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Cosmo Aftmermath

Vermissen bis in alle Zeit
von

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Die Firma


 

„From green to red our days pass by

Waiting for a sign to tell us why

Are we dancing all alone?

Collect some stars to shine for you

And start today 'cause there are only a few

A sign of times my friend”
 

In Flames, “Trigger”
 

Central City.

Eine malerische Ansammlung der verschiedensten Baustile; Plattenbauten, Mietskasernen, Hinterhofverschläge, Einfamilienhäuser: Für jede Gesinnung gab es hier etwas Passendes.

Der Motor des Sand Splatters brummte gedämpft, als Tails auf der A1 die Stadtgrenzen passierte und auf die Innenstadt zuhielt. Der Verkehr hatte innerhalb der letzten halben Stunde zugenommen, die ersten Berufspendler bewegten sich auf ihr Ziel zu, das sie die Woche über immer wieder anstrebten und verließen.

Die Innenstadt.
 

Eines der Wahrzeichen der Stadt war der knapp dreihundert Meter hohe Fernsehturm, auf dem sich etwa 30 Meter unter der Spitze eine tonnenförmige Aussichtsplattform befand, die sich über mehrere Ebenen erstreckte. Miles war noch nie dort oben gewesen. Er verspürte auch keine Lust dazu.
 

Der Anblick vom Licht der Fenster in knapp 270 Höhenmetern leitete jedoch – wie jeden Morgen – für ihn das Ende der halbstündigen Autofahrt ein.

In der Innenstadt verließ der Junge den Highway, folgte ein Stück weit der Station-Square-Allee und bog in eine ruhige Seitenstraße ein. Er befand sich jetzt in einem reinen Gewerbegebiet mit vielen Bürogebäuden.

Sein Arbeitsplatz, die CetCom AG.
 

Er steuerte den Wagen an den Straßenrand und stieg aus. Einen Moment blieb er neben der geöffneten Tür stehen. Es hatte nun endgültig aufgehört zu regnen, nur ein paar Windböen zogen durch die Gassen. Tails rückte seine Brille und blickte ins Morgenlicht, dass durch einen Riss in der Wolkendecke schimmerte.
 

Fünf Minuten später hatte er sich beim Empfangsdienst registriert und saß an seinem Platz im Großraumbüro, dritter Stock.

Sein Terminkalender erinnerte ihn an das Meeting mit dem Manager einer bekannten Marketingfirma, deren Hauptschwerpunkt auf Werbung lag. Das Treffen war um 11 Uhr im Konferenzraum 3 angesetzt.

Weitere Teilnehmer waren natürlich sein Vorgesetzter, Prof. Dr. Manfred Breuer, und sein Team. Zusammen hatten sie in den letzten Wochen an einer Systemlösung für ein Videobearbeitungsprogramm gearbeitet, welches auf die Bedürfnisse der Firma abgestimmt war.

Tails öffnete die bereits fertig erarbeitete Präsentation und vertiefte sich in Tabellen aus Parametern und Fachbegriffen.
 

„Guten Morgen, Miles.“

Tails sah auf. Er war so vertieft in den Stoff gewesen, dass er das Erscheinen von Christine gar nicht bemerkt hatte. Christine Heaths war Zeitwächterin und für das Präsentieren zuständig. Sie vertrat sozusagen das Resümee.

„Oh. Hallo, Christine,“ antwortete er mit müder Stimme.

„Alles in Ordnung bei dir?“ Sie sah ihn mit einem besorgten Stirnrunzeln an, dass nur sie in perfekter Vollendung und Perfektion beherrschte – nur leider viel zu oft in letzter Zeit.

Er seufzte. „Ja. Ich schlafe in letzter Zeit nur nicht besonders gut.“
 

Das war untertrieben, denn diese Anfälle der Trauer und des Frusts kamen in den letzten Monaten immer häufiger.

Jetzt war es an Christine zu seufzen. Sie sparte sich jeden weiteren Kommentar, doch meinte Tails gerade in dieser Art, Dinge nicht zu kommentieren, eine Art stummen Vorwurf zu hören. Sie hatte ihm schon so oft nur diese eine Frage gestellt, er blockte, und danach ging auf privater Ebene gar nichts mehr. Mit Glück nach ein paar Stunden Zusammenarbeit, aber das war es dann auch schon.

„Ehrlich, es ist alles in Ordnung.“

Sie schwieg und startete ihren Rechner.
 

Sein Blick fiel auf die Wanduhr. Fast sieben durch.

Wie schnell war die Zeit verflogen!

„Guten Morgen!“ Fröhlich trällerte bereits die nächste Stimme ins Zimmer, diesmal männlich.

Mark Rodnik war, neben Tails, der Mann für die Programmierung und das Design des Programms selbst. Er war derjenige, der brillante Ideen zur Vereinfachung der Benutzungsabläufe mit an Bord brachte und sie alle motivierte.

Heimlich blickte der junge Fuchs zu ihm auf. Er konnte es sich nicht eingestehen, aber Mark war genau die Art Persönlichkeit, die der Junge gerne hätte.

Seine Fähigkeit, die Leute zu motivieren und sein optimistische Weltbild, verbunden mit dem Selbstbewusstsein von Christine schufen eine Atmosphäre, in der sich der Junge doch vergleichsweise wohl fühlte.

Christine und Mark, beide der Spezies Igel angehörend, waren gut zehn Jahre älter als er.

Wie so viele in der Firma.
 

Ganz früher war er allein, ohne Familie, durch die Weltgeschichte geirrt. Er wusste nicht, wo er herkam und er hatte kein Ziel. Er verbrachte damals viel Zeit in Bibliotheken um zu lesen und sich das Wissen anzueignen, das ihn für die jetzige Stelle qualifizierte.

Bald schon fesselten Tails die Lehrbücher über Technik, so begann er selbst aus Schrott, den er fand, kleine Maschinen zusammenzusetzen.

Es war keine einfache Zeit gewesen. Andere Jungs in seinem Alter verspotteten ihn als Streber, obwohl er keine Schule besuchte. Er galt als Außenseiter, Gleichaltrige ließen oft keine Chance aus, ihn das spüren zu lassen.

Bis er Sonic traf.
 

Er erschien einen Monat nach dem Tod seiner geliebten auf der Türschwelle von Dr. Breuer, um seine Bewerbung mündlich vorzutragen. Im ersten Moment verwirrt, wollte der Firmenchef ihn wieder nach Hause schicken, doch der Junge hatte Referenzunterlagen über Softwarecodes gleich mitgebracht. Es war jenes Betriebssystem, das dem Blue Typhoon damals erlaubt hatte, zu starten.
 

Anfangs glaubte man ihm nicht, man sagte: „Die Codes sind nicht von dir! Woher hast du sie?“

Verzweifelt versuchte er zu erklären, dass er autodidaktisch lernte.

Der Umstand, dass der Fuchsjunge nie eine Schule besucht hatte und völlig allein, ohne Bewerbungsunterlagen und Termin in der Tür stand, erregte jedoch auch ein Körnchen Neugier bei Herrn Breuer. Dieses ließ die Waagschale ins neutrale einpendeln.
 

Und so durfte er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Man behielt ihn gleich da.

Gleich zu Anfang brachte ihn der Chef mit seinen jetzigen Kollegen zusammen, die innerhalb der Firma als sehr empathisch und sozial galten.
 

„…und dann fing mein Kater an, an der Fensterscheibe zu klopfen. Mit seiner Tatze. Ohne Mist! Nur wegen diesem einen Vogel, der sich jeden Morgen auf denselben Ast vor meinem Küchenfenster setzt. Unglaublich, oder Tails? Hey, Tails!“ Mark sah zu ihm herüber, in seinem fröhlichen Gesichtsausdruck mischte sich eine Spur Unsicherheit.

Der Junge schreckte hoch. „Ha.. was? Entschuldige, ich muss kurz eingenickt sein.“

10 Uhr 17.

Kurz war etwas anderes.

Christine spitzte die Lippen, dann mahlte sie mit dem Kiefer.

Mit ihrer rechten Hand klopfte sie immer wieder leise auf ihre Schreibtischunterlage. Der Kugelschreiber in ihrer Hand klickte leise.

Mark blickte von Miles zu Christine und wieder zurück, die Unsicherheit in seinem Gesicht war nun deutlicher zu sehen.
 

„Leute, was ist denn auf einmal los?“

Christine antwortete nicht. Sie verließ kommentarlos und ohne sich noch einmal umzudrehen das Büro.

Herr Rodnik seufzte und rieb sich die Stirn. „Und das kurz vor der Präsentation… Das kann uns den verdammten Auftrag kosten. Den dürfen wir nicht verlieren!“

Tails stand auf und ging zum Kaffeeautomaten. Er zog sich einen Latte Macchiato und sagte dann: „Du hast Recht. Diesen Patzer können wir uns nicht erlauben.“
 

Jetzt atmete Mark auf. Der Junge gab wieder konkrete Sätze von sich. „Warum sie wohl den Raum so fluchtartig verlassen hat?“

„Ich habe keine Ahnung,“ antwortete Miles. Doch ganz die Wahrheit war das nicht. Er hatte da schon eine Vermutung, aber es war eher ein Gefühl.

Mark sah ihn zweifelnd an. „Bist du dir da sicher?“

„Es ist nichts. Ich habe nur plötzlich so ein ungutes Gefühl.“

Er stellte den Macchiato ab und ging zur Toilette.
 

Unterwegs dorthin begegnete er mehreren Mitarbeitern der Firma. Die meisten waren in Diskussionen und Absprachen vertieft, einige kopierten. Die wenigen, die ihn grüßten, erhielten ein neutrales „Guten Morgen“ als Antwort.
 

Er fühlte sich auf einmal selbst hier fehl am Platze.

Verdammt, Christine, was tust du gerade?

In der Toilette wusch sich Miles das Gesicht. Als er es mit Papierhandtüchern trocknete, blickte er auf und sah direkt in den Spiegel.

Zum zweiten Mal an diesem Morgen.

Doch seine Augenringe schienen noch eine Spur dunkler geworden zu sein.

Leise raschelnd fielen die Taschentücher in den Papierkorb. Das unbenannte Gefühl verstärkte sich, als ihm langsam dämmerte, was nun passieren würde.
 

Einem Impuls folgend riss er die Tür zum Flur auf und ging schnellen Schrittes zu seinem Büro zurück.

Da stand Dr. Breuer persönlich.
 

10 Uhr 31.
 

Oh nein. Bitte, lass ihn uns nur letzte Instruktionen geben, dachte Tails.

„Guten Morgen Miles!“ Der Chef widmete dem Jungen ein breites, zahnweißes Lächeln.

Doch es wurde etwas schmaler, als er seinen jüngsten Mitarbeiter betrachtete.

Christine Heaths saß an ihrem Schreibtisch und vermied es ihn anzusehen.
 

„Hättest du einen Moment Zeit?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, legte er dem Jungen seine Hand auf den Rücken und schob ihn sanft aber Bestimmt aus dem Raum in den weiß getünchten Flur, Richtung Chefetage.
 

Shit.
 

Miles vermied Blickkontakt mit seinem obersten Vorgesetzten. Er betrachtete die schemenhaft vorbeiziehenden grau-schwarzen Schattierungen des Teppichs. Wie ein Störbild. Weißes Rauschen.
 

Im Büro angekommen bedeutete Manfred ihm, sich zu setzen.

„Und die Codes sind doch von dir,“ sagte sein Chef und schmunzelte, als er sich vor die vollverglaste Fensterfront stellte und auf den grünen Innenhof hinausschaute.

Der Junge hörte den Satz. Ein Stich fuhr ihm durchs Herz.
 

So vertraut hatte er den Chef noch nie mit jemandem sprechen hören.
 

Jetzt wandte sich jener ihm zu. Das Tageslicht fiel auf seine Schläfen und seinen Hinterkopf. Das grau melierte Haar kam stark zur Geltung.

„Hör zu Junge,“ sagte er mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. Sie hatte jetzt jeden Klang von Autorität eingebüßt, „wir haben hier einen beispiellosen Fang gemacht als du hier eintrafst.“

Tails schluckte und sah auf seine Knie.

„In einem Monat feierst du dein 2-Jähriges Jubiläum in diesem Laden. Du hast uns mit deiner Kreativität mehrere kleine Verträge gesichert. Und damit dazu beigetragen, dass das Unternehmen bestehen konnte.“

Jetzt sah er wieder auf. Eine Sorgenfalte zog sich über die Stirn von Herrn Breuer.

„Aber in letzter Zeit fiel mir mehr und mehr auf, dass du dich nicht mehr so verhältst wie früher.“
 

Das wars. Was jetzt auch immer kommen sollte, es war unausweichlich.



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