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Finera - Dawn of the Dark

von

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Ninja

19. Oktober
 

- Rain -
 

Die Maschine stand in der Dunkelheit von Milenas Privatlabor und verriet sich nur durch das gleichmäßige, schwache und pulsierende Leuchten der Steuerelemente. Warum hatte Milena ihr Labor nicht verschlossen, wie sie es sonst immer mit peinlicher Genauigkeit tat? Rain wusste die Antwort nicht, achtete aber darauf, dass sie nichts anfasste. Sie stand einfach nur in der Dunkelheit und schaute sich die Maschine mit ehrfürchtigem Abstand an.

Milena hatte es geschafft, dass Pokémon sich ohne Training entwickeln konnten. Womöglich war dies nur der erste Schritt, um später einmal Fehlbildungen oder Erbkrankheiten heilen zu können, sie wie Milena es schon damals in Finera wollte. Ihre Forschungen waren kein bösartiger Schwachsinn, sondern sinnvoll, wie Rain fand. Wenn doch damals in Finera nicht alles schief gelaufen wäre, wenn Milena niemals Team Dark gegründet hätte …

Rain dachte an die Geschichten ihrer Eltern, die kleine Berühmtheiten waren und auch heute noch von den vielen Kontakten profitierten, die sie damals im Zuge der Vernichtung von Team Dark gesammelt hatten. Zweifellos war es richtig, was ihre Eltern Faith und Joel vor bald dreißig Jahren getan hatten, aber wieso hatte niemand wirklich dabei zugehört, was Milena dazu zu sagen hatte? Das war unfair. Milena Mai war eine großartige Wissenschaftlerin, sie verdiente Anerkennung für ihre Arbeit. Die verbesserten Heilmaschinen ihrer Firma standen in allen Pokécentern von Kalos, aber ihr als Person wurde Verachtung entgegen gebracht, dabei stand hinter beiden Forschungsvorhaben dieselbe Person.

Vorsichtig machte Rain einen Schritt auf die Maschine zu und erschrak sich fürchterlich, als flirrend die Deckenleuchten zum Leben erwachten. Das musste der Bewegungsmelder sein, von dem Milena einmal gesprochen hatte. Verdammt, ob man sie jetzt entdecken würde? Rain hielt den Atem an, bis sie nicht mehr konnte. Dann atmete sie langsam weiter, horchte auf jedes noch so leise Geräusch, doch außer ihrem eigenen Herzschlag war nichts zu hören. Wer sollte auch jetzt noch hier sein? Dieses Stockwerk nutzt Milena alleine und von ihrer Privatwohnung im hinteren Gebäudeteil aus sah sie wohl kaum, dass hier Licht brannte.

Und wenn doch?

Nein, ausgeschlossen.

Da das Licht nun ohnehin an war, ging Rain direkt zu der Level-Maschine und fuhr bedächtig mit den Fingerspitzen über die glatte, schwarze Oberfläche der Säule. Es gab eine Vertiefung für Pokébälle direkt unterhalb vom Bedienfeld. Wofür die wohl gut war? Die Pokémon wurden direkt auf die Plattform gestellt, es konnte also kaum etwas passieren, wenn sie Karpadors Ball einfach nur in die Vertiefung legte, nicht wahr? Gesagt, getan.

Der Bildschirm leuchtete auf und sogleich erschien eine Analyse von Karpador. „Karpador, männlich, Level 5, Fähigkeit Wassertempo, Wesen Hart, Attacken: Platscher“, tönte eine weibliche Computerstimme. Rain entnahm den Ball wieder, drehte ihn in der Hand und schaute zu der Plattform. Karpador war ihr Starter. Es war ein nutzloses, schwaches Pokémon, das in der freien Wildbahn längst auf dem Teller irgendeines Fischers oder in der Kehle eines Ibitaks gelandet wäre. Sie tippte auf dem Bedienfeld herum, bis sie das Menü für die Entwicklungen fand. Ein Garados auf Level 5 würde weitaus beeindruckender sein, wenn auch immer noch schwach, aber daran konnte man arbeiten.

Das Menü war komplizierter, als Rain vermutet hätte. Trotzdem fand sie sich nach einigen Versuchen gut zurecht und stellte alles ein – zuerst Typ Wasser, woraufhin die Säule plötzlich bläulich leuchtete, dann wählte sie Letzte Entwicklungsstufe und bestätigte die Auswahl.

Ihre Hände zitterten und waren schwitzig. Warum war sie auf einmal so aufgeregt und nervös? Es konnte schließlich nichts schief gehen, wenn Milena die Maschine schon getestet hatte – und das hatte sie mit Sicherheit, wieso sollte sie sonst wissen, dass es funktionierte.

Der Finger drückte bereits gegen den Knopf in der Mitte des Pokéballs, dann entschied Rain sich in letzter Sekunde um, steckte Karpadors Ball zurück an ihren Gürtel und entließ Froxy auf die Plattform. Froxy stand ohnehin kurz vor der Entwicklung zu Amphizel.

Der blaue Frosch blähte einmal kurz seine Backen auf, dann schaute er seine Trainerin mit großen Augen an. Im selben Augenblick leuchtete auch die Plattform blau auf. Aus bis dahin verborgenen Düsen stieg blauer Nebel auf und hüllte die ganze Plattform ein, Lichter blitzten durch die Säule und innerhalb weniger Sekunden erstrahlte einmal kurz das ganze Labor. Der Nebel musste das Licht tausendfach gebrochen und gestreut haben, denn als Rain blinzelnd wieder zur Plattform schaute, sah sie noch immer Lichtblitze vor ihren Augen, wenn sie die Augen schloss.

Dort, wo eben noch Froxy gestanden hatte, lichtete sich nun der Nebel und zum Vorschein kam ein dunkelblaues Quajutsu mit langen, sehnigen Gliedern. Es quakte und war von seiner eigenen, veränderten Stimme überrascht, woraufhin es nach vorne sprang und im selben Augenblick über die viel größeren Füße stolperte.

Rain starrte ihr Pokémon an. Es hatte funktioniert! Es hatte funktioniert, aber … „Froxy?“

„Quaaa!“ Beinahe panisch strampelte Quajutsu mit den Beinen, landete auf dem Rücken, dann wieder auf dem Bauch. Nur langsam konnte es die Glieder koordinieren, legte sich erneut der Länge nach hin und schlitterte dabei von der nur wenige Zentimeter hohen Plattform herunter. „Quaa!“

Hilflos musste Rain mit ansehen, wie Froxy, nein, Quajutsu mit seiner neuen Form kämpfte. Es starrte verstört die Maschine an, an sich herunter und zu Rain. Zum ersten Mal mischte sich zu der Aufregung über die Maschine etwas anderes in ihre Gefühle. Sie bekam ein schlechtes Gewissen. „Hey, Quajutsu, es ist alles gut.“ Es war doch alles gut oder? „Du hast dich entwickelt, das ist nichts Schlimmes.“

„Quaaaaa!“ Quajutsu torkelte nach hinten, als Rain sich zu ihm bückte und es berühren wollte. Ein wütendes Zischen entfloh der Kehle, als ihm zum ersten Mal gelang alle vier Beine richtig zu benutzen und in die Hocke zu gehen. Die Augen hatte es zu abwertenden Schlitzen verzogen und in der gesamten Körperhaltung schwang eine stumme Anklage mit. Warum hast du mir das angetan. Du bist meine Trainerin. Ich habe dir vertraut.

Tränen bildeten sich in Rains Augen, noch ehe sie diese Anschuldigung bewusst wahrnahm. Sie begriff, was sie getan hatte. Körperlich hatte Froxy durch die Entwicklung keine Schäden davongetragen, aber mental hatte sie es nicht darauf vorbereitet. Es war nicht durch eine natürliche Entwicklung in eine andere Form übergegangen, sondern durch äußere Einflüsse. Wahrscheinlich hatte es nicht einmal begriffen, was geschah, bis es schon zu spät war.

„Milena!“, rief Rain, griff den Pokéball und zog Quajutsu zurück. Sie rannte aus dem Labor, durchquerte den Flur und hämmerte an die Tür zu Milenas Privaträumen. „Milena, machen Sie die Tür auf, bitte!“

Zu ihrer Verwunderung geschah dies nur wenige Momente später. Milena wirkte nicht einmal überrascht. Hatte sie es gewusst? Hatte sie die Tür absichtlich offen gelassen?

Weinend stand Rain vor ihr. „Die Maschine hat Froxy zu Quajutsu entwickelt, bitte, Sie müssen das rückgängig machen!“

Milena schaute auf ihre Assistentin herab und der milde Ausdruck einer Lehrmeisterin wich kaltem Unverständnis. „Du hast die Maschine aus freien Stücken heraus benutzt. Selbst wenn ich wollte, könnte ich daran nichts ändern.“

„Aber Quajutsu ist total verwirrt. Bitte, geben Sie mir mein Froxy zurück!“

Die Forscherin schnalzte mit der Zunge. „Die Natur entwickelt sich weiter, danach strebt sie. Rückentwicklung ist in diesem Konzept nicht vorgesehen. Das war deine Entscheidung, Rain. Das war wahrer Forschergeist. Quajutsu wird sich an seine neue Form gewöhnen, bis dahin kannst du dir ja einen Spitznamen überlegen. Dein erstes Forschungsobjekt verdient einen Spitznamen. Wie wäre es mit Ninja?“

„Das ist alles, was Sie dazu zu sagen haben?“ Rain wischte sich mit zitternden Händen die Tränen aus dem Gesicht.

Milena zuckte mit den Schultern. „Ich finde, dass Ninja ein passender Name ist.“ Mit diesen Worten schloss sie die Tür und ließ Rain alleine zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  fahnm
2015-06-15T23:55:44+00:00 16.06.2015 01:55
Spitzen Kapitel
Von:  Yurippe
2015-06-14T19:37:43+00:00 14.06.2015 21:37
Oh je... Einerseits ist Rain natürlich selbst schuld, andererseits sieht man hier, wie eiskalt Milena sein kann.
Antwort von:  Kalliope
14.06.2015 21:50
Stimmt. Sie hat Rain zwar manipuliert, aber Rain ist auch darauf angesprungen und war irgendwie ein "dankbares Opfer", immerhin hat sie sich wirklich für die Forschung interessiert.
Von:  yazumi-chan
2015-06-14T17:53:23+00:00 14.06.2015 19:53
Huiii. Also doch nicht Karpador. Froxy, und dann gleich zwei Entwicklungen auf einmal. Ich kann mir vorstellen, dass das ein ziemlicher Schock ist. Rain hat ihr Pokémon nicht gefragt, nicht vorbereitet, und es hat eine Stufe komplett übersprungen. Und dass Milena die Verantwortung abwälzt, war abzusehen. Geniale, kalte Forscherin... Sie hat ja schon Recht. Es war Rains Entscheidung. Ziemlich spontan für Rainverhältnisse. Mich würde nur interessieren, warum sie im letzten Moment Froxy statt Karpador testen wollte.
Antwort von:  Kalliope
14.06.2015 19:56
Nach diesem Kapitel wird es erstmal einen Sprung geben (entweder ein paar Wochen oder Monate, das weiß ich noch nicht). Im Laufe der Zeit wirst du auf jeden Fall merken, wieso Rain Froxy genommen hat und nicht Karpador, aber vielleicht bedeutet ihr der Karpfen ja doch mehr, als sie zugeben möchte?
Antwort von:  yazumi-chan
14.06.2015 19:58
Na ja, vielleicht hatte sie auch Angst, was Garados mit ihr macht, wenn es entwickelt ist und Rache nehmen kann :D
Antwort von:  Kalliope
14.06.2015 20:01
Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit. Garados Level 5 könnte dann Platscher und Fuchtler, da könnte durchaus etwas zu Bruch gehen, zumal Karpador/Garados ja auch nicht gerade gut auf Rain zu sprechen ist. (Es blubbert sie in der Badewanne an. Ein "Blubber" so effektiv wie Platscher.)
Antwort von:  yazumi-chan
14.06.2015 20:03
Blubbert sie in der Badewanne an? Das sind extreme Maßnahmen. Rain sollte sich in Acht nehmen >:D
Antwort von:  Kalliope
15.06.2015 18:26
Dazu habe ich jetzt das gefunden. Leg dich nicht mit Karpador an >:D
Antwort von:  yazumi-chan
15.06.2015 19:09
Ich kontere hiermit :D
Antwort von:  Kalliope
15.06.2015 19:16
So ähnlich stelle ich mir Rains Karpador auch vor :"D


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