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Bittersweet

von

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She is the one that I adore...

„Warst du wirklich so verzweifelt? Dass du einen billigen Abklatsch von mir geschaffen hast?“, fragte der echte Pitch und umrundete deine Halluzination mit einem schiefen Lächeln. „Bei den Feinheiten scheinst du dir ja nicht sehr viel Mühe gegeben haben.“ Sein spöttischer Blick traf deine Augen und du errötetest leicht. Was konntest du denn bitte dafür, dein Kopf hatte das ohne dein Zutun fabriziert!

„Was willst du hier?“, fragtest du leise und erhobst dich vom Boden deiner eigenen, düsteren Welt. „Du hast mich wochenlang nicht besucht.“

Seine Augen verengten sich ein wenig, doch das Lächeln verschwand nicht aus seinem Gesicht. Pitch stoppte seinen Gang und zog aus dem Schatten hinter ihm seine Sense aus schwarzen Sand.

„Aber Albträume hattest du trotzdem, nicht wahr?“ Er hob die Sense an und ging einen Schritt auf dich zu. „Aber jetzt wollen wir dafür sorgen dass es keinerlei Verwechslungen mehr gibt.“ Die Waffe traf auf den falschen Pitch und zerschnitt ihn unterhalb des Herzens. Lautlos zerrieselte er zu schwarzen Sand, der sich in einer plötzlich aufkommenden Brise verlor.

„Nein!“, hauchtest du und strecktest die Hand aus – aber schon war dein attraktives Fantasiegebilde fort und würde sicher nie wieder kommen. Deine Gesellschaft der letzten Wochen war einfach weg, vom Wind dahin getragen.

„Warum hast du das getan?!“, fauchtest du Pitch an, der nur amüsiert lachte. Die Sense zerbarst zu eine Wolke aus feinstem Albtraumsand und sank zu Boden. Mit den Zehen wischtest du etwas davon zur Seite, traurig. Du mochtest deinen Pitch, der der deinem Kopf entsprungen war und dich liebevoll behandelt hatte. Aber das war zu ende, jetzt hattest du nur noch den Pitch der hier vor dir stand und sich von deinem Leid nährte.

„Was erwartest du von mir?“, fragte er mit ruhiger, doch rauer Stimme und streckte die Hand zu dir aus. Er wusste ganz genau dass du sie nicht ergreifen würdest, doch war es eine Geste der Überlegenheit für ihn. Du starrtest ihn an, verstandest kaum die Frage.

„Ich mag dich.“, begannst du und verschränktest fröstelnd die Arme vor der Brust. „Du bringst den Menschen Angst, du lebst von Angst – du bist die Angst.“

Er zog die Hand zurück, etwas irritiert.

„Mich mögen? Du musst verwirrter sein als ich dachte.“ Sein Blick wich deinem aus, ihm schien diese Art Gespräch unangenehm zu sein, denn so konnte er nicht dominieren. „Red dir nichts ein, du weißt nur nicht wie du mit deinen Gefühlen umzugehen hast. Du hast nur Angst.“

„Ja, das habe ich.“, erwidertest du und gingst einen Schritt auf ihn zu, was er misstrauisch beobachtete. „Und das ist gut so! Ich hatte mein ganzes Leben lang Angst. Angst ist die einzige Konstante in meinem spärlichen Leben. Dieses Gefühl ist das, was mir Sicherheit gibt – weil es immer da war!“

Er starrte dich an, wortlos. Ihm war anzusehen dass er mit so etwas nicht gerechnet hatte als er hierher gekommen war. Es war dir klar, dass er mit Zuneigung nicht umzugehen wusste, woher denn auch? Er war sein langes Leben unsichtbar gewesen oder gemieden. Wer mochte schon den Schwarzen Mann, der nichts als Angst und Albträume über die Welt brachte. Ein Stich im Herzen ließ dich kurz seufzen. Es war schon fast traurig, dass er so einsam war. Kaum jemand kannte dieses Gefühl so gut wie du! Diese innere Leere, die durch nichts gefüllt werden konnte und sich Tag für Tag mehr in dich hinein fraß. Er lebte auch so und das hatte nicht einmal der Boogeyman verdient.

„Und was willst du mir damit sagen? Dass du gern Angst hast?“, fragte er, mit einer stillen Drohung in der Stimme. Sein Tonfall war kalt und herablassend, doch auch leicht brüchig – er war verunsichert.

Noch einen Schritt machtest du auf ihn zu. Er blieb zwar an Ort und Stelle, doch du konntest eine kurze Muskelbewegung bei ihm beobachten. Er spannte sich an, machte sich ein Stück größer und dir wurde klar dass du soeben den dominierenden Part dieser Unterhaltung eingenommen hattest.

„Versteh mich nicht falsch“, du begannst nun ihn zu umrunden. „Kein Mensch hat gern Angst. Nun, ich bin da vielleicht etwas anders. Ich liebe meine Angst, weil sie der einzige Freund ist den ich je hatte.“

Pitch trat endlich einen Schritt zurück, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Wut war in seinen Augen zu lesen, auch wenn du nicht verstandest warum. War es denn so schlimm für ihn, von einem Menschen gemocht zu werden? Er schien absolut nicht zu verstehen dass er die einzige Gesellschaft war die du hattest. Sicherlich, die Pfleger waren nett zu dir und ihr unterhieltet euch manchmal, aber Freunde zu haben war etwas ganz anderes! Freunde hatten mit dir Spaß, mochten dich für deine guten und schlechten Eigenschaften. Und sie wechselten nicht deine Bettbezüge oder begleiteten dich zum Bad wenn du duschen wolltest.

„Mag ja sein dass du dich mit deiner Angst arrangieren kannst... Aber warum solltest du mich mögen?“; fragte Pitch misstrauisch. Innerlich musstest du lächeln, er verstand es also wirklich nicht.

„Weil du Angst zu mir bringst. Und weil du genauso einsam bist wie ich.“ Den letzten Satz hattest du eigentlich garnicht sagen wollen, doch er war dir so heraus gerutscht. Das schien dem König der Albträume nicht zu gefallen, er verzog das Gesicht in Wut und drehte dir den Rücken zu.

„Tu was du willst, dummes Mädchen.“, knurrte er. „Aber erwarte nicht dass ich auf deine kindischen Spielchen anspringe!“ Mit einem weiteren Schritt war er in der Dunkelheit deiner Welt verschwunden und du standest allein da. Augenblicklich setzten die Stimmen deiner Selbst wieder ein und flüsterten auf dich ein. Erst jetzt fiel dir auf dass du kein Wort von ihnen gehört hattest, als du dich mit Pitch unterhieltest. Doch nachdem er verschwunden war, fielen sie wieder über dich her, mit ihrem Kreischen und Schimpfen. Ein dumpfer Schmerz kroch in deinen Magen, doch du versuchtest ihn zu ignorieren.

Enttäuschung überrannte dich mit einer Plötzlichkeit, dass du aufstöhntest. Dein Verhalten war ziemlich frech, wenn du genau drüber nachdachtest mit wem du dich da eben angelegt hattest. Jetzt würde er sicher nicht wieder kommen, nachdem du dir so viel heraus genommen hattest...
 

Und tatsächlich, Monatelang träumtest du nichts. Keine Albträume, warst wieder vollkommen allein nur mit dir und deinen Stimmen. Hättest du nicht die Kinder auf der Station zum Ablenken gehabt, wärst du sicher wahnsinnig geworden, davon warst du überzeugt. Die Kinder hielten dich oft auf Trab, aber in den letzten Wochen hatten sie sich verändert. Sie schlichen durch die Gänge der Einrichtung, mit eingezogenen Köpfen und schreckten bei jedem lauteren Geräusch auf. Du entschlosst dich, Nachts heimlich aus deinem Zimmer zu schleichen und nach Camille zu sehen, wenn sie schlief. Das süße Mädchen mit den Zwangsstörungen war dir ans Herz gewachsen, wie sie jeden Abend von dir verlangte, dass du ihr Geschichten erzähltest, sei es vom Osterhasen oder der Zahnfee. Alle Kinder glaubten fest an all die Gestalten aus Märchen und so warst du nicht davon verschont geblieben.

War es denn wirklich so abwegig, dass Der Weihnachtsmann und der Sandmann existierten? Nein, und darum fandest du nach und nach deinen Glauben an die Festtage wieder.

Ehe du dich versahst war es Frühling geworden, Krokusse und Narzissen steckten ihre Köpfe aus dem Boden und begrüßten dich bei jedem Morgenspaziergang mit ihren schönen Farben. Die Vögel waren zurück ins Land gezogen, brachten ihre Lieder mit sich und zum ersten Mal seit langem fühltest du dich etwas weniger schlecht.
 

„Keine Eier... Nirgendwo...“, flüsterte Camille mit Tränen in den Augen. Möglichst beruhigend strichst du zart über ihr Haar, doch das schien sie nicht im geringsten aufzuheitern. Keine Eier, das war in der Tat sehr seltsam. Dir war klar, dass die Pfleger immer ein paar Eier versteckt hatten, aber der Großteil der farbenfrohen Beute war jeden Ostersonntag auf eine magische und unerklärliche Weise im Garten versteckt worden. Zur Freude der Kinder, die laut jubelnd und quietschend durch den Klinikgarten jagten, die geflochtenen Körbchen in den Händen und – das war am wichtigsten- sie konnten sich endlich einmal normal fühlen. Nicht wie Sonderlinge, wie Patienten oder Ausgestoßene. Zu Ostern war es hier auf der Station fröhlich, die Pflegerinnen bastelten Fensterschmuck mit den Kleinsten und es gab leckere hartgekochte Eier.

Doch dieses Jahr war es anders. Wie traurige, kleine Geister schlichen die Kinder durch die Flure, keinen Funken Freude oder Hoffnung in ihren Augen. Vielen ging es sogar noch schlechter, die Pfleger hatten schon begonnen jeden Abend Beruhigungsmittel auszugeben, wegen der Albträume.

Keiner konnte wissen wer dafür verantwortlich war, du hingegen hattest einen starken Verdacht. Und so sehr dich deine Stimmen auch nervten, saßt du auf deinem Bett, die Beine übereinander gekreuzt und konzentriertest dich darauf zu denken.

Was mit dem Osterhasen los war, konntest du dir zwar nicht erklären, aber die allnächtlichen Albträume konnten nur von einem kommen! Jeremy, ein kleiner Junge mit Hornbrille aus 12D, hatte dir mit großen Augen verraten, dass er Nachts ein kaltes und hohes Lachen gehört hatte. Aber keiner der Pfleger hatte ihm glauben wollen, da hatte der arme noch mehr Schlafmitte in Tropfenform bekommen. Aber dass er ein Lachen gehört hatte, unter seinem Bett! Das bestätigte dich nur noch in deinem Verdacht und dir wurde klar, dass Pitch Schuld sein musste. Du wusstest nicht genau warum, doch sicherlich hatte er auch etwas mit diesem spärlichen Ostern zu tun. Diese Vermutung war nur ein Gefühl in deinem Bauch, aber dein Gefühl hatte dich selten betrogen!

Aber wie kamst du nur zu ihm? Wie kam man an den König der Albträume heran? Und wo lebte er?

So viele Fragen... Und Antworten hattest du keine einzige.

Frustriert fiel dein Kopf auf dein Kissen, die Haare wild zerwühlt und du hattest einen so plötzlichen Müdigkeitsanfall, du hättest schlafen können wir Dornröschen. Es war mehr ein Dösen als Schafen, doch dein Gehirn begann von ganz allein zu arbeiten: Die Stimmen in dir wurden leiser, immer leiser und verstummten. Ein Bild brannte sich in dich ein, wie eine nach langer Zeit wiedergefundene Erinnerung. Ein Wald, kahl und mit Tannen bevölkert. Umrisse von einem Holzgebilde, im sanften Mondschein. War das …? Ja, das war ein Bett! Zerbrochenes Lattenrost, und direkt darunter... Ein Loch!

Du schrecktest hoch, die Stimmen setzten wieder mit ihrem zarten Geflüster ein und du wusstest wo du hin musstest. Du kanntest diesen Wald! Diesen Wald hattest du wirklich schon einmal gesehen! Und auch die Lichtung, wo dieses alte Bett stehen müsste. Der Entschluss brauchte gar keine lange Überlegung, du griffst nach deinem Rucksack unter dem Bett und warfst die nötigsten Dinge hinein. Du würdest aus dieser Anstalt ausbrechen, noch heute Nacht!



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