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Psychologie und Wahnsinn

von

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Inspektion

Ich brauchte weitere drei Tage, um wieder Essen zu können. Heute ist es drei Wochen her. Ein Furchtbarer Alltag hat sich eingestellt. In der ersten Woche hörte ich ab und zu noch Schreie aus anderen Zellen. Sie waren Dumpf und ich konnte nicht erkennen, wer schrie. Ich selbst versuchte zu antworten, bin jedoch nicht sicher, ob man mich hörte. Die Schreie sind jetzt sehr selten geworden.

Mit der Decke um mich gewickelt liege ich auf dem Bett. Vor einigen Tagen habe ich mir eine Augenbinde aus dem Bettlaken gerissen. Ich habe mir damit die Augen verbunden, da ich so bei plötzlichem Licht nicht geblendet werden kann. Außerdem kann ich mir so das Licht besser vorstellen. Sobald ich etwas an der Tür höre, nehme ich sie ab, um Essen zu können. Jazzman hielt mich auf dem Laufenden. Die Zeit vergeht hier so schleppend langsam, dass ich mich nach bereits drei Tagen auf seine Stimme freute. Er berichtete mir, dass Offizier Spring, also Robert, nach jeder Möglichkeit sucht, um die Strohhutpiraten zu bestrafen. Ich glaube, ich bin ihm zu langweilig geworden. Ich halte mich an seine Regeln, führe sofort alle Befehle oder Anweisungen aus und umgehe so die Strafen. Was die anderen angeht, so ist Robin die einzige, die anscheinend sofort verstanden hat, wie der Hase hier läuft.

Sonst passierte nichts. Pure Langeweile, Einsamkeit und Dunkelheit.

Es ist Vormittag. Vor dem Mittagessen und nach dem Frühstück. Ich sehe, obwohl ich meine Augen verbunden habe, dass das Licht eingeschaltet wird. Vorerst nehme ich die Augenbinde nicht ab, das würde nichts bringen. Die Decke ziehe ich fester über mich, meine Muskeln verkrampfen sich und ich hoffe, dass es nur eine medizinische Kontrolle ist. Jemand wirft etwas Weiches auf mein Bett.

„Zieh das an. Heute ist Kontrolle, du wirst in einer Minute abgeholt.“

Es ist nicht Jazzman, die Stimme kenne ich nicht.

Ich ziehe die Augenbinde schnell ab, werfe die Decke von mir und mein Herz macht einen Satz. Inspektion! Das ist für die Soldaten vielleicht lästig, ich freue mich jedes Jahr darauf.

Schnell ziehe ich die Klamotten über, die auf meinem Bett liegen. Es sind speziell genähte Klamotten. Sie besitzen keine Nähte, nur Knöpfe. So kann ich sie auch anziehen, obwohl ich noch angekettet bin. Ich knöpfe die Klamotten zusammen, als die Tür geöffnet wird. Drei Soldaten treten in meine Zelle, zwei bleiben an der Tür stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Der dritte kommt auf mich zu und löst meine Ketten von den Fesseln. Dadurch, dass er nichts gesagt hat, habe ich ihn erst nicht erkannt, doch et ist Jazzman. Natürlich versuche ich mir nicht anmerken zu lassen, dass ich eine Verbindung zu ihm aufgebaut habe. Daher schaue ich durch die Tür und sehe, dass Ruffys Zelle offen steht, das Licht ist eingeschaltet, doch er befindet sich nicht mehr darin. Jazzman stößt mich von hinten in den Rücken, damit ich mich bewege. Es schmerzt nicht und ich weiß, dass er auch unter Druck steht, wenn ich uns verraten würde. Langsam beginne ich aus meiner Zelle zu taumeln und zwischen verschiedenen Soldaten den Flur entlang zu gehen. Ich kann nicht sehr schnell laufen und habe Mühe das Gleichgewicht zu halten. Schließlich kommen wir in einen großen Raum mit mehreren Gitterzellen. Die Soldaten versperren mir jedoch die Sicht, als ich schauen möchte, wer sich in den anderen Zellen befindet. Ich werde in eine der Zellen geführt, die Soldaten verschwinden aus meiner neuen Zelle und schließen diese ab. Erst jetzt darf ich mich umsehen, Was ich jedoch nicht mache. Egal, wer sich in der Zelle neben mir befindet, ich kann ihm nicht in die Augen sehen. Ich gebe mir für all das immer noch die Schuld. Ich gehe zu meinem neuen Bett herüber, auf halben Weg höre ich Lysop, „Pepsi, ich bin hier! Wir alle sind hier! Geht es dir gut? Hörst du mich nicht? Hier drüben, guck doch mal!“

Ich bleibe auf der Stelle stehen, zögere, schaue ihn jedoch nicht an. Ich habe Angst, dass er in meinen Augen sieht, was passiert ist. Natürlich muss ich auch sofort wieder an alles Denken und die Erinnerung allein treibt mir die Tränen in die Augen und lässt meine Muskeln verkrampfen. Ich verschränke unbewusst die Arme schützend vor meiner Brust, halte so meine Oberarme fest und gehe weiter zu meinem Bett, wo ich mich setze. Lysop schaut mich noch eine Weile an, winkt mir zu, was ich im Augenwinkel sehe, doch ich versuche nicht zu reagieren. Ich weiß, dass wir überwacht werden und dass Robert nur weiter nach einer verletzlichen Stelle bei mir sucht, um mich das nächste Mal noch härter zu bestrafen. Doch dann fällt mir ein, dass die Anderen nichts von all dem Wissen. Sie wurden zwar schon fast alle bestraft, doch welchen Sinn es hat, wissen sie nicht. Schließlich drehe ich mich doch zu Lysop, der auf seiner Liege sitzt und es wohl aufgegeben hat, nach mir zu rufen. Weiter entfernt höre ich Stimmen. Ich erkenne Namis Stimme wieder. Sie versichert jemandem, dass sie wieder in Ordnung sei, nur diese Langeweile jeden Tag macht ihr zu schaffen. Die Einsamkeit zwinge sie, über alles wieder und wieder nachzudenken um es so wieder und wieder zu erleben. Sie hat Angst, dass die durchdrehe. Ich kann mir denken, dass sie so wie ich, und wahrscheinlich die meisten hier, viel durchgemacht hat.

„Lysop!“, rufe ich schließlich herüber. Lysop sieht auf, springt danach auf und hält sich am Gitter fest.

„Hey, Pepsi! Ich dachte schon, du hast uns alle wieder vergessen.“

„Ich kann nicht reden!“, rufe ich herüber und ernte nur verwirrte Blicke.

„Psychologie, verstehst du nicht? Alles auf diesem Schiff ist darauf ausgelegt die gefährligsten Menschen der Welt in zahme Lämmer zu verwandeln, indem die Psyche gebrochen wird. Deswegen die Dunkelheit, deswegen die Einsamkeit, deswegen die-„, ich breche den Satz ab, schlucke und senke den Blick, um meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.

Eine kurze Pause, dann Antwortet Lysop mir: „Du hast recht. Das ergibt alles Sinn, aber wieso sind wir jetzt in diesen Zellen?“

„Inspektion. So, wie die Gefangenen auf diesem Schiff behandelt werden, ist es nicht zugelassen. Es gab schon einige Klagen wegen all der psychischen Folter. Jetzt gibt es jedes Jahr eine Inspektion, um zu kontrollieren, wie es den Gefangenen geht. Es werden jedoch nur die Gefangenen vorgeführt, von denen die Marine weiß. Viele sehen das Licht nie wieder.“

„Und wenn wir dem Inspekteur sagen, was hinter dieser Kulisse wirklich abgeht?“

Mein Magen zieht sich zusammen.

„Nein, mach das nicht! Du bist ein Gefangener, dir wird nicht geglaubt und hinterher wirst du für den Versuch gefoltert. Es bringt nichts.“

Wieder Schweigen. “Bitte sag es den anderen, okay? Ich will nicht, dass ihr noch mehr durchmachen müsst.“

„Klar, mach ich sofort. Aber woher weißt du von den Klagen? Als Gefangener bekommt man das doch nicht mit.“ fragt er mich dann und ich weiß nicht, was ich antworten soll. Ich kann ihn nur unwissend anblicken, da ich nicht weiß, woher ich all dieses Wissen über dieses Schiff habe. Nach kurzer Zeit versteht er, nickt und geht auf die andere Seite seiner Zelle. Ich kann Robin sehen, die sich zu Lysop ans Gitter gestellt hat. Sie trägt, sie wie auch ich, Seesteinfessen. Lysop erklärt ihr, was ich ihm gesagt habe. Dann sänke ich wieder den Blick. Normalerweise ist die Inspektion eine willkommende Abwechslung, doch heute erdrücken mich die Schuldgefühle, die Erinnerungen und Befürchtungen. Nach einer Zeit höre ich Schritte auf dem Gang. Robert spricht mit einem Mann, erzählt ihm, dass es nichts Neues gäbe und fragt den Mann, seit wann er angestellt sei. Als ich die Stimme höre weiten sich meine Augen, mein Herz scheint stehen zu bleiben und ich kann nicht unterdrücken, aufzuschauen. Es ist Brook. Er ist verkleidet, trägt eine Sonnenbrille, Handschuhe und er versteckt seinen hautlosen Schädel hinter einem hohen Kragen. Da er so groß ist kann ihm Robert nicht ins Gesicht sehen. Bemüht versuche ich meine Freude zu verstecken, senke den Blick daher wieder und hoffe, dass meine Haare mein Lächeln verdecken. Brook schaut sich ruhig eine Zelle nach der anderen an, geht neben Robert her, lässt sich alles zeigen, antwortet ab und zu knapp und direkt und tritt sehr Selbstsicher auf. Als er eine Runde gegangen ist, bleibt er vor dem Eingang zum Zellentrakt stehen.

„Nun, Offizier Spring. Würden sie mich nun allein lassen?“

Robert stutzt. So etwas hat er noch nicht gehört, ich auch noch nicht und ich werde nervös.

»Versau es nicht, bitte. «

„Zu welchem Zweck, wenn ich fragen darf?“, erkundigt sich Robert und scheint selbst nervös zu werden. Brook hingegen baut sich vor ihm auf, sieht über ihn hinweg durch die Zellen und antwortet ruhig und sachlich: „Es gibt neue Anordnungen. Ich bin dazu gezwungen die Heftlinge in Abwesenheit der Angestellten zu befragen. Natürlich müssen die Überwachungsschnecken abgeschaltet werden. Absolute Vertraulichkeit. Es gab auf anderen Schiffen“, eine dramatische Pause, nun schaut Brook durch seine Sonnenbrille auf den Offizier herab. “Vorfälle.- Sie haben doch nichts dagegen, oder?“ Brook pokert hoch, doch ich höre, dass es wirkt. Ein kurzes Zögern, dann nickt Robert und zieht sich die Uniform zu Recht.

„Natürlich. Ich werde diese Anordnung in meinem Büro überprüfen und lasse sie hier allein. Klopfen sie an die Tür, falls es Probleme gibt.“, sagt er und verschwindet aus der Tür am Ende des Flures. Brook schaut ihm nicht nach, doch als er die Tür hört, rennt er los. Er sucht an einem Schreibtisch nach Schlüsseln und findet sie nach einiger Zeit.

Ich springe auf, stolpere zum Gitter und beobachte ihn, wie er mit den Schlüsseln den Gang hinunter rennt. Ich kann ihn nicht mehr sehen, doch ich höre Stimmen.

„Ich dachte schon, ich müsse sterben, so nervös war ich. Hohoho!“

Kurz darauf höre ich rennende Schritte und ich sehe, dass es Ruffy ist, der als erstes befreit wurde. Er ist immerhin auch der Käpten. Seine Fesseln wurden ebenfalls gelöst. Einen Moment erkenne ich, dass er mir in die Augen sieht, schaut dann jedoch sofort wieder weg. Was passiert ist, ist so präsent in ihm, als sei es nur eine Stunde her. Nach und nach laufen die Strohhüte auf den Gang, Franky bleibt als erstes vor meiner Zelle stehen. Kurz darauf stellt sich Ruffy zu ihm. Er steht vor mir vor dem Gitter, doch er ist der Tür am Ende des Ganges zu gewandt sieht mich nicht an und flüstert mir zu: „Keine Angst, es ist Brook. Wir kommen hier raus und nehmen dich wieder mit. Ich habs dir doch versprochen.“

Ich schaue kurz zu ihm auf, schüttele dann aber den Kopf. Die Folter der letzten Jahre und die Erfahrungen der letzten Wochen sitzen tief.

„Nein, es ist besser für euch, wenn ihr ohne mich fahrt. Er wird euch jagen, versteh doch. Ich will nicht, dass all das noch einmal passiert.“

Sein Blick wird finster,, dann dreht er sich zu mir, krallt sich am Gitter fest, spannt seine Muskeln an und ich fühle, wie sich die Gittertür aus den Angeln hebt. Ich trete einen Schritt zurück, als er die Tür krachend einfach zu Seite stellt.

„Jetzt hör auf so einen Scheiß zu reden, sonst rede ich nicht mehr mit dir!“

Er schreit voller Wut, sieht mich jedoch dabei immer noch nicht an. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, kann ihn nur schockiert ansehen und muss schlucken. Brook läuft plötzlich durch die nicht vorhandene Tür auf mich zu, die Schlüssel in der Hand. Erst legt er meine Fesseln an den Beinen ab.

Die Anderen stehen vor meiner Zelle und warten. Es scheint ihnen gut zu gehen, doch sie sind alle von den letzten Tagen gezeichnet. Sie bewegen sich vorsichtig, ruckartig und haben alle einen gewissen Abstand voneinander. Plötzlich öffnet sich die Tür am Ende des Ganges. Ein Soldat mit einem Gewehr steht im Gang.

„Ich habe ein Geräusch gehört und-. Oh Scheiße!“

Zielen, Feuer.

Ich höre einen lauten Knall, schaue geschockt in die Runde und sehe, wie Robin den Soldaten im nächsten Moment unter Kontrolle gebracht hat. Es wurde anscheinend keiner getroffen.

Brook befreit mich von der Fessel an meinem rechten Arm, den Chopper sofort darauf greift.

„Wir haben keine Zeit, leg die andere Fessel unterwegs ab!“

Ich nicke, spüre dann jedoch wie meine Knie nachgeben. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Mir wird kalt, ich versuche mich noch an Chopper festzuhalten, sinke dann jedoch zu Boden.

„Was ist los, Pepsi?“

Ich fühle mich, als halte ich meinen Kopf in Eiswasser.

„Ich brauche ein Messer! Schnell!“, Chopper schreit.

Erst jetzt merke ich, dass ich auf etwas nassem liege, zu atmen fällt mir schwerer, doch ich begreife noch nicht. Alle schauen zu mir herunter, Nami dreht sich weg, Ruffy kniet neben mir und Brook reicht Chopper ein Messer.

Fragend und verwirrt sehe ich, wie Chopper in meinen Bauch schneidet. Ich fühle es jedoch nicht.

Ruffy versperrt mir mit einer Hand die Sicht. Er sagt nichts, schaut Chopper jedoch zu. Ich kann sehen, dass er Angst hat und mir fällt nichts anderes ein, als Ruffys Hand zu greifen. Chopper ruft Sanji Dinge zu, die er gebrauchen könnte. Sanji, Zorro, Franky und Robin laufen umher und suchen nach sauberen Tüchern und Nähzeug. Ich kann die Unruhe sehen, spüre sie jedoch nicht. Es kommt mir alles schon weit entfernt vor. Ruffy bewegt sich nicht, ich sehe von unten zu ihm auf, drücke seine Hand. Er drückt leicht zurück, legt seine andere Hand auf die Meine, doch das ist nicht, was ich will. Schließlich lege ich meine andere Hand auf seine Wange, Blut streiche ich so auf seine Haut, doch es ist mir egal.

„Sieh mich an.“, meine Stimme ist ruhig und leise, doch ich sehe, dass er mich hört. Ein zögern, dann sieht er mir in die Augen. Ich sehe, was in ihm vorgeht. Alles, was er vor Wochen an diesen einem Tag getan hat, hat ihn an einen Abgrund getrieben. Er kann die Schuld in seinem Blick nicht unterdrücken, kann meinem Blick kaum standhalten, doch ich lächle, streiche leicht über seine Wange.

„Er will, dass es dir so geht. Er gewinnt nur, wenn du es zulässt. Lass es nicht zu.“

Tränen steigen in seinen Augen auf, er greift nach meiner Hand, presst sie an seine Wange und nickt. Mehr will ich nicht. Ich werde müde und schließe langsam die Augen.

„Nehmt ihr die scheiß Fessel ab!“, ruft Chopper. Nami hört sofort auf ihn und nimmt mir die letzte Fessel ab. Ich spüre, wie ich etwas mehr Kraft bekomme, doch es hilft nicht lang. Plötzlich hält Chopper inne, sieht auf mich herab, hält das Messer in der Hand, seine Hände sind rot von meinem Blut und er lehnt sich zurück. Er sagt nichts, ich sehe jetzt nur noch verschwommen und fühle nicht einmal mehr den Boden unter mir, doch Ruffys Hand in meiner. Ruffy sieht mich jetzt an, ich sehe, dass er meinen Namen ruft, höre ihn allerdings nicht. Ich höre meinen langsamer werdenden Puls und meinen Atem. Ich kann nicht daran denken, was geschieht, kann nichts fühlen außer meinen Gedanken und kann nichts hören, außer meinem Atem. Alles, was ich hier je machen musste, ist atmen. Solange ich Atme, lebe ich. Dann ein Kribbeln. Ein Kribbeln in meinem Innern.
 

Ich blinzle. Langsam komme ich wieder zu mir, kann wieder sehen und hören. Alles kommt langsam wieder zu mir zurück. Als mir bewusst wird, wo ich bin, zucke ich reflexartig zusammen. Ich liege noch genau da, wo ich zu Boden gegangen bin. Alle stehen um mich herum und schauen mich erstaunt an. Ich schaue ebenso erstaunt, blicke in die Runde, greife auf meinen Bauch und fühle meine glatte Haut. Keine Naht, keine Wunde, nichts. Nun schaue ich an mir herunter. Ich liege in einer Blutlache, doch ich sehe nicht mehr, wo es herkam. Selbst die Narben an meinen Handgelenken sind verschwunden. Ruffy fällt mir um den Hals, er weint und lacht gleichzeitig. Ich begreife nicht, was passiert ist, doch es geht mir wieder gut. Ruffys lachen steckt nach und nach alle an. Ich lächle schließlich auch, erhebe mich vorsichtig. Ruffy mochte mir aufhelfen, doch ich brauche seine Hilfe nicht mehr. Es kribbelt in meinem Inneren und so langsam weiß ich wieder, wieso ich die Fesseln angelegt bekommen habe. Mein Lächeln wird kräftiger, ich drücke Ruffy an mich und verstehe langsam, was passiert ist. Ich wurde von der Kugel getroffen. Als Nami mir dann die letzte Fessel abgenommen hat, fing mein Körper an sich selbst zu heilen. Deswegen wich Chopper von mir zurück. Er konnte mir nicht mehr helfen, weil es nichts zu helfen gab.

„Ich will ja nicht stören, aber ihr müsst hier raus!“

Jazzman steht neben uns, er trägt keine Uniform sondern nur ein weißes T-Shirt und eine weiße Hose. Wir haben es so einen Tag abgesprochen.

„Falls sich irgendwann dir Möglichkeit für euch ergibt hier raus zu kommen, werde ich euch helfen.“, hat er gesagt. Bei der nächsten Mahlzeit sagte er, was er dann tragen würde. Mehr Zeit hatten wir nicht um etwas zu bereden. Er scheint auch mit den anderen geredet zu haben, keiner zeigt einen Anflug von Verwunderung. Jazzman hat sein Gewehr gezogen, trägt es über der Schulter und läuft voraus.

„Zur Brücke! Wir müssen auftauchen, ehe wir her raus kommen!“

„Erst bewaffnen wir euch!“, antwortet mir Jazzman, wehrend wir laufen. Wir laufen aus der Zellenkammer einen langen Korridor entlang. Ab und zu kommt uns ein Soldat entgegen, doch die sind keine Gefahr für uns. Solange es so wenige bleiben jedenfalls nicht.

Ich reiße eine Tür auf, die mir sehr bekannt vorkommt. Es ist eine Garderobe. Plötzlich stehen wir vor einer Gruppe von Soldaten, die sich frisch bewaffnet und umgezogen haben. Ich reiße die Augen auf, Ruffy greift jedoch an, ehe jemand anderes reagieren kann. Kurz darauf hilft ihm seine Crew. Ehe Brook angreift, drückt er mir meine Klinge in die Hand. Ich habe gar nicht mehr an sie gedacht. Ich kämpfe nun mit, lasse meine Wut und den Frust der letzten Jahre heraus, doch es hilft kaum.
 

Die Soldaten liegen nun auf dem Boden, bewusstlos.

„Hinter der Tür liegen eure Klamotten. Die Waffen sind zwei Türen weiter.“, sage ich und zeige auf die Türen, die ich meine. Da höre ich ein Geräusch neben mir. Ein Soldat versucht sich aus dem Raum zu schleichen. Als er mich ansieht, wird mir übel. Ich erkenne ihn sofort und auch er weiß, wer ich bin. Niemand sonst sieht ihn, nur er und ich.

Mein Herz schlägt schneller, ich gehe auf den Soldaten zu, greife mir unterwegs einen Prügel und schlage auf ihn ein. Er versucht erst noch mich abzuwehren, hält den Prügel fest, doch in einer fließenden Bewegung ramme ich ihm meinen Ellenbogen in den Magen. Ich bin kleiner als er, daher ist der Winkel genau richtig. Er stöhnt vor Schmerzen auf, stolpert einen Schritt zurück, ich hole erneut aus und schlage ihm mit dem Prügel über den Hinterkopf. Er fällt hart zu Boden, bleibt jedoch bei Bewusstsein. Sofort hält er sich den Hinterkopf, schreit auf, will sich wieder aufrichten, doch das lasse ich nicht zu. Wieder und wieder schlage ich auf ihn ein, sein Blut spritzt mir entgegen, mir kommen die Bilder und Erinnerungen wieder hoch und ich beginne zu schreien.

„Du Missgeburt! Gefällt dir das? Ist es das, was du willst? Dass ich mich wehre?!“ ich schreie hysterisch, hört erst auf, als er vor mir auf dem Boden liegt, blutet und zuckt. Ich atme tief durch, er schützt seinen Kopf mit den Armen, seine gebrochenen Finger stehen makaber ab und bluten.

Doch noch bin ich nicht fertig. Ich umklammere den Prügel in meiner Hand so fest, dass meine Knöchel weiß werden. Ich schlage jedoch nicht zu, sondern trete. Weit hole ich aus, trete ihm in die Weichteile und füge ihm so Schmerzen an der Stelle zu, wo er mir ebenfalls Schmerzen zugefügt hatte. Ihm gefiel es damals, jetzt gefällt es mir. Es ist nur faire. Ich trete und trete, seine Hose färbt sich rot, er verliert das Bewusstsein, doch ich höre nicht auf. Ich kann nicht aufhören, schreie ihn weiter an, schlage ab und zu wieder auf ihn ein, doch er bekommt davon nichts mehr mit. Er wird auch nicht mehr aufwachen, wenn ich ihn mir so ansehe. Ich atme schnell, stehe vor dem Soldaten, stehe in seinem Blut, ich habe mich gerächt, fühle mich jedoch kaum besser.

Ruffy legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich zucke zusammen, drehe mich schnell um und wehre seine Hand ab. Ich bin in Tränen aufgelöst, beiße die Zähne zusammen und blicke zu dem Kapitän auf. Ich kann nichts sagen, er weiß jedoch, was in mir vorgeht. Ich schüttele den Kopf, breche in Tränen aus, lasse den Prügel fallen und sinke zu Boden. Er zögert, kniet sich dann zu mir, legt mir seine Hand auf den Rücken und meinen Kopf und zieht mich so sachte zu sich. Ich will mich erst von ihm lösen, entscheide mich dann aber für den anderen weg und lehne mich gegen ihn. Er hält mich fest, sagt kein Wort und ich spüre, dass er sich ansieht, was ich dem Soldaten angetan habe.

Ich kenne den Mann nicht, kenne nicht mal seinen Namen, weiß nicht, oder ob er sogar Familie hat, doch es ist mir egal. Er hat es damals freiwillig getan, hat sich darauf gefreut und es hat ihm Spaß gemacht, was er getan hat. Spaß! Ein solcher Mensch hat es nicht verdient zu atmen.

Ich habe mich etwas beruhigt, als Zorro Ruffy antippt und sagt, dass wir weiter müssen. Die anderen haben alles mit angesehen und natürlich auch sofort begriffen. Ich spüre das Ruffy nickt. Er löst sich von mir und Jazzman nimmt mich huckepack und läuft so mit mir durch die Gänge. Ich weine noch etwas, klammere mich an Jazzman. Es dauert einige Zeit und es folgen weitere Kämpfe, ehe wir die Brücke betreten. Robert erwartet uns.

Ruffy bleibt in der Tür zur Brücke stehen, ich schaue über seine Schulter und sehe Robert, wie er auf uns wartet. Vorsichtig steige ich von Jazzman.

Robert klatscht in die Hände, lächelt.

„Ich kann es nicht glauben, Nummer Elf. Du hast es wirklich bis hier her geschafft. Außerdem hast du es geschafft, Personal auf deine Seite zu ziehen. Die Verbotene Frucht verführt wieder, nicht wahr? Bravo.“

Ich bin verwirrt. Ich weiß nicht genau, wovon er redet, doch ich weiß, dass es nichts Gutes ist.

Kurz darauf fährt er fort: „Nummer Elf, oder Pepsi, wie du genannt werden möchtest, ich hab eine Frage an dich. Weißt du jetzt wieder, wer du bist?“

„Lass Pepsi in Ruhe! Sprich sie nicht an!“

Ruffy mischt sich ein, er möchte gerade ausholen doch ich lege meine Hand auf seine Schulter und halte ihn so zurück. Ruffy schaut zu mir herüber, ich erwidere seinen Blick nicht. Mir fällt ein, was er meint. Ich sehe Bilder vor meinem inneren Auge, die ich so lange verdrängt habe. Jetzt weiß ich, wieso ich so viel über dieses Schiff weiß, wieso ich weiß, wo sich welcher Raum befindet, wieso ich Robert kenne und wieso ich ihn hasse. Ich kann nicht reden, so viele Gefühle wachen in diesem Moment in mir auf.

„Ah, ich sehe, du weißt wovon ich rede.“ Roberts Lächeln vergrößert sich zu einem Grinsen.

Ruffy schaut zwischen uns beiden hin und her. Er versteht nicht, doch ich kann es ihm gerade nicht erklären.

„Jetzt sag mir noch einmal, möchtest du mit dem Wissen weiterleben oder willst du in deine Zelle zurück und wieder vergessen?“

Ich schaue weiter zu Robert. Beginne dann zu erzählen, woran ich mich erinnere:

„Du bist mein Mann.“

Stille. Alle Blicke ruhen auf mir.

Ruffy starrt mich ungläubig an. Sanji möchte etwas Fragen, als er uns miteinander vergleicht, doch ich erzähle weiter:

„Wir haben vor dreißig Jahren geheiratet. Du warst Soldat und hattest eine steile Karriere vor dir.“

„Wie auch du.“, unterbricht er mich.

„Wir haben geheiratet und bauten ein Schiff. Dieses Schiff. Wir wussten, dass selbst die gefährligsten Verbrächer und Piraten schwach werden, wenn man sie Psychisch verstümmelt. Wir hatten viele Erfolge, dann kamen die Klagen. Die Resultate waren erwünscht, die Vorgänge verboten.“ Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. All diese Erinnerungen steigen wieder in mir auf. All diese Menschen, die als starke, selbstbewusste Männer auf dieses Schiff kamen und als bettelnde, weichliche Kinder entlassen wurden.

„Du hast mich aber nicht geheiratet, weil du es wolltest, du hast mich in eine Falle gelockt und mich an die Marine verkauft!“

„Ich hab dir einen Gefallen getan!“ unterbricht mich Robert, „Ich habe dafür gesorgt, dass du bekommen hast, was du wolltest. Du hast so gelitten, weißt du nicht mehr?“

„Ich wollte das Schiff versänken! Ich wollte aufhören! Du hast mich verraten und verkauft!“

Ich schreie ihn an. Ich weiß, was passiert ist, ich erinnere mich an jedes Gespräch von damals und an die vielen, schwarzen Tage in meiner Zelle, an die Monate und an die Jahre.

„Du verdrehst die Tatsachen, das weißt du.“ Robert ist selbstsicher. Er bringt mich dazu, angestrengter nachzudenken, doch ehe ich etwas Antworten kann, sehe ich, wie Ruffy ausholt und Robert schlafen will. Noch ehe er ihn trifft, höre ich Schüsse. Sofort schütze ich meinen Kopf mit den Armen, schaue mich auf der Brücke um und entdecke erst jetzt die Selbstschussanlagen. Hinter uns erscheinen Gruppen von Soldaten. Sie stehen alle vor der Tür zur Brücke. Wie ich nun handle, ist ein Reflex. Ich stürze zur Tür, tippe etwas auf dem Display ein und sperre so die Soldaten aus. Ein Problem weniger. Jedenfalls für kurze Zeit.

Nami erzeugt mit ihrem Klima-Taktstock einen dichten Nebel, der Zorro, Sanji, Franky und Ruffy dabei unterstützt, die Selbstschussanlagen zu zerstören. Jazzman steht an einem Pult und gibt den Befehl zum Auftauchen. Robin versucht in dem Nebel Robert fest zu halten, doch sie findet ihn nicht mehr. Er befindet sich auch gar nicht in diesem Raum. Es war eine Illusion. Ein Trugbild. Er achtet viel zu sehr auf seine Sicherheit, als dass er sich in einem Raum mit uns aufhalten würde. Ich kann nicht einmal sagen, ob er auf diesem Schiff ist.

Jetzt bin ich an der Reihe, uns zu helfen. Ich lege mich auf den Rücken, strecke die Handflächen der Decke entgegen und wecke das Kribbeln in mir. Mir ist wieder eingefallen, wieso ich in der Dunkelheit leben muss. Wieso ich die Sonne Jahrelang nicht sehen durfte. Doch ich habe sie gesehen, ich habe sie genossen, sog sie in mir auf und verschloss sie in mir. Jetzt lasse ich die Sonne wieder aus mir heraus. Ein gebündelter Sonnenstrahl scheint mir aus den Händen an die Decke und bringt das Metall zum schmälzen. Plötzlich öffnet sich die Tür, Soldaten strömen herein, feuern auf uns und ich kann mich nicht konzentrieren. Da kommt mir eine Idee.

„Haltet euch die Augen zu!“, rufe ich, zögere danach keinen Moment und lasse meine Haut aufleuchten. Ich werde so hell wie die Sonne selbst, blende damit die Soldaten und verschaffe uns einen Vorteil. Jetzt kann ich mich wieder darauf konzentrieren die Decke zu schmelzen. Ich fühle, wie die Wärme aus mir weicht, doch ich stoppe erst, als ich meine Hände nicht mehr stillhalten kann. Schwer atmend liege ich auf dem Boden, meine Haut ist wieder so weiß wie am ersten Tag und ich habe keine Kraft mehr. Doch es hat sich gelohnt. Ein Loch klafft in der Decke. Wir sind bereits aufgetaucht und es regnet herein. Robin setzt ihre Kräfte ein und zieht einen nach dem Anderen durch das Loch und einer nach dem anderen findet sich auf dem Dach des Schiffes wieder. Ich liege auf dem Metall, höre Schüsse, die uns nicht erreichen und hoffe, dass es den anderen gut geht.

Ich warte auf Ruffy, er lässt sich wirklich Zeit. Schließlich greift er sich die Kante und schleudert sich herauf. Er lacht und scheißt Spaß mit den Soldaten gehabt zu haben. Nami und Sanji sind angeschossen, Chopper kümmert sich um sie. Zorro hat auch etwas abbekommen, doch er verzichtet auf Hilfe. Den anderen geht es gut. Robin setzt sich zu mir, schaut um sich und beschreibt mir, was sie sieht. Ich kann mich noch nicht umsehen, ich bin zu schwach. Der Regen trifft auf meine Haut, doch ich kann es nicht genießen. Sonne würde mir besser gefallen. Das Schiff hat vor einer Insel angelegt. Auf der anderen Seite der Insel befindet sich die Thousand Sunny. Sie ist an einigen Stellen verbrannt, doch es liegen keine größeren Schäden vor. Kaum bin ich an Deck, lege ich mich auf die Wiese. Ich bin mit meiner Kraft am Ende und muss erst einmal auftanken. Es regnet zwar, doch selbst durch die Wolken kann ich die Sonne schwach fühlen. Sie hilft mir. Gut, dass es nicht Nacht ist.

Zorro, Sanji, Franky und Chopper machen das Schiff startklar, setzen die Segel und wir fahren davon. Jazzman wird von Robin unter Deck geführt. Sie zeigt ihm die nötigsten Räume.

Erst auf hoher See wird mir klar, was sich heute alles in meinem Leben verändert hat. Wir fahren aus dem Regen und ich fühle endlich die Sonne warm und stark auf meiner Haut.

Ausgeruht setze ich mich auf, schaue mich um und sehe, wie Ruffy auf der Gallionsfigur nach vorn schaut. Alle ruhen sich aus, erholen sich und dieses Schiff scheint ihnen wirklich zu helfen, die Erlebnisse der letzten Wochen zu verarbeiten.



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