die Freiheit und setzte mich einfach auf den Stuhl in der anderen Ecke nieder.

„Ich hoffe Ihr habt Zeit mitgebracht. Denn es gibt da so einiges, was ich wissen will.“ Er lachte deswegen laut auf und musste sich mit den Fingern die Tränen aus den Augen wischen. „Ganz wie sie, wissbegierig und befehlshaberisch. Nun gut, fangt mit der am besten an, die Euch am meisten bedrückt.“, schlug er vor und wartete geduldig darauf, dass ich meine Frage stellte. Ich suchte aber die besten Worte, wie ich am meisten Informationen reinbringen konnte, ohne gleich mehrmals nachfragen zu müssen.

„Was hat sich mit Soshiki auf sich? Was ist das eigentlich? Und warum ist meine Mutter nicht hergekommen, um ihr Erbe anzutreten?“

„Das ist eine lange Geschichte, wisst Ihr?“, fing er an. „Ich schlage vor, Ihr macht Euch gemütlich und trinkt eine Tasse Tee.“ Er goss mir etwas in eine kleine Teetasse und sie flog selbstständig zu mir rüber.

„Äh, danke.“, verblüfft über seine Fähigkeiten schaute ich in die Flüssigkeit, in der sich mein Gesicht spiegelte. Durch die Schwingungen, die durch mein Zittern entstanden waren, ließen sich deutlich erkennen. Kalt war mir nicht, es war ein angenehmes Wetter, aber die Antwort, auf die ich schon lange gewartete hatte, machte mich nervös. Doch der heiße Dampf, der durch das warme Wasser entstanden war, hielt mich warm und ich beruhigte mich etwas. Dennoch, ich war auf alles gefasst.

„Ihr braucht Euch keine Vorwürfe zu machen oder dergleichen. Nicht Ihr seid für das Dilemma hier verantwortlich. Sondern die Fürsten. Sagt Euch dieser Begriff etwas?“, fragte Datsu mich. Doch ich konzentrierte mich nicht auf seine Worte, sondern rief mir das Gespräch mit Ikiru ins Gedächtnis.

Ebenfalls erinnerte ich mich an Kyosho’s Worte, die er im Tagebuch verfasst hatte.

Andere Überlebende erzählten mir das Selbe, bis sie schließlich in meinen Händen starben. Nun hatte ich Recht gehabt, die Fürsten sind es, die diese Insel in die Unterwelt stürzten, nicht das Volk. Die Könige und hohen Tiere kümmerte sich ein Dreck um ihre Untertanen. Sei dieser Krieg nur zur Unterhaltung gedacht? Wahrscheinlich ja.

Eine Gänsehaut breitete sich an meinem Rücken aus.

„Von den Fürsten direkt habe ich noch nichts wirklich mitbekommen…“, begann ich aus meiner Eigenerfahrung zu erzählen. „…aber ich hatte eine Begegnung mit seinem Stellvertreter. Er heißt Otowaru, glaub ich. Er hatte damals Ikiru diskriminiert und erniedrigt. Und dann hatte er ihn geschlagen, sodass eine Platzwunde entstand. Und er wollte mich haben, aus welchem Grund auch immer.“

„Nun, die Rechten Hände der Fürsten sind für solche Taten bekannt, darunter ist Otowaru nicht der hellste, also könnt Ihr von Glück reden, dass Ihr ihm entkommen seid.“, Datsus Stimme wurde tiefer und er begann schließlich zu erklären:

„Vor langer Zeit entstand auf Jiko, diese Insel, ein seltsames Ereignis. Eine Göttin vermenschlichte sich, sodass sie die Gestalt von uns annahm. Sie war jung und unerfahren, doch ihre Neugier trieb sie an. Sie verliebte sich in den König dieses Landes und gebar sechs Kinder, die sich ihre reiche teilten. Diese Begebenheit ist Schuld an dem Untergang dieses Landes. Allein, dass sich eine Göttin zum Menschen wurde, ist ein schlimmes Unterfangen.“

„Mir ist die Story bekannt, wie die ersten Fürsten entstanden. Ikiru hatte mich schon informiert, aber ich verstehe nicht, warum gerade das zum Untergang geführt haben soll?“

„Nun, zuvor, bevor die Göttin auf die Jiko traf, hatte nur ein König über die Insel geherrscht. Die Besonderheit dieser Königsfamilie war, dass egal welche Frau der König hatte, er besaß nur immer ein männlicher Nachkomme, der den Thron bestieg und das Land gerecht und fair in seinen Händen hielt. Dass sich Krieg und Verderben nicht immer vermeiden lässt, ist klar, doch nachdem es nun sechs Nachkommen gab, war nicht klar, wer nun herrschen sollte. So wurde das Land in ihre Reiche geteilt, in dem nun heute diese Fürsten regieren. Die Stellvertreter, wie Ihr sie nennt, sind die menschlichen Repräsentanten dieser Herrscher, die Geld und Reichtum bekommen, wenn sie die Befehle derer erfolgreich ausführen. Nebenbei erfüllen sie durch ihre Stellung ein lebenslange Aufgabe: Sie trennen das Volk und die Gebieter in zwei Gruppen. Sodass niemand Schlechtes in den Adelsstand gelangt, um so jahrhundertlange Gene zu zerstören.“

„Und was hat das alles mit mir zu tun?“, immerhin war ich jetzt über dem Stand der Dinge bewusst.

„Dadurch, dass die Gottheit ihre magischen Fähigkeiten durch die Geburt ihrer Söhne weitergegeben hat, gelang eben diese Magie irgendwie ins Volk und es entstanden Clans, die ihre Begabungen von Generation durch Generation weitergaben. So gehört ihr als einzige einem Clan an, der in der Lage ist, den Wind zu kontrollieren.“

„Erzählt mir bitte mehr von diesem Clan.“, bat ich ihn. Wenn ich mehr über die mütterliche Seite meiner Familie wusste, konnte ich vielleicht mehr mein Schicksal akzeptieren. Und wenn ich mehr über meine Fähigkeiten im Klaren war, konnte ich die anderen besser helfen und vielleicht sogar am Ende dem allen hier entgehen.

„Dazu solltet ihr etwas über Soshiki lernen. Ihr müsstet inzwischen schon wissen, dass Hiroki über dem Ganzen herrscht. Es ist nicht viel über ihn bekannt, jedoch regiert er mit eiserner Hand und half Soshiki schon in mancher schwierigen Lage, den Sieg zu erringen. Soshiki ist eine Organisation gegen die Fürstenherrschaft, und gegen den König. Allein die Kriege der Fürsten sind schuld an dem, dass die Welt sich dem Ende neigt. Es heißt, Hiroki habe diese Organisation vor langer Zeit gegründet, da er in seinen Diensten stand. Schließlich haben mehrere Anhänger zusammengesammelt und das Lager ist entstanden. Jedes Jahr wird die an Verbündeten mehr, sodass wir schon mehr Platz machen müssen. Im Laufe dieser Zeit haben sich auch Meister hier hergefunden, die unwissende und durchschnittliche Bürger unterwiesen. Am Anfang waren es nur Bogenschützen und andere Waffenmeister. Doch dann erschienen auch Magier Meister, die sich der Organisation anschlossen. Darunter fand man auch Euren Clan, den eurer Großmutter. Das Besondere daran war, dass es solche waren, die die Grundelemente beherrschten. Der Wind war unser Verbündeter, denn dieser Pakt sorgte für viele Siege Soshikis.

Eure Großmutter war eine einfache Magierin gewesen, als sie anfing, ihre Fähigkeiten zu erlernen. Dadurch, dass ich auch ein Magier war und die Grundregeln der Magie sehr gut kannte, ging sie mit jungen Jahren bei mir in die Lehre. Ich war ebenfalls ein junger Mann, als wir uns verliebten und heirateten. Doch nach diesem einem Vorfall, änderte sie sich schlagartig.“

„Wie hat sie sich geändert, und aus welchem Grund?“, neugierig rutschte ich auf dem Stuhl hin und her und stellte mit vorsichtig die noch volle Tasse auf den Tisch neben mir ab. Inzwischen müsste der Tee schon erkaltet sein, aber ich wollte mich nicht um solche Kleinigkeiten kümmern. Seit ich davon erfahren hatte, wollte ich wissen, warum ich und nicht meine Mutter hierher verschleppt wurde.

„Eure Großmutter war in den Kriegen diejenige, die für Ablenkungen gesorgt hatte und den Wind steuerte, sodass die feindlichen Truppen keine Chance hatten. Sie sorgte hauptsächlich für die Siege unsererseits.

Doch als wir in einen Hinterhalt gerieten, den wir nicht vorhersehen konnten, wurde Eurer Clan gefangen genommen. Ob manche noch leben, ist nicht bekannt doch ich bezweifle es. Sie war mit ihrer Mutter, also Eure Großgroßmutter, die einzige aus dem Wind-Clan, die flüchten konnte. Als die Zeit verging und die Wunden dennoch nicht verheilten, starb ihre Mutter und sie war die einzige, die überhaupt noch eines der Elemente beherrschen konnte. Sozusagen wurde ihr dann ein Schicksal auferlegt, dass sie selbst nicht mehr akzeptieren konnte. Seit diesem Tage hatte sich ihr zuvor freundlicher und sonniger Charakter zunehmend verschlechtert. Sie alterte innerlich und nahm nicht mehr an Versammlungen oder dergleichen teil. Durch ihre Art beeinträchtigte sie die Siege der Kriege, die wie mit den Fürsten führten. Ständig verloren wir, versuchten sie aber immer wieder aufzumuntern, doch sie sagte irgendwann sagte sie kein Wort mehr. Weder zu mir noch zu ihren Freunden sprach sie etwas.

Als dann schließlich ungefähr ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter vergangen war, erwischte ich sie dabei, wie sie an diesem Schreibtisch saß ,ein Buch im Schoß. Wie verrückt und völlig orientierungslos blätterte sie darin rum, als ob sie etwas suchen würde. Dann sprach sie wieder, ihre letzten Worte mit mir. >Du musst mir helfen, hier zu fliehen< sagte sie. Meinte aber einen Dimensionswechsel, ein fast unmögliches Unterfangen. Die dazu benötigten Materialien hatte sie auf dem Tisch liegen. Ein solches Ritual war eigentlich verboten, doch ich sah deutlich den Schmerz in ihren Augen und den Wunsch, einfach nur zu verschwinden. Sie war nie ein Typ, der einfach aufgab und starb. Das war der einzige Grund, warum ich ihr vertrauen konnte. Dass sie irgendwo anders glücklicher werden würde.

Ich gab ihrem Wunsch nach und fertigte alles für das Ritual. Das Problem war, dass sein solch mächtiger Zauber ein Tribut opferte, und es konnte nicht von Dauer sein, dass wusste sie, doch sie würde einen solchen Wechsel nicht mehr miterleben. Deswegen war sie glücklicher, als ich sie verschwinden sah. Und nie mehr umarmen konnte. Den letzten Kuss von ihr kann ich noch heute spüren.“

Seine Worte ruhten noch in der Luft und ich ließ sie auf mich einwirken. Meine Großmutter wollte fast sterben. Meine Familie wurde von Fürsten gefangen genommen und gefoltert, das stand fest. Doch vielleicht waren noch einige am Leben.

Aus irgendeinem Grund wirkte ich ruhig und aufmerksam, gespannt, ob Datsu nicht noch mehr Schreckliches erzählte. Doch selbst diese kleine Geschichte hatte ihn schwer zugetragen. Äußerlich zeigte er es nicht, aber ich spürte, wie seine Aura nervös um ihn herumflog. Meine eigene war ich nicht im Stande zu sehen, aber ich spürte das kleine Herzklopfen in mir.

„Ich hoffe ich habe Euch damit helfen können, Yukino. Gibt es sonst noch etwas, dass Ihr wissen möchtet?“, fragte Datsu nach einer langen Schweigepause.

„Wie setzt es Euch zu?“, diese Frage schwirrte mir im Kopf und ich schoss sie aus meinem Mund. Ich hatte womöglich die einzige Gelegenheit, dass meine Fragen beantwortet werden.

„Es tut mir Leid, Yukino, dass Ihr so ein schweres Schicksal erleiden müsst. Ich kann mir vorstellen, dass Ihr wieder zurückkehren wollt, oder?“, er wich mir mit einer Gegenfrage geschickt aus.

„Bitte, Datsu, beantwortet mir die Frage. Ich weiß, es ist nicht leicht für euch, dass Ihr in ein Gesicht sehen müsst, dass Eurer Liebe ähnelt, aber vielleicht kann ich das beenden, was meine Großmutter angefangen hat.“, bat ich ihn.

Langsam füllte sich mein Gedächtnis mit Erinnerungen, die ich an meine Mutter hatte. Sie hatte mir viel über ihre Mutter erzählt, auch einiges über ihr früheres Leben.
 

Yukino, mein Schatz. Komm mal her. Ja, ich bin hier, mein Kleines. Bitte, hör auf mich und geh. Flieh aus diesem Ort und kehre nicht eher zurück, wie es die Zeit erlaubt.

Mama, bist du es? Was willst du damit sagen, dass ich gehen soll? Und warum überhaupt? Bitte, tu was ich sage, mein Schatz. Es sind feindliche Truppen unterwegs, um das Lager zu zerstören. Sie sind hinter Euch her. Beschütze Hiroki und deine Freunde. Konzentriere dich und sammle deine Mächte. Ich kann sie nicht länger in Schach halten…

Mama, geh nicht, nein!!!
 

Wenn ich geahnt hätte, was meine Mutter mir sagen wollte, dann hätte ich auch sofort reagiert. Doch ich war nicht im Stande dazu. Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen, und ich war mittendrin und konnte mich nicht bewegen.

Datsu und ich redeten noch miteinander, aber das war nur von kurzer Dauer. Ein Rumpeln ertönte und ein Erdbeben sorgte dafür, dass die Gläser von den Tischen fielen und am Boden zerklirrten. Die Scherben waren nur das kleinste Übel.

Datsu und ich rannten aus dem Büro. Meine Augen konnten nicht alles wahrnehmen und mein Gehirn nicht alles verarbeiten, denn es geschah so viel auf einmal, dass es einem Spiel glich.

Einige Häuser zerbrachen unter dem heftigen Beben der Erde. Gerade so konnte ich mich noch an etwas halten. Es interessierte mich nicht an was, sondern was dort vor mit geschah.

Datsu forderte mich auf, sofort zu fliehen, doch mein Körper reagierte nicht auf seine Befehle, auch nicht auf meine. Nicht ein Muskel rührte sich.

Von oben schossen Flugwesen herab und spien Feuer, das sich rasend schnell ausbreitete und zahlreiche Menschenleben mit sich riss. Das Erdbeben wurde immer stärker und die Steinbrocken, die von den Häusern herabfielen und andere, viele Menschen, unter sich begruben.

Ich schrie verzweifelt, sie sollen aufhören, doch niemand könnte überhaupt etwas verstehen, meine Warnungen schlugen in den Wind.

„Bitte, Ihr müsst hier weg!“, schrie Datsu mich an. Der Wind pfiff meine Strähnen aus meinem Gesicht und wirbelte sich um mich, peitschte meine Kleider weg, riss meine Gefühle mit sich.

Schließlich brachte ich es fertig, dass sich mein Körper auf mein Befehl hin bewegte und ich rannte hinter Datsu her. Er rief immer wieder mir zu, nicht auf die Geschehnisse links und rechts von mir zu achten, sondern mich auf meine Flucht zu konzentrieren.

Mehr hörte ich nicht, nahm nichts mehr war. Ich riss meinen Kopf nach rechts und sah Ikiru, wie er sich tapfer gegen einen Ritter stellte. Sein Schwert klirrte gegen die Scheide seines Gegners, ich sah Blut, doch von wem, war mir nicht bekannt. Linker Hand zischte von Rei Pfeile durch die Luft. Zusammen mit weiteren drei Bogenschützen schossen sie die Reiter der Flugwesen ab. Doch nur wenige trafen auch wirklich ins Schwarze. Shizuka konnte ich nicht sehen und auch Tsurino und Akita waren verschwunden.

„Magistra est anus.“, rief Datsu, als er stehen blieb und mich in einen Wirbel voller Magie schleuderte. Er selbst sprang erst ab, als sich der Wirbel fast geschlossen hatte. Ich hatte mich so sehr auf die beiden Kämpfer konzentriert, dass ich nicht wirklich noch wahrnahm, was mit mir geschah. Das war doch alles nur ein Traum, ein schrecklicher Alptraum, der nicht zu Ende geht, nicht zu Ende gehen wollte. Oder dies die Realität, die mir einen Streich spielen wollte. Das Schicksal hatte mir auch nun wieder im Stich gelassen, wie eben schon mein ganzes Leben lang.



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