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Der Schatz in deinen Träumen

Nami X Ruffy
von

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Der Schatz in deinen Träumen

Der Schatz in deinen Träumen
 

Ein lautes Seufzen erfüllte die Stille des Raumes. Eine einzelne Kerze, dessen winzige Flamme lediglich einen kleinen Lichtkranz in die Dunkelheit zeichnete, flackerte in den regelmäßigen Atemzügen der einzigen anwesenden Person.

Schon seit Stunden saß sie beinahe regungslos an dem kleinen Tisch und starrte auf das bemalte Stück Papier, dessen Oberfläche von dem vielen ein- und ausrollen erste Löcher und Knicke aufwies.

Wie oft hatte sie diese krakeligen Linien bereits angestarrt? Und warum zog dieses Stück Erinnerung sie derart in den Bann?
 

Und wieder entwich ihr ein langgezogener Seufzer. Der Kopf, der immer schwerer zu werden schien, ruhte auf ihrem auf dem Tisch abgestützten Arm. Ihre Finger gruben sich bereits tief in ihre Wangen, was bereits rote Stellen in ihrem Gesicht hinterließ.

Doch ihr Blick lag einzig und allein auf dem glänzenden Gegenstand, der sich sekündlich durch ihre Finger wand. Das Licht der Kerzenflamme brannte beinahe auf der glatten Oberfläche der Goldmünze und warf bizarre Schatten auf den Tisch. Weitere Münzen lagen überall auf ihren Karten verstreut.

Die Unordnung störte sie nicht. Zumindest nicht in diesem Moment. Es war sowieso niemand mehr in der Nähe. Die anderen Mitglieder der Strohhutpiraten waren bereits vor einiger Zeit zu Bett gegangen.
 

Nur Nami war geblieben und hatte sich ihren Karten gewidmet. Doch schon nach kurzer Zeit hatte sie ihre Feder beiseite gelegt und sich dem Nichtstun hingegeben.

Sie war total lustlos. Egal, was sie auch anpackte, schon nach einigen Minuten waren ihre Gedanken so weit abgedriftet, dass sie die Tätigkeit sofort wieder ruhen ließ. Es verwunderte sie selber. Dieses Gefühl kannte sie nicht. Nichts von dem, was ihr früher Spaß gemacht hatte, konnte sie jetzt noch so fesseln.
 

Nami ließ den Kopf sinken, sodass er bald auf der Tischplatte lag. Der Geruch von altem Pergament stieg in ihre Nase und lange orangefarbene Haarsträhnen breiteten sich vor ihren Augen auf dem Küchentisch aus.

Müde schloss sie die Augen und horchte auf die Umgebung. Das fast unhörbare Geräusch der an das Bug schlagenden Wellen und das leise Zischen des Windes, der über das Deck der Thousand Sunny strich vermischten sich mit dem Herzschlag der jungen Frau.

Es war ein angenehmes Gefühl. Diese friedliche Stille um sie herum und die Gewissheit, dass nicht weit von ihr entfernt, die Menschen lagen, die ihr wichtiger waren, als ihr einiges Leben. Die Menschen, mit denen sie Freude und Leid teile und die immer an ihrer Seite sein würden. Dieser Gedanke an ihre Freunde war es, der ihr Leben so lebenswert machte.

Vielleicht sollte sie auch langsam zu Bett gehen, da in wenigen Stunden die Sonne aufgehen musste.

„Schlafen klingt gut…“, murmelte sie in sich hinein und hob mühsam ihren bleischweren Kopf. Sofort und als ob ihr Körper sie gehört hatte, folgte ihren Worten ein herzhaftes Gähnen und als sie ihre Augen öffnete lag ein müder Glanz auf ihrem Blick.
 

Schnell suchte sie ihre Goldmünzen zusammen, als ein lauter Knall sie zusammenzucken ließ. Sofort war alle Müdigkeit vergessen und ihr Blick lag auf der nun offenen Küchentür.

Ein schwarzhaariger Mann stand breitbeinig und mit hängendem Kopf in der Tür und blickte verschlafen drein. Immer wieder dasselbe Wort - welches Nami als „Hunger...“ erkannte - murmelnd, schlich er schlürfend in Richtung von Sanjis Kochnische. Es dauerte eine Weile bis die Orangehaarige verstand, dass er sie überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Er schlich einfach weiter durch das Dunkel der Küche, bis er hinter der Theke abtauchte und nach etwas Essbarem suchte, das Sanji nicht eingeschlossen hatte.
 

Halb verdutzt und halb lächelnd über das Verhalten ihres Kapitäns nahm Nami ihre Kerze vom Tisch und ging hinüber zu dem Lichtschalter, mit dem sie die Küche in ein helles Licht tauchte.

„Suchst du etwas bestimmtes, Käpt’n?“

Obwohl sie wusste, dass er sie gehört haben musste, bedurfte es einiger Momente, ehe der Schwarzhaarige die junge Frau bemerkte und verwirrt seinen Kopf hob.

„Nami?“, fragte er leise, als er die Orangehaarige entdeckt hatte. „Warum bist du noch wach?“ Diese schmunzelte.

„Dasselbe könnte ich dich auch fragen.“ Sie lächelte, als der Pirat seinen Kopf schief legte und sich wieder der Küche zuwandte, ohne sich auf eine größere Unterhaltung einlassen zu wollen. Irgendwie war Nami sich nicht mal sicher, ob der Kerl überhaupt wach war. Er hatte schon mehr als einmal gezeigt, dass er selbst im tiefsten Schlaf essen konnte.

„Hunger.“, gab er zurück und öffnete einen Schrank nach dem anderen.

„Du bist unmöglich“, seufzte Nami und schüttelte ihren Kopf. Dem Kerl war echt nicht mehr zu helfen.
 

„Na gut, ich gehe dann mal…“, begann sie, ging erneut hinüber zu dem Küchentisch und räumte ihr Hab und Gut vom Tisch, um es so zu stapeln, dass sie alles mit einmal tragen konnte. Doch ein merkwürdiger Duft ließ die Navigatorin innehalten. Es war ein unangenehmer und irgendwie modriger Geruch, den sie einfach nicht einordnen konnte. „Was stinkt hier so?“, fragte sie leise und zog die Nase kraus.

Ihr Blick wanderte suchend durch den Raum, bis sie plötzlich innehielt.

Sie beobachtete wie erstarrt, wie sich etwas durch den schmalen Spalt unter der Tür hindurch schob. Es hatte die Farbe von modrigem Holz. Ein eigenartiges Braun, was sie so noch nie gesehen hatte.

War das Nebel? Aber dafür war dieser Rauch viel zu zähflüssig! Und doch konnte sie ausschließen, dass es sich um den Qualm eines Feuers handelte, also gab es keine andere Möglichkeit.
 

Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie bemerkte, dass sich der Nebel schon durch sämtliche Spalten der Sunny in die Küche schob. Ein lautes Klirren ließ sie aufschrecken und erst, als sie ihre eben noch zusammen gesammelten Dinge über den Boden rollen sah, wurde ihr klar, dass sie diese fallen gelassen haben musste.
 

„Ruffy! Ruffy!“, sagte sie fast flehend ohne die Augen von dem braunen Zeug zu nehmen. Bemerkte er nicht, dass hier etwas nicht stimmte? Sie wollte in diesem Moment nicht allein sein.

„Nami!“, rief jemand und plötzlich tauchte seine gewohnte rote Weste in ihrem Blickfeld auf. Langsam drängte er sie zurück, bis ihr Rücken gegen die hintere Wand der Kombüse stieß. Ruffy schützte sie mit seinem Körper, sodass Nami lediglich einen Blick unter seinen ausgebreiteten Armen hindurch auf den Nebel erhaschen konnte.

Sie erkannte, dass sich die braune Wand immer weiter auf sie zu bewegte. Der halbe Raum war bereits von dem modrig riechenden Qualm erfüllt.

„Was ist das?“, quietschte die Navigatorin leise und bereute es fürchterlich, ihren Klimataktstock nicht bei ihr zu haben. Sie war völlig unbewaffnet.

„Keine Ahnung.“, antwortete Ruffy auf ihre Frage und sie spürte seine ernorme Anspannung. Sein ganzer Körper war steif und dennoch jederzeit bereit zu kämpfen. Doch die Orangehaarige war sich nicht sicher, ob man d a s überhaupt bekämpfen konnte.
 

Der Nebel hatte sie fast erreicht und der eisige Schauer rannte erneut über ihren Körper. Kurz bevor die beiden Piraten von der Nebelwelle erfasst wurden, schloss Nami die Augen.

Sie wartete darauf, dass etwas passierte, doch außer einer feuchten Schwere, die nun auf ihrer Haut und ihrer Kleidung lastete, bemerkte sie nichts Außergewöhnliches. Sogar der Gestank war verschwunden.

Vorsichtig öffnete sie ihre Augen und blinzelte durch die langen Wimpern hindurch. Als ihr Blick wieder auf den Schwarzhaarigen vor ihr fiel, atmete sie erleichtert auf. Er war noch da.

Ganz automatisch und ohne, dass sie es bemerkte, griff ihre Hand nach seinem linken Arm und während sie sich neben ihn schob, durchfuhr sie eine erneute Welle des Glücks, als sie seine Wärme durch sein Oberteil hindurch spüren konnte.
 

„Die Farbe hat sich verändert, oder?“ Erst bei seinen Worten fiel es nun auch der Navigatorin auf. Eigentlich hätte es stock finster sein müssen, doch sie konnte alles klar und deutlich erkennen. Das tiefe Dunkelbraun hatte sich zu einem hellen Cremeton verändert und irgendwie schien der Nebel sogar von sich aus zu leuchten.

„Merkwürdig. Ich kann mir das nicht erkl…“, begann die junge Frau, doch ein hohes Kreischen ließ sie stocken. „Was zum…?“

„Da draußen ist irgendjemand.“ Ruffys ruhige Stimme verhieß nichts Gutes.

„Das… sind doch bestimmt nur die anderen. Jemand anderes kann doch gar nicht hier sein!“, sagte sie selbst wenig überzeugt von ihren Worten.

„Lass uns nachsehen.“ Genau das hatte sie befürchtet.
 

Ihre Hand krallte sich in seinem Oberteil fest, während sie den Raum durchquerten und auf die Tür zugingen. Die merkwürdige Schwere in der Luft erschwerte ihr das Atmen etwas, doch sie versuchte dieses Gefühl so gut es ging zu ignorieren.

Vorsichtig streckte der Schwarzhaarige seine Hand nach der Türklinke aus und öffnete die Tür so leise wie möglich. Als die beiden auf das Deck der Thousand Sunny traten hing noch immer diese erdrückende Feuchtigkeit in der Luft. Auch das Glühen dieses merkwürdigen Nebels war nicht verblasst. Im Gegenteil.
 

„Du verdammter Idiot! Finger weg von meinen Orangen!“

Erneut zog ein langgezogener Schrei über das Deck und wieder schien er in Namis Kopf zu dröhnen. Doch dieses Mal, als sie selbst die Worte richtig verstehen konnte, fiel ihr etwas Seltsames auf. Diese Stimme… Sie kam ihr vertraut vor.

„Das kann doch nicht…“ Ihr Herz setzte kurz aus. Ihr Gehirn schien zu streiken angesichts dieser Unmöglichkeit. Mechanisch setzen sich ihre Beine in Richtung der Treppe in Bewegung. Eine Stufe nach der anderen führte sie weiter hinunter zum Grasdeck, während Ruffys Worte ungehört hinter ihr verhallten.

Zwei Gestalten zeichneten sich im Nebel ab und je weiter sie sich ihnen näherte, desto klarer wurden sie. Als die Navigatorin das vertraute, weiche Gefühl des Rasens unter ihren Schuhen spürte, hielt sie wie versteinert inne.
 

Es war unmöglich. Und doch war es wahr. Kein Windhauch durchfuhr die Luft, sodass sie bald noch modriger und abgestandener in Namis trockenem Mund schmeckte. Trotz des wenigen Sauerstoffs, den der Nebel zurückgelassen hatte, schienen ihre Lungen bersten zu wollen.

„Aber das…“, piepste sie, was nun auch die beiden Gestalten auf sie aufmerksam werden ließ.

„Wer… wer bist du?“, zischte das kleine Mädchen ängstlich. Ihre kurzen orangefarbenen Haare vermischten sich auf eigenartige Weise mit dem cremfarben des Nebels. Das kleine gelb/grüne Kleidchen war von Grasflecken übersäht. Fast so, als wäre sie einige Male über das Grasdeck gekrochen. Winzige Tränen der Wut glänzten in ihren dunklen Augen.
 

„Shishishi, das bin ja ich!“ Der Ausruf dicht hinter ihr, erschreckte sie. Erst als sie Ruffy aus ihren Augenwinkeln heraus erkannte, beruhigte sich ihr wilder Herzschlag wieder. Jetzt wandte sie sich dem kleinen Jungen zu, der sie aus großen Augen ansah. Er trug ein weißes T-Shirt, auf welchem ein Anker abgebildet war und eine kurze blaue Hose. Seine schwarzen Haare standen wild in alle Richtungen ab und eine frische Narbe zierte seine eine Wange.

„Das… geht doch einfach nicht!“ Namis Stimme bebte vor entsetzen. Was war hier bloß los?

„Bist das du als Kind, Nami? So klein! Shishishi!“ Ohne zu zögern bewegte er sich auf das Mädchen zu und hockte sich dicht vor ihr ins Gras. „Hihi, wie süß.“, lachte er und fuhr dem Kind einmal durch die Haare. Diese zuckte erschrocken zurück und funkelte ihn mit bösem Blick an.

„Sagt mir endlich wer ihr seid, sonst werde ich euch verprügeln, hört ihr? Wo ist Nojiko? Oder Bellemere? Wo sind sie?“ Erneut wallten Tränen in ihren Augen hoch und drohten überzulaufen.

„Ich heiße Monkey D. Ruffy und werde einmal König der Piraten!“ Mit einem breiten Grinsen blickte er das Mädchen an.

„Ah, Ruffy!“, rief die erwachsene Nami panisch aus, doch es war zu spät.
 

„PIRATEN? ICH BIN HIER AUF EINEM PIRATENSCHIFF?“, schrie die Orangehaarige verzweifelt und sackte in sich zusammen. Ihr kleiner Körper zitterte wie Espenlaub. Starr und voller Tränen blickten ihre Augen in die Leere. Angst zierte ihr Gesicht.

„Ruffy du Idiot!“, schrie die erwachsene Nami und gab dem Schwarzhaarigen eine mächtige Kopfnuss. Dieser stöhnte vor Schmerzen auf. Er hielt sich mit beiden Händen den Kopf. „In diesem Alter habe ich Piraten verabscheut!“, schimpfte sie und zeigte wie zur Bestätigung auf das von ihr so sehr gehasste Tattoo der Arlong-Bande, welches die Kleine auf ihrem Arm trug. „Ich hatte damals bestimmt nicht vor, eine richtige Piratin zu werden.“
 

„Piraten? Wie cool!“ Der Ausruf des kleinen Ruffy zog die Aufmerksamkeit der Erwachsenen auf ihn. Neugierig und mit großen, glänzenden Augen untersuchte der Junge das gesamte Deck des Piratenschiffs, bis er sich an sein großes Ich wandte. Doch scheinbar schien er diesen Fakt nicht zu verstehen. „Und du bist ein echter Pirat? Hast du wenigstens auch ein Kopfgeld?“, fragte er neugierig und scheinbar ohne einen Funken Angst. Genau so hatte Nami sich Ruffy als Kind immer vorgestellt.

„Aber ja doch! Mein Kopfgeld liegt gerade bei 400 Millionen Berry!“, sagte der Angesprochene mit unüberhörbarem Stolz. Auf so was konnte auch nur ein Pirat stolz sein…

„Uoah! So viel? Dann musst du wirklich gut sein! Hast du schon viele umgebracht? Und die Marine! Kämpfst du gegen sie?“ Nami musste unwillkürlich grinsen, als sie das strahlende Leuchten in den Augen des Kindes sah und sie bemerkte, wie viel Spaß es ihrem Käpt’n machte, mit seinem Kindheitsich zu reden.
 

Und doch nagte etwas an ihr. Nicht nur die Tatsache, dass es eigentlich unmöglich war, dass sie ihren früheren Ichs begegneten, nein. Es war vielmehr das altbekannte Gefühl der Verzweiflung und der Einsamkeit, welches gerade wieder in ihr hoch zu kriechen schien.

Ihr Blick wanderte auf das kleine Mädchen, dessen Augen noch immer ins Leere starrten. Nami wusste, was die Kleine in diesem Moment dachte. Immerhin war sie es, die dort vor ihren eigenen Füßen kauerte.

Mit einem tonlosen Seufzen überwand die Navigatorin die wenigen Schritte zu der Orangehaarigen und kniete sich vor ihr ins Gras. Als sie ihre Hand auf die Schulter ihrer Gegenüber legte, spürte sie den mächtigen Ruck, der den kleinen Körper durchschüttelte.

„Du musst keine Angst haben, wirklich nicht. Hier wird dir keiner etwas tun, glaub mir.“ Ihre Stimme klang sanft und freundlich und sie versuchte so gut es ging, diesen schwarzen Schatten von ihrem eigenen Herzen zu vertreiben.

Braune Augen blickten ihr skeptisch ins Gesicht. Sie schien den Worten nicht zu trauen. Ganz so, wie Nami es befürchtet hatte.

„Du musst dein Leben nicht einsam und alleine hinter verschlossenen Türen leben. Es gibt so viele schöne Dinge zu entdecken! Auch für diejenigen, denen das Schicksal schon viele böse Streiche gespielt hat.“ Ihr Blick senkte sich. Mit einem Mal schossen die vielen Bilder durch den Kopf, die sie schon so lange in ihrem Herzen verschlossen hatte. All diese Momente, in denen sie den Mut verloren und sich dem Tod beinahe schon hingegeben hatte. Der Anblick ihres früheren Ichs zeigte ihr, dass sich außer ihrem Aussehen im Grunde nichts verändert hatte.
 

„Hey, über was redet ihr zwei?“ Sein plötzliches Auftauchen überraschte die Navigatorin. Beinahe lautlos hatte er sich so nah neben sie gesetzt, dass sie die Wärme spüren konnte, die von seinem Körper ausging. Natürlich verstand er nicht, worum es ging und trotzdem hatte er ihr eben sehr geholfen. Er hatte ihr genau das gezeigt, was sich eben doch in ihrem Leben geändert hatte.

„Nichts interessantes, wirklich.“, grinste Nami und ließ ihren Kopf gegen seine Schultern sinken. Sie war in diesem Moment nur froh, dass niemand sonst in ihrer Nähe war. Und die Kinder waren sowieso nicht echt.

„Du willst es mir bloß nicht sagen…“, meinte er dann schmollend und verzog sein Gesicht.

„Stimmt.“, lachte sie und wandte sich wieder ihrem Kindheitsich zu.
 

„Was hältst du da eigentlich schon die ganze Zeit in deiner Hand, hm?“ Das Mädchen blickte an sich herunter. Ihre Hände lagen verkrampft in ihrem Schoß und umklammerten etwas ziemlich fest. Sie schien das erst bei Namis Worten zu bemerken und entspannte langsam ihre kleinen Finger, bis ihr Schatz zum Vorschein kam. Der satte Orangeton einer sehr lecker aussehende Orange blitze in ihrem Schoß auf und Nami konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

„Die Orange hat mir meine Mutter gegeben, kurz bevor ich… hierher kam. Eigentlich hatte ich noch mehr, aber der da “ - sie warf dem jüngeren Schwarzhaarigen, welcher sich neben Ruffy gesetzt hatte, einen bitterbösen Blick zu - „hat die anderen bereits gegessen, als ich noch geschlafen hatte.“

Das Lachen des großen Ruffy hallte über das Schiff und auch Nami kicherte.

„Ja, ja, das ist typisch.“, grinste sie und versuchte ihr Lachen zu unterdrücken, als sie den entrüsteten Blick des Mädchens bemerkte.
 

„Ist das da“ – sie zeigte mit so was wie Ekel auf den Piraten – „ dein Freund?“

Freund? Heißes Blut floss in ihre Wangen und Nami war sich sicher, dass sie rot wie eine Tomate aussehen musste, als sie über die doppeldeutige Bedeutung hinter dem Wort nachdachte.

„Er ist mein Käpt’n und ich habe ihm geschworen für immer als seine Navigatorin sein Schiff zu steuern und ihm zu helfen, seinen Traum zu erfüllen.“ Tiefe Dankbarkeit und Ehrlichkeit klang in ihrer Stimme mit, als sie ihrem anderen Ich die Situation kurz erklärte.

„Und warum?“ Die wohl häufigste und tiefgründigste Frage eines Kindes. „Er ist ein Pirat! Hast du nicht Angst, dass er dir wehtut?“ In ihren Augen blitze echte Verwunderung auf. Sie konnte wohl nicht verstehen, wie man sich mit einem Piraten anfreunden konnte. Wie sollte sie auch? Sie hatte in ihrem kurzen Leben nur Arlongs- Bande richtig kennen gelernt und dieser war nun wirklich kein gutes Beispiel.

„Nein, habe ich nicht. Ruffy ist ein sehr guter Kapitän und er würde niemals einem Freund wehtun. Im Gegenteil, er hat mich schon sehr oft vor bösen Menschen gerettet, bevor mir etwas passieren konnte. Darum habe ich ihm versprochen, ihn zu begleiten. Egal, wo er hingehen möchte.“ Wenn das möglich wäre, hätte sich das Rot in ihrem Gesicht nur noch mehr intensiviert. Wie offen sie plötzlich über ihre innersten Gefühle plaudern konnte! Und doch fühlte es sich richtig an.

Ein wenig Skepzis blitze noch immer in ihren Augen auf, doch die Angst war bereits aus ihren Augen gewichen. Man hatte Nami schon oft gesagt, dass sie Menschen gut und vor allem schnell durchschauen konnte.

„Okay, vielleicht gibt es nicht nur schlechte Piraten.“, meinte die Kleine ein wenig verlegen und wandte ihren Blick ab.
 

Eine plötzliche Windböe zog über das Deck. Der Nebel schien sich langsam etwas auszudünnen, da Nami bereits die ersten Sterne durch die cremefarbene Hülle erkennen konnte.

„Es wird Zeit.“ Die Stimme, mit der das Mädchen diese Worte sprach, schien nun eine ganz andere zu sein. Viel zu erwachsen für ein junges Kind. Und sie war selbst der Navigatorin unbekannt.

Der kleine Ruffy gesellte sich zu der Orangehaarigen und beide näherten sich den im Gras sitzenden Piraten. Ein wenig erstaunt blickten diese zurück.

„Nami hat dich wirklich gern.“, sagte sie an Ruffy gewandt, was seine Freundin dunkelrot vor Scham anlaufen ließ. „Du hast sie aus der Dunkelheit geholt, in der sie sich selbst bereits verlaufen hatte. Nun ist es deine Aufgabe, sie zu beschützen und die restlichen Schatten aus ihrem Herzen zu vertreiben.“

Mit leerem Blick starrte sie das kleine Mädchen an, welches sie scheinbar besser kannte, als sie selbst.

Erst als sie einen Druck auf ihrer Schulter spürte und ihr Körper ein wenig zur Seite gezogen wurde, erwachte sie aus ihrer Starre. Sie blickte auf und fand sich eng an Ruffys Seite gepresst wieder. Seinen Arm hatte er um sie gelegt und näher zu sich gezogen. Ein breites Grinsen lag in seinem Gesicht.

„Ich weiß zwar nicht, wer du bist, aber das musst du mir nicht noch mal sagen.“, lachte er, was die beiden Kinder erwiderten.
 

Erst jetzt wandte sie sich der erwachsenen Nami zu.

„Orangen wachsen immer nur auf der Sonnenseite des Lebens. Im Schatten verwelken ihre Blüten und die Pflanze wird sterben.“ Sie streckte ihre Hände aus und hielt die Orange noch immer auf ihren Handflächen. Verwundert, nahm die Navigatorin diese an und bemerkte die Wärme, die von der Frucht ausging. Erst nach und nach drangen die Worte bis in ihr Unterbewusstsein vor, doch dann verstand sie jedes einzelne davon.

„Ja, Pflanzen lieben die Sonne.“, lächelte sie mit tränenerstickter Stimme.
 

Weitere Windstöße folgten und das Letzte, was sie sahen, waren zwei fröhlich lächelnde Kinder, ehe sich der Nebel auflöste.

Noch eine Weile blieben die beiden Piraten regungslos sitzen, währen Nami versuchte, ihre Gefühle wieder in den Zaum zu kriegen. Doch immer wieder rannen weitere Tränen über ihre Wangen.

Erst nach einiger Zeit durchbrachen Ruffys Worte die Stille. „Die Sonne geht auf.“

Tatsächlich brannte der Himmel über dem Horizont bereits in den verschiedensten Orange- und Gelbtönen und es sollte nicht mehr lange dauern, bis sich der gigantische Feuerball aus dem Meer schob.
 

„Das war… merkwürdig, oder?“, lächelte Nami, als endlich die letzten Tränen getrocknet waren.

„Ziemlich sogar, shishishi.“ Er lachte und drückte die Navigatorin noch fester an sich heran. „Aber Recht hatten sie.“ Sogleich meldete sich die Röte in Namis Gesicht erneut und schnell versuchte sie sich aus seinem Griff zu befreien.

„Bilde dir nicht zu viel ein!“, keifte sie, ohne jegliche Wut in ihrer Stimme. Sie klang in diesem Moment - zu ihrem Entsetzen - nicht bedrohlicher als ein neugeborenes Kätzchen.

„Shishishi.“
 

„Wo- sind eigentlich die anderen?“, fragte die Orangehaarige, um diesen für sie sehr peinlichen Moment zu überspielen.

„Keine Ahnung.“, grinste der Schwarzhaarige nur und stand ebenfalls auf.

„Tja, dann…“, begann sie, doch stockte sofort wieder. Fragend sah Ruffy sie an und wunderte sich über den starren Ausdruck seiner Freundin.

„Was ist?“

„Sieh doch!“, drängelte sie und streckte ihm ihre Hände entgegen, in denen sie bis eben noch ihre geschenkte Orange hielt. Doch aus dieser war innerhalb der letzten Augenblicke eine kleine Pflanze gewachsen, die nun sogar eine erste Knospe trug. Nach dem ersten Schock breitete sich eine angenehme Ruhe in ihr aus und das Lächeln in ihrem Gesicht wurde breiter. „Ja, Pflanzen lieben die Sonne.“, meinte sie und wandte ihren Blick auf die bereits aufgehende Sonne am Horizont.

„Wahnsinn!“, freute sich Ruffy, der den kleinen Orangenbaum begeistert mit seinen Augen untersuchte.
 

„Ich weiß!“, lächelte Nami und wandte sich von Ruffy ab. Sie lief die wenigen Stufen bis zur Hauptterrasse der Thousand Sunny hinauf, suchte nach dem kleinen Eimer, den sie immer benutzte, um verwelkte Blätter aus ihren Orangenbäumen zu sammeln und füllte dort etwas von der frischen Blumenerde hinein. Ganz vorsichtig setze sie den kleinen Zögling in den Eimer und goss noch etwas Wasser dazu.

Während sie den Baum zufrieden besah, tauchte Ruffys Gesicht in ihrem Sichtfeld auf. Seine Augen glänzten.

„Das ist jetzt unser Orangenbaum. Von dem darfst du immer essen, wenn die Früchte reif sind.“, lächelte Nami in sich hinein und sah, wie das Leuchten im Gesicht ihres Gegenübers noch heller strahlte.

„Super! Orangen!“, freute er sich und grinste von einem Ohr zum Anderen.
 

„Warum macht ihr hier eigentlich so einen Krach?“ Die dunkle, grummelige Stimme ließ die beiden Piraten aufsehen. Zorro stand, scheinbar völlig übermüdet, auf der letzten Treppenstufe zur Hauptterrasse und blickte seine Freunde wütend an.

„Zorro!“, sagten beide automatisch und gleichermaßen verwundert.

„Ja ich. Aber ich hätte wirklich gerne noch weitergeschlafen!“, sagte er zwischen seinem Gähnen und wandte sich zum Gehen.

Nami und Ruffy eilten ihm hinterher – hinunter zum Grasdeck -, wo bereits der Rest der Crew versammelt war.
 

„Hey, Leute!“, begrüßte Ruffy diese und erntete gleichermaßen fröhliche wie verärgerte Gesichter.

„Ich mach uns einen Kaffee.“, meinte Sanji leise, woraufhin Zorro gleich stänkerte.

„Endlich mal ein guter Gedanke, Würstchenbrater.“

„Was hast du gesagt, Grünkohlkopf?“

„Du weißt ganz genau, was ich meine!“

„Du mieser…!“

Der laute Knall der Küchentür beendete für den Rest der Crew das Gespräch und ließ sie mit einem Lächeln zurück.
 

„Aber wo sie recht haben… Was macht ihr beide hier schon so früh? Es ist ja noch fast mitten in der Nacht!“, beklagte sich Lysopp müde und gähnte erst einmal ausgiebig.

„Yohohoho, um diese Uhrzeit aufzustehen funktioniert besser, als mein Schlaflied.“

„Jaaaaah!“, gähnte Chopper und trottete hinter den anderen ebenfalls in Richtung Kombüse.
 

„Aber habt ihr nicht…?“, begann Ruffy, doch Nami boxte ihm unsanft gegen die Rippen. „Hey!“, maulte er, bis er Namis warnenden Gesichtsausdruck bemerkte.

„Ist etwa was passiert, Fräulein Navigatorin?“ Robins wachsame Augen lagen auf der Orangehaarigen, was dieser ein mulmiges Gefühl bescherte.

„Nein, nein. Alles in Ordnung! Ich habe nur in der Küche meine Karten studiert und dieser Kerl hier kam wie ein Zombie hinein und hat erstmal den Kühlschrank geplündert.“ Sie kicherte. „Danach haben wir zusammen den schönen Sonnenaufgang bewundert.“ Immerhin war es die Wahrheit. Zwar nicht alles von der Geschichte, aber ein großer Teil davon.

„Verstehe.“, grinste Robin und folgte den anderen zum Frühstück, sodass nur Ruffy und Nami zurückblieben.
 

„Warum hast du das gemacht?“, fragte er schmollend und fasste wehleidig an seine Seite. Klar, wenn seine Gegner ihm klaffende Wunden hinzufügten, zuckte er nicht mal mit einer Wimper, aber wenn sie ihm in die Seite boxte maulte er rum.

„Verstehst du nicht, dass keiner etwas von heute Nacht mitbekommen hat? “ Er legte den Kopf schief. „Wir müssen ihnen ja nicht… alles Peinliche erzählen, wenn sie eh nichts davon mitbekommen haben.“ Sie spürte das leichte Glühen ihrer Wangen und sah verschämt weg.

„Also mir war das nicht peinlich!“, meinte er und drehte den Kopf so, dass er Nami ansehen konnte. „Aber wenn du das so möchtest… Dann war das eben unser eigenes Abenteuer!“ Er lachte überschwänglich und sprang auf dem Deck herum.

„Danke.“, lächelte sie und blickte wehmütig der Sonne entgegen.
 

Erst als etwas an ihre Hand zog, wandte sie ihren Blick ab. Ruffy hatte ihre Hand gepackt und sie mit seinen Fingern fest umschlossen. „Komm schon! Es gibt gleich frühstück!“, lachte er und Nami ließ sich, angesteckt von seiner Heiterkeit, einfach von ihm mitziehen.
 

Die kleine Pflanze streckte sich der warmen Sonne entgegen und das sanfte Grün ihrer Blätter sehnte sich nach der ersehnten Nahrung. Die weiße Knospe öffnete sich vorsichtig der neuen Welt und glitzerte sanft im Licht des großen Himmelskörpers.

Ein schwacher Duft von Orangen hing in der Luft und vermischte sich mit dem ersten Atem des neuen Tages.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MiezMiez
2013-03-27T19:20:08+00:00 27.03.2013 20:20
Ein wirklich gelungener OS. Bin richtig begeistert! Man hat sich richtig gut in die Geschichte einfühlen können und es war nichts überzogen. Wirklich gut!
lG MiezMiez
Antwort von:  MarySae
28.03.2013 10:31
Dankeschön!
Freut mich sehr zu hören :D
Von:  Piraten-engel
2013-02-22T20:06:36+00:00 22.02.2013 21:06
Diese Geschichte war so wunderschön, das man beinah selbst schon tränen des Glückes in den Augen bekommt.
Und so real, als könnte es selbst im Manga so passieren. =D
Frage mich nur, warum ausgerechnet dieser Nebel auf der Sunny erschien... =3
Seeeehr gut gemacht. =D
Antwort von:  MarySae
23.02.2013 14:12
Vielen, vielen Dank! :D


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