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Ein Lächeln für jeden Tag

Spikey
von

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Aaron und Seetang

Vorsichtig schob ich den Felsen wieder von der Öffnung weg und steckte den Kopf heraus. Die Sommerströmung schien vorbei zu sein, das Wasser hatte sich beruhigt und ich spürte keine Erschütterungen mehr die herabstürzende Felsen ankündigen könnten. Langsam und unsicher schwamm ich hinaus und betrachtete mein Seetang Feld. Ach Mist... es waren wieder jede Menge Stellen entwurzelt und von Trümmern zerdrückt worden.

Doch bevor ich mich darum kümmern konnte, besah ich mir meine Betsy, die ruhig dalag und vor sich hin glänzte. Ein paar Splitter waren abgeplatzt und mehrere glänzende Dinge lagen um sie herum zerstreut. Also schwamm ich hastig um sie herum, sammelte Spitzen und Muschelscherben auf um sie an ihre Plätze zurückzuschieben und zu stecken.

Einerseits war ich traurig, weil jedes Jahr meine schöne Betsy von diesen Strömungen verwüstet wurde, doch gleichzeitig mochte ich die aufregende Abwechslung zum normalen herumschwimmen und sammeln. In Gedanken versunken verzierte ich sie erneut und streifte dann auf der Suche nach Überbleibseln durch den dichten Seetang. Dabei gönnte ich mir auch ein oder zwei Seetang Blätter, die sich jedoch sofort zwischen den tausend Zähnchen in meinem Mund verfingen. Ich versuchte sie mit der Zunge heraus zu pulen, doch das gestaltete sich als schwieriger als gedacht. Ein besonders hartnäckiges Stückchen blieb direkt vorne zwischen den Zähnchen hängen und ich musste meine Zunge richtig verdrehen um an dieses blöde Ding zu kommen!

Völlig von dem Seetang zwischen den Zähen abgelenkt bemerkte ich nicht, wie ich auf jemanden zu schwamm, der entspannt auf einem glatten Felsen gelegen hatte. Erst, als ich ein überraschtes Geräusch vernahm und Steinchen über den Boden rollen sah blickte ich – noch mit einer Hand im Mund – auf. Überrumpelt starrte ich in die Augen eines jungen Meermannes. Er hatte Schrammen auf den Wangen und seine Haare waren wild ineinander gelockt und völlig undurchdringlich verknotet. Eine kurze Sekunde lang starrte ich ihn einfach nur an, als mir bewusst wurde das er mein komplettes Gesicht sehen konnte.

Auch in seinem Blick änderte sich das Erstaunen in etwas anderes, weswegen ich die Arme hochriss und meine Haare vor das Gesicht kämmte. Gleichzeitig wich ich zurück und duckte mich in das dichte Seetangfeld. Ich kannte kaum Meermenschen, doch den meisten denen ich begegnet war, war es unangenehm gewesen mit mir gesehen zu werden. Eigentlich schwammen alle bei meinem Anblick sofort davon, doch manchmal gab es wohl mutige, die mich beschimpften und verscheuchen wollten. Also trat ich den Rückzug an, denn so unvorbereitet in eine Begegnung hineinzustolpern war zu viel für mich.

Ich spähte durch meine Strähnen und an mehreren Settangblättern vorbei zu dem Meermann, welcher sehr viel jünger als ich zu sein schien. Sein Gesicht wirkte weich, sein Körper drahtig und nicht sonderlich muskulös. Die schwarzen Knoten-Haare wirbelten um seinen Kopf herum, als steckten sie noch mitten in einer Strömung, während seine schwarze glatte Flosse in seltenen Lichtflecken aufleuchtete. Insgesamt machte er den Eindruck, als sei er stark, aber jung. Und Mutig.

„Hey!“, rief er plötzlich aus und ich duckte mich tiefer zwischen meine Haare und den Seetang. „Ich kann dich sehen!“

Jetzt schreckte ich auf und schnalzte unkontrolliert mit der Schwanzflosse. Ich stolperte aus einem dichten Bündel Seetang und trat den Rückzug an. So schnell ich konnte schwamm ich zurück zu Betsy, die mich mit besorgten Planken empfing. Flüchtend wollte ich in ihrem Inneren in Sicherheit tauchen, doch da blitzte die schwarze Schwanzflosse zwischen dem grün neben mir auf und ich bog verschreckt weg.

Ich wollte ihm nicht begegnen! Er hatte mutig und aufdringlich geklungen, außerdem etwas frech und trotzig. Trotzdem mochte ich seine Stimme. Und das mochte ich am allerwenigsten!

„Jetzt warte mal!“, rief er erneut und ich hatte kurz nicht aufgepasst. Ich verfing mich mit meinem Arm in einem Haufen meines selbstgezüchteten Seetangs und hing damit fest. Verdammt! Diesen Seetang hatte ich wegen seines Geschmacks gezüchtet und nicht wegen seiner Fähigkeit kleinere Fische bis zum Tode zu verflechten. Unkontrolliert schnalzte ich mit der Flosse, zerrte an meiner eigentlichen Leibspeise und sah aus dem Augenwinkel, wie der Meermann neben mir auftauchte. Ich wich zurück, soweit es mein eingewickelter Arm zuließ und hoffte das er mich nicht beschimpfen würde.

Ich war aber auch dumm! Ließ mich von einer blöden Pflanze fangen, die dazu gedacht war von mir verspeist zu werden! Dumm, dumm, dumm!

„Entschuldige, hey, ganz ruhig...“, sprach der Fremde plötzlich und ich hob vorsichtig den Blick. Zwischen meinen Haaren dürfte er mein Gesicht eigentlich nicht sehen, wie ich hoffte, doch als er näher kam, zerrte ich wieder an dem Seetang. „Warte, warte, du tust dir noch weh!“, machte er plötzlich streng und ich erstarrte. Da war es, diese nette Stimme konnte als doch böse klingen!

Plötzlich berührte er meinen Arm und ich hob den anderen um ihn mir schützend vor das Gesicht zu halten. Er durfte meinen Mund nicht sehen! Sobald er meinen Mund sehen würde, würde er mich verspotten, verscheuchen oder mit Steinen nach mir werfen!

„Da hast du dich aber eingewickelt.“, murmelte er ernst und begann an den Blättern zu ziehen und meinen Arm etwas zu befreien. Ich wagte es nicht mich zu bewegen, beobachtete voller Furcht und Unsicherheit wie er seinen Blick angewidert auf das Blätter Geflecht hielt.

„Ich hasse Seetang. Ätzendes, nervendes Zeug!“, spuckte er aus und ich sah zu Boden. Da hatten wir es! Seetang war ätzendes, nervendes Zeug! Wie konnte ein normales Wesen dieses ätzendes Zeug mögen? Also war ich nicht normal und wenn ich ätzendes Zeug fraß, dann war ich auch ätzend.

„Jetzt wo du gerade stillhältst: wer bist du?“, fragte er plötzlich und ich bemerkte dass ich noch etwas von meiner Leibspeise zwischen den Zähnen hatte. Das durfte er nicht sehen! Bis jetzt wusste er ja nicht dass ich dieses ätzende Zeug fraß. Ich versteckte mein unteres Gesicht hinter meinem Arm und meinen Haaren.

„Sp... Spikey...“, stotterte ich und er sah mir direkt in die Augen. Ich schreckte zurück und sah auf meinen Arm. „Spikey? Schöner Name. Hab ich noch nie gehört. Ich bin Aaron. Aaron Seetang.“, stellte auch er sich vor und ich sah ihn überrascht an. „Seetang?“, fragte ich und er machte ein nicht ganz so fröhliches Gesicht. Warum hieß er denn so, wie ätzendes Zeug? „Na ja, für seinen Namen kann man halt nichts, ne?“, machte er und ich legte den Kopf schief.

„Warum? Durftest du dir keinen Namen aussuchen?“

Er schien von meiner Frage überrascht und ich sah wieder weg.

„Du bist mir ja einer... Dein Name wird doch von deinen Eltern festgelegt.“, sagte er und beinahe klang es wie eine Frage.

„Ich... Ich habe mir meinen Namen selbst ausgesucht.“, erzählte ich und Aaron schmunzelte, während seine flinken Finger einen Knoten nach dem anderen lösten. Der Druck auf meinem eigenwickelten Arm ließ nach und ich glaubte ihn bald befreien zu können. „Selbst ausgesucht, aha.“, machte er nur und ich hatte das Gefühl wieder etwas Falsch gemacht zu haben. Doch Aaron wirkte bisher nicht sonderlich böse. Er war nett und seine Hände waren sanft.

Ich mochte es mit ihm zu sprechen, weswegen ich mutig den Kopf hoch – immer noch halb versteckt – und ihn etwas fragte. „Woher kommst du?“

Er stoppte kurz und seufzte dann schwer. „Aus Korallenriff. Dort, wo du eigentlich auch sein solltest.“ Tadelnd sah er mich an und ich wich ihm aus.

Unwohl schwieg ich und ließ meine Schwanzflosse hin und her wandern, während mein Arm langsam frei wurde. Aaron war nett, aber mir machte seine strenge Stimme Angst. Er stoppte kurz und schien dann das Thema wechseln zu wollen. „Ich hab dich hier noch nie gesehen.“, stellte er fest und ich – ermutigt durch die ruhige Art wie er sprach – hob wieder den Blick. „Ich verstecke mich auch gut!“, sagte ich stolz. „Betsy passt gut auf mich auf.“

„Betsy?“

„Sie ist meine Freundin.“

„Das heißt, es gibt noch mehr die hier, außerhalb von Korallenriff leben?“

Ich nickte und passte dabei auf, dass meine Haare vor meinem Gesicht blieben und nicht ausversehen etwas preisgaben. „Wow, also ist es doch möglich.“, sagte er und ich hörte Freude aus seiner Stimme heraus. Ich sah seine Hände an. „Möchtest du Betsy kennenlernen? Sie ist wunderschön.“, schlug ich leise vor und in dem Moment löste sich der große Knoten in dem mein Arm festgehangen hatte. Aaron ließ meinen Arm los und ich blieb unschlüssig auf derselben Stelle stehen. Er hatte noch nicht geantwortet, weswegen ich erwartungsvoll die Luft anhielt.

„Hmm...“, brummte er zweifelnd und ich wich etwas zurück. „Du musst nicht, tut mir Leid, ich wollte dir nicht deine Pläne kaputt machen! Du hast sicher noch anderes zu tun, wie dem auch sei, war schön dich kennengelernt zu haben, tut mir Leid, danke für das Befreien und Entschuldigung für das Wegschwimmen-“

„Halt, warte!“, rief Aaron aus und griff nach meinem Arm, bevor ich abhauen konnte. Er hielt mich nicht grob fest, doch trotzdem zuckte ich zusammen. „Ich würde mich sehr freuen, Betsy kennenzulernen.“, sagte er schnell und ich blickte überrascht auf. „Wirklich?“

Er nickte und ich lächelte breit, was er hoffentlich nicht sehen konnte. Ich hielt einen Arm konsequent erhoben und als er mich los ließ schwamm ich langsam an ihm vorbei. „Folge mir! Sie wird sich sicher freuen!“, machte ich glücklich und Aaron folgte mir trotzdem noch etwas zweifelnd. Ich sah in seinem Gesicht Unwohlsein, weswegen ich mich beeilte. Unterwegs fand ich noch Splitter und Glasscherben, die ich noch nicht aufgehoben hatte, weswegen ich es jetzt schnell tat. „Was tust du da?“, fragte Aaron und ich versteckte die spitzen Gegenstände etwas vor ihm. So alleine waren sie nicht schön und wirkten leider nicht, weswegen ich nicht wollte das er sie so sah.

„Äh, ich... die sind für Betsy.“, erklärte ich nur und schwamm hastig los. Ich hörte, dass Aaron zögerte und schalte mich innerlich. Ich sollte nicht so abweisend sein! Ich drehte mich ihm zu und ließ ihn einen kurzen Blick auf die scharfen Gegenstände werfen.

„Du bist nett.“, sagte ich und meinte es so, wie ich es sagte. Er jedoch zog einen Mundwinkel unsicher hoch und wirkte verstimmt. Ich wandte mich wieder nach vorne, schnalzte unruhig mit der Schwanzflosse und hoffte das es kein Fehler war ihm meine Betsy zu zeigen. Nicht, dass er sie verletzten würde!

In dem Moment kamen wir bei ihr an und ich machte mich daran, die eingesammelten Stückchen schnell an ihre Plätze zu verteilen. „Darf ich vorstellen:“, begann ich und schwamm an ihrem glitzernden Bug hinauf. Aaron wartete unten, direkt neben dem Eingang.

„Das hier ist Betsy!“, strahlte ich und meine Schönheit glitzerte verlegen. Sie hatte selten Besuch und Aaron war schon ein hübscher. Da konnte sie schon mal schüchtern werden.

„Wo?“, fragte er jedoch und ich schwamm hastig neben ihn. „Vorsichtig! Sie ist sehr schnell beleidigt!“, warnte ich ihn leise und sah mein Heim an. „Er freut sich, dich kennenzulernen!“, sagte ich laut und wandte mich dann wieder an ihn. „Sie freut sich auch. Herzlich Willkommen.“

Ich grinste freundlich hinter meinen Haaren und hoffte, dass er sie mochte, doch in seinem Blick war Unverständnis. Ich sah an meiner Betsy hoch und entdeckte eine Stelle, an der ein Anker fehlte. Ein hochglanzpolierter Anker. Oh nein! Er musste den Makel bemerkt haben! Ich schwamm los um ihn zu suchen und fand ihn nur ein paar Meter weiter im Dreck. „Das tut mir Leid, Betsy, entschuldige!“, machte ich unwohl und schleppte das Ding zurück an seinen Platz. Grob wischte ich mit meinen Händen den Dreck Weg und traute mich gar nicht zu Aaron zu sehen. Er musste unglaublich pikiert sein, schließlich hatte ich eines der schönsten Details übersehen!

Ich blickte ihn vorsichtig an, als er plötzlich die Augenbrauen hochzog. „Ach, äh... ach so!“, machte er und sah dann an Betsy hoch. „Das ist... Betsy.“, schien er festzustellen und ich nickte verwirrt. Hatte ich das nicht gesagt?

Aaron wich etwas zurück und betrachtete sie von oben bis unten. Seine Augen wanderten an den glänzenden Gegenständen vorbei und über das alte morsche Holz. Ich schwamm schnell dazwischen. „Nicht! Betsy ist noch nicht ganz fertig! Sie schämt sich für das Holz.“, sagte ich und Aaron runzelte die Stirn. „Oh, ach so. Tut mir Leid.“

Ich merkte dass ich ihn verschreckt hatte und plötzlich wurde mir bewusst das dies eine der ersten Unterhaltungen war, die ich ohne Probleme mit einem anderen Meermenschen hatte. Sofort kämmte ich mir die Haare weiter vors Gesicht und rieb mir über die Arme. „Äh, wir... wir haben nicht oft Besuch.“, murmelte ich und sah zu Boden. „Das habe ich mir gedacht.“, entgegnete Aaron etwas amüsiert und ich zuckte unwohl mit der Schwanzflosse.

Plötzlich war ich wie gehemmt. Eine richtige Unterhaltung! Was machte man jetzt? Wir hatten uns vorgestellt und er hatte auch schon Betsy kennengelernt. Sollte ich ihm etwas zu Essen anbieten? Doch außer Seetang hatte ich nichts und ich hatte nicht aufgeräumt, also konnte ich ihn auch nicht hereinbitten.

„Sag mal, warum versteckst du dich denn so?“, fragte Aaron plötzlich und ich bemerkte wie meine Haare etwas heraufwallten. Ich kämmte sie zurück.

„Weil... weil du mich dann nicht mehr mögen würdest.“, entgegnete ich ohne nachzudenken und holte dann erschreckt Luft. „Magst du mich denn überhaupt?“, fragte ich besorgt, woraufhin er amüsiert grinste. „Wie kann man dich nicht mögen? Bist zwar ein bisschen komisch...“

„Entschuldige!“, rief ich beinahe aus und sah zu Boden. „Tut mir Leid, ich bin wirklich komisch! Bitte hass mich nicht!“

Aaron schwieg überrumpelt und schwamm dann vorsichtig auf mich zu. „Das ist doch nichts Schlechtes.“, sagte er und ich hielt meine Haare fest, sodass ich zwar noch zwischen ihnen hindurchsehen konnte, sie aber mein Gesicht noch überdeckten. Ich seufzte erleichtert. „Dann ist ja gut...“, murmelte ich und plötzlich war Aaron direkt vor mir. Ich schreckte auf und stieß mir den Kopf an einer losen Planke. „Auwa!“, jammerte ich und hielt mir den Kopf.

Im gleichen Moment berührte mich etwas im Gesicht und ich stellte mit Schrecken fest, dass Aaron nur Zentimeter von meiner Nase entfernt war. Er war hinter meiner Haar Barriere, die langsam auseinander driftete. Ich wagte es nicht mich zu rühren, aus Angst dass er vor mir zurückweichen und wegschwimmen würde. Das durfte nicht passieren! Nicht, nachdem ich mich so mit ihm angefreundet hatte!

„Wow.“, sagte er und hob die Hand. Ich ließ die Arme sinken und kniff Lippen und Augen zusammen. Ich spürte wie er meinen Nasenrücken berührte. „So was hab ich noch nie gesehen!“, sagte er und ich hörte keine Angst aus seiner Stimme. Genauso fehlte die Abscheu oder die Wut. Ich zog die Schultern hoch und spürte wie er mit zwei Fingern über meine Wange fuhr.

„Tut das weh?“, fragte er und ich schüttelte leicht den Kopf. Eigentlich verstand ich die Frage nicht. Was sollte denn wehtun?

„Hm sieht aber seltsam aus. Mach mal die Augen auf.“, bat er und ich schüttelte den Kopf. „Warum?“ Ich verzog die Lippen etwas, doch ich konnte nur sprechen wenn ich meine Zähne entblößen würde, weswegen ich also den Kopf weiter zwischen die Schultern zog.

„Kannst du nicht mehr Sprechen? Zunge verschluckt?“

Er klang scherzend und irgendwie war es ja auch lustig, doch ich wollte einfach nicht, dass er wegschwimmen würde, also öffnete ich wenigstens die Augen und sah ihn zweifelnd an.

„Man ey, du bist sicher doppelt so groß wie ich und traust dich nicht mal mir in die Augen zu sehen.“, stellte er etwas belustigt fest und ich runzelte die Stirn. Seine Augen waren tief schwarz und die wilden Locken wallten sanft um sein Gesicht. Er war tatsächlich deutlich jünger als ich und wesentlich kleiner. Deswegen musste ich ja auch so aufpassen. Ich war größer und gruseliger und konnte ihn sicher leichter verschrecken.

„Sag doch mal was!“, verlangte er und ich kniff die Augen zu.

„Geh bitte etwas weg!“, rutschte es plötzlich aus mir raus und Aaron zuckte leicht zurück. Ich mochte es nicht, wenn man mich so drängte!

„Na also, du kannst ja sprechen.“, entgegnete er und ich sah ihn vorsichtig an. „Natürlich kann ich sprechen. Du hast mich doch eben gehört.“, machte ich unsicher und drehte das Gesicht weg, da er mich immer noch mit diesen tiefschwarzen Augen ansah. In dem offenen Gesicht waren sie wie zwei tiefe Felsspalten die ungeahntes in ihnen verbergen konnten.

„Ich... du hast jetzt sicher Angst vor mir.“, sagte ich und hielt wieder die Arme hoch, doch Aaron drückte sie wieder runter. „Ach was, wieso denn?“, fragte er und ich runzelte die Stirn. „Na... weil...“, murmelte ich und versuchte die Lippen geschlossen zu halten.

„Ach, wegen der Zähne?“, fragte er rund heraus und ich nickte verschämt. „Pfft, komm schon! Es gibt noch jede Menge anderer Hai-Arten, die deutlich gefährlichere Zähne haben als du! Allein die Neptanische Wache ist voll von euch.“, erklärte er und ich sah ihn immer noch unsicher an. „Also... hast du keine Angst?“

„Ach, wieso denn? Bist doch nett, oder?“

Ich nickte und konnte mir ein erschöpftes seufzen nicht verkneifen. Plötzlich war ich unglaublich glücklich! Ich wollte ihm am liebsten auch mein Heim von Innen zeigen, ich wollte ihm etwas zu Essen kochen, ich wollte mich mit ihm unterhalten, weswegen ich seine Hände in meine nahm.

Ich musste breit Lächeln.

„Das ist ja toll! Ein Freund!“, rief ich aus, als er überrascht vor mir zurückzuckte und etwas Abstand nahm.

„Ja, äh, Freunde. Aber wenn du so breit grinst sieht das schon etwas gruselig aus.“, merkte er an und ich hielt mir die Hände vor den Mund. „Entschuldigung.“, nuschelte ich. „Ich bin nur so glücklich!“ Er nickte und grinste dann etwas verschämt.

„Na ja... ist wahrscheinlich nur Gewöhnungssache. Aber du machst das nicht extra, oder?“

Ich schüttelte den Kopf und sorgte damit dafür dass mir die Haare wieder vor meinem Gesicht wallten. „Nein, entschuldige.“, murmelte ich und beobachtete wie Aaron eine Hand durch seine Haare fahren ließ. Sie wilden Locken wanden sich in und umeinander. Faszinierend.

„Hm, eine Sache noch... du bist ja ein Hai, nicht?“

Ich nickte.

„Dann... frisst du doch auch Fleisch, oder?“

Ich sah ihn verwundert an. „Na ja, ich möchte nur sicher gehen, dass du mich nicht plötzlich anfällst oder so.“

Ich sah ihn entsetzt an. „Was?! Niemals! Ich würde dich niemals fressen!“ Hastig schwamm ich an ihm vorbei und rupfte einen Büschel Seetang aus dem Boden. „Niemals! Ich hasse Fleisch! Ich esse nur Seetang!“, rief ich aus und verputzte direkt das ganze Büschel um ihm zu demonstrieren wie ungern ich Fleisch fraß. Fleisch und Blut machten mir Angst, weil ich mich danach an nie etwas erinnern konnte. Außerdem wurde ich dann immer alleine gelassen. Nein, nein, nein, Fleisch war schlecht!

„Hey, hey, ist ja gut! Ich glaub es dir.“, schwamm Aaron auf mich zu und hielt meine Hand fest. „Du verklebst dir nur die Zähne!“ Ich stoppte und kaute schwerfällig. Tatsächlich hatte ich ein wenig zu viel im Mund und konnte mir mit der Zunge nicht genug Seetang aus den Zähnchen pulen. „Schiechst du? Isch mag nur Scheetang.“, lispelte ich und hustete leicht.

Aaron seufzte schwer und wischte mir grob über den Mundwinkel.

„Unfassbar... Wie hast du eigentlich bis jetzt überlebt?“

Ich ließ die Arme sinken und wartete bis er mit den Händen weg war bevor ich antwortete. „Betschy hat misch beschütscht. Und isch Schmücke schie dafür. Wir schind schehr gute Freunde...“

Mit jedem Wort das ich weiter verlor schien sich das Gesicht Aarons zu verändern. Eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen und ich zog den Kopf zwischen die Schultern.

„Pass mal auf, wir sind ja jetzt Freunde, ne?“, begann er plötzlich und ich sah nickend auf. „Hm, also ich will jetzt mal was ausprobieren.“ Damit streckte er die Hand zu meinem Mund aus und ich schloss die Lippen fest aufeinander damit er sich nicht verletzten würde. „Mund auf!“, verlangte er und ich schüttelte den Kopf. Er runzelte unzufrieden die Stirn.

„Nun komm schon! Wenn du den Seetang zwischen den Zähnen verrotten lässt, wirst du noch krank davon!“ Unwohl sah ich ihn an. „Wirklisch?“

„Ja natürlich! Die meisten Krankheiten werden durch verfaulende Pflanzen übertragen!“

Ich sah zu Boden, weil es sich anfühlte als hätte ich etwas dummes getan.

„Also wirklich, wie hast du nur überlebt?“

Ich wollte ihm wieder von Betsy erzählen, weil er wieder gefragt hatte, doch da bedeutete er mir zu schweigen. „Na komm, mach einfach auf. Ich bin auch vorsichtig. Und wenn du dich nicht bewegst und stillhältst sind wir ganz schnell fertig.“

Ich wand mich, zögerte und machte dann ganz vorsichtig den Mund auf.

Ich beobachtete beunruhigt wie Aaron mit seinen langen eleganten Fingern zwischen meine Zähne griff und behutsam ein Seetangfetzten nach dem anderen herauszog. Meine Kiefermuskeln spannten und wenn ich nicht aufpasste dann würde ich meinem Freund noch auf die Finger beißen, weswegen ich meine Hände ineinander verknotete und hoffte das er schnell fertig werden würde.

„Schon seltsam. Erst werde ich von der Strömung zu weit mitgerissen, dann lande ich hier auf einem einzelnen Plateau und dann treffe ich den wohl seltsamsten Meermann von ganz Korallenriff.“, erzählte Aaron und ich machte ein ganz leises ’Ah’, damit er wusste dass ich ihn gehört hatte.

„Aber weißt du was. Es war bestimmt kein Zufall das wir uns kennengelernt haben.“, machte er und ich sah ihn überrascht an um der Versuchung zu wiederstehen zu sprechen. „Weißt du, ich habe noch nie ein so ehrliches Meerwesen wie dich getroffen. Und ich habe keine Lust mehr auf das ganze Theater in Korallenriff.“

Ich seufzte leise und fragend.

„Nein, es ist überhaupt nicht toll dort.“, erzählte er und runzelte die Stirn. „Neptun hat sich abgesetzt, sein Sohn soll demnächst übernehmen... Ein Machtwechsel steht bevor und diese Neptanische Wache ist auch nicht mehr das wahre. Diese Haie, die planen bestimmt was... Nichts gegen dich. Korallenriff geht zugrunde und ich will nicht mehr da sein, wenn es passiert.“

Erschüttert von den Worten trat eine tiefe Furche zwischen meine Augenbrauen auf. Aaron sah sie und seufzte schwer. „Aber weißt du was? Das soll dich nicht beunruhigen. Du lebst hier draußen sicher und scheinst jede Menge Vorräte zu haben.“ Damit zog er seine Hände zurück und ich wackelte ein wenig mit dem Kiefer. Vorsichtig leckte ich um die Zähne.

„Danke. Aber dann ist Korallenriff ja gefährlich! Wir müssen die Meermenschen dort warnen!“

Aaron machte ein amüsiertes Geräusch und schnippte einen Seetangfetzten weg. „Das wird die Leute dort nicht interessieren. Die halten noch an ihrem System fest. Auch wenn es auseinander fällt.“

„Aber dann...“

„Spikey.“, unterbrach mich Aaron und berührte meine Hand. Sein Blick war unwohl zur Oberfläche gerichtet. Es wurde schon etwas dunkel.

„Mach dir keinen Kopf. Kümmer dich um Betsy, okay? Ich muss jetzt langsam wieder zurück.“

Ich ergriff seine Hand.

„Aber wo musst du denn hin?“

Ich wollte ihn noch nicht gehen lassen. Mir war schwindelig von den ganzen Sachen die er mir erzählt hatte und wenn er jetzt ginge würde mir sicher nur noch schwindeliger werden.

„Nach Hause. Aber ich komme morgen wieder, versprochen.“

„Ehrenwort?“

Er drückte meine Hand, die seine festhielt.

„Versprochen. Ich muss jetzt aber wirklich los. Die Strömung wird sonst zu stark.“

Ich nickte und ließ seine Hand los.

„Oh... okay. Bis morgen, dann?“

Er winkte zum Abschied und schwamm dann rasant davon. Er war unglaublich schnell! Ich schwamm ihm nur ein paar Meter nach, bevor ich anhielt und seiner schwarzen Silhouette mit den Augen folgte. Ich fühlte über meine Zähne und meine Brust.

Sie fühlten sich seltsam an.
 

Das musste ich Betsy erzählen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  LaLuma
2012-12-01T10:15:32+00:00 01.12.2012 11:15
Eigentlich hatte ich es schon gestern morgen gelesen, kam aber nicht dazu, dir nen Kommentar zu schreiben °__°

Ich bin ja kein großer Geschichtenschreiber oder so. Ich schreibe ja gar keine Geschichten xD Aber was mir im 1. und jetzt auch im 2. Kapitel aufgefallen ist: Du schreibst sehr oft "schnalzte". Also "Ich schnalzte mit meiner Flosse" usw. Da würde ich an deiner Stelle andere Synonyme für verwenden, für mich klang das sehr oft wiederholt @@ Und ich glaube ich hatte irgendwo zwei kleine flüchtige Rechtschreibfehler gesehen, aber ansonsten war da nichts auffallendes. xD

Das erste Treffen der beiden fand ich irgendwie niedlich xD Spikeys Verhalten ist einerseits schon ziemlich traurig und andererseits schon so putzig >.< In dem kapitel merkt man schon den Unterschied, dass Spikey sich bemüht,mit den anderen mitzuschwimmen während Aaron gegen den Strom schwimmt. Unterschiedlicher könnten Beide nicht sein xD

Am meisten liebe ich die Szene, wo Betsy vorgestellt wird! :3
Fand ich sehr amüsant! XD

Ich lese zwar selten Geschichten, aber ich muss sagen.. es macht fun :3 Also gib mir mehr Stoff! ♥
Von:  Salix
2012-11-14T14:55:40+00:00 14.11.2012 15:55
Hallo.

Also ersteinmal ich mag die Geschichte schonmal richtig gerne. Liegt unter anderem daran, dass ich Wasserwesen toll finde. Richtig gut an der Geschichte finde ich auch, dass deine Charaktere nicht die typischen Meermänner(frauen) sind. Man merkt, dass du dir viele Gedanken über die Charas gemacht hast und sie gut ausgearbeitet hast.
Spikey würde ich am liebsten durchknuddeln, damit es ihm ein bisschen besser geht. Auch die Beschreibung der Unterwasserwelt gefällt mir.

Eine Sache hat mich allerdings beim Lesen sehr irritiert. "Wörtliche Rede", machte ich/machte er.
Machte ist an dieser Stelle falsch. Machen hat überhaupt nichts mit sprechen zu tun. Du kannst, meinte, flüsterte, wisperte, grollte, quietschte, erklärte, stellte ich fest, gab ich zurück und einiges mehr als Synonym für sagte an dieser Stelle verwenden, aber nicht machte.
Das Wort machen zeigt eine Handlung an, kein Gespräch.
Deine Dialoge haben mich deswegen verwirrt. Es tut jedem Dialog gut, wenn nach der wörtlichen Rede Begriffe verwendet werden, die dem Leser mitteilen, wie ein Charakter etwas sagt.
"Du bist aber ein wenig komisch, nicht?", grinste Aaron zum Beispiel oder auch : "Geh weg!", wisperte ich, m anzuzeigen, dass Spikey verängstigt ist.

LG



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