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Seelensplitter

von

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Die Erbschaft

Woher ich das Geld für die Wohnung hatte? Haben Sie nicht zugehört? Sie wissen doch, wer mein Großvater war!
 

***
 

„Alera? Richard will dich sprechen, in seinem Büro!“

Die Angesprochene sah von ihrem Buch auf und runzelte die Stirn.

Hatte sie etwas angestellt?

Mit einem Seufzen legte sie ein Lesezeichen zwischen die Seiten, stand auf und verlies ihr Zimmer, wobei sie Lukas einen fragenden Blick zuwarf, den er mit einem Schulterzucken beantwortete.

Richard saß hinter seinem (wie immer makellos aufgeräumten) Schreibtisch aus glänzendem Mahagoni und blickte sie über den Rand seiner Lesebrille hinweg an.

Er deutete auf einen der Ledersessel ihm gegenüber und Alera ließ sich auf die kühlen Polster sinken, die Augen fest auf ihn gerichtet.

„Was gibt es?“

Richard verschränkte die Finger und stützte sein Kinn darauf.

„Es kam ein Brief vom Anwalt deines Großvaters!“

Da Alera noch nicht volljährig war gingen solche Briefe grundsätzlich an ihn, schließlich war er ihr Vormund.

„John Stag ist verstorben und er hat dich in seinem Testament bedacht!“

Hätte sie in diesem Moment etwas im Mund gehabt hätte sie sich vermutlich entweder daran verschluckt oder es ausgespuckt.

„Wie bitte?“

John Stag hatte sich bisher nie für seine Enkelin interessiert, und gesehen hatte Alera ihn nur einmal, auf der Beerdigung ihrer Mutter.

„Hat er etwa beschlossen, dass es mich doch gibt? Schließlich hat er ja meine Existenz bisher erfolgreich ignoriert!“

„Alera!“ Richard legte seine Hände auf dem Tisch ab und warf ihr einen strengen Blick zu.

„Ich gebe zu dass John nicht gerade ein Bilderbuchgroßvater war, aber hast du jemals versucht selbst Kontakt mit ihm aufzunehmen?“

„Ja, dass habe ich!“

Alera Stimme zitterte vor unterdrücktem Zorn.

„Mit zehn habe ich ihm einen Brief geschrieben!“

Zenzele war damals gestürzt und hatte sich einen komplizierten Bruch zugezogen, der einfach nicht richtig heilen wollte, weswegen ihre Kinder sie in ein Heim gesteckt hatten.

Nach einem besonders schlimmen Streit mit ihrem Vater hatte sie ihrem Großvater geschrieben und ihn um Rat gebeten.

Der Brief war ungeöffnet zurück gekommen, John Stag hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht ihn zu lesen.

Richard seufzte.

„Lass mich raten: er hat ihn nicht gelesen, oder? John war schon immer fürchterlich stur! Er hat nie verstehen können, dass Nadja sich für deinen Vater entschieden hat…“

„Und er dachte dass sich daran etwas ändern würde, wenn uns nicht beachtet?“ Alera lachte trocken.

„Nein! Er dachte nur es würde etwas bringen den Geldhahn zuzudrehen. Deine Mutter war einen gewissen Lebensstandart gewöhnt und jeder wusste, dass Maxime ihr den nicht bieten konnte. Also lies John sie auf dem Trockenen sitzen und wartete ab, schließlich hatte Nadja nie einen Beruf erlernt.“

Nur hatte das ihre Mutter nicht davon abgehalten, dass Geld trotzdem mit beiden Händen auszugeben.

Alera schüttelte den Kopf und drängte die Erinnerungen an die Shoppingtouren mit ihrer Mutter zurück.

Solche Gedankengänge endeten meist in einem Blutbad.

Sollte sie das Geld, oder was auch immer er ihr vererbte (es konnte ja schließlich auch seine Briefmarkensammlung sein), einfach annehmen und siebzehn Jahre Vernachlässigung einfach ignorieren?

„Du meinst also, dass ich die Almosen die er mir zuwirft einfach annehmen soll?“ eine schwarze Locke rutschte aus ihrem Haargummi und kitzelte ihre Wange, woraufhin Alera sie energisch zurück hinters Ohr strich.

„Himmel, ihr beiden hättet es im Leben wesentlich einfacher, wenn ihr etwas weniger nachtragend wärt!“

Richard machte ein Gesicht als ob er nicht wüsste, ob er lachen oder schnauben sollte.

„Was hältst du davon einfach zur Testamentseröffnung zu gehen und dir anzuhören was John geschrieben hat? Du kannst das Erbe dann ja immer noch ausschlagen!“
 

In einem (für ihre Verhältnisse extrem elegantem) dunkelgrauen Hosenanzug saß Alera zusammen mit Richard zwischen Verwandten die sie noch nie im Leben gesehen hatte und tat so, als würde sie die stechenden Blicke nicht bemerken.

Warum war sie eigentlich hier?

Ach ja, sie wollte sich anhören, was ihr Großvater in seinem Testament geschrieben hatte.

Alera unterdrückte ein Gähnen und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Anwalt zu, einem schickimicki Typ mit teurem Anzug und zurück gegelltem Haar, der gerade Verkündete, das sie genug erben würde um für den Rest ihres Lebens versorgt zu sein.

Gesetzt des Falles natürlich das sie das Geld nicht zum Fenster rauswarf!

Die Blicke der Cousins und Cousinen dritten (oder waren es vierte) Grades ihrer Mutter wechselten von stechend zu tödlich und die Temperatur schien um einige Grad zu sinken.

Irgendwie war Alera plötzlich froh, diese ‚netten‘ Leuten vorher nie getroffen zu haben.
 

„Sag mal…“ Alera saß auf dem Beifahrersitz von Richards BMW und nestelte am Saum ihres Jacketts herum.

„Wenn diese Leute so dagegen sind das ich erbe, warum fechten sie das Testament nicht an? Schließlich hat John meine Mutter enterbt… gilt das nicht auch für mich?“

Zu ihrer Überraschung fing Richard an zu lachen.

„Wir sind hier nicht in Amerika, Alera! Man kann nicht einfach alles irgendwem vermachen oder jemanden einfach so enterben, dafür muss schon ein triftiger Grund vorliegen. Und ‚meine Tochter hat nicht den Mann geheiratet den ich für sie ausgesucht hatte‘ ist kein triftiger Grund! Nicht mal annähernd!“

Einer ihrer Finger strich eine nicht vorhandene Falte glatt.

„Aber warum sagen dann alle dass es so wäre? Es stand sogar in den Zeitungen!“

„Du solltest doch eigentlich wissen, dass nicht alles wahr ist was man sich so erzählt. Und die wirklich seriösen Zeitungen haben diesen Käse nie gedruckt. Das ist auch der Grund warum Nadjas Freunde den Kontakt zu ihr nicht abgebrochen haben. Sie haben gehofft von ihrer ‚Treue‘ zu profitieren.“

Jetzt so er es sagte… die Freundinnen ihrer Mutter hatten tatsächlich immer teure Autos gefahren (sie hatte damals Stunden damit verbracht sich vorzustellen wie es wäre mit so einem durch die Gegend zu brausen) und sich darüber aufgeregt wie klein das Haus war (‚wie hältst du das in diesen beengenden Räumen nur aus, Nadja meine Liebe?‘ ‚Oh mein Gott, hat dieses Haus etwa nur ein Badezimmer?‘ ‚Wir trinken Tee im Wohnzimmer? Gibt es keinen Salon?‘).

Jetzt wusste sie wieder, warum sie diese Ziegen nie hatte ausstehen können!

„Heißt das also, dass eigentlich alles mir zusteht? Fechten sie deshalb das Testament nicht an?“

„Nicht ganz! Als einzige Erbin in gerader Linie steht dir dann alles zu, wenn nichts anderes im Testament steht. Anderenfalls beträgt dein Pflichtteil, der Teil der dir auf jeden Fall zusteht, die Hälfte seines gesamten Vermögens. Und damit meine ich nicht nur das Geld, sondern auch Aktien, die Firma, sämtliche Immobilien, Schmuck, Wertpapiere, Autos, Möbel und alles, was ihm sonst noch gehört.“

„Lass mich raten… das ist sehr viel mehr als ich bekommen habe, oder?“

„Genau! Man kann John vieles vorwerfen, aber er war klug. Du bekommst genug um versorgt zu sein ohne dir Sorgen um Gerichtsverhandlungen oder ähnliches machen zu müssen.“

Richard hielt an einer roten Ampel.

„Und dazu wäre es vermutlich gekommen, so wie ich meine lieben Cousins und Cousinen einschätze, oder?“

Statt einer Antwort warf er ihr nur einen Blick zu der Bände sprach, bevor er den ersten Gang einlegte und anfuhr.
 

Das Geld wurde ein paar Tage später auf ihr Konto überwiesen und Richard sorgte dafür, dass es gewinnbringend angelegt wurde.

Etwa zwei Jahre später kaufte Alera von einem Teil ihres Erbes eine hübsche drei Zimmerwohnung, in der sie mit Nicky zusammen wohnte.

Zusammen mit ihrem Job im Hotel der Familie von Siegel (Richard hatte beschlossen, dass Alera das Hotel und Damian die Firma erben sollte und deswegen dafür gesorgt, dass beide jeweils dort eine Ausbildung absolvierten) reichte das Geld für ein bequemes Leben.

Nur leider bleib das Leben eben nicht immer angenehm…



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