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Dewdrops.

What's your definition of it?
von

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Caught by the light.

Nach der Untersuchung im St. Mungos hatte Novalee einen Abstecher in die Winkelgasse unternommen. Allzu sehr hatte sich diese in der vergangenen Zeit nicht verändert, weshalb die junge Frau recht schnell ihre Geschäfte hatte erledigen können. Bücher, Zutaten für Zaubertränke und ein paar Sachen aus der Apotheke waren alles, was sie einkaufte. Anschließend machte sie Halt in Madame Malkins – Anzüge für alle Gelegenheiten und suchte sich ein paar neue Umhänge aus. Novalee hatte bislang Zauberumhänge lediglich getragen, wenn es ein Muss war, doch sie befürchtete, dass sie in Hogwarts tagein und tagaus solche würde tragen müssen und da ihre bisherigen allesamt ein wenig zu kurz geraten waren oder Löcher aufwiesen, war Not am Umhang. Madame Malkins erwies sich als äußerst gesprächig, beriet Novalee äußerst ausführlich und konnte sie letzten Endes zu einer Garnitur schwarzer Umhänge und einem leuchtend roten Umhang überreden, der sie zwar recht blass aussehen ließ, aber ihre grau-blauen Augen deutlich hervorhob.

Nachdem Novalee alle Besorgungen erledigt hatte, machte sie sich auf den Weg zurück in ihre Wohnung nach Leeds. Dafür apparierte sie ein weiteres Mal und als sie schließlich mit all den Sachen vor der Haustür stand, fühlte sie sich so gut wie lange nicht mehr. Ihr Bruder hatte eine Freundin gefunden, Hogwarts hatte sie eingestellt und die Untersuchung schien gut gelaufen zu sein und darüber hinaus hatte sie eine ganze Menge eingekauft. Das Herz jeder Frau wäre bei letzterem erfreut gewesen und so auch bei der Zweiundzwanzigjährigen.
 

Als der Abend hereinbrach, waren die Umhänge in den Kleiderschrank gehangen und die Zutaten für Zaubertränke gut weggeräumt worden. Die Medizin aus der Apotheke befand sich in dem kleinen Schrank im Badezimmer und ihre Schneeeule Ion hockte auf der Fensterbank im Wohnzimmer vor dem offenen Fenster und verspeiste genüsslich seinen Eulenkeks. In den Regalen des Wohnzimmers befanden sich nun zwischen all den anderen Büchern die neuen und mit einem hatte es sich die Britin auf dem Sofa im Schneidersitz bequem gemacht. Das dicke Buch ruhte auf ihren Beinen, der linke Arm war auf ihr linkes Knie gestellt und der Kopf auf die zur Faust geballte Hand gestützt worden. Ihre langen braunen Haare hingen ihr in die Stirn herein und wurden immer und immer wieder unwirsch zur Seite gestrichen von der linken Hand der jungen Frau. Leise und ruhige Musik drang aus den Lautsprechern ihrer Musikanlage, die einige Zauberer wohl mit Argwohn gemustert und einige Muggel mit Staunen bewundert hätten, doch Novalee nahm sie nicht einmal wahr. Sie war viel eher als Hintergrundgeräusch gedacht worden und konnte die Sirenen und Autos der Stadt außerhalb der Fenster ohnehin nicht ganz übertönen. So auch nicht die Türklingel, die in eben jenem Moment ging.

„Novalee!“ Der Ruf einer Frauenstimme drang durch die geschlossene Wohnungstür hindurch zu Novalee, die noch immer im Wohnzimmer hockte. „Ich weiß, dass du da bist! Mach auf!“ Ohne sich großartig zu bewegen, mit Ausnahme des Umblättern, rief Novalee zurück: „Du hast einen Schlüssel, Payton!“

Kurz darauf war zu vernehmen, wie das Schloss der Wohnungstür umgedreht wurde, dann hörte man das typische Klicken und schließlich höre man das leise Knarren der Tür, die über den Boden glitt. Schritte ertönten, die Tür fiel wieder ins Schloss und die Schritte kamen näher.

„Also ehrlich … “, meinte Payton seufzend, während sie sich in Richtung Wohnzimmer begab, „Kein Buch der Welt kann doch so spannend sein, dass du mir nicht einmal die Tür aufmachst.“ „Du hast einen Schlüssel zu meiner Wohnung, Payton.“, erinnerte Novalee sie an ihre vorherige Aussage und die Tatsache, dass eben jene den Schlüssel wenige Momente zuvor benutzt hatte, „Wozu muss ich mir also die Mühe machen?“

Payton trat an dem Sofa vorbei zur Fensterbank, auf der die Schneeeule noch immer hockte, hielt dem kleinen Kerl ihre Hand hin und strich ihm anschließend sanft über das Gefieder, wobei sie ihre Freundin nicht aus den Augen ließ, die nun ihr Buch zuklappte. Das laute Geräusch ließ Ion entrüstet mit den Flügeln schlagen und einen Protestschrei von sich geben, ehe er sich umdrehte und aus dem Fenster sprang, um schließlich mit den Flügeln zu schlagen und davon zu fliegen. Novalee legte das Buch unbeeindruckt auf die Couch neben sich.

„Gestern warst du noch niedergeschlagen und völlig aufgelöst, heute bist du die Ruhe selbst.“, stellte Payton fest und verschränkte die Arme vor dem Körper, „Irgendwie verstehe ich dich nicht mehr.“ „Ich darf in Hogwarts unterrichten.“, berichtete Novalee der Blondine, „Und Shane hat eine neue Freundin.“ „Ah, da liegt also der Grund dafür.“

Payton grinste breit und ließ sich auf den Sessel fallen, der recht nahe beim Fenster stand.

„Dumbledore ist ein großartiger Mann. Gutes Gespür für sein Lehrpersonal.“ „Ich hatte mich beworben.“, erinnerte Novalee ihre Freundin, „Und er meinte doch, ich sollte erst eine Weile reisen und Erfahrungen sammeln.“ „Ja, da klingelt was.“, meinte Payton, doch noch immer grinste sie, „Und der Kleine hat also eine Neue?“ „Du kennst sie. Leela Singh.“, berichtete Novalee ihr, „Dunkles Haar, braune Augen. Eigentlich recht niedlich. Muggelstämmige und laut Shane ehemalige Hufflepuff.“ „Du hast Recht, ich kenne die Gute.“, bestätigte Payton und streckte sich, „Immerhin arbeiten wir im selben Krankenhaus. Erklärt allerdings auch, warum Shane regelmäßig bei uns auftaucht. Dachte schon, dass der Kleine vielleicht irgendeine besondere Verletzung im Laufe seiner Karriere erlitten hat oder so.“ „Wieso hattest du mir davon nichts erzählt?“ „Dir ist schon bewusst, dass du untergetaucht und gestern nicht in der Stimmung für so etwas warst, oder?“, erkundigte Payton sich und überschlug die Beine. Novalee nickte leicht, sagte dazu allerdings nichts weiter und biss sich stattdessen auf die Unterlippe.

„Wann geht es nach Hogwarts?“, wollte Payton wissen. Novalee antwortete: „Heute Abend oder morgen gegen zehn werde ich die Ergebnisse der Untersuchung erfahren.“ „Das heißt, Hogwarts wird sie dann auch direkt erfahren.“, meinte die Blondine, „Dann musst du ja nur noch auf eine Reaktion seitens der Schulleitung warten, oder?“ Novalee nickte leicht, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und lehnte sich dann zurück.

Die beiden jungen Frauen unterhielten sich noch eine Weile, dann verkündete Payton, dass sie ins Bett müsse, da sie am nächsten Morgen eine wichtige Operation anstehen hatte. Novalee wünschte der Blondine eine gute Nacht, dann verschwand auch sie in ihr Schlafzimmer und versuchte Schlaf zu finden.
 

Am nächsten Morgen erhielt Novalee die Ergebnisse der Untersuchung. Der Uhu, der den schweren Brief gebracht hatte, ließ sich nur kurz ein wenig Wasser und einen Eulenkeks geben, dann spannte er die Flügel und verschwand wieder in den Lüften über Leeds. Mit zitternden Händen hielt sie den Brief fest, dann griff sie nach dem Brieföffner auf ihrem Wohnzimmertisch und öffnete den Umschlag. Die grau-blauen Augen überflogen den Inhalt auf den Pergamentblättern, die Körperhaltung war angespannt. Dann, ganz plötzlich, sprang die Zweiundzwanzigjährige auf und reckte die Hand in die Luft.

Ion, der den Uhu zuvor skeptisch gemustert hatte bis dieser schließlich davongeflogen war, gab ein protestierendes Geräusch von sich und schlug mit den Flügeln. Ganz einverstanden war er mit Novalees Freude nicht; ihm war sie eindeutig zu laut.

„Ach komm schon.“, meinte Novalee amüsiert grinsend, „Weißt du, was dieser Brief für mich bedeutet, Ion? Ich darf unterrichten! Und du darfst die Schuleulen unterhalten. So ganz nebenbei erwähnt.“ Die Schneeeule hörte mit dem Schlagen der Flügel auf, doch verstummen tat sie nicht. Ihr durchdringender Blick ruhte weiterhin auf der jungen Frau, die nun zu ihm Schritt und ihm mit der Hand sanft über das Gefieder auf seinem Kopf fuhr. „Zur Feier des Tages werde ich uns beiden etwas ganz Besonderes zum Mittagessen holen.“, versprach sie ihrem kleinen Freund auf der Fensterbank, „Also entschuldige mich jetzt.“

Mit fast schon federnden Schritten durchquerte Novalee ihr Wohnzimmer. Im Flur zog sie sich in Windeseile ihre Schuhe an, dann nahm sie ihren Haustürschlüssel vom Schlüsselbrett und verließ die Wohnung. Während sie die Treppen hinab ins Erdgeschoss immer schneller nahm und am Ende sogar die letzten drei übersprang, war ihr Tempo auf der Straße eher gemächlich.
 

Novalee verließ gerade den Supermarkt und ging durch die Straßen Leeds' in Richtung ihrer Wohnung, als sie hinter sich Schritte vernahm. An sich nichts Ungewöhnliches, da einige Menschen unterwegs waren, doch sobald Novalee beschleunigte, wurden auch die Schritte schneller. Unruhig geworden und ein ungutes Gefühl verspürend, nahm Novalee einen Umweg nach dem anderen, bis sie schließlich nahe ihrer Wohnung in einer Seitengasse entlangging. Die Schritte hinter ihr wurden schneller, jemand passierte sie und blieb anschließend vor ihr stehen.

„Könnte ich mal vorbei?“ Novalee versuchte ihre Stimme möglichst ruhig zu halten und wollte an der Person vorbei, doch diese machte, als Novalee an ihr vorbeigehen wollte, einen Schritt zur Seite und stand wieder genau vor ihr. „Bitte?“ Das Wort kam ein wenig gereizter über die Lippen der jungen Frau, doch ihr Gegenüber bewegte sich keinen Zentimeter zur Seite.

Nun musterte Novalee die Person: Eine zierliche Asiatin, deren Augen rehbraun waren und keinerlei Emotionen verrieten, ebenso wenig wie der Ausdruck im Gesicht der Frau. Die langen hellbraunen Haare hatten einen schwarz-braunen Unterton und fielen ihr glatt über den Rücken, ebenso fiel ihr der Pony ins Gesicht, doch er endete knapp über den Augen. Die Fingernägel waren recht lang und lackiert, doch die Kleidung der jungen Frau bestand auf einem schwarzen Umhang, dessen Kapuze sie abgesetzt hatte, einer schwarzen hautengen Jeans und schwarzen Schuhen.

„Das ist also die berühmte Novalee Hennessy.“

Der Unterton in der Stimme der Asiatin jagte Novalee kalte Schauer den Rücken hinab. Die Stimme an sich hatte etwas Melodisches in sich und hätte Novalee sich wohl fühlen lassen können, doch durch den schneidenden und eiskalten Unterton war dieses gewisse Extra gebrochen worden.

„Keine Ahnung, was er so an dir findet, dass du noch am Leben bist.“

Noch immer schwieg Novalee und überließ die Asiatin ihres Monologes, doch sie ahnte dennoch schon, wer ihr Gegenüber war. Den Namen wusste sie zwar nicht und der Frau begegnet war sie auch noch nie, doch der Unterton in der Stimme, das Auftreten ihrerseits und die Worte, sie sie aussprach, sprachen deutlich für Novalees Vermutung.

„Scheinst ja wieder Normalität ins Leben eintreten zu lassen.“

Es fiel Novalee immer schwerer, bloß zu schweigen, doch sie ahnte, dass es besser war, nicht auf die verbalen Sticheleien der Asiatin einzugehen. Wenn sie sich eine Blöße gab, würde die Asiatin ihre Sticheleien mit Sicherheit steigern.

„Und du scheinst ziemlich gut gelaunt zu sein.“, stellte die Asiatin fest und trat ein paar Schritte auf Novalee zu, packte deren Kinn mit Zeigefinger und Daumen und drückte so zu, dass es schmerzte, „Und dass, obwohl deine ach so tolle Schwester ihr Leben geben durfte.“

Das war zu viel für Novalee. Mit einer ruckartigen Bewegung konnte sie ihr Kinn aus dem Griff der Frau lösen und mit einem eisigen Blick drehte sie den Kopf weg. Sie konnte und wollte den Anblick der Asiatin nicht mehr ertragen und wollte ihr am liebsten irgendetwas antun. Die Hand, die nicht die Einkaufstüte festhielt, ballte Novalee zu einer Faust, um irgendwo die Anspannung gänzlich zu sammeln und sich wenigstens noch etwas im Griff zu haben.

„Ah … Da scheine ich einen wunden Punkt getroffen zu ha-“ „Halt den Mund.“ Novalee sprach leise, aber eisig. Ihr Ton hätte Wasser gefrieren lassen können, doch die Asiatin überging es und sprach einfach weiter: „-ben. Vermisst du denn die Göre so se-“ „Ich sagte, du sollst den Mund halten!“ Nun etwas lauter und die Zweiundzwanzigjährige richtete ihre grau-blauen Augen auf ihr Gegenüber. „Halt den Mund und sei endlich still.“

„Nun, Novalee.“ Die Asiatin schien Novalees Reaktion lediglich zu amüsieren. „Nur damit du Bescheid weißt … “ Während sie sprach, schob sie den schwarzen Ärmel ihres linken Armes ein Stück weit hoch und entblößte ein Tattoo mit einer Schlange und einem Totenkopf. Novalee hielt den Atem an und wendete den Blick wieder ab. „Man hat mich geschickt. Ich soll dich daran erinnern, dass wir Bescheid wissen und dich im Auge behalten.“

Novalee schwieg, während ihr Gegenüber schweigend den Ärmel wieder herunterließ und damit ihr Tattoo verbarg. Nun wusste sie, dass sie Recht gehabt hatte mit ihrer Vermutung, auch wenn sie gehofft hatte, dass sie sich als falsch erweisen würde.

„So ungern ich das tue … Ich bin für dich wohl das, was man einen Tutor nennt.“, sagte die Asiatin und wendete sich ab, „Auch wenn du mich nicht bemerkst; ich behalte dich im Auge, Novalee. Tue nichts, was mir nicht letzten Endes Grund gibt, dir zu schaden.“ Und damit setzte sie sich in Bewegung und ließ Novalee allein in der Gasse zurück.

Einige Minuten lang blieb Novalee schweigend und bewegungslos an Ort und Stelle stehen. Ihr Atem ging schwer, fast als sei sie soeben ein Wettrennen gelaufen, und sie zitterte am ganzen Körper. Tränen sammelten sich in ihren Augen, doch sie versuchte diese zu verdrängen. Die Zeit kam ihr wie eine Ewigkeit vor, doch dann setzte sie sich schließlich in Bewegung und rannte zu dem Haus, in dem ihre Wohnung lag.
 

Die Schuhe Novalees lagen mitten im Flur, der Mantel lag achtlos nur knapp einen Meter davon entfernt ebenfalls auf dem Boden. Der Einkauf, den sie getätigt hatte, lehnte am Türrahmen zum Wohnzimmer, war allerdings mittlerweile umgekippt. In der Wohnung war alles dunkel und still, mit Ausnahme Ions, der leise mit dem Schnabel klapperte und Geräuschen, die dem Schluchzen ähnelten.

Payton schloss die Wohnungstür auf und betrat den dunklen Flur. Mit einem Seufzen betätigte sie den Lichtschalter und war einen Moment lang vom hellen Licht der Deckenleuchte geblendet, doch dann hatten sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt und sie erblickte das Chaos im Flur.

„Novalee? Nova, bist du da?“

Es kam keine Antwort und so setzte Payton ihren Weg fort. Sie betrat das Wohnzimmer, welches leer war – mit Ausnahme von Ion auf der Fensterbank. Mit leisen Schritten durchquerte die Blondine den Raum, hielt der Schneeeule die Hand hin und fragte leise: „Na, Kleiner? Wo hast du denn Novalee gelassen?“ Ion reagierte nicht, abgesehen davon, dass er ihre Hand mit dem Schnabel anstupste. Sanft fuhr sie ihm über das flauschige Gefieder, dann ließ sie wieder von ihm ab und machte sich auf die Suche nach ihrer Freundin.

Nachdem sie in der Küche nachgesehen hatte, vernahm Payton das leise Schluchzen. Irritiert hielt sie inne, dann lauschte sie angestrengt. Als sie es noch einmal vernahm, wusste sie, wo sie zu suchen hatte und so begab sie sich zum Schlafzimmer der Jüngeren, wo sie diese auf dem Bett liegend, den Kopf im Kissen vergraben und auf dem Bauch liegend, vorfand.

„Novalee … “

Payton trat an das Bett ihrer Freundin heran, dann ließ sie sich neben ihr nieder und fuhr ihr sanft mit der Hand über den Rücken. Novalee reagierte nicht.

„Hey … Was ist los?“, versuchte Payton den Grund für das Verhalten herauszufinden und vorsichtig strich sie ihr die brünetten Haare aus dem Gesicht, doch Novalee antwortete nicht. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich deine Stimmungsschwankungen auf die Hormone zurückführen, aber die Wechseljahre kann ich bei dir ausschließen und von einer Schwangerschaft weiß ich bei dir auch nichts. Also … Was ist los?“

Ganz langsam schüttelte Novalee den Kopf.

„Hör mal: Ich werde nicht eher weggehen, bevor du mir nicht gesagt hast, was los ist.“, verkündete Payton mit ernster Stimme, „Ich kann dich doch nicht in dem Zustand hier alleine lassen.“ „Payton … “, murmelte Novalee leise, „Bitte … geh.“ „Nein.“, blieb Payton standhaft, „Ich gehe nicht eher, als dass du dich beruhigt und mir erzählt hast, was eigentlich los ist.“ Daraufhin sagte Novalee nichts mehr.

„Ich bezweifle, dass es mit Hogwarts zu tun hat. Die Befunde waren allesamt in Ordnung, so dass Hogwarts dich angenommen haben sollte. Du hast zwar die Empfehlung, dich stets von jemanden auf Psyche und Gesundheit testen zu lassen, aber das ist doch eine Kleinigkeit für dich, da das nur eine Sicherheitsmaßnahme wegen Alices Tod ist … “, sagte Payton nachdenklich und fuhr der Jüngeren noch immer beruhigend mit der Hand über den Rücken, „Ihr Tod wird dich nicht plötzlich auf dem Heimweg vom Einkaufen übermannt haben, also fällt das auch weg. Also … ?“

Fast schon abrupt setzte Novalee sich auf. Sie zog den Ärmel ihres dünnen Pullovers hoch und hielt der Älteren ihr linkes Handgelenk hin. Skeptisch wanderte der Blick der Blondine von Novalees Gesicht dorthin.

„Seit wann hast du die Tätowierung?“ Novalee riss den Ärmel wieder nach unten, wandte den Blick ab. „Seit ungefähr drei Wochen.“ „War das eine Kurzschlussreaktion?“, wollte Payton besorgt von ihr wissen. Novalee schüttelte den Kopf. „Novalee. Was hat es mit der Tätowierung auf sich?“

„Ich bin Schuld an allem.“, sagte Novalee bloß. „Woran bist du Schuld?“, hakte Payton nach, „Alices Tod, oder was?“ „Unter anderem.“, kam die Antwort kühler als es eigentlich bei ihr üblich war. „Wenn du mir nicht sagst, was du meinst, kann ich dir nicht helfen.“ „Mir ist nicht mehr zu helfen.“ „Sag nicht so etwas, Novalee.“, bat die Heilerin sie. „Würdest du jemandem helfen, der seine eigene Schwester auf dem Gewissen hat?!“

Die Stille, die im Schlafzimmer eintrat, war bedrückend. Paytons grüne Augen ruhten auf der Jüngeren und zeigten deutlich deren Verwirrung und Besorgnis. Novalee hatte den Blick abgewendet und blickte zum Fenster, durch das schwach das Licht ins Zimmer drang.

Keine der beiden sprach und schließlich erhob Novalee sich und verließ das Schlafzimmer. Payton folgte ihr, doch da stand Novalee bereits an der Wohnungstür und hatte diese geöffnet.

„Geh.“, bat Novalee Payton mit brüchiger Stimme, die deutlich zeigte, dass sie diese nicht mehr lange unter Kontrolle haben würde, „Bitte geh, Payton.“ „Nova-“ „Geh!“ Es war keine Bitte mehr, sondern eine deutliche Aufforderung.

Seufzend nickte Payton, dann setzte sie sich in Bewegung und verließ die Wohnung. Ohne sich zu verabschieden, schloss Novalee die Tür hinter ihrer Freundin, dann sackte sie weinend zu Boden und blieb dort vor der Tür in ihrem Flur sitzen – weinend, zitternd und die Tränen nicht stoppen könnend.
 

Am darauffolgenden Tag verließ Novalee ihre Wohnung nicht und auch Payton versuchte nicht irgendwie mit ihr in Kontakt zu treten. Das Telefon läutete einige Male, doch nie nahm Novalee ab, die sich mit Hausarbeit und Lesen abzulenken versuchte, doch die meiste Zeit hockte sie mit angezogenen Beinen auf ihrem Sofa und umklammerte eines der Kissen. Ihre Eule hatte sie morgens nach draußen gelassen und Ion war erst bei Einbruch der Dämmerung zurückgekehrt. Ins Bett war Novalee recht früh gegangen, doch Schlaf hatte sie nur schlecht gefunden.

Am Donnerstag, einen Tag darauf, schien Novalee sich soweit wieder gefangen zu haben, denn sie hockte nicht mehr stumm und bewegungslos auf ihrem Sofa, sondern hatte Musik angestellt und dabei das Wohnzimmer geputzt und neu dekoriert. Die ersten paar Male, die das Telefon läutete, ignorierte sie, doch dann überredete sie sich schließlich dazu, die Anrufe zu beantworten. Und jeder einzelne erinnerte sie daran, dass sie diesen Tag feiern sollte. Außerdem kamen einige Eulen mit Päckchen und Briefen, die sie allesamt erst einmal auf ihrem Couchtisch stapelte.

Am späten Nachmittag klopfte es an ihrer Wohnungstür. Novalee hatte mittlerweile das Wohnzimmer fertig und auch die Küche und ihr Schlafzimmer schienen zu glänzen. Sie schritt zur Tür und öffnete diese, um Payton gegenüberzustehen, die sie zunächst prüfend musterte und ihr dann um den Hals fiel.

„Alles Gute zum Geburtstag.“, wünschte sie ihr, „Es ist nicht viel … Aber das ist für dich.“

Payton löste sich von Novalee und holte ein kleines Päckchen hervor, welches in einem dunkelblauen Papier eingewickelt und mit einer silbernen Schleife versehen war. Die Jüngere beäugte das Geschenk erstaunt, dann umarmte sie Payton dankbar und schaffte es sogar, ein glückliches Lächeln aufzusetzen.

„Und ich dachte mir, wir gehen heute Abend mal wieder in unseren Pub. So ganz zur Feier des Tages.“, verkündete Payton, „Die Rechnung übernehme ich.“ „Aber Pay-“ „Kein aber. Du hast Geburtstag, also bezahlst du nichts.“, wehrte Payton ab, „Und ganz nebenbei können wir Ausschau nach ein paar Kerlen halten. Was meinst du?“ Novalee ließ sich die Idee durch den Kopf gehen. Es tat ihr sicherlich gut, wenn sie nach draußen kam, also nickte sie. „Gut.“, meinte Payton mit einem breiten Lächeln, „Dann lass uns dich mal ein wenig herrichten.“
 

Wenig später hockten die beiden jungen Frauen auf ihrem Stammplatz im Pub und nippten an ihren Getränken. Im Pub herrschte eine gute Stimmung und die Atmosphäre war dadurch angenehm. Auf einer kleinen Bühne standen ein paar Männer und spielten Musik, die an irische Folklore erinnerte, das Licht war gedämmt und es herrschte ein reges Treiben in dem kleinen Raum.

Novalee erzählte Payton von den verschiedenen Anrufen und von den Testergebnissen, die Payton allerdings bereits wusste, immerhin war auch sie Heilerin im St. Mungos. Payton hörte dennoch aufmerksam zu und berichtete von ihrem Arbeitstag, der mit einer Notoperation begonnen und mit einem Feuer spuckenden Kind geendet hatte. Wie es zu letzterem gekommen war, ließ beide in Lachen ausbrechen und Novalee schwor sich, dass sie den Schülern in Hogwarts deutlich machen würde, wie gefährlich solche Zauber waren.

Als die beiden Frauen ihren dritten Drink bestellt hatten, trat jemand an ihren Tisch. Novalee vernahm die Bewegung aus den Augenwinkeln und hielt mitten im Satz inne, während Payton sie zunächst verwundert anblickte und dann zu der Person sah. Ein Seufzen entwich ihr.

Grau-blaue Augen trafen auf ein Paar braune. Ein muskulöser Körperbau zeichnete sich unter dem Hemd ab, dessen Ärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt waren, und ein fröhliches Lächeln lag auf den Lippen des Neuankömmlings. Die schwarzen Haare sahen ungezähmt aus und doch wirkte das Erscheinungsbild gepflegt.

„Hallo Payton.“ Eine ruhige und angenehm klingende Stimme gehörte zu der Person. „Und guten Abend Novalee.“ „Hallo, Jack.“, begrüßte Payton den Mann, während Novalee lediglich den Namen aussprach und dann ihr Getränk anstarrte, um ihn nicht anschauen zu müssen.

„Du solltest dich doch bei mir melden, sobald du zurück bist.“, sagte Jack vorwurfsvoll. „Das ist meine Schuld.“, warf Payton ein, „Als sie am Sonntag eintraf, war es spät und dann kam ich durch die Arbeit darüber hinweg, es ihr mitzuteilen.“ „Schon gut; sie ist ja jetzt hier.“, wehrte Jack Paytons Verteidigung ab, „Oder verschwindest du sofort wieder spurlos?“

Novalee reagierte nicht, sondern blickte weiterhin ihr Glas an, an dass sie mit dem Fingernagel ihres rechten Zeigefingers immer wieder leise tippte. Sie versuchte Jacks Anwesenheit auszublenden und sich auf die Musik im Hintergrund zu konzentrieren, was ihr gar nicht mal so leicht fiel.

„Für Beileidsbekennungen ist es sicherlich zu spät.“, meinte Jack und nahm unaufgefordert neben Payton Platz, „Wollt ihr noch etwas trinken? Die Runde geht auf mich.“ Payton blickte von Jack zu Novalee und wieder zurück. „Wir haben gerade neue bekommen.“, lehnte sie das Angebot ab, „Aber hör mal … Was genau möchtest du von uns?“ „Na ja, mit alten Freunden in den guten alten Zeiten schwelgen?“, vermutete Jack und ließ sein tiefes Lachen erklingen, „Darf ich das neuerdings nicht mehr?“ „Du bist ziemlich unpassend hier aufgetaucht, Jack.“, erklärte Payton, „Und es wäre das beste, wenn du wieder zu deinem Platz mit deinen Kumpeln zurückkehrst.“ Jack sah sie ungläubig an. „Bitte.“, fügte Payton fast lautlos hinzu und mit einem lauten Seufzen erhob der Mann sich.

„Hör mal, Nova … “ Jack wendete sich Novalee zu, die nun endlich doch den Blick hob und ihn anblickte. „Wenn du denkst, dass es der richtige Zeitpunkt ist, melde dich bei mir.“, bat Jack die Brünette, „Ich bin noch eine Weile in Leeds, bevor ich weiterziehen muss.“ Novalee nickte leicht. „Ach … und noch etwas.“ Jack hielt in der Bewegung inne; er hatte gerade davongehen wollen. „Alles Gute zum Geburtstag, Kleine.“

Novalee blickte dem Älteren mit gemischten Gefühlen nach, während Paytons grüne Augen auf ihr ruhten und sie auf eine Reaktion seitens Novalee zu warten schien.

„Das hätte ich schon selbst geregelt.“, verkündete Novalee leise, als sie ihre Freundin wieder ansah. Noch einmal tippte sie mit dem Fingernagel ihres echten Zeigefingers gegen das kühle Glas ihres Getränkes. „Sicher.“, stimmte Payton sarkastisch zu, „Du hättest ihn in Grund und Boden geschwiegen.“ Novalee rollte mit den Augen und seufzte. „Aber trotzdem danke.“ „Ach was.“, wehrte Payton grinsend ab, „Dafür sind Freunde doch da.“ „Jack ist auch ein Freu-“, wollte Novalee zu bedenken geben, doch Payton unterbrach sie: „Trink deine Cola-Rum und vergiss den Mann doch einfach für diesen einen Abend. Hier sind genügend andere, an denen du dich sattsehen kannst.“



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