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Tenshi meiner Seele

Verzweifelte Liebe
von

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Prolog

Prolog
 

Er blickte sich um. Große, eindrucksvolle Säulen erhoben sich und trugen die Decke. Eine Wendeltreppe wand sich um eine dieser Säulen herum nach oben, schmal und doch graziös. Der fensterlose Raum war leer, nur einige wenige Stühle standen hier, so, als wären sie vergessen worden. Und alles, die Wände, die Treppe, die Säulen, alles war in den unterschiedlichsten Grauschattierungen gehalten. Es war stockduster, kein normaler Mensch könnte hier auch nur seine Hand erkennen. Aber er war kein normaler Mensch, nein, das war er wahrlich nicht. Seine rotglühenden Augen bohrten sich in die Dunkelheit vor ihm, zeigten ihm jeden Winkel, jede noch so kleine Ecke dieses Zimmers, ohne, dass er wirklich etwas sah. Er saß da und starrte. Und er wartete. Seine Hand ballte sich zur Faust, und er musste sich zwingen, sie wieder zu entspannen. Tief einatmen. Ausatmen. Einatmen. Er durfte niemals, aber auch wirklich niemals, die Beherrschung verlieren. Denn er wusste jetzt, wozu er fähig war.

Leise quietschend öffnete sich die Tür. Eine kleine Frau trat ein und schloss die Tür vorsichtig wieder hinter sich. Ihre Bewegungen waren ruhig und bedächtig, ihre Hände hielt sie in die Luft, zeigte, dass sie keine Gefahr war. Einatmen. Ausatmen. Er entspannte sich ein wenig, ließ seine Hand zurück in seinen Schoß sinken, obwohl er am liebsten sofort ein Shuriken nach ihr geworfen hätte. Stattdessen taxierte er sie mit seinen unheimlichen Augen, versuchte sich alles in Erinnerung zu rufen, was er über sie wusste. Viel war es nicht. Sie hieß Konan und war die rechte Hand von Pain, dem Anführer von Akatsuki. Ihre Kampftechniken basierten auf Origami und sie war als S-Rang Kriminelle eingeordnet worden, obwohl sie nicht sonderlich stark war. Soweit er gehört hatte lagen ihre Fähigkeiten eher im Umgang mit Menschen; er würde sich vor ihr hüten müssen.

Direkt vor ihm blieb sie stehen, musterte ihn, bevor sie ihre perfekten Augenbrauen in die Höhe zog.

„Uchiha Itachi“, sagte er, obwohl er wusste, dass sie nicht seinen Namen wissen wollte, sondern den Grund für sein Kommen.

„Konan.“ Ohne mit der Wimper zu zucken konterte sie.

„Ich weiß.“ Stumm saß Itachi da und wartete, dass Konan noch etwas sagte. Es war ja wohl klar, warum er hier war. Dennoch schien sie zu erwarten, dass er das Offensichtliche aussprach. Er schnaubte innerlich.

„Ich möchte Akatsuki beitreten.“ Mehr sagte Itachi nicht, und schon jetzt fand er, dass das mehr war, als nötig gewesen wäre.

„Schön“, sagte Konan. „Ich bringe dich zum Leader.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zielstrebig auf die Wendeltreppe zu. Itachi erhob sich und folgte ihr, nachdem er sich einmal kurz gestreckt hatte, um seine Muskeln zu lockern. Er fühlte sich unwohl dabei, der Tür den Rücken zuzukehren, musste sich regelrecht dazu zwingen. Wann war er nur so paranoid geworden?

Im Gehen griff Konan nach einer Fackel, was Itachi mehr über sie verriet, als sie dachte. Sie kennt dieses Haus in und auswendig; sie verlässt es nicht oft. Wahrscheinlich brauchte sie die Fackel gar nicht. Und er brauchte sie erst recht nicht. Im Gegenteil, das flackernde Licht tat in seinen Augen weh, doch er wagte es nicht, sein Sharingan abzulegen. Mit seinen roten Augen erforschte er die Umgebung, achtete auf jedes Detail. Auf den Gang, der sich über ihnen aus der Dunkelheit schälte und das erste Stockwerk bildete. Auf die leeren Fackelhalterungen, wo niemand eine neue Fackel hineingestellt hatte. Auf die vielen Türen, die den Gang säumten. Doch vor allem achtete er auf Konan. Wie sie sich bewegte, ob sie ihn angreifen würde. Wo sie ihre Waffen versteckt hatte. Stark bewaffnet war sie nicht – und das war eindeutig verantwortungslos. Als sie sich plötzlich umdrehte, hätte Itachi sie beinahe zum zweiten Mal getötet, und wieder ging sein Atem viel zu schnell. Einatmen. Ausatmen. Konan zögerte kurz, dann klopfte sie schnell und entschlossen, bevor sie die Tür öffnete ohne eine Antwort abzuwarten. Vorsichtig trat Itachi hinter ihr durch die Tür, drehte sich um und starrte dem Mann hinter dem wuchtigen Schreibtisch direkt in die Augen. Mit einem einzigen Blick hatte Itachi den ganzen Raum erfasst, wusste, wo sich Waffen befanden, dass man nur durch die Tür rein und raus kam. Die Wände waren von Regalen mit Trophäen und Akten gesäumt. Doch was ihn wirklich fesselte, waren die Augen. Die dünnen Linien, die sich durch sie zogen und Kreise bildeten, die fehlende Iris. Das war also Pain, der Anführer Akatsukis.

Keiner von ihnen, weder Itachi noch Pain, wandten den Blick voneinander ab. Sie lieferten sich ein stummes Duell.

„Uchiha Itachi“, sagte Pain schließlich. „Was wollt ihr von mir und Akatsuki, was ihr nicht schon habt?“ Seine Stimme dröhnte durch den ganzen Raum.

Er wollte Schutz, damit er sich nicht vor anderen Ninjas verstecken musste, wenn er seinen Plan umsetzte. Er wollte nah an Madara dran sein. Aber das konnte er ja schlecht sagen. Es wurde Zeit zu sehen, wie gut seine „Maske“ war.

„Neue Herausforderungen“, antwortete er also und klang dabei arrogant und abfällig. Vielleicht zu abfällig. Nicht mehr lang, und er klang wie sein Vater, wenn er über die Dorfbewohner redete. Schmerz durchflutete Itachi.

Blut an den Wänden, ein seltsam verdreht liegender Körper auf dem Boden, in ihm steckte Itachis Kunai. Das Entsetzen, dass er nichts fühlte. Dass ihn dieser Mord kalt ließ, dass ihn das ganze Massaker nicht ein auch nur ein bisschen berührte.

Verdammt. Er musste diese Erinnerungen loswerden. Dringend.

Pain musterte ihn lange, dann lächelte er. Und dieses Lächeln war mörderisch.

„Willkommen in Akatsuki.“

Rache

"Rache ist ein Geständnis des Schmerzes" Lucius Annaeus Seneca
 

Rache
 

Jahre war es her, dass der Anführer gestorben war. Jahre der Trauer, Jahre des Zweifels. Doch jetzt waren alle Zweifel verschwunden, war die Zeit der Trauer vorbei. Lange war er fort gewesen, hatte die Stadt verlassen, bevor seine Wut ihn zu einer falschen Handlung trieb. Bevor er die Mörderin des Anführers umbrachte. Doch jetzt war er zurück, war wieder an dem Ort, an dem der Anführer gestorben war. Er hatte sogar die Mörderin gesehen, ein einziges Mal nur. Es hatte gereicht. Hatte gereicht, um all seinen Zorn wieder hochkochen zu lassen, um zu merken, dass es keine falsche Handlung gab, dass er sie töten sollte, obwohl der Anführer sie geliebt hatte. Um zu spüren, dass ein einfacher Tod nicht grausam genug für sie war. Er wusste, was er zu tun hatte, was ihr Schreie der Qual entlocken würde. Und er würde jede blutige Sekunde genießen.

Itachi beugte sich vor, besah sich die Wunden der Frau. Zweifellos war sie erstochen worden, wahrscheinlich mit einem Dolch. Langsam ließ er den Blick an ihr hinaufgleiten, machte sich ein Bild von ihr. Sie war schön und hatte eine unverkennbare Ähnlichkeit mit Konan. Sogar ihr Haar war blau, obwohl es eindeutig gefärbt war. Er schätzte, dass der Knoten, in dem ihr Haar zusammengebunden war, erst der Mörder gemacht hatte – keine Frau war so nachlässig. Über all das hätte er aber noch hinwegsehen können, wäre da nicht die blaue Rose gewesen, die in ihrem Haar steckte. Diese Frau sollte Konan darstellen.

„Ihr sagtet, sie wäre bereits das fünfte Opfer?“, fragte Itachi Osharam Nagi, den Polizisten, der für die Morde zuständig gewesen war, bevor Pain ihn darauf angesetzt hatte.

„Mindestens“, antwortete Osharam ihm. „Möglicherweise haben wir sie nicht alle gefunden. Bisher waren alle Waisen, die niemand vermisst gemeldet hatte.“ Bis jetzt. Chakina Sumata, die Tote, hatte zu einer der prominentesten Familien der Stadt gehört. Sie war der Grund, weshalb Pain Itachi hierhergeschickt hatte – ihr Bruder, Chakina Moroi, hatte darauf bestanden.

„Habt Ihr Namen?“, erkundigte Itachi sich.

„Nur von einer. Sie hieß Airi – das arme Ding hatte gerade Arbeit gefunden.“

Mit anderen Worten, sie hatte es von der Straße geschafft, nur um dann umgebracht zu werden. Dennoch konnte er kein Mitleid für sie empfinden, so wie er auch kein Mitleid für Chakina hatte. Er wusste nicht einmal, wie sich diese Art der Anteilnahme anfühlte. Einer seiner vielen Fehler.

Dunkelrotes Blut an den Wänden, auf seinen Kleidern, auf seinem Kunai.

Dunkle Tränen, fast schwarz, fallen von der Decke auf den Boden, wo sein Vater liegt. Tot, die Augen aufgerissen, anklagend, als wolle er sagen: „Du hast uns verraten. Sohn, du hast uns verraten.“

Schnell schüttelte er die Erinnerung wieder ab, seine einzige Reaktion war ein kurzes Blinzeln.

„Ich brauche alles, was Ihr über die anderen Ermordeten habt, auch Bilder“, sagte er jetzt. „Waren sie alle so zurechtgemacht?“

„So ähnlich. Alle mit blauen Haaren in einem Knoten und einer Blume.“

Sein Entschluss stand fest. Er musste mit Konan reden. Abrupt richtete er sich wieder auf, wandte sich zum Gehen, bis der Polizist ihn noch einmal ansprach: „Uchiha-san, die Berichte könnten ein Bisschen brauchen. Bei uns ist im Moment ziemlich viel los. Wenn Ihr also etwas Geduld hättet…“

Seine Stimme verlor sich und er trat von einem Bein auf das andere, als Itachi ihm direkt in die Augen starrte. Kurz glühten seine unheimlichen, roten Augen auf. Er war kein Uchiha mehr, hatte das Recht auf diesen Titel verwirkt, als er seine Loyalität aufgegeben hatte.

Du hast uns verraten.

„Morgen“, sagte er, seine Stimme war schneidend kalt. „Morgen will ich Ihre Notizen haben. Oder haben sie damit ein Problem?“

Drohend ragte er über Osharam auf.

„Nein, Uchiha-san, ich denke, das krieg ich-, also, das schaffe ich“, stammelte der Polizist. Verachtenswert. Kein bisschen Rückgrat.

Kurz sah er Osharam noch prüfend an, dann drehte er sich um und ging. Er hatte eine Menge Arbeit vor sich.
 


 

Das Papier kratzte, als sie die Kante mit ihrem Fingernagel nachzog, es zusammendrückte. Sie drehte es herum, faltete es noch einmal, bevor sie das hauchdünne Stück Origami-Papier wieder auffaltete. Knicken, nachziehen, hochdrücken. Ineinanderschieben. Vorsichtig schob sie den winzigen Kranich in die Mitte des Tisches. So zerbrechlich. Als würde er die Welt darstellen, ihre Ordnung. Ein winziger Stoß, und alles fällt in sich zusammen. Und alles ist anders.

In letzter Zeit war alles so ruhig gewesen, so unverändert. Konan wartete auf den Sturm. Denn er würde kommen. Der Sturm kam immer.

Ein lautes Klopfen durchschnitt die Stille, störte sie in ihren Überlegungen. Die einzige Vorwarnung war ein leises Quietschen, als die Tür aufging. Blitzschnell stand Konan auf, wirbelte zu dem Mann herum, der jetzt in ihrem Raum stand.

„Raus hier. Sofort.“ Nur mit Mühe konnte sie die Wut und den Schrecken in ihrer Stimme unterdrücken, schaffte es kaum, gefühllos zu wirken. Beinahe wäre jemand in ihr Zuhause eingedrungen, hätte ihre tiefsten Geheimnisse entschlüsselt. Schon dieser kurze Blick war gefährlich, sie konnte nicht wissen, wie viel er gesehen hatte.

Langsam beruhigte sie sich, stellte den Kranich in eines ihrer vielen Regale, bevor sie zu Tür ging und sich dem Mann draußen stellte.

Itachi lehnte an der Wand gegenüber dem Eingang ihres Raumes, die Arme verschränkt. Konan gab ihm keine Zeit zum Denken, sie griff sofort an: „Höflicherweise wartet man auf ein „Herein“, bevor man den Raum betritt. Ansonsten braucht man gar nicht zu klopfen.“

„Hätte ich das Klopfen lieber lassen sollen?“, fragte Itachi spöttisch, ohne die Miene zu verziehen. Er sah aus wie immer – ein Mann aus Eis, grausam, schneidend kalt.

„Betritt mein Zimmer nie wieder.“ Sie hatte keine Lust auf Spielchen.

„Schön.“ Er nickte. „Ihr wisst von den Morden, die ich im Moment untersuche?“

„Natürlich.“

„Kommt. Ich möchte euch etwas zeigen.“

Konan folgte Itachi in sein Zimmer, wo einige Blätter auf seinem ansonsten leeren Tisch lagen. Der Raum war spartanisch eingerichtet, das genaue Gegenteil zu ihrem Heim. Ihre Gemächer waren üppig mit Blumen und flauschigen Teppichen ausgestattet, bei ihr häuften sich die Kissen und die Wände wurden von Regalen voller Origami-Figuren verdeckt. Hier standen grade mal ein Bett, ein Stuhl und ein Tisch, ein Rucksack beherbergte Itachis gesamtes Habe.

Er bot ihr den Stuhl an, aber sie lehnte ab, blieb stehen. Langsam, beinahe zögernd, beugte er sich vor und breitete einige Papiere mit Fotos vor ihr aus.

„Seht euch einmal diese Bilder an“, sagte er, seine Stimme zerteilte die plötzliche Stille wie ein Peitschenschlag.

Es waren fünf Fotos. Auf jedem eine Frau. Und jede… Oh Gott.

Konan erstarrte, geschockt versuchte sie zu verstehen. Da war er. Das war der Sturm, auf den sie so lange gewartet hatte. Und auf einmal wünschte sie, er wäre noch nicht gekommen.

Das Kratzen des Stuhls auf dem Boden holte sie aus ihrer Starre. Itachi hatte ihn zurückgeschoben, damit sie sich besser setzten konnte.

„Wollt Ihr wirklich nicht sitzen?“ Obwohl er sich so kalt anhörte, klammerte sie sich an den Klang seiner Stimme, hielt sich in der Wirklichkeit.

„Diese Frauen sehen so aus wie ich.“ Bemerkenswert, wie ruhig sie selbst jetzt noch klang. „Ihr Haar, die Blume...“ Langsam setzte sie sich, griff nach einem der Bilder. „Das ist nicht ihr natürlicher Ausdruck.“

„Nein. Der Mörder hat ihr Aussehen verändert, es Euch angepasst. Aber auch so hatten ihre Gesichter eine leichte Ähnlichkeit mit Euch.“ Als ob er eigentlich sie hatte töten wollen. Ihr wurde übel.

„Ich bin Schuld an ihrem Tod.“

„Ansichtssache. Man könnte auch sagen, dass nur den Mörder dieser Frauen die Schuld trifft.“

Bedächtig hob sie den Kopf, sah ihm direkt in die leuchtend roten Augen. „Was glaubt Ihr?“

Itachi starrte sie an, gab durch keine Reaktion zu erkennen, dass er ihre Frage gehört hatte. Dann wandte er sich plötzlich ab, griff nach einem Bild. Auf einmal kam er ihr bedrohlich vor, gefährlicher als sonst irgendwann.

„Was ich glaube, tut nichts zur Sache. Wichtig ist nur, den Mörder zu finden.“ Er wies auf die Bilder, schob sie näher zu ihr. „Kennst du eine von ihnen?“

Konan zwang sich, die Frauen noch einmal anzusehen, das Blut zu ertragen, das sie verschuldet hatte.

„Nein“, hörte sie sich schließlich sagen. „Ich kenne sie nicht.“

Ein weiteres Bild schob sich in ihr Sichtfeld, Itachi hielt ihr das Foto hin, das er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte.

„Was ist mit ihr?“

Sie zögerte kurz, dann schüttelte sie den Kopf; zu mehr fühlte sie sich nicht in der Lage. Nur einen Augenblick später hatte Konan sich wieder im Griff, kratzte den Rest Stärke zusammen, der noch in ihr war. Nicht noch jemand würde für sie sterben. Niemals wieder. Das hatte sie sich geschworen, als sie neben Yahikos Leiche saß, um ihren Freund weinte. Und doch war es geschehen, war sie Schuld an dem Tod von fünf Frauen. Das Mindeste, dass sie jetzt tun konnte, war ihren Mörder zu finden.

Als sie wieder etwas sagte, klang ihre Stimme fest, tönte vor neuer Entschlossenheit: „Lasst uns mit den Tatorten anfange. Wir haben viel zu tun.“

Kapitel 3

Kapitel 3

Hohe, dunkle Gebäude, schiefe Ziegel, Müll auf den Straßen. Bretter und Abfall versperrten den Weg, nasse Wäsche tropfte von der Leine herunter, verschluckte das Licht. Schmale Nischen und enge Gassen, so sah der Platz aus, auf dem Chakina Sumata gestorben war. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, das Blut abzuwaschen, groteske Bilder schmückten die Wände. Ein großer Fleck dunklen Rots bedeckte den Boden, unterbrochen von Stiefelabdrücken, dort, wo die Bewohner darauf getreten waren. Konan schauderte. In all den Jahren hatte dieser Ort sich kein Bisschen verbessert.

„Du kannst dir denken, wo sie lag.“ Itachi. Eiskalt. Praktisch. „Kommt Euch irgendetwas an diesem Ort bekannt vor?“

Sein Ton brachte sie zum Frösteln und dennoch war er ihr Anker, erinnerte sie daran, wozu sie hier waren.

Ihre Antwort klang absolut gefühllos, ihr innerer Aufruhr war in keiner Silbe zu hören: „Nein. Keine Ahnung, warum er sie hier getötet hat.“

Es fiel ihr nicht leicht, das zuzugeben, Itachi zweifelte noch immer an ihrer Nützlichkeit. Er hatte sofort begriffen, dass ihr vielleicht etwas an den Tatorten auffallen könnte, ansonsten wollte er jedoch nicht mit ihr zusammenarbeiten. Seine Mission, seine Regeln, und er wäre eindeutig lieber alleine hier.

Wieder rissen seine Worte sie aus ihren Gedanken: „Das ist nicht unbedingt der Ort, an den eine reiche Frau wie Chakina gehen würde. Was hat sie hier gemacht?“

„Wir sollten ihren Bruder fragen. Vielleicht weiß er etwas.“

„Das werde ich tun.“

Ich. Eine deutliche Erinnerung, dass das nicht ihre Ermittlung war.

„Na schön, sehen wir uns den nächsten Ort an.“

Damit drehte Itachi sich um und ging zu einer der Gassen, die den kleinen Platz kreuzten, darauf bedacht, auf kein Blut zu treten. Verwirrung erfüllte ihn, die Situation war absolut normal, alltäglich, und dennoch, etwas stimmte nicht. Eine winzige Nuance war falsch, fremdartig, kaum spürbar. Sein Instinkt ließ ihn alle Sinne schärfen, auf der Suche nach der Quelle seiner Unruhe. Noch konnte er nicht benennen, was ihn störte. Noch.

Zehn Minuten später erreichten sie ein kleines, schäbiges Haus. Itachi öffnete die Tür, trat ein. Sofort schlug ihm der saure Geruch von Verwesung und altem Blut entgegen. Er ignorierte den Gestank, atmete nur ein wenig flacher, während er sich umsah. Die Wände waren rau, erstaunlicherweise aber trocken, trotz dem ständigen Regen. Dünnes Heu bedeckte den Boden, ließ bloß die Treppe gegenüber aus. Die Stufen knarrten unter seinen Füßen, als er sie hinaufstieg, dem Hauch des Todes entgegen. Konans Hand streifte ihn, er erstarrte, bis er begriff, dass sie nichts sehen konnte. Das Haus war dunkel, sein Sharingan leuchtete und ermöglichte ihm die Sicht. Sein Blick fiel auf ein Brett am Boden, das er aufhob. Mit einem einzigen Gedanken entzündete er es, Flammen loderten auf. Wortlos reichte er es an Konan weiter, die es vorsichtig nahm. Ihre Hand, die sie bisher an die Wand gedrückt hatte, schloss sich jetzt um die Fackel, ihre Knöchel traten weiß hervor.

Dann tauchte eine Tür vor ihnen auf, bereits geöffnet. Hinter ihr lag ein Gang, schmal und dunkel, die Schatten tanzten an den Wänden. Mehrere Zimmer gingen von ihm ab, manche von Vorhängen verdeckt, manche offen. In einem lag ein Kuscheltier, ein brauner Teddy, der die Grausamkeit des Bildes im Gang noch verstärkte. Dort lag eine Frau, tot, erstochen. Die Verwesung hatte bereits eingesetzt, ihre Leiche war von Maden zerfressen. Blut bedeckte die Wände, den Boden, hatte die blaue Farbe in ihrem Haar in ein dunkles Violett verwandelt. Auch ohne die Rose hätte man sofort erkannt, wie ähnlich sie Konan sah, als wären sie Schwestern.

„Wieso hat die Polizei sie nicht weggebracht?“

Er zuckte mit den Schultern. „Niemand wollte ihre Leiche, um sie zu beerdigen. Genau genommen hat niemand sie erkannt, die Polizei weiß nicht einmal ihren Namen. Vermutlich ist sie eine Überlebende des Bürgerkriegs vor einigen Jahren.“

„Also achtet der Mörder nicht auf den sozialen Stand seiner Opfer“, bemerkte sie, ihre monotone Stimme klang vollkommen unbeeindruckt von dem Blutbad vor ihnen.

„Nein. Wahrscheinlich achtet er bloß auf ihr Aussehen.“

Konan kniete neben der Toten nieder, untersuchte die Wunde. „Der Schnitt ist zu gerade und zu sauber ausgeführt, um von einem Straßenschläger gemacht worden zu sein.“

„Ja“, stimmte Itachi ihr zu. „Aber selbst ein Ninja hätte schon eine wirklich gute Waffe nehmen müssen, um den Schlag so ordentlich ausführen zu können.“

„Das wievielte Opfer war sie?“

„Dritte. Der Mörder hatte bereits Übung.“

Sie nickte, dann sah sich noch einmal um, als würde sie Abschied von dem Haus nehmen.

„Achtung“, war alles, was sie sagte, bevor sie ihre Fackel auf die Leiche legte, die sofort Feuer fing. Interessant. Es gab absolut keinen Grund, das zu tun.

Einen Moment lang überschwammen alte Bilder Itachi, Bilder einer Massenbeerdigung, auf der die Opfer verbrannt wurden. Schnell schob er sie beiseite, konzentrierte sich. Das Feuer hatte sich ausgebreitet, versengte ihn beinahe, und auch Konan stand schon auf der Treppe. Er blinzelte einige Male, um die Illusionen zu vertreiben, dann drehte er sich um. Lief los. Mäuse und Ratten huschten an ihm vorbei, überholten ihn auf seinem Weg nach draußen. Dumpf schlug die Tür hinter ihm zu, das Prasseln des Feuers übertönte alles andere.

Äste knackten, zerfielen, während das Feuer sie verschlang. Flammen leckten an den Toten auf dem Podest, eroberten und verbrannten sie. Funken schossen in die Luft, fielen auf die Kleider der Umstehenden. Rote Punkte in der hell erleuchteten Nacht, selbst den Mond konnten seine geblendeten Augen nicht sehen. Eine einzelne Träne quoll aus seinem Auge, lief über seine Wange und tropfte auf den Boden.

Knack.

Ein Ast brach, der Turm fiel in sich zusammen. Die Leichen rutschen nach unten, stürzten hinunter in den Schlund der Glut. Leise Worte, nicht echt, und dennoch gut hörbar, durchbrachen das Schweigen. Die Stimme seines Vaters, enttäuscht, anklagend.

„Itachi, du hast uns verraten.“

Mit einem Krachen fiel das Haus vor ihm in sich zusammen, zerschellte auf dem Boden. Unbeweglich starrte er in die Flammen, vor seinen Augen noch einen Nachhall der Vergangenheit. Dunkle Erinnerungen griffen nach ihm, wollten ihn in einen Strudel des Schmerzes ziehen. Mit plötzlicher Wut kniff er die Augen zusammen, verschloss sich allem, außer der Gegenwart. Erst jetzt wurde er sich Konan bewusst, die neben ihm stand und das Feuer beobachtete, genau wie er. Reine Zeitverschwendung. Abrupt drehte er sich um und lief los, wartete nicht einmal auf Konan. Nur seine Worte blieben hinter ihm zurück, hingen in der Luft: „Ich dachte, Ihr wolltet die Tatorte untersuchen, nicht verbrennen.“

Eine Anklage, die ihren Wert in der monotonen Gefühllosigkeit seiner Stimmer verlor.

Ein Ruck lief durch Konans Körper, ihre Starre löste sich, dann wirbelte sie herum und setzte Itachi mit schnellen Schritten nach.

„Es gab keinen Grund, die Tote dort liegen zu lassen, nachdem wir bereits mit ihr fertig waren.“ Ihr Atem ging ruhig, der kurze Sprint hatte sie kaum angestrengt.

Langsam wandte Itachi sich ihr zu, rote Augen bohrten sich in orangene.

„Genauso wenig, wie es einen Grund gab, das nicht zu tun.“

Schweigen. Waberndes Wachs, das Schläge einsteckte, aber keine austeilte, nur unterbrochen von dem heulenden Wind, der ihnen erste Regentropfen ins Gesicht trieb. Leise platschend trafen sie auf den Boden, prasselten gegen Dächer und Wände und hieben zischend gegen die Fenster. Nur einen Moment später waren die Straßen ausgestorben, nicht einmal die Ratten blieben jetzt draußen. Nur zwei einsame Gestalten gingen immer weiter, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, rote Wolken auf ihren Mänteln.

„Ich habe mich schon gefragt, wann es wieder regnet. Pain hat uns schon außergewöhnlich viele Sonnenstunden gegeben.“ Der Schutz aus Schweigen, den Konan um sich gezogen hatte, zersprang bei Itachis Worten in tausend Stücke.

„Bei dem Regen wird es schwierig sein, noch Spuren zu finden.“ Konan musste beinahe schreien, um das Wasser zu übertönen. „Vielleicht sollten wir die Orte draußen überspringen und mit denen drinnen weiter machen.“

Er nickte. „Dann haben wir nur noch einen Tatort für heute. Die vierte, Airi, wurde in Azukis Kaffeehaus ermordet.“

„Ich dachte, außer Chakina wären die Opfer arm gewesen.“

Ein Satz, in dem tausend Fragen mitschwangen, tausend Vermutungen. Ein Satz voller Verwirrung.

„Sie wurde gerade als Kellnerin auf Probe eingestellt und war zum Arbeiten dort. Glücklicherweise hat der Mörder sie in einem Hinterzimmer erwischt, noch hat niemand den Raum geputzt.“

„Umsichtig.“

Aus Konans Worten sprach einmal mehr Verwunderung, wie er selbst verstand sie Azuki, den Gründer des Kaffeehauses, nicht. So konnte er das Zimmer nicht verwenden, was wiederum Verluste bedeutete. Etwas, das seinen Argwohn weckte.

Eine nasse Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht, bedeckte seine Sicht. Einen Moment lang tropfte Wasser in seinen Mantel, bis er das durchweichte Schwarz zurückstrich, seinen Blick freigab. Helles Licht strahlte aus großen Fenstern, beleuchtete den Eingang. Eine Laterne schaukelte an ihrem Haken über der steinernen Treppe, die zur Tür hochführte, polierter Marmor, auf dem seine Stiefel rutschten. Er schlug die Kapuze zurück, als er eintrat, zog seinen Mantel aber nicht aus. Grimmig taxierte er die Fenster, doch nicht einmal sein Sharingan konnte den dichten Schleier aus Regen durchdringen.

„Uchiha-sama, Tenshi-sama, was für eine Ehre.“

Itachi würdigte dir tiefe Verbeugung Azukis nicht einmal eines Blickes, starrte weiter aus dem Fenster. Neben ihm ertrug Konan die übertrieben höflichen Begrüßungsfloskeln schweigend, ließ den kleinen Mann immer weiter reden. Mit einem plötzlichen Blitz riss der Regen für kurze Zeit auf, die Straße war hell erleuchtet, leer. Gut. Zeit, sich um Azuki zu kümmern. Ruckartig drehte Itachi sich um, bohrte seine roten Augen in die des Mannes vor ihm.

„Warum liegt die Leiche noch immer in dem Zimmer?“ Dunkle Drohungen lagen in dieser Stimme, wispernde Versprechungen von Schmerz.

„Ich wollte euch die Ermittlungen einfacher machen, Uchiha-sama“, erklärte Azuki galant, die Überraschung nur durch ein Blinzeln verratend. „Ich dachte, dies wäre in Eurem Sinne.“

„Ihr wolltet eine Belohnung.“ Eine sachliche Feststellung, bar jeder Gefühle, und dennoch von Verachtung umgeben.

„So kann man es auch ausdrücken. Wenn Ihr mir jetzt bitte zum Raum folgen würdet?“

Das Zimmer war klein, ein Umkleideraum für die Bediensteten. An den Wänden reihten sich Spinde, bedeckt von getrocknetem Blut, dessen Spur zum Boden führte, auf dem das Opfer lag. Ihre Gelenke waren in einem unnatürlichen Winkel verdreht, der Mörder hatte sie ihr wohl gebrochen, bevor er sein Messer in ihre Brust stach. Ein fächerförmiger Abdruck war in dem geronnenen Rot um ihren Kopf herum, wo ihre Haare gelegen hatten, bevor sie zu einem Knoten hochgebunden wurden.

Sowohl Konan als auch er mieden das Blut, während sie die Leiche untersuchten.

„Irgendetwas bekanntes?“, fragte Itachi, den Blick auf die Arme der Toten gerichtet.

„Nein. Aber der Mörder hat sich mehr Zeit genommen. Er hat ihr mehrere Gelenke gebrochen.“

Er schüttelte den Kopf, noch bevor er Konan wiedersprach: „Die Frau hat sich gewehrt. Er musste es tun, um sie auszuschalten.“ Vorsichtig griff er nach ihrem Arm und drehte ihn, sodass die Schürfwunden an ihrem Handgelenk zum Vorschein kamen.

„Sie wollte ihn schlagen.“ Konan nickte.

Darauf brauchte er nicht mehr zu antworten, weshalb er aufstand und das Zimmer verließ, um den Streit im Gang zu beenden. Die lauten Stimmen waren bis in den Raum hinein zu hören gewesen.

Er schloss die Tür hinter sich, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete. Vor ihm redete Azuki auf einen alten Mann ein, der sich plötzlich zu Itachi umdrehte. Die Verbeugung war kurz, die Wangen rot vor Wut.

„Uchiha-san, es ist mir eine Ehre. Ich bin Chakina Moroi, der Bruder Chakina Sumatas. Ich hoffe, Ihr könnt mich über den Fall aufklären, da die Polizei sich diesbezüglich weigert.“

„Das kann ich nicht.“ Arktisches Eis, das die Luft durchschnitt. Etwas, wovon Chakina sich nicht abschrecken ließ.

„Eine der Toten ist meine Schwester!“

„Es tut uns wirklich sehr leid, aber wir müssen diesen Fall vertraulich behandeln.“ Konans Stimme ertönte neben ihm, sie war ihm gefolgt. Ruhig, gefühllos. Zu gefühllos. Jetzt wusste er, was ihn verwirrt hatte, kannte das Falsche, Fremdartige, Unnatürliche. Und während die Kunoichi Chakina beruhigte, begann er nachzudenken.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Tut mir wirklich leid für die lange Wartezeit, aber jetzt sind meine ganzen Schwimmwettkämpfe und ich war erst mit einem Schüleraustausch in Peking, weshalb alles etwas länger gedauert hat. Der Anfang stand eig schon seit über einem Monat, nur das Ende hat etwas gebraucht :D
Ich versuche, demnächst etwas schneller zu sein ;)) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Papierengel
2013-05-30T20:29:17+00:00 30.05.2013 22:29
Super Kapitel :)
Von:  Papierengel
2013-03-04T19:06:41+00:00 04.03.2013 20:06
Oha..
Mal wieder ein super kapi, wenn auch kurz. Du verstehst es, zu schreiben^^
Von:  Papierengel
2013-02-13T10:27:33+00:00 13.02.2013 11:27
Schreib bitte bald weiter^^
Von:  Papierengel
2013-02-12T20:46:23+00:00 12.02.2013 21:46
Bitte schreib bald weiter, du schreibst richtig gut^^


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