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I still remember

An Arthur/Morgana-story - Überarbeitete Version (1)
von

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Part II - Past

Your baby blues

So full of wonder

Your contagious smile

And as I watch

You start to grow up

All I can do

Is hold you tight

Knowing
 

Clouds will rage in

Storms will race in

But you will be safe

In my arms

Rain will pour down

Waves will crash all around
 

But you will be safe

In my arms
 

„Arthur!“

Die Stimme hallte laut hinunter auf den Hof und scheinbar bis hinaus auf die sonnigen Weiden vor den Burgmauern.

„Arthur Pendragon, du kommst auf der Stelle ins Haus, hast du gehört? Es kommt Besuch! Du sollst sofort zu deinem Vater kommen!“

Die alte Nanna, wie sie von den Kindern am Hof von Camelot nur genannt wurde, war alles zugleich: Kinderfrau, Zofe und auch Köchin, wenn Not am Mann war. Und sie wurde geliebt und als unverzichtbar erachtet. Wir alle liebten sie. Somit war ihr Wort auch meist Gesetz und kaum einer wagte es ihr zu widersprechen, schon allein, um das stete Lächeln nicht aus ihrem runden, gutmütigen Gesicht schwinden zu sehen.

Und so dauerte es gar nicht lange, bis sie auf der Treppe hastige, trappelnde Schritte und Geschrei vernahm. Die Kinder des Hauses tobten die überdachte, zum Hof hin offene Galerie hinauf, in welcher die alte Nanna auf sie wartete.

Als erstes tauchte Cai auf. Caius war im gleichen Alter wie Arthur, der jetzt in seinem zehnten Sommer stand, doch konnte er sich kaum mehr von dem kleinen, zierlichen, wendigen Blondschopf unterscheiden. Cai war hochgewachsen für sein Alter und die Muskeln seiner Arme und Beine traten schon jetzt deutlich hervor. Alles deutete darauf hin, dass er später einmal ein wahrer Hühne von Mann sein würde. Sein rotes Haar und die lustigen Sommersprossen hatte er von seinem Vater geerbt, Sir Ector, einem der treuesten Vasallen Uthers. Arthur und der große Junge waren ein unzertrennliches Gespann. Sie wurden zusammen unterrichtet und in Kampftechniken und Strategie ausgebildet. Sie verstanden sich blendend und es war ganz klar, wer später einmal als engster Vertrauter an der Seite des Thrones neben Arthur stehen würde.

Jetzt aber sahen die beiden Kinder alles andere als königlich und fürstlich aus. Reichlich zerzaust, mit Grasflecken überall an der Kleidung und Schrammen im Gesicht und an den Armen standen sie schwer atmend vor Nanna. Arthurs strahlend blaue Augen, die eindeutig von seiner Mutter Ygraine stammten und riesig wirkten in dem schmalen Kindergesicht mit den feingeschnittenen Zügen, schauten voll Neugier zu ihr auf.

„Wer ist es? Ist es Morgana?“

Die alte Nanna schmunzelte leicht. Uther hatte wohl bereits mit seinem Sohn darüber gesprochen, dass er eine Ziehschwester bekommen würde. Sie trat an ihn heran, ordnete mit geübten Handgriffen sein hellblondes Haar und leckte kurz an ihrem Finger, um dann die Flecken in Arthurs Gesicht in Angriff zu nehmen – doch der junge Prinz zog sich sofort mit gequältem Gesichtsausdruck zurück. „Bäh…!“

Nanna gab auf.

„Rasch, auf zu deinem Vater, Arthur, dann wirst du schon sehen, wer der Besuch ist.“ Als Cai Arthur auf dem Fuße folgen wollte hielt die alte Frau ihn jedoch zurück. „Nein, Cai. Du bleibst besser hier. Das ist eine Familienangelegenheit.“
 

Im Hof unten war Lärm entstanden und Hufschlag war zu hören. Mehrere Stimmen sprachen durcheinander. Diener eilten geschäftig herbei, um sich um die Gesellschaft zu kümmern, die soeben angekommen war.

Ich saß auf dem Rücken des schönen Schimmels, den mir mein Vater hinterlassen hatte, und schaute fragend hinauf zu der Galerie, die hellgrauen Augen von Trauer überschattet, aber auch erfüllt von gewisser Neugier.

„Willkommen, Mylady Morgana.“, wurde ich von der Dienerschaft begrüßt. „Willkommen auf Schloss Camelot.“

Ich hörte kaum zu. Wer waren diese Kinder, die dort oben mit der alten Frau gesprochen hatten? War einer von ihnen vielleicht der junge Prinz gewesen? Sie hatten überhaupt nicht königlich auf mich gewirkt. Seltsam.

Meine Neugier war geweckt.
 

Ich stand da, als hätte ich einen Besen verschluckt, versuchte trotz meiner gerade einmal zwölf Jahre erwachsen und würdevoll auszusehen. Mein Vater hatte mir noch auf dem Sterbebett eingeschärft, dass ich seinem Freund Uther, dem Hochkönig, keine Last sein sollte und mich wie eine Prinzessin zu verhalten, sowie jedem seiner Befehle zu folgen hatte. Der Verlust meines Vaters vor drei Wochen lag immer noch schwer auf meinem Herzen. Meine Mutter war schon sehr früh gestorben, ich erinnerte mich kaum noch an sie. Aber meinen Vater, Gorlois, hatte ich geliebt wie niemanden sonst.

Uther Pendragon war so ganz anders als mein geliebter Vater, das merkte ich vom ersten Moment an. Seine kühle, distanzierte Art, sein abschätzender Blick, die genau berechnete, abgemessene Dosis an Mitgefühl für meinen Verlust… Dieser Mann konnte kalt und gefährlich sein. Das war mir sogar als Kind schon deutlich bewusst.

Und oh wie anders war da der Prinz, Arthur, sein Sohn. Es war mir auch späterhin immer ein Rätsel, wie ein Mann wie Uther solch einen wunderbaren Sohn haben konnte. Er stand neben dem Stuhl seines Vaters als ich hereingeführt wurde in den Thronsaal und nahm sofort meine sämtliche und uneingeschränkte Aufmerksamkeit in Anspruch. Ich konnte nicht anders, als ihn unverhohlen und mit kindlichem Staunen anzustarren. So etwas hatte ich noch nie gesehen.

Dieser Junge hatte goldenes Haar. Ich konnte mich nicht sattsehen daran. Auch nicht an diesem wunderschönen, feingeschnittenen Gesicht oder den großen, tiefblauen Augen, die mir vertrauensvoll entgegenblickten – so ganz anders als die seines Vaters.

Wir wurden einander vorgestellt, ich sprach automatisch ein Paar geübte Begrüßungsfloskeln. Ich nickte an den richtigen Stellen, machte Knickse, wenn es verlangt wurde. Aber mein ganzes Sein war nur noch erfüllt von Arthur Pendragon.

Bis heute ist es mir unerklärlich, aber ich weiß, dass er auf viele Menschen diese unwiderstehliche Ausstrahlung hat, nicht nur allein aufgrund seiner Erscheinung. Er strahlt eine Ruhe, Zuversicht und Stärke aus, die ich zuvor noch nie bei jemand anderem gesehen hatte, und das alles unterschwellig, subtil, nicht etwa offen zur Schau getragen. Selbst später nicht, als er um diese Dinge sehr wohl wusste.

Hier, mit gerade einmal zehn Jahren, stand eindeutig ein Prinz vor mir, ein Thronerbe, wie er im Buche steht, allerdings auch ein Prinz, der sich seines Kindseins nicht schämte und offen und freundlich auf jedermann zuging und nichts auf das Hofzeremoniell gab. Das faszinierte mich. Alles in mir, obwohl älter, fühlte sich hingezogen zu dem Charme des Jungen. Zum allerersten Mal seit dem Tod meines Vaters stahl sich ein leichtes Lächeln in meine Mundwinkel, als Arthur mir zum Abschied winkte. Man führte mich nun aus dem Saal, um mir meine neuen Gemächer zu zeigen.

„Morgana!“

Ich drehte mich noch einmal herum, die Wache, die mich führte, blieb geduldig stehen und wartete.

Arthur kam mit fliegenden Haaren und strahlenden Augen auf mich zu. Er war schon jetzt genauso groß wie ich.

„Ich zeig dir nachher das Schloss, ja? Es ist riesig! Wir haben hier auch ganz tolle Pferde! Willst du nachher mal mein Pferd sehen? Sein Name ist Dun.“

Ich blinzelte. Das war so überhaupt nicht königlich, dieses Verhalten, und so sehr Kind, dass ich unwillkürlich lachen musste. Ich fühlte, wie sich der eisige Ring um mein Herz zu lockern begann, als ich in seine Augen sah. Und von diesem Moment an war ich verloren.
 

~~~
 

When you cried I'd wipe away all of your tears

When you'd scream I'd fight away all of your fears

I held your hand through all of these years

And you still have

All of me
 

Es passierte einige Monate nach meiner Ankunft auf Camelot.

Arthur und ich waren schnell Freunde geworden und auch Cai hatte sich nach anfänglichem Murren recht schnell damit abgefunden, dass von nun an ein Mädchen Bestandteil ihrer Spiele und Übungen sein würde. Arthur hatte es so beschlossen. Und wenn Arthur etwas beschlossen hatte, dann war dies ein Befehl.

Niemanden wunderte es jemals, dass der so viel größere, stärkere Junge sich klaglos allen Anweisungen und Tätigkeiten Arthurs anschloss. Sie beide gab es nur zusammen oder gar nicht. Und Cai war ein loyaler Freund. Er respektierte Arthur und sah ihn als zukünftigen König, dem er immer dienen würde. Selbst jetzt schon, in ihrer Kindheit. Daher fiel es ihm nicht schwer zu folgen.
 

Es war ein kalter, dunkler Herbsttag und eine Jagd war ausgerufen worden. Arthur und Caius waren zum ersten Mal dabei, hatten jedoch von Uther eingeschärft bekommen, sich von allem fernzuhalten und nur zuzusehen. Arthur ritt auf Dun, seinem schwarzen, jungen Hengst, und Cai ritt ein kastanienfarbenes Tier. Am frühen Abend kam Nebel auf und machte die Sicht zusätzlich schwer. Die Männer waren weit verstreut, nur als Schemen zu erkennen. Ihre Rufe und Befehle hallten beständig hin und her, das Bellen der Hunde war allgegenwärtig. Mit Pfeil und Bogen waren sie bewaffnet, die Ritter des Königs. Und Uther, eine stattliche Erscheinung auf seinem Rapphengst, war ganz vorn mit dabei, als die Fanfare ausgestoßen wurde, die ein Wild ankündigte.

Es war ein Eber, ein riesengroßes Wildschwein.

Sie jagten es durch den Wald und den Nebel, während es beständig dunkler wurde.

Aus irgendeinem Grund verloren sie einander.

Die Jagdgesellschaft war weiß Gott laut genug um ihr folgen zu können, auch ohne dass man sie sah, doch der seltsame Nebel schien Geräusche zu schlucken und zu verfälschen, zumindest die Richtung aus der sie kamen. Arthur und Cai brachen aus dem Wald heraus und ritten nun auf ihren Pferden über eine weite, grasbewachsene Ebene.

„Wo sind sie?“, fragte Cai laut. Er blickte sich suchend nach allen Seiten um.

„Ich kann sie nicht sehen.“, antwortete Arthur, stellte sich in den Steigbügeln auf und versuchte den Nebel mit intensiven Blicken zu durchdringen.

„Warte mal!“ Cai zügelte plötzlich sein Tier, sprang ab und untersuchte etwas am Boden.

Arthur versuchte Dun ebenfalls zum Stehen zu bringen und schaute zurück.

„Das ist das Hochmoor! Wir sind viel zu weit nach Süden geritten! Sie sind sicher irgendwo hinter uns!“, hörte Arthur seinen Freund rufen.

Immer noch versuchte der Prinz sein Tier zum Stehen zu bewegen. Und er hätte es auch beinahe geschafft. Doch in diesem Augenblick flog unmittelbar vor ihnen aus einer Senke ein aufgeschreckter Fasan auf. Er machte dabei einen fürchterlichen Lärm, sodass Dun unter Arthur zu steigen begann. Alle Versuche das ohnehin noch recht störrische Tier zu bändigen waren vergebens. Es preschte los, ging Arthur durch und jagte mit langen Sätzen über das Moor davon – immer weiter fort von Cai und dem Wald.

Der Nebel verschlang sie, schlug über ihnen zusammen. Aus weiter Ferne hörte er Cais erschrockene Stimme: „Arthur! Ich komme! Ich helfe dir!“

Dann nichts mehr.

Dun bockte plötzlich, und da Arthur unaufmerksam war wurde er in hohem Bogen vom Rücken des Tieres geschleudert. Er kam unglücklich auf, aber der weiche Boden dämpfte seinen Sturz etwas.

Dennoch, sein Arm tat höllisch weh und er glaubte, dass er gebrochen war.

„Dun! Komm gefälligst zurück!“, schrie er unsinnigerweise seinem Tier nach, das längst vom Nebel verschlungen worden war.

Er war allein.

Ganz allein.

Und um das Maß voll zu machen wurde es nun auch noch dunkel.

Fahle kleine Lichter tanzten über schwarzen Tümpeln. Frösche quakten. Sonst war absolute Stille.

Er hatte noch keine Angst. Cai war unterwegs hierher. Aber… würde er ihn finden in diesem Nebel?
 

Unruhe erfasste ihn, als er nach einer gefühlten Stunde noch immer nichts von seinem Freund sah. Und er begann sich Sorgen zu machen. Nicht, und das war Arthur zu eigen und ein sehr typischer Wesenszug an ihm, nicht wegen sich selbst, sondern wegen Cai. Cai irrte jetzt hier draußen durch den Nebel und suchte ihn. Und wenn er nun im Moor einsank? Und niemand war da, der ihm half!

Arthur wandte sich in die Richtung, aus der er vermeinte gekommen zu sein und ging verbissen los. Er ignorierte den stechenden Schmerz in seinem Arm.

Er musste Cai finden.
 

Nach stundenlangem Waten durch manchmal knöchelhohen, manchmal kniehohen oder noch tieferen Schlamm, war Arthur am Ende seiner Kräfte und seiner Zuversicht angelangt. Er war ein zehnjähriger Junge allein im Moor, mitten in der Nacht. Was, wenn er hier starb und niemand ihn fand? Und was war mit Cai? Die Sorge um ihn schnürte ihm die Kehle zu. Was, wenn sein Freund bereits ertrunken war und er war nicht bei ihm gewesen, um ihm zu helfen?

CAI!“, rief er zum wiederholten Male den Namen des Freundes in die Nacht hinaus. Keine Antwort.

Zu allem Überfluss begann er nun auch noch zu frieren. Bis auf die Knochen fror er.
 

Irgendwann war er so erschöpft und verzweifelt, dass er sich einfach dort wo er war unter einem kleinen, verkümmerten Maulbeerstrauch niederkauerte und seinen Tränen freien Lauf ließ. Thronerbe oder nicht, er war ein Kind. Und er war noch nie so allein gewesen, hatte noch niemals solche Angst gehabt.

Er zog die über und über mit Schlamm besudelten Beine an den Leib, legte den schmerzenden Arm neben sich an den Körper und weinte sich zitternd in einen leichten, von Alpträumen durchzogenen Schlaf.
 

Das ganze Schloss war in Aufruhr.

Man hatte Cai gefunden, vollkommen erschöpft hatte er berichtet, was vorgefallen war. Er war in Tränen aufgelöst.

„Ich habe ihm doch versprochen ihm zu helfen! Er wartet bestimmt auf mich! Ich muss zurück!“

Starke Hände hielten ihn, er wurde aus dem Saal geführt und Uther ging vor seinem Thron unruhig auf und ab.

„Wir müssen ihn finden. Wir müssen!“ Er straffte sich, richtete sich zu seiner vollen Größe auf.

„Ruft alle zusammen, auch die Schlossgarde. Jeder der fähig ist zu gehen macht sich auf die Suche. Und wenn ihr das ganze Land umgraben müsst. Bringt mir meinen Sohn zurück!“

Die Wachen verbeugten sich zackig und verschwanden auf dem Absatz.
 

Der Hochkönig war so in Gedanken versunken, dass es mir nicht schwer fiel mich nicht nur als dem Saal, sondern auch aus der Burg zu schleichen. Sämtliche Wachen waren ja auf Befehl draußen im Moor und suchten nach Arthur.

Auch ich würde nicht untätig bleiben.

Arthur.

Mein kleiner Arthur war in Gefahr.

Ich würde den Teufel tun und die Hände in den Schoß legen.

Ich nahm mein Pferd, kletterte geübt hinauf und ritt ohne es zu satteln hinaus in die Nacht, meinen Dolch, den ich von Vater bekommen hatte, an meiner Seite, nur begleitet vom Schein einer Fackel, die ich mitgenommen hatte, den Mantel tief in die Stirn gezogen, um die Kälte und Feuchtigkeit des Nebels fortzuhalten.
 

Ich wusste wo das Hochmoor lag.

Im Sommer war es hier wunderschön.

Als ich ankam auf Camelot war Sommer gewesen und wir gingen oft in den Wald oder ins Moor. Wenn es sehr heiß draußen war, dann war es sowohl im Wald, als auch in den feuchten Mooren immer am Angenehmsten gewesen. Und zudem hatte es auch etwas von einem Abenteuer, hier zu spielen.

Nur leider sah das Moor bei Nacht natürlich ganz anders aus. Vielmehr, es sah nach gar nichts aus, denn es war pechschwarze Nacht und der Nebel tat sein Übriges um uns die Suche schwer zu machen. Doch ich ritt dennoch nicht mit den anderen. Ich ritt allein.

Noch im Nachhinein fragen sich die Leute, wie geschehen konnte was dann geschah. Ich kann es selbst nicht richtig erklären. Aber es war, als spürte ich, wo ich hin musste, als wüsste ich genau, welche Wege ich mit dem Pferd nehmen konnte und welche nicht. Das Fackellicht umgab uns wie eine Insel der Helligkeit, die sich immerzu mit uns fortbewegte. Ein, zwei Mal blieb ich stehen, zügelte mein Reittier und lauschte in die Nacht und in mich hinein. Vielleicht machte sich damals schon ein Teil meiner seltsamen Fähigkeiten bemerkbar. Es wäre vielleicht eine Erklärung, aber genau weiß ich es nicht. Dennoch spürte ich immer deutlicher, wo ich hin musste, wo mein Ziel lag.

Es war, als würde mich ein unsichtbares Band mit Arthur verbinden und zu ihm führen.
 

Als das Licht meiner Fackel seinen zitternden, bleichen Leib aus der Dunkelheit riss, gekauert an den Fuß eines kleinen Maulbeerstrauches, entfuhr mir zunächst ein erschrockener Ausruf. Denn Arthur war so bleich, als würde er dem Sterben nahe sein. Vielleicht war er das ja auch.

Während ich hastig abstieg setzte er sich jedoch langsam und mühsam auf, seine großen, blauen Augen voll jäher Hoffnung und dann einer so allumfassenden Erleichterung und Freude, dass es mir die Kehle zuschnürte und ich nicht sprechen konnte.

Alles was ich tat war zu ihm hin zu stürmen, neben ihm in die Knie zu gehen und seinen kalten, zitternden Körper fest in meine Arme zu schließen.

Er weinte jetzt. Ich glaube, ich weinte auch.

Er vergrub sein Gesicht an meiner Schulter und ich wartete geduldig, bis sein Schluchzen abebbte und ich ihn ansehen konnte.

„Arthur! Ich habe mir solche Sorgen gemacht!“, sagte ich und strich ihm das helle Haar aus dem schmutzigen Gesicht. Die Augen darin leuchteten wie Sterne. Er schniefte leise.

„Ich mache mir auch Sorgen… Um Cai!“, stieß er hervor und machte Anstalten aufzustehen. Entschlossen sah er mein Pferd an. Es war klar was er vorhatte. „Ich muss ihn suchen gehen! Wenn ihm etwas zugestoßen ist…“

„Arthur! Arthur, hör mir doch mal zu!“, sagte ich und trat ihm in den Weg, bemerkte plötzlich mit einem Anflug von Besorgnis, dass er seinen linken Arm nicht mehr bewegte und scheinbar starke Schmerzen hatte.

Er blieb tatsächlich stehen und wandte mir das Gesicht zu.

„Cai geht es gut!“, beruhigte ich ihn. „Man hat ihn schon vor Stunden gefunden. Derjenige um den sich alle Sorgen gemacht haben bist DU, Arthur! Allein du!“

Und da verließen ihn vollends seine Kräfte. Allein der Wille Cai zu finden, Cai finden zu müssen, hatte ihn noch aufrecht gehalten, das wurde mir nun klar. Er brach an Ort und Stelle zusammen und fing vollkommen erschöpft und erleichtert erneut an zu weinen.

Ich war sofort bei ihm, nahm ihn mit unter meinen Mantel, rieb seinen kalten Rücken und flüsterte unentwegt beruhigende Worte, während ich ihn in meinen Armen wiegte.
 

Arthur..

Mein Arthur..
 

„Es ist alles gut, Arthur. Weine nur. Lass es raus. Ich werde es auch niemandem sagen. Das bleibt immer unser Geheimnis.“

Er presste sein tränenheißes Gesicht an meinen Hals und beruhigte sich langsam.

Ich streichelte sein weiches, blondes Haar und ließ ihn nicht los.

„Ich werde dich beschützen.“, sagte ich leise. „Ich werde immer für dich da sein, Arthur. Vergiss das nicht.“

Der junge Prinz regte sich in meinen Armen.

„Versprichst du das?“

Ich erwiderte den Blick der blauen Augen ganz ernsthaft.

„Ja, ich verspreche es.“

Er lächelte mich schwach an – und die Sonne ging auf. Hier und jetzt, mitten in der Nacht, an einem Ort, wie er unwirtlicher nicht sein konnte. Aber für mich ging die Sonne auf. Mir wurde warm ums Herz.

Plötzlich wurde sein Lächeln schräg.

„Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, da werde ich stärker sein als du. Und dann werde ich dich beschützen. Ich bin immerhin ein Mann! Männer müssen nicht von Mädchen beschützt werden!“

Ich lachte ihn an.

„Ja, natürlich.“ Das war ja klar…

Arm in Arm hockten wir auf dem kalten Boden. Es kümmerte uns nicht. Und Arthur begann zu erzählen. Er begann mir genau zu erzählen, was alles passiert war. Er berichtete sogar von seiner Angst, etwas, dass er anderen gegenüber wohl niemals erwähnen würde. Schon gar nicht vor seinem Vater. Und ich hörte ihm zu, hielt ihn nach wie vor tröstend in meinen Armen, einfach nur glücklich, dass es ihm gut ging und ich ihn gefunden hatte.
 

Irgendwann ging die Nacht in einen trüben Morgen über und wir zitterten nun beide vor Kälte.

Steifbeinig erhoben wir uns. Ich half ihm auf den Rücken des Pferdes und kletterte dann hinter ihn. Ich schlang meinen Arm um die schmale Taille des Jungen, um zu verhindern dass er fiel, dann ließ ich das Reittier antraben.

Was auf dem Hinweg funktioniert hatte, das klappte auch beim Rückweg. Mit beinahe traumwandlerischer Sicherheit fand ich den Weg zurück nach Camelot. Und in den frühen Mittagsstunden sahen wir die Zinnen der Burg über den Hügeln aus dem Dunst aufragen.

Man hatte uns wohl kommen sehen.

Reiter kamen uns entgegen, eskortierten uns in den Burghof. Und plötzlich waren überall aufgeregte Stimmen. Wir wurden vom Pferd gehoben. Mir wurde auf die Schulter geklopft und immer wieder fiel mein Name. Ich war die Retterin des Thronerben.

Es war mir alles gleich. Ich hatte wie immer nur Augen für Arthur.

Als er in Begleitung des Königs in Gaius Gemächer getragen wurde kam ich gleich mit. Man behandelte mich wegen Unterkühlung. Arthur wurde komplett seiner Kleidung entledigt und jede noch so kleine Verletzung wurde begutachtet und versorgt. Sein gebrochener Arm wurde geschient.
 

Wir lagen später nebeneinander auf zwei Pritschen in Gaius‘ Unterkunft, ganz nah am Kamin. Ich sah das Licht an der Decke über mir und hörte die Holzscheite knacken. Es war ein beruhigendes Geräusch. Ich blickte zur Seite und sah auf dem anderen Lager Arthur liegen. Er blickte mich an. Seine Augen klar und nicht im Geringsten müde, dabei hätte er eigentlich sofort schlafen müssen, so erschöpft wie er bei seiner Ankunft hier gewesen war.

Doch er sah mich an. Unverwandt und lange.

Und mit einem Ernst, der Kindern eigentlich noch nicht zu eigen sein durfte.

„Danke, Morgana.“, sagte er schließlich leise.

Und ich nickte lächelnd.

Meine Hand glitt hinüber zu seiner und umfasste sie. Er erwiderte den Händedruck sofort.

Dann endlich erlaubte ich es mir die Augen zu schließen. Und schon bald schliefen wir beide den traumlosen Schlaf der völligen Erschöpfung.
 

~~~
 

Ich sah gern zu wenn Arthur und Caius sich auf den Weiden vor der Burgmauer im Schwertkampf übten. Das hatte ich immer schon getan. Ich war auch die einzige, weibliche Person die das regelmäßig tat, ansonsten standen nur die Ritter um uns herum und feuerten den jungen Lord an, oder aber lachten und johlten, wenn Caius einmal mehr die Breitseite des Beidhänders zu spüren bekam.

Mit seinen sechzehn Jahren war der Thronerbe Britanniens beinahe voll zum Mann herangereift. Und jeder konnte das sehen, nicht nur ich oder die Ritter Camelots. Er war sehr beliebt beim Volk und vor allem bei den Frauen des Schlosses und seiner Umgebung. Und das war auch kein Wunder. Denn Arthur Pendragon war eine wahre Augenweide.

Es mochte anfangs durchaus so gewesen sein, dass ich bei den Übungskämpfen zusah, um vielleicht selbst das eine oder andere über den Nahkampf zu lernen. Und natürlich war das teilweise auch jetzt noch der Fall. Doch der unterschwelligere, rein profanere Grund war, dass ich es genoss, ihm zuzusehen. Allein wie er sich bewegte, geschmeidig, wendig und schnell, das Schwert ein sengender Blitz in der Sonne. Er schien trotz seiner noch eher schlanken, athletischen Statur keine Mühe zu haben, das Beidhand-Schwert zu halten. Fünf Jahre hartes Training hatten sich bezahlt gemacht. Und unter der rostroten Tunika mit dem Drachensymbol der Pendragon-Dynastie konnte ich sehr deutlich die Muskeln spielen sehen, die später wahrscheinlich noch ausgeprägter sein würden, sollte er weiterhin so hart die Kriegskunst studieren.
 

Arthur wirbelte herum, parierte einen machtvoll geführten Hieb Caius mit singender Klinge, leitete den Schlag des anderen zum Boden hinunter und tänzelte dann leichtfüßig um den Gegner herum, nutzte den Schwung um sein Schwert noch aus der Drehung heraus auf den ungeschützten Rücken Cais niedersausen zu lassen. Selbstverständlich nur mit der Breitseite. Er würde seinem besten Freund niemals auch nur ein Haar krümmen. Cai keuchte überrascht, taumelte ein, zwei Schritte vorwärts und sank dann in die Knie.

Die Ritter um uns herum jubelten dem jungen Prinzen zu.

Ich hatte nur Augen für Arthur.

Wie immer.

Und als er sich jetzt umdrehte, Schweißperlen in seinem zerzausten Haar, die wie Edelsteinsplitter funkelten, und seine Männer mit einem strahlenden Grinsen ansah, das selbst das Sonnenlicht in den Schatten stellte, als er seinen Blick weiterwandern ließ, bis er bei mir hängen blieb, und fröhlich die Hand hob, da konnte ich nicht anders, als ihn ebenfalls mit all den überbordenden, liebevollen Gefühlen einer Heranwachsenden anzulächeln, die in mir tobten.

„Morgana! Hast du gesehen?“ Er winkte.

„Nein, wieso?“, fragte ich neckend. „Ich hatte die ganze Zeit nur Augen für Caius.“ Und ich blinzelte dem Rothaarigen kokett zu, der sich soeben erhoben hatte und verlegen lächelnd seinen Rücken hielt. Es sollte wohl ein Rätsel bleiben, ob der starke, so viel größere Junge nun wirklich immer wieder gegen Arthur verlor oder ob er dem Prinzen zuliebe einfach nur zurücksteckte. Es schien ihm niemals etwas auszumachen.

Cai schaute mich nun zunächst verdutzt an, lachte schließlich laut und dröhnend, und ging auf mein Spiel ein.

„Holde Maid, es tut mir schrecklich Leid, dass ich gegen diesen Barbaren nicht siegen konnte. Für eure Liebe ginge ich in den Tod…“

Die Ritter lachten und schauten Arthur an, erwarteten einen entsprechenden Konter. Arthur war niemals um Worte verlegen. Doch dieses Mal schien er das alles gar nicht so witzig zu finden. Oder ihm fehlten tatsächlich einmal die Worte.

Er zog einen entzückenden Schmollmund, seine Augen blitzten.

„Ich glaub dir kein Wort.“

Ich kam zu ihm herüber und hakte mich lachend bei ihm unter. „Ach Arthur, du weißt doch wie ich bin. Das war doch nur Spaß.“ ‚In Wahrheit kann ich keinen klaren Gedanken fassen, wenn ich dich auch nur sehe…‘, dachte ich sehnsüchtig, schaute ihn, während wir nun den Platz verließen, verstohlen von der Seite an, nahm sein überhaupt nicht mehr kindliches Profil, die ausgeprägten Wangenknochen, die gerade Nase, die langen Wimpern, das markante Kinn und den schlanken Hals, auf dem deutlich der Hügel des Adamsapfels zu erkennen war, mit eindeutig aufgewühlten Gefühlen in mich auf und konnte nicht anders als stehenzubleiben, mich zu ihm zu drehen und ihm die goldene Haarsträhne aus den Augen zu streichen, die sich vorwitzigerweise immer in sein Gesicht stahl.

Er lächelte auch schon wieder breit und ehrlich. Er war so eine untrügliche Frohnatur, dass es schon fast unwirklich war.

„Das will ich dir auch geraten haben. Ich stehe eindeutig höher in der Gunst meines Vaters als du, also sei vorsichtig mit dem was du sagst.“, neckte er mich nun und zog mich an sich. Kurz versanken wir in einer festen Umarmung. Ich war ein wenig perplex. Binnen Sekunden nahm ich sowohl seinen dezenten, männlichen Geruch nach Schweiß wahr, als auch die überraschende Härte seiner Muskeln unter der Tunika. Ich empfand beides nicht als unangenehm und genoss die Umarmung in vollen Zügen.

Es war beileibe nicht die erste und es würde auch nicht die letzte sein. Einfach nur eine Umarmung zwischen Bruder und Schwester.

Und doch… war es zunehmend anders, dieses Gefühl, wenn wir uns so nah kamen. Wir waren keine Kinder mehr, auch wenn Arthur das hin und wieder zu vergessen oder zu verdrängen schien. Denn auch jetzt bemerkte ich wie er sich plötzlich beinahe hastig wieder von mir löste. Mir entgingen weder seine geröteten Wangen, noch der Blick, mit dem er mich maß, nein, falsch, mit dem er meinen Körper betrachtete. Flüchtig nur, für andere vielleicht nicht merklich, aber eindeutig erstaunt. Als würde ihm jetzt erst auffallen, dass das Mädchen vor ihm eine Frau geworden und nicht mehr das Kind von früher war.

Dann hielten seine Augen die meinen fest. Seine Wangen brannten. Seine Brust hob und senkte sich rasch. Unsere Blicke verschmolzen miteinander. Und ehe ich auch nur irgendetwas sagen oder tun konnte hatte er sich vorgebeugt, binnen einer Sekunde die Distanz zwischen uns überbrückt, und mich geküsst.

Es war mein erster Kuss.

Er war zart, süß und forschend.

Doch ich trat sofort zurück und unterbrach damit die Berührung.

Hektisch blickte ich mich um und versuchte, mein rasendes Herz wieder zu beruhigen. Denn Tatsache war, was wir getan hatten war verboten. Auch wenn wir nur Stiefgeschwister waren. Es würde ein alles andere als gutes Licht auf den zukünftigen König werfen. All das wusste ich und daher mein ängstlicher Blick in die Runde. Aber mein Herz sprach eine ganz andere Sprache – und es freute sich, explodierte beinahe vor Freude. Mir wurde ganz warm ums Herz. Und wenn nicht schon vorher, so war mir doch von diesem Moment an vollends klar, dass ich ihn mehr liebte als mein Leben.

Arthur blickte fort und lächelte verlegen. Er hatte rote Ohren bekommen.

„Entschuldige…“, murmelte er nur. Er wirkte keinesfalls beunruhigt oder ängstlich auf mich, so wie ich es war. Nur verlegen. Dann drehte er sich herum und lief in Richtung Burgtor davon.

Wir sprachen nie wieder davon. Doch vergessen taten wir es wohl beide nicht mehr.
 

~~~
 

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Arthurs erste Schlacht endete in einem Desaster.

Aber dafür konnte der junge Prinz im Grunde nichts, denn der Kampf an sich wurde gewonnen. Die Angelsachsen drangen zunehmend vom Kontinent aus in das Land ein und Uther, der sich mehr und mehr darauf beschränkte Gesetze zu erlassen und Gericht zu halten, überließ es seinem Sohn in die Schlachten zu ziehen und sie zurückzutreiben.

Arthur entpuppte sich trotz seiner gerade einmal zwanzig Sommer als ausgezeichneter Stratege und starker Anführer, der seine Leute mit Worten und Taten derart motivieren konnte, dass es eine Freude war ihm zuzusehen. Wenn er einen Raum betrat richteten sich automatisch alle Augen auf ihn. Man sah einfach niemand anderen mehr. Seine ruhige, ehrliche Art, seine ermutigenden Worte, sein wohlüberlegtes Planen, dies alles gab seinen Männern Sicherheit und die Kraft, in den Kampf zu ziehen, und sei er auch aussichtslos. Die Ritter und Soldaten würden zweifelsohne ihr Leben für den Thronerben geben. Dies war sicherlich bei Uther nicht so ohne weiteres der Fall gewesen.

Die Sachsen hatten die Küste rund um die Mündung der Themse eingenommen und Arthur war mit seinem Heer ausgezogen diese Schlacht auf nicht heimatlichem Boden zu schlagen.

Und ich wartete.

Wartete auf seine Rückkehr.
 

Wieder einmal, und nicht zum letzten Mal, verspürte ich diese Angst ihn zu verlieren. Damals, in meinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr, waren die Visionen noch nicht so klar und eindeutig, wie sie das heute sind. Und ich vermochte mich auch kaum an sie zu erinnern. Für mich waren es damals eben nichts anderes als Träume und ich maß ihnen nicht viel Bedeutung bei.

Und doch beschlich mich eines Nachts, während Arthurs Abwesenheit, ein ganz eigenartiges Gefühl. Es betraf ihn nur indirekt. Aber es war so machtvoll und beängstigend, dass ich aufstand und unruhig in meinem Zimmer auf und ab ging. Ich war nervös. Irgendetwas machte mir Angst. Und ich wusste nicht, was es war. Nur, dass es nicht Arthur direkt betraf.
 

Ein Schmerz durchfuhr mich. Deutlicher und körperlicher, wie er kaum sein konnte und doch wusste ich sofort und mit unerschütterlicher Gewissheit, dass es nicht mein eigener Schmerz war, den ich da fühlte. Ich keuchte, hielt mich am Tisch fest und krümmte mich vor Pein. Mein Herz drohte zu zerreißen. Und wie aus weiter Ferne, obgleich das vollkommen unmöglich war, glaubte ich Arthurs Schrei zu hören, hilflos, wahnsinnig vor Angst und unglaublich verzweifelt.

Gänsehaut überzog meinen Körper und eiskalte Angst schnürte mir die Kehle zu.

Arthur!

Ich zitterte, als der Schmerz endlich auf ein erträgliches Maß herabsank.

Die Tür flog auf und meine Zofe kam herein, sie redete auf mich ein, doch ich hörte nicht zu. Was war nur geschehen? Etwas mit Arthur selbst? Nein. Das… hätte sich anders angefühlt. Ich zweifelte kaum daran, dass ich es wissen würde, wenn Arthur schwer verletzt worden wäre. Vielmehr war es so…, als würde ich das Echo seiner gepeinigten Seele in mir selbst spüren.

Irgendetwas war passiert. Etwas sehr Schlimmes. Und es ließ meinen Arthur schier verzweifeln. Obgleich ich erleichtert war, dass er nicht verwundet wurde, so krümmte sich mein Innerstes vor Schmerz mit ihm, was auch immer er gerade durchlebte.

Ich war bei ihm.

Ich würde es immer sein.

Gaius kam herein, gefolgt von Uther. Sie bemühten sich um mich, brachten mich wieder zu Bett. Doch ich war nicht bei mir, nicht hier bei ihnen. Ich war bei ihm. Bei Arthur. Und ich focht die Schlacht meines Lebens.
 

Das Heer kam an einem verregneten, grauverhangenen Nachmittag nach Camelot zurück. Obwohl uns Boten gemeldet hatten, dass diese Schlacht siegreich verlaufen und Arthur am Leben und unversehrt war, so wirkte der endlose Tross von Rittern und Pferden, der sich dort auf die Burg zubewegte, beinahe gespenstisch ruhig. Die Infanterie wurde im und rund um das Dorf zurückgelassen und dort versorgt. Nur die Kavallerie, das, was noch von ihr übrig war, ritt weiter zum Schloss hinauf. Ich schaute hinab auf den Hof als sie ihn erreichte. Die Männer führten einen Wagen mit sich. Unter einem ehemals weißen, nun jedoch blutdurchtränkten Leinentuch zeichnete sich deutlich der Körper eines gefallenen Kriegers ab.

Meine Augen suchten und fanden Arthur. Ich konnte ein erleichtertes Aufseufzen nicht einmal jetzt verhindern, obwohl ich gewusst hatte, dass er wohlauf war. Wie auch bei allen anderen Rittern war seine einstmals schimmernde Rüstung blutbesudelt und verdreckt, ebenso wie beinahe jeder freie Zentimeter seiner Haut. Aber er lebte. Arthur lebte.

Doch er war allein.

Umringt von Männern und nun auch dienstbaren Geistern, die sich sofort um die erschöpften Pferde kümmerten, aber allein. Er hatte noch niemals so verloren ausgesehen, so niedergeschlagen, all seiner Lebenskraft beraubt.

Denn an seiner Seite war eine Lücke entstanden. Direkt an seiner Seite war niemand mehr.

Caius…

Der gute Caius war tot.
 

Ich selbst und auch niemand sonst bei Hofe hatte Arthur Pendragon jemals so erlebt.

Es schien, als wäre der ausgeglichene, zuversichtliche, selbstbewusste Thronerbe gemeinsam mit Cai auf dem Schlachtfeld gestorben. Zurückgeblieben war ein distanzierter, abgrundtief trauriger Mensch, ohne jedwede Hoffnung oder Freude am Leben. Er litt so sehr, dass ich das Gefühl hatte mein Herz würde brechen.

Ich wusste, dass seines gebrochen war. Denn zwischen Cai und Arthur hatte ein ganz besonderes Band bestanden, eine solch tiefe Freundschaft, wie es sie selten gab.

Wochenlang nahm er kaum etwas zu sich. Er nahm an keinen Übungskämpfen mehr teil, unternahm keine Ausritte oder Besuche zu anderen Grafschaften mehr. Er erledigte seine Pflichten und zog sich dann in seine Gemächer zurück. Uther verzweifelte schier am Verhalten seines Sohnes. Er redete mit ihm, befahl, schrie ihn an. Nichts half. Es war, als würde Arthur in einer anderen Welt leben. Selbst mich nahm er kaum mehr wahr. Und das tat am Meisten weh. Ich bot ihm an, für ihn da zu sein, ihm zuzuhören, doch er beachtete mich ebenso wenig wie jeden anderen.
 

Eines Nachts, Monate nach Arthurs schwerem Verlust, schritt ich mit einem Kandelaber in der Hand und nur mit Nachtgewand und Mantel bekleidet an seiner Kammer vorüber. Ich hatte den Dienstmädchen für diese Nacht freigegeben und wollte mich nun zu Bett begeben. Es war dunkel, kalt und zugig in den verlassenen Gängen des Schlosses und ich schritt in Erwartung der warmen Kohlenpfanne in meinem Zimmer automatisch schneller aus. Doch dann, als ich an Arthurs Gemächern vorbeikam, hörte ich etwas.

Beunruhigt hielt ich inne und trat nach kurzem Zögern auf die Tür zu. Ich lauschte. Normalerweise würde mir das nie in den Sinn kommen. Aber irgendetwas Beunruhigendes war an diesem Geräusch gewesen und ich musste einfach herausfinden was es damit auf sich hatte.

Und plötzlich konnte ich es hören, sehr deutlich und klar, und es schnitt wie ein Messer in meine Brust. Ich hörte auf zu atmen.

Arthur weinte.

Ein schweres, verzweifeltes Schluchzen.

Ich dachte nicht mehr nach. Es war alles gleich, nur eines zählte: Arthur litt. Ich musste da hinein und ich musste für ihn da sein. Ich konnte einfach nicht anders.

Ich schob die Tür auf, huschte hinein und schloss sie wieder hinter mir.

Er bemerkte mich nicht.

Arthur lag auf seinem Bett, den Kopf in den Kissen vergraben. Sein Körper erbebte unter den Krämpfen, die sein Weinen begleiteten.

Ich starrte wie hypnotisiert und komplett entsetzt auf die Szene, die sich mir bot. Ich schaute gar nicht richtig hin, wo ich den Kandelaber abstellte, und schritt ganz leise und langsam auf das riesige Bett zu, in dem er beinahe verloren aussah.
 

Arthur…

Mein Arthur…
 

Die Laken waren zerwühlt und bedeckten ihn nur bis zu den Hüften, sodass ich auf seinem bebenden, schweißbedeckten Rücken deutlich die Narben ausmachen konnte, die er in der Schlacht oder auch bei Turnieren davongetragen hatte. Deutlich traten die Muskeln unter seiner Haut hervor, schattenumschmeichelt, vielleicht deutlicher sichtbar in diesem Halbdunkel, als dies bei hellem Tageslicht je der Fall sein würde. Sein nun dunkler gewordenes, blondes Haar war vollkommen durcheinander und fing matt glänzend das warme Licht der Kerzen ein, die ich hinter mir zurückgelassen hatte. Seine kraftvollen Hände hatten sich in die Decken gekrallt und zitterten, so fest hatte er die Fäuste geballt.

Ich litt so sehr mit ihm, dass ich kaum gewahrte, dass noch ein anderes, sehr viel subtileres, profaneres Gefühl von mir Besitz ergriffen hatte. Oder nein, es war schon immer da gewesen. Nur noch niemals so deutlich und konkret.

Verlangen.

Es war mir nicht wirklich bewusst, nein. Ich empfand nur Schmerz bei seinem Anblick, sein Schluchzen zerriss mir die Seele, sein Leid drang tief in mein Herz. Und doch konnte ich nicht umhin ihn anzusehen, wie nur eine Frau einen Mann ansieht, nicht wie eine Schwester den Bruder und auch nicht wie ein Freund den anderen. Ich schämte mich beinahe dafür.

Ich war hier, um ihm Trost zu spenden, wenn er dies denn annahm. Mehr nicht. Und ich war mir ganz sicher, dass ich stark genug war, dies zu tun.

Für Arthur konnte ich immer stark sein. Nur wenn er nicht bei mir war, war ich schwach.

Doch mein Irrtum sollte mir in dieser Nacht noch deutlich vor Augen geführt werden.
 

Ich trat leise neben das Bett, streckte zögernd und voll von Mitgefühl die Hand nach seinem Haar aus.

Ich musste irgendein verräterisches Geräusch gemacht haben. Vielleicht nur ein Scharren des Fußes oder ich hatte einen Luftzug erzeugt. Doch mit einem Mal war Arthur still. Ganz still. Er hielt sogar den Atem an.

Dann, ganz langsam, bewegte er sich, richtete sich auf und wandte mir sein verletzlich wirkendes, gerötetes Gesicht zu. Die blauen Augen dunkel und glasig, die schönen Gesichtszüge von nie gekanntem Leid verzerrt.

Mir stockte der Atem.

„Morgana…“, flüsterte er.

Mehr nicht.

Nur dieses eine Wort.

Tränen stürzten wieder aus seinen Augen. Er gab jedoch keinen Laut mehr von sich. Er würde überhaupt nur noch selten sprechen in dieser Nacht.

Es tat entsetzlich weh ihn so zu sehen… Mein Blick hing wie gebannt an seinen Tränen. Ich hatte ihn seit damals nicht mehr weinen sehen.

Ich wollte nichts anderes, als ihn in meine Arme schließen und trösten. Ich wollte bei ihm sein, ihm unsinniges Zeug ins Ohr flüstern, ihn wieder zum Lachen bringen. Aber ich tat nichts von Alledem. Es war, als hätte ich Angst eine bestimmte Grenze zu überschreiten.

„Ich… wollte dich nicht stören, Arthur…“, hauchte ich. Meine Stimme nur noch ein schwaches Flüstern. Soviel dazu, dass ich stark sein konnte wenn er bei mir war…

„Ich habe dich weinen hören… Es tut mir so Leid, Arthur, so unendlich Leid. Ich wünschte… Ich wünschte ich könnte dir etwas von deiner Last abnehmen, dich trösten…“

Mir versagte die Stimme.

Ich konnte seinen Blick nicht einordnen. Da war diese alles umfassende Trauer. Aber auch noch etwas anderes, das ich nicht zu benennen vermochte. Etwas flammte jäh ganz tief unten in seinen Augen auf.

Sein Atem beschleunigte sich unmerklich, die muskulöse, schweißnasse Brust hob und senkte sich plötzlich rascher. Er schien mit sich selbst zu ringen, etwas zu überlegen und zu einem Entschluss zu kommen.

Ich hatte mit einem Mal das Gefühl, dass es wohl besser wäre wenn ich wieder ginge. Das war, was mein Verstand mir sagte. Mein Körper jedoch gehorchte mir nicht mehr.

Ich versuchte noch einmal zu ihm vorzudringen, ihn dazu zu bringen irgendetwas zu sagen.

„Arthur, ich…“
 

Er griff nach mir.

Und es war nicht mehr der Griff eines Jungen, der eine Freundin umarmen wollte. Es war der Griff eines Mannes, den es nach einer Frau verlangte. Und Arthur, das sah ich einen Sekundenbruchteil bevor sich seine Hand um meinen Unterarm schloss und mich zu sich auf das Bett zog, Arthur verlangte es nicht nach irgendeiner Frau. Es verlangte ihn nach mir, Morgana. Er hatte es immer schon getan. Genauso, wie ich mich nach ihm verzehrt hatte.

Die Grenze wurde lautlos, aber entschlossen und sehr schnell überschritten. Es gab kein Zurück mehr.

Seine andere Hand fuhr in meinen Nacken und zog mich zu sich hinunter. Ich hatte keine Zeit mehr groß nachzudenken, denn alles was ich sah war er, alles was ich wollte war er, ich wollte diese Berührung. Mein ganzer Körper schrie danach!

Und so wehrte ich mich nicht, als er seine bebenden Lippen nun hart und verlangend auf meine legte, mich hungrig zu küssen begann, mich vollends ins Bett zu sich zog und dann mit einer entschlossenen Bewegung über mich rollte.

Ich hatte davon geträumt, von Arthur geküsst zu werden. Jede Nacht, seit jenem ersten, zarten Kuss. Ich hatte es mir immer anders vorgestellt. Zärtlich, sanft, liebevoll.

Das hier war…, zumindest in diesem Moment…, einfach nur verzweifelt, getrieben, hart und verlangend. Es tat beinahe weh. Und doch konnte ich nicht umhin, es mit allen meinen Sinnen zu genießen, mich ihm hinzugeben.

Seine Tränen benetzten mein Gesicht, keuchend trennten und fanden sich unsere Lippen, wieder und wieder. Und ich gewährte ihm Einlass. Die Küsse wurden tiefer. Er schien unersättlich. Er umfasste meinen Körper und mein ganzer Leib wölbte sich ihm entgegen, ganz ohne mein bewusstes Zutun. Wir atmeten schwer. Ich konnte ein leises Stöhnen direkt in seine verlangenden Küsse hinein nicht verhindern, als seine Hand an mir herab wanderte und mein Gewand hinaufzog, meine bloße Haut berührte.

Es ging wahnsinnig schnell. Vielleicht bekam ich auch nicht mehr alles so genau mit, weil mir die Sinne schwanden. Auf jeden Fall war ich binnen Sekunden unbekleidet, mein Gewand floss zu beiden Seiten wie Wasser an mir hinab und sein Körper zwischen meine zitternden Schenkel. Sein heißer Atem und seine brennenden Lippen liebkosten meine kalte Haut, seine Hände suchten und fanden gezielt jene Stelle meines Körpers, die am Empfindlichsten war. Und ich wölbte mich mit einem leisen Aufschrei zurück.

Mein Hunger war geweckt.

Es gab kein Halten mehr.

Wir dachten nicht darüber nach, was es für Konsequenzen haben mochte. Diese eine Nacht gehörte nur uns.

Wenn dies auch noch dazu führte, dass Arthur nicht mehr so verzweifelt war, dann machte mich das noch glücklicher als ich es ohnehin schon war. Glücklich, ja, aber im Grunde fasste ich das alles auch noch gar nicht richtig, was hier gerade geschah.

Arthurs starke Arme umfassten mich, zogen mich auf seinen Schoß. Ich umgab ihn vollends, nahm ihn in mich auf. Leidenschaft erfasste mich und umhüllte mich mit dunklen Schwingen. Ich flüsterte seinen Namen an seinen Lippen, während ich mich auf ihm bewegte. Seine Küsse waren keineswegs weniger leidenschaftlich als zuvor, doch nun war da auch noch etwas anderes in ihnen zu spüren. Er begann es zu genießen.

Seine Hände glitten meinen Rücken hinunter und umfassten meine Hüften während wir uns bewegten, er sich in mir bewegte. Er presste mich fest auf seinen Schoß. Ich schloss überwältigt die Augen, vergrub mein schweißnasses Gesicht an seiner Schulter und spürte plötzlich heiße Tränen über meine Wangen laufen. Er hob die Hände, drehte mein Gesicht seinem zu, umfasste es und strich mit den Daumen die Tränen fort. Dann küsste er mich wieder. Dieses Mal so, wie ich es immer in meinen Träumen gesehen hatte. Sanft und liebevoll. Sehnsüchtig. Die Raserei war etwas Anderem, Tieferem gewichen. Und es nahm noch zu.

Mit jeder Bewegung die wir taten.

Ich sah in seine brennenden blauen Augen, während unsere Bewegungen intensiver wurden, konkreter, kraftvoller. Mir wurde heiß. Überall an meinem Körper brach mir der Schweiß aus. Alles was ich wollte war, dass er niemals damit aufhörte mich auszufüllen. Niemals…

Mit einem plötzlichen Ruck stieß er mich zurück in die Kissen, war über mir, und mir blieb nicht einmal mehr Zeit zu atmen, als er mit festem Griff meine Beine anhob, sie weit öffnete und sich gespannt und hart wie eine Stahlfeder über mich wölbte, tiefer in mich vordrang und unkontrolliert ein tiefes Stöhnen ausstieß.

„Morgana…“, seine Stimme war rau. Hart. So männlich hatte ich ihn noch niemals gehört. Es erregte mich unendlich.

Mein langes Haar umgab mich wie ein dunkler Schleier, ich wandte mein Gesicht und presste es hinein, um meinerseits ein Stöhnen zu unterdrücken. Aber ich musste ihn sofort wieder ansehen. Ich bekam nicht genug von seinem Anblick.

Arthur… Arthur… Mein Arthur…

Keuchend strichen seine geöffneten Lippen bei jedem Stoß über meine. Unsere Zungen berührten sich, streichelten einander. Dann glitt sein Mund tiefer, meinen Hals hinab, über mein Schlüsselbein und noch tiefer. Er spielte mit mir, neckte mich. Ich versenkte meine Hände in seinem dichten Haar, wölbte mich ihm entgegen, öffnete ihm mein Becken weit und kam ihm mit kreisenden Bewegungen meiner Hüften entgegen.
 

Es kam völlig unangekündigt. Zumindest für mich.

In einer einzig fließenden, zerreißend langsamen Bewegung ergoss er sich in mich, presste sich tief in mich hinein und ich bebte, zitterte und spürte, wie sich mein ganzer Körper plötzlich in süßen Wellen zu entspannen begann. Erstaunt hörte ich mich heftig aufkeuchen. Ich umarmte ihn, hielt mich an ihm fest und vergrub erneut, und beinahe beschämt, das glühende Gesicht an seiner starken Schulter.

Er stöhnte, tief und befreit.

Unsere Bewegungen wurden langsam schwächer, während ich noch damit klarzukommen versuchte, was da gerade passiert war. Es war so wundervoll gewesen… So unglaublich.

Unsere bebenden, erhitzten Körper glitten nebeneinander in die Kissen zurück. Er zog mich fest in seine Arme. Unser beider Atem beruhigte sich langsam, ganz langsam.
 

Spät in der Nacht, die Kerzen waren bereits fast heruntergebrannt, schaute ich immer noch sein Gesicht an und konnte mich nicht sattsehen daran, wie er entspannt und ruhig schlief – vielleicht zum ersten Mal, seit der Schlacht und dem Verlust des Freundes. Wie sehr ich dieses Gesicht liebte. Jede einzelne Linie darin. Ich beugte mich vorsichtig zu ihm und berührte unendlich zart seine vollen, wunderschönen Lippen.

Ich fror ein wenig und zog die Decke höher, die wir uns teilten, schmiegte mich enger an ihn. Er blinzelte plötzlich und sah mich träge unter halb geschlossenen Augenlidern hinweg an.

Ein leichtes, ganz leichtes Lächeln begann seine Lippen zu umspielen. Und das erwärmte mein Herz, heilte Wunden, die nur allzu frisch waren.

Er hob die Hand und strich leicht über mein Gesicht, zeichnete zärtlich jede Linie darin nach. Ich berührte sanft seine Fingerkuppen mit den Lippen und lächelte ihn ebenfalls an.

Wieder glitt seine Hand in meinen Nacken. Er zog mich an sich, bis mein Kopf an seiner Schulter, seinem Hals zum Ruhen kam. Er küsste mein Haar. Ich hörte, wie er tief einatmete.

Irgendwann schlief ich schließlich erschöpft, aber so glücklich wie schon lange nicht mehr, ein.
 

I have died everyday waiting for you

Darling, don´t be afraid

I have loved you

For a thousand years

I love you

For a thousand more
 

Doch was wir erlebt hatten sollte einmalig sein. Es würde niemals wieder geschehen. Es durfte nicht und es würde nicht.

Arthur war verschwunden als ich am nächsten Morgen erwachte.

Das Bett und die zerwühlten Laken... alles kam mir mit einem Mal seltsam kalt vor ohne ihn. Ich beeilte mich mit vollkommen gemischten Gefühlen aufzustehen und mich anzukleiden, schlich dann zur Tür und lugte hinaus. Mein Zimmer befand sich unweit von Arthurs. Es sollte mir also gelingen ungesehen dorthin zu gelangen.

Ich lief los und wäre um ein Haar mit einem jungen Mädchen zusammengeprallt, das mir aus meiner Kammer entgegenkam. Ich kannte sie nicht. Sie musste neu sein. Ihre Haut war seltsam dunkel und ihr gelocktes Haar rabenschwarz.

In meiner Verwirrung und meinem Erschrecken, ob sie mitbekommen haben mochte, wo ich herkam, noch dazu in diesem Aufzug, fragte ich das Erstbeste, das mir einfiel:

„Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“

Das Mädchen machte einen Knicks.

„Guinevere, Mylady.“, antwortete sie angemessen. „Gwen, wenn Ihr es wünscht. Ich bin Eure neue Zofe, wenn Ihr gestattet.“

Ich blinzelte.

Immer noch liefen tausend Gedankengänge zugleich hinter meiner Stirn ab. Ich versuchte mich zu beruhigen. Sie war neu hier. Gut. Dann würde sie sicher auch nicht wissen, wo genau ich in diesem aufgelösten Zustand herkam.

„Gut.“, sagte ich mit einiger Verspätung und so viel Würde, wie mir in diesem Aufzug nur möglich war aufzubringen. „Dann mache mir bitte auf der Stelle Wasser heiß. Ich möchte baden.“
 

Das unvermeidliche Gespräch mit Arthur folgte erst einige Tage später, da er zu einem Jagdausflug aufgebrochen war. Uther war so erleichtert darüber seinen Sohn wieder am Leben um sich her teilnehmen zu sehen, dass er mir nicht allzu viel Beachtung schenkte. Was gut war. Denn ich benahm mich zu dieser Zeit wie eine verliebte Halbwüchsige.

Ich war hin- und hergerissen. Was wir getan hatten war verboten. Es war unmöglich. Aber zugleich… war mir noch nie etwas so richtig erschienen. Würde sich Arthur zu mir bekennen? Er liebte mich, genauso wie ich ihn. Ich hatte es gesehen, ich hatte es gespürt. Doch er war der zukünftige Hochkönig von Albion. Als solcher würde es ihm wohl kaum möglich sein, sich zu seiner Liebe zu bekennen. Das durfte er einfach nicht. Zumal es sich dabei um mich handelte, seine Stiefschwester.

Ich haderte mit meinen Gefühlen und mit dem Schicksal, bis er endlich zurückkehrte. Und mein Herz wurde auf der Stelle etwas leichter, als ich ihn in den Hof hineinreiten sah mit seinen Begleitern. Denn er sprach wieder mit ihnen und Gestik und Mimik zeugten davon, dass die schwere, bleierne, lähmende Traurigkeit von ihm abgefallen war und einer sehr erwachsen wirkenden, ruhigen Ausgeglichenheit und Wachsamkeit Platz gemacht hatte. Er war vielleicht nicht mehr so unbeschwert wie früher. Aber er lebte wieder und nahm es auch als Leben wahr. Das war mehr, als ich erhofft hatte.
 

Ich erwartete ihn in seiner Kammer.

Ich war nervös.

Es war nichts dabei, wenn die Stiefschwester ihren Bruder hier erwartete. Ich war auch vor jener Nacht schon oft hier gewesen und niemanden hatte es gekümmert. Warum dachte ich plötzlich, hier zu sein sei falsch?

Arthur betrat den Raum. Ein Diener wollte ihm folgen, um ihm die Jagdausrüstung abzunehmen, doch ich winkte ab. Ich würde das übernehmen.

Als die Tür sich hinter dem Diener geschlossen hatte lächelte Arthur mich an. Aber irgendetwas an diesem Lächeln machte mir Angst.

„Morgana…“, sagte er leise und voll Zärtlichkeit, aber auch voll unüberhörbarem Schmerz.

Ich wollte auf ihn zugehen, doch er drehte sich nun seitlich und deutete auf die Schnüre auf seinen Schultern, die die Lederplatten seiner Rüstung zusammenhielten. „Könntest du…?“

Irritiert aber ohne Widerspruch löste ich die Knoten und half ihm aus der Rüstung.

Ich berührte ihn am Arm, zwang ihn, mich anzusehen.

„Arthur… Was ist los?“

Als wenn ich es nicht genau wüsste. Ich hatte Angst vor der Antwort. Denn ich kannte sie schon. Es war völlig klar, was jetzt kam.
 

Und während er mir nun erklärte, dass unsere Liebe unmöglich war, dass es jene Nacht am Besten niemals gegeben hätte, während er mir mit schmerzlicher Stimme versuchte darzulegen, welchen Ruf er aufrecht zu erhalten und welchen Verpflichtungen er als zukünftiger König nachzukommen hatte, da war es so, als würde seine Stimme verschwimmen zu einem einzigen, unverständlichen Geräusch. Ich hörte wie betäubt nur noch, dass er etwas sagte, nicht was. Ich sah, wie sich seine schön geschwungenen Lippen bewegten, aber mir war nicht klar, was er da von sich gab.

Er endete und schaute mich mit tiefempfundener, ehrlicher Trauer an. Und jetzt sagte er leise, was ich hören musste, was ich brauchte, um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren in diesem Moment.

„Morgana…“ Ich hörte ihn wieder. Alles in mir war kalt, starr und Schmerz.

Ich wartete, welcher Schlag nun noch kommen würde. Aber er blieb aus. Und ich verspürte schwache Linderung bei seinen nächsten, ehrlich empfundenen Worten. „Morgana… ich liebe dich. Es wäre eine Lüge, würde ich das Gegenteil behaupten. Du beherrschst mein ganzes Sein. Und ich wünschte, es gebe einen Weg für uns. Ich wünschte… ich würde nicht Hochkönig werden müssen…“

Seine Stimme zitterte und er wandte sich ab. Und zum ersten Mal wurde mir klar, dass hier nicht nur ich litt. Mir all dies zu sagen musste ihn unendlich viel Kraft gekostet haben. Er musste die ganzen letzten Tage, während des Jagdausflugs, überlegt haben, wie er es mir sagen sollte.

„Lass uns den Moment festhalten und wie einen Schatz bewahren. Er gehörte uns. Nur uns. Und bei allem was noch kommt, vergiss das bitte niemals, Morgana. Auch nicht, wenn ich eines Tages eine Königin an meiner Seite habe… Ich werde niemals jemanden so sehr lieben, wie ich dich liebe...“

Mein Herz weinte.

Natürlich hatte es so kommen müssen. Daran gab es nichts zu rütteln. Und der vernünftige Teil von mir hatte dies auch von Anfang an gewusst. Es tat dennoch weh. So weh, wie nichts Anderes, das ich je erfahren hatte. Aber ich sah ihn an, sah seine in hilfloser Wut zu Fäusten geballten Hände, sah sein Zittern und die Kraft, die er aufbringen musste, um Selbstbeherrschung zu bewahren und ich wusste, ich war nicht allein. Weder in meiner Liebe, noch in meinem Schmerz. Ein schwacher Trost. Aber der einzige, der mir in meinem Leben bleiben würde.

Arthur…

Mein Arthur…

Er würde es immer sein.
 

Ich gab mir einen Ruck.

Jetzt musste ich stark sein. Für uns beide. So wie früher. Und ich würde ihm eine gute Stiefschwester sein, das schwor ich mir. Ich würde damit leben müssen, genauso wie er. Und allein ihn zu sehen sollte von nun an meine Sonne, mein Licht und mein Leben sein. Seine Nähe würde mich immer erfüllen, aber niemals befriedigen, niemals wärmen, niemals ganz allein mir vorbehalten sein, doch sie war alles was ich hatte. Und irgendwie nahm ich daraus dennoch die Kraft, um nach vorn zu sehen.

Ich bewahrte was wir erlebt hatten tief in meinem Herzen. Ebenso wie er es tat.

Als ich mich langsam umwandte und zur Tür ging, da zauberte ich eines von diesen unbefangenen Lächeln auf meine Züge, drehte mich an der Tür noch einmal herum, schaute zurück, und meinte neckend:

„Du solltest echt ein Bad nehmen, Arthur. Du… riechst etwas streng…“

Seine geraden Augenbrauen hoben sich. Überrascht aber auch etwas erleichtert schaute er mich an und begegnete meinem Lächeln.

Er griff sich ein Kissen vom Bett und warf es nach mir.

„Was du nicht sagst… Komm nur her, damit ich dich umarmen und dir ein klein wenig von dem Duft abgeben kann. Täte dir mal ganz gut, denke ich. Es… erdet einen irgendwie…“, antwortete er leise lachend.

Ich drohte spielerisch mit erhobenem Finger. „Sei froh, wenn ich dich nicht beim Wort nehme, Arthur. Du würdest mich nicht mehr so schnell loswerden und dein nächstes Bad würde zum Alptraum für dich!“ Er grinste jetzt.

Ich war schon fast zur Tür hinaus, als ich noch einmal zurück sah. Er schaute mir nach, seine wunderschönen blauen Augen fragend. Und von nun an würde wohl nur mir auffallen, dass sie nicht mehr ganz so sehr strahlten wie früher.

„Ich sage dir das nun nur noch ein einziges Mal, das schwöre ich. Aber ich muss es tun. Denn so wie du mir für die Zukunft die einzige Gewissheit gegeben hast, die uns bleibt und vereint, die Gewissheit, dass du etwas für mich empfindest, so möchte ich dies auch umgekehrt tun. Denn was ich dir nun sage ist das, was ich immer empfunden habe, was ich in diesem Augenblick empfinde und auch immer empfinden werde.

Ich liebe dich, Arthur Pendragon.

Nichts und niemand wird das je zerstören können. Nichts und niemand wird mir das je nehmen können.“

Ich lächelte traurig, aber warm, und verließ das Zimmer.
 

Ich hatte mein Glück geopfert, damit er später ein makelloser Hochkönig, ohne Skandale auf seinem bisherigen Weg, werden konnte. Es war gut und wichtig für mich zu sehen, dass er in seinem Leben jetzt und auch später Erfolg haben würde.

Ich selbst fühlte mich in meinem Leben nicht sehr erfolgreich.

Bis jetzt.

Aber Arthur würde in der Arbeit, die er begonnen hatte, seine Erfüllung finden und vielleicht auch ein gewisses Maß an Glück. Wenn er erst über den anfänglichen Schmerz hinweggekommen war, würde der Verstand über das Gefühl siegen. Er hatte so viel gelernt und studiert, er hatte gekämpft, seinen Körper zielstrebig trainiert. Es war ihm bestimmt Hochkönig zu werden. Und er würde schließlich auch Befriedigung darin finden. Das Volk würde einen guten, gerechten und starken König in ihm haben.
 

Die Jahre vergingen und der Schmerz hörte nicht auf. Aber ich lernte ihn zu ertragen.

Wir sprachen niemals wieder darüber. Niemand erfuhr jemals davon. Wir entwickelten sogar überzeugende Masken, die Art und Weise wie wir auf andere nach außen hin wirkten. Hier zeigte Arthur erstmals jene Überheblichkeit, die neu war und die er von nun an jedem gegenüber, den er nicht näher kannte, zunächst zur Schau trug, und die ein auf den ersten Blick falsches Bild von ihm abgab. Niemand hätte je mehr in uns gesehen als Bruder und Schwester, die sich wohlwollend stritten und einander in Freundschaft zugetan waren. Nur hin und wieder glaubte ich bei ihm ein Aufblitzen jener alten Gefühle für mich zu sehen, verborgen unter all der zur Schau getragenen Selbstbeherrschung. Doch obwohl ich von mir ausgehend immer sicher sein konnte, dass die Gefühle, die wir uns damals geschworen hatten, tatsächlich anhielten und niemals vergingen, so wusste ich dies von Arthur natürlich nicht mit Gewissheit. Und das nagte an mir. Doch es war mir gleich, wenn es ihm nur gut ging, wenn er nur meine Sonne, mein Licht blieb. Wenn ich nur weiterhin für ihn da sein konnte.

Ich hatte es ihm doch einst versprochen.
 

Das Leben ging weiter.

Das, was wir geteilt hatten, bewegte ich tief in meinem Herzen und hegte es wie einen kostbaren Traum, der niemals enden würde für mich. Ganz gleich was kam, da hatte er Recht. Dies würde uns keiner mehr nehmen können. Und es war alles, was mich am Leben erhielt.
 

Arthur…

Mein Arthur…
 


 

Light up, light up

As if you have a choice

Even if you cannot hear my voice

I'll be right beside you dear
 

Louder, louder

And we'll run for our lives

I can hardly speak, I understand

Why you can't raise your voice to say


 

~~~~oOo~~~~



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Natsumi_Ann_
2013-07-15T18:58:24+00:00 15.07.2013 20:58
muss ich nochmal in ruhe durchlesen...

aber der kuss war so schön! <3 ist morgana älter als arthur? oO weil das kommt manchmal so rüber und ich weiß die geburtstage nicht mehr *schäm* >>

ach ehrlich! <3 zwar hätte ich es noch besser gefunden wenn du das so rauszögerst bis sie mal gefühle erwähnen usw, aber vielleicht kommt da auch nochmal ne story von dir ;) ich fänds super!

aber wie gesagt hammer geschrieben :)
Antwort von:  MorgainePendragon
21.07.2013 18:29
Jep, zumindest in meinen Interpretation/Versionen ist sie etwas älter als er. Ca. zwei Jahre. Ich habe keine Ahnung, wie es in der Serie wirklich gedacht war.
Danke noch einmal an dieser Stelle für die wunderbaren Kommies, Natsumi! :D


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