Zum Inhalt der Seite

Chekkumeito

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

1. Zug

Sekunden scheinen zu Minuten zu werden. Minuten zu Stunden. Schließlich verkündet der Big Ben mit dumpfen Schlägen drei Uhr und Sebastian will es gar nicht wahr haben. Er löst sich vorsichtig von Ash und legt seine Stirn an die des Engels. Blickt ihm tief in die Augen.

„Musst du wirklich schon gehen?“

„Du müsstest doch am besten wissen, was die Arbeit eines Butlers ist, oder?“

„Ja, da hast du Recht, aber…“

„Ich habe immer Recht, ich bin ja schließlich ein teuflisch guter Butler!“

„Ich will trotzdem nicht, dass du gehst.“

Ash nimmt Sebastians Gesicht vorsichtig in seine Hände.

„Ich könnte dich ja mitnehmen und in einem Schrank auf dem Anwesen meines jungen Herren verstecken. Aber ich denke, weder mein junger Herr, noch das Dienstmädchen würden es gutheißen, wenn sie in naher Zukunft einen Schrank öffnen und ihnen deine engelsgleiche Wenigkeit entgegen stolpert.“

„Einen Versuch wäre es wert.“

„Erwähnte ich bereits, wie sehr ich an dir hänge?“

„Nein, ich vermag mich nicht zu erinnern.“

Ash kann den Satz kaum zu Ende sprechen, als ihm die warmen und weichen Lippen des Butlers den Atem rauben. Vollkommen betört von dem unglaublichen Gefühl, schließt der Engel die Augen. Wie kann ein Dämon ihm nur so den Kopf verdrehen? Zaghaft erwidert er die sanften Berührungen des Dämons. Ash löst sich mit einem leisen Seufzer, doch Sebastian rückt keck nach.

„Was ist?“, haucht der schwarz gekleidete Butler. Ash kann dessen warmen Atem dich an seinen Lippen spüren. Nicht einmal ein dünnes Blatt Pergament hätte mehr zwischen die beiden gepasst. Ash blickt sich kurz um. Seine Augen zucken unruhig hin und her.

„Kannst du dich nicht erinnern?“

Sebastian folgt dem Blick seines Geliebten.

„Ich verstehe“, schnurrt er warm an Ashs Ohr.
 

Als Ash aufwacht, fühlt sich sein Körper taub an, als ob jemand mit einem glühenden Eisen auf ihn einschlagen und ihn gleichzeitig in Eiswasser tauchen würde. Die gähnende Leere um ihn färbt sich scharlachrot und er versucht panisch die Luft einzuziehen. Aber da ist nichts. Seine Lunge füllt sich mit schmuddeligem Wasser. Er versucht zu husten. Nichts tut sich. Adrenalin kocht in dem Engel hoch. Mit einem Mal realisiert er seine Situation. Er treibt unter Wasser. Die Oberfläche ist in weiter Ferne als verschwommener Lichtpunkt zu erkennen. Seine Lunge brüllt vor Schmerz, schreien nach Sauerstoff und ein klaffender Schnitt zieht sich von seinem rechten Schlüsselbein, bis hin zur Mitte seiner Brust. Blut färbt das Wasser in einem erschreckend leuchtenden Ton. Die Wunde brennt und schmerzt. Verzweifelt versucht Ash mit hektischen und planlosen Bewegungen an die Oberfläche zu kommen. Wie er es im Nachhinein geschafft hat, weiß er heute selber nicht mehr. Nach einiger Zeit liegt er keuchend und prustend am Ufer der verschmutzten Themse. Das Flusswasser brennt in seinen Augen. Sein Atem geht schnell und schnappend, als er sich auf seine wackeligen Beine kämpft und die ersten Schritte macht. Er muss mehrmals husten, seine Kleider hängen schwer und vor allem nass an ihm, ziehen ihn durch ihr Gewicht runter. Nass bis auf die Knochen und frierend, schleppt sich Ash durch die Londoner Seitengassen. Einfach geradeaus. Einfach weg. Einfach irgendwohin. Auf den Straßen blickt ihm die reinste Verwahrlosung entgegen. Kinder mit eingefallenen Wangen und traurigen Augen, die sich panisch an ihre Eltern klammern. Menschen die alles verloren haben. Die Kleider hängen ihnen in Lumpen vom Leib, der Blick einsam und gebrochen, die Haare strähnig und verfilzt. Er sticht trotz der mit Blut, Asche und Schmutz verklebten Kleider und Haare heraus wie ein bunter Hund. Die Leute straften ihn mit Missachtung oder Ignoranz. Er ist besser gekleidet, hat einen besseren Gang und sieht gepflegter aus. Ein Fremder der in ihrem Viertel nichts verloren hat. Ash kämpft sich weiter. Die Wunde beginnt bei jedem seiner erschöpften Herzschläge weiter zu bluten, sein Anzug ist bald vollgesaugt mit der roten Flüssigkeit. Trotzdem schleppt er sich weiter und betrachtet das ganze Ausmaß der Verwüstung. Häuser liegen in Schutt und Asche, Straßen sind unbefahrbar. London gleicht einem einzigen Trümmerfeld. Er bleibt kurz stehen. Ein stechender Schmerz zieht durch seine Brust. Er keucht auf, als der Schmerz erneut zurückkehrt. Er fasst sich an den Schnitt. Blut quillt zwischen seinen Fingern hervor. Ein erneuter Schmerz zuckt durch seinen Körper. Seine Knie geben nach. Er sinkt zu Boden. Sein Kopf schlägt mit einem dumpfen Geräusch auf dem Asphalt auf und erneut wird alles um ihn herum schwarz.
 

Unbewusst schnellt Ashs Hand zu der Narbe, die knapp unter seinem Schlüsselbein beginnt.

„Was ist los Ash?“, fragt Sebastian erneut und hoff wenigstens diesmal auf eine Antwort.

Ash dagegen schüttelt nur den Kopf und merkt wie salzige Tränen sich bitter in seine Augen schleichen. Sebastian beugt sich vor und wischt sie weg.

„Ach Ash.“

Sebastian zieht den Kleineren fest in seine Arme.

„Du verstehst es vielleicht noch nicht, Sebastian, aber dieser Ort bedeutet für mich nichts als Schmerz und Leid.“

Ashs Herz scheint zu zersplittern, tausend kleine Dornen bohren sich hinein und bringen es zum bluten.

„Und ich bin Schuld an allem. Ich bin Schuld, dass alle Welt so leiden muss!“
 

Als Ash wieder zu sich kommt, liegt er auf etwas rauem und kratzigen. Seine Finger tasten umher und vergraben sich in dem Stoff. Trotz der kratzigen Oberfläche liegt er auf etwas weichem und vor allem warmen. Es dauert seine Zeit, bis er realisiert, auf was er da liegt. Einer Decke, wenn nicht sogar einem Bett oder etwas in der Art. Mit zitternden Armen setzt er sich auf und sieht sich vorsichtig im Raum um. Er sitzt tatsächlich auf einem einfachen Holzbett, seine Anzugjacke und die Weste hängen ordentlich gefaltet auf einem schäbigen Stuhl. Um seinen Oberkörper ist ein schmuddeliger, mit Blut verschmierter Verband gebunden. Ash fasst sich an den schmerzenden Kopf, seine Haare kleben ihm an der mit Schweiß und getrockneten Blut verschmierten Stirn. Übelkeit steigt in ihm auf. Vorsichtig versucht er sich auf die Bettkannte zu setzen. Ein erneuter Schmerz zuckt durch seinen Brustkorb und Ash keucht gequält auf, während seine Hand zu dem blutigen Verband zuckt. Blut quillt langsam zwischen seinen Fingern hervor. Sein Gesicht verzieht sich zu einer schmerzerfüllten Miene.

„Um Gottes Willen, sie müssen ruhig liegen bleiben.“

Grüne und blaue Lichtpunkte tanzen vor seinem inneren Auge. Erneut stöhnt er gequält auf. Zwei Hände drücken ihn sanft, aber bestimmt zurück aufs Bett. Erleichtert lässt er sich zurückfallen, der Schmerz aus seiner Brust verschwindet mit einem Mal. Ein erleichterter Laut verlässt seinen Kehlkopf. Die Hände von seinen Schultern verschwinden und nehmen vorsichtig seine eigenen, die er immer noch fest auf seine Brust gepresst hat.

„Sie müssen ruhig liegen bleiben, sonst reißt der Schnitt immer wieder auf.“

Ash spürt, wie der Verband um seinen Oberkörper gelöst und langsam abgewickelt wird. Vorsichtig schielt er herab, um einen Blick auf die Wunde zu erhaschen. Über dem Schnitt hat sich eine widerlich bräunliche Blutkruste gebildet, die an einigen Stellen wieder frisch aufgerissen ist. Aus dem Schnitt fließt frisches Blut und weicht die Kruste neu auf. Die Ränder sind seltsam ausgefranst. Alles in allem ein abstoßender Anblick. Zudem äußerst schmerzhaft. Als würde jemand ein glühendes Brecheisen in seine Brust stoßen.

„Das sieht übel aus.“

Ash folgt dem Ursprung der Stimme. Vor ihm steht eine ältere Frau. Die grauen Haare hat sie zu einem Dutt hoch gesteckt, lose Strähnen fallen heraus. Ihre Kleider sind schmutzig und zerfetzt. Hinter ihrem Rücken steht ein kleines Mädchen, das sich mit seinen schmutzigen Fingern in die Schürze der anderen krallt. Sie blickt ihn aus grünen, ängstlich dreinblickenden Augen an. Ash blickt peinlich berührt zurück, als ein erneuter Schmerz durch seinen gesamten Körper zuckt. Er schreit kurz auf, woraufhin das Mädchen hinter der älteren Dame verschwindet. Sein ganzer Körper wird taub vor Schmerz, sein Kopf schmerzt höllisch weh, als er erneut langsam ohnmächtig wird.

Als er wenig später wieder aus seinen verworrenen Träumen erwacht, scheint sein Körper zu Glühen. Auf seiner Stirn haben sich kleine Schweißperlen gebildet. Er versucht seinen Kopf ein wenig anzuheben, lässt ihn aber sofort erschöpft zurück in die Kissen sinken. Seine Sicht ist schleierhaft verschwommen, in seinen Schläfen sitzt ein unangenehm pochendes Gefühl. Plötzlich spürt er, wie ihm jemand ein kaltes Tuch auf die Stirn legt. Ash fährt aufgrund der fremden Berührung in sich zusammen. Er blickt vorsichtig zur Seite und blickt direkt in die grünen Augen des kleinen Mädchens, die ihn interessiert anfunkeln. Ihre verfilzten Haare hängen in fettigen Strähnen platt von ihrem Kopf herab. In den schmutzigen Händen hält sie eine kleine Schale mit Wasser, in der sich ein schmuddeliges graues Tuch befindet, das sich langsam mit Wasser vollsaugt. Als er ihrem Blick begegnet, lächelt sie ihn vorsichtig an.

„Guten Morgen“, meint sie mit zaghafter Stimme.

Ash würde gerne etwas antworten, aber seine Zunge fühlt sich an wie aus Blei. Stattdessen lässt er seinen Kopf tief in das Kissen sinken.

„Wie fühlen du... Sie sich, Herr Patient?“

Ash sieht sie verwundert an. Wie hat ihn die Kleine grade angesprochen? Er würde ja gerne antworten, aber seine Kehle fühlt sich, als hätte er eine Wüste verschluckt, seine Zunge ist trocken und bleischwer. Er muss mehrmals husten, was den Schmerz in seiner Brust noch weiter verstärkt.

„Mary-Jane, was machst du da?“

„Ich helfe unserem Herrn Patienten“, meinte die kleine, der Enthusiasmus in ihrer Stimme ist kaum zu überhören.

Die ältere Dame kommt ein Stück näher und besieht Ash besorgt. Er spürt, wie sie ihm eine Hand auf die Stirn legt, die sich angenehm kühl auf seiner fieberheißen Haut anfühlt. Er seufzt leise.

„Mary-Jane, gib mir mal das Tuch.“

„Nein, ich will unserem Herrn Patienten helfen!“

Die ältere Dame seufzt. Dann gibt sie dem kleinen Mädchen Anweisungen, während besagter Knirps vorsichtig mit dem Tuch Ashs Stirn kühlt. Ash fühlt sich sichtlich besser. Als er sich vorsichtig aufrichten will, hindern ihn die kleinen Kinderhände daran.

„Herr Patient, du... Sie haben gefälligst still zu liegen, sonst geht deine...Ihre Wunde wieder auf.“

„Mary-Jane, geh doch bitte frisches Wasser holen, das andere ist ganz warm.“

„Okay, Großmutter!“, Ash hat die Augen geschlossen, weshalb er nur die kleinen Füße über den Holzboden trappeln hört.

„Wie fühlen Sie sich?“, wendet sich die Stimme nun an ihn.

Trotz seiner schweren Zunge versucht er zu sprechen, was ihm kläglich misslingt und er nur ein heißeres Krächzen von sich gibt. Er muss erneut husten.

„Oh, ich verstehe.“

Ash hustet erneut, bis ihm jemand einen Becher an die Lippen hält.

„Da, trinken Sie, dann geht es Ihnen besser.“

Ash spürt, wie ihm das Wasser die Kehle runterrinnt. Jedoch nicht nur die Kehle, sondern auch das Kinn und damit auch seinen Hals, bis es schließlich von seinem Verband und der Bettdecke aufgesaugt wird. Ash verschluckt sich und hustet erneut.

„Danke“, krächzt er, als das kleine Mädchen erneut herein kommt.

Vor sich balanciert sie eine Schale mit frischem Wasser.

„Großmutter, ich hab frisches Wasser für den Herrn Patienten.“

Das Wasser schwappt gefährlich nah an den Rändern der Schale, woraufhin die ältere Dame der Kleinen die Schüssel abnimmt.

„Du musst besser aufpassen, Mary-Jane, sonst schwappt dir alles über den Rand.“

„Aber wenn man mehr Wasser nimmt, so bleibt es länger kalt.“

Die ältere Dame seufzt und bringt die Schüssel mit dem vielen Wasser an Ashs Bett. Die Kleine folgt aufs Wort und will schon wieder das Tuch nehmen, als sie von ihrer Großmutter unterbrochen wird.

„Glaubst du, du kommst alleine klar, Mary-Jane? Ich muss kurz weg.“

„Natürlich.“

Ash sieht, wie die ältere Dame der Kleinen kurz zulächelt. Ihre Augen strahlen in einem warmen goldbraun. Unwillkürlich muss Ash an eine Eule denken. Dann verlässt die ältere Dame den Raum. Die Kleine tunkt den Lappen in das eiskalte Wasser und legt ihn Ash vorsichtig auf den Bauch. Wie Ash nur leider schmerzhaft erfahren muss, hat sie vergessen den Lappen auszudrehen, weshalb ihm nun das wirklich kalte Wasser über den fieberheißen Bauch läuft und dort schmerzende Spuren hinterlässt, als würde ihm jemand mit einer Nadel in den Bauch stechen. Er zieht scharf die Luft ein und will sich zur Seite rollen, was der Schnitt quer über seiner Brust sofort verhindert. Ash schreit kurz auf.

„Oh, tut mir leid, Herr Patient, ich wollte dir...Ihnen nicht wehtun.“

Ash rollt sich zur Seite, was sein Oberkörper mit einem wahnsinnigen Protestschrei zur Kenntnis nimmt. Zitternd versucht er sich zusammenzurollen, was die Kleine zu verhindern versucht.

„Oh, tut mir so leid, Herr Patient, ich wollte das nicht.“

Ash versucht ruhig zu liegen, als er sieht wie sich die Kinderaugen mit Tränen füllen.

„Geht schon“, krächzt Ash mit heißerer Stimme.

Das Mädchen wischt sich über die Augen.

„Wirklich?“

Ash quält sich zu einem kleinen Lächeln.

„Natürlich.“
 

„Ist gut“, flüstert Sebastian und lächelt Ash warm an, „iIh muss jetzt aber wirklich gehen!“

Ash nickt kurz.

„Aber nicht, dass du irgendwas anstellst, während ich weg bin!“

„Natürlich!“

Sebastian grinst kurz und verschwindet dann, doch nicht ehe er Ash einen kurzen Kuss aufgedrückt hat.

„Ich liebe dich!“

„Ich dich auch.“

Ash sieht Sebastian noch lange nach, ehe auch er sich auf den Weg in seine kleine Wohnung macht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  mor
2012-09-26T11:16:17+00:00 26.09.2012 13:16
^^ Indresant ^^ also so wurde Ash gerettet ^^


Zurück