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Seelensplitter

von

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Halbgott in Weiß

Halbgott in Weiß
 

Und dann? Ich lebte ganz normal weiter, was sonst? Ich hatte mein Ziel ja schließlich erreicht!

Warum ich dann mehr als einen Mord begangen habe? Was glauben Sie denn?

Wie bitte? Sie glauben Roman Petricov war ein guter Mensch? Er war ein Monster, das seine Macht skrupellos ausnutzte! Und damit meine ich nicht, dass er sich hinter Mamis und Papis Geld und Einfluss versteckte!
 

***
 

Zwei Monate nach Tom Marshalls Tod hatte sich ihr Leben wieder normalisiert.

Wenn man mal von den Albträumen absah.

Aber die hatte sie schon seit sie ein Kind war, daher wunderte das sowieso niemanden.

Alle dachten, der Tod von Lucias Mörder habe den alten seelischen Müll wieder aufgewirbelt und zum Teil stimmte das auch.

Wie auch immer, nach etwa zwei Monaten fiel ihr auf, dass Rose, eine ihrer Klassenkameradinnen, sich seltsam verhielt.

Sie war noch ruhiger als sonst und zuckte bei jeder Berührung zusammen.

Einmal, als der Mathelehrer sich von hinten über sie beugte um zu sehen ob er ihr helfen konnte, schrie sie so laut, dass die Lehrer von neben an kamen um nach dem Rechten zu sehen.

Das war doch wirklich zu seltsam.

In der Mittagspause saß sie alleine an einem Ecktisch, stocherte in ihrem Essen herum und starrte dabei ein Loch in die Wand.

Das war doch mal eine Gelegenheit!

Mit einem Tablett in der Hand schlenderte sie lässig zu Roses Tisch hinüber und setzte sich einfach auf den Stuhl gegenüber.

„Darf ich mich zu dir setzen?“

Der Blick ihrer Mitschülerin fokussierte sich auf ihr Gegenüber.

„Du sitzt doch schon!“

„Danke!“ ein zuckersüßes Lächeln, mit dem sie einen Großteil der Welt täuschen konnte.

Rose bildete da keine Ausnahme.

Ihr Blick sagte ganz eindeutig: ‚lass mich bloß in Ruhe, du eingebildete Ziege!‘

Ein Image, das sie kultivierte seit sie vierzehn war.

Sie spießte ein Stück Tomate auf und schob es in den Mund.

„Du bist in letzter Zeit so komisch!“ meinte sie nachdem sie geschluckt hatte.

Die grüngesprenkelten Augen verengten sich misstrauisch.

„Was meinst du damit?“

„Was wohl? Du zuckst andauernd zusammen und sprichst kaum noch!“

Sie zeigte mit einem Stück aufgespießter Gurke auf Rose.

„Ich wüsste nicht, was dich mein Leben angeht! Wenn ich ständig zusammenzucke ist das ja wohl meine Sache! Und selbst wenn nicht: Was könntest du schon tun?“

Mit diesen wenig schmeichelnden Worten erhob sich die Rothaarige, schnappte sich ihr Tablett mit dem immer noch vollem Teller Spaghetti und verließ den Speisesaal, als wäre jemand hinter ihr her.

‚Getroffener Hund jault!‘ mit diesem Gedanken schob sie sich ein weiteres Salatblatt in den Mund.

Rose Müller war irgendetwas passiert.

Etwas Schlimmes.

Das wusste sie deswegen, weil sie sich genauso verhalten hatte, nachdem man sie als verängstigte achtjährige blutverschmiert in einer dunklen Seitengasse gefunden hatte.

Allerdings war Alera Benett von Siegel wohl nicht die richtige Person um herauszufinden was.
 

‚Das ist fast zu einfach!‘ dachte sie sich, als sie eine Woche später um das Haus der Familie Müller herumschlich.

Rose verabschiedete sich gerade an der Haustür von ihren Eltern und so konnte sie einfach über die offene Terrassentüre ins Wohnzimmer spazieren und sich in einen Sessel beim Fenster setzten.

Dieses Mal hatte sie sich komplett anders gekleidet: eine bequeme Stoffhose, einen dünnen Rollkragenpulli und Handschuhe, alles in schwarz.

Damit ihre Mitschülerin sie nicht erkannte, hatte sie sich einen Schal in der gleichen Farbe um den Kopf geschlungen, dessen Sitz sie noch einmal überprüfte.

Das Ende das ihr ins Gesicht hing überschattete immer noch ihre Gesichtszüge, ohne ihre Sicht zu behindern.

Perfekt!

Elegant schlug sie die Beine übereinander und lehnte sich im Sessel zurück.

Beim hereinkommen übersah Rose ihren schwarzen Besucher erst mal.

„Guten Tag!“ sie ließ ihre Stimme möglichst sanft klingen, sprach ein bisschen höher als sonst.

„Waah!“ mit einem erschrockenen Aufschrei fuhr die junge Frau herum und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Gestalt in ihrem Wohnzimmer.

„W..was wo..wollen Sie?“

Die kleinen Hände verkrampften sich, ihr ganzes Gesicht drückte Panik aus.

Aber wen wunderte das?

Sie sah im Moment nicht wirklich vertrauenswürdig aus.

„Informationen! Was hat man Ihnen angetan und warum?“

„I..ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!“

„Plötzlicher Rückzug, verängstigtes zusammenzucken, panischer Blick, Ausflüchte… Alles Verhaltensweisen von Opfern. Und zwar Opfern von extremen Gewalttaten!“

Rose griff nach ihrem Zopf, dessen Farbe sie ihren Namen verdankte.

Die Köchel traten weiß hervor, das Gesicht eine gekünstelt ausdruckslose Maske, wodurch es mehr verriet als versteckte.

„Sie müssen mir nicht antworten. Aber dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Wer auch immer Ihnen was auch immer angetan hat, er wird unbescholten davonkommen und im schlimmsten Fall sogar weiter machen, wenn Sie nicht mit jemanden sprechen!“

Dieses Argument klang logisch und so lies Rose ihr dunkelrotes Haar los und setzte sich auf das Sofa.

„Wollen Sie etwas trinken?“

Offenbar ein letzter Versuch, die Sache hinauszuzögern.

„Nein Danke!“

Auf keinen Fall würde sie hier DNA zurücklassen.

„Aber vielleicht sollten Sie sich selber eine heiße Schokolade machen!“

Zumindest ihr selbst hatte das immer geholfen.

„Ich mag keine Schokolade!“

„Dann eben nicht!“

Sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück.

Jetzt hieß es warten bis Rose anfing zu reden.

Und wie sie aus eigener Erfahrung wusste: das konnte dauern!

Nach etwa einer halben Stunde stand sie auf.

„Es muss nicht jetzt sein. Kennen Sie den See im Park?“

Rose nickte.

„Am Ufer steht eine Trauerweide, in deren Stamm sich ein großes Astloch befindet. Legen Sie einen Zettel mit Ort und Zeit hinein, wenn Sie soweit sind! Ich werde kommen!“

Länger konnte sie nicht bleiben da sie keine Ahnung hatte, wann das Ehepaar Müller wieder zurück kam.
 

Zwei Wochen später fand sie einen Zettel an der beschriebenen Stelle.

Oder besser gesagt: unter der beschriebenen Stelle.

Da der Erbauer des Hauses von Familie Siegel sehr… paranoid gewesen war führten die Geheimgänge des Anwesens nicht nur von einem Zimmer ins andere, sondern auch aus dem Haus zu verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb der Stadt.

Einer dieser Tunnel verlief unter dem Park und unterhalb der Trauerweide war ein Lüftungsloch, verborgen durch den von Natur aus hohlen Stamm.

Wurzeln und herausstehende Steine dienten als Fußtritte, während sie innen nach oben kletterte, bis sie auf Höhe des Astlochs war und nach dem Zettel greifen konnte.

Wieder in ihrem Zimmer fischte sie das Papier aus der Tasche ihrer Sporthose und faltete es auseinander.

Dienstag, einundzwanzig Uhr, Grillplatz im Wald.

Mehr stand da nicht.

War allerdings auch nicht nötig.

Sie würde da sein.
 

Um diese Jahreszeit wurden Grillplätze selten benutzt.

Zumindest abends.

Auch wenn es Ende April tagsüber schon recht warm war, nachts war es noch verdammt kalt und so kuschelte sie sich tiefer in das weite Sweatshirt, das sie Damian geklaut hatte.

„Hallo!“

Wieder zuckte Rose erschrocken zusammen.

„Ha…hallo!“

Im Schatten des Baumes war sie kaum zu sehen, ein weiterer Grund für die schwarze Kleidung.

Außerdem fiel so das Verstecken im Dunkeln wesentlich leichter.

Nur für den Fall, dass Rose irgendetwas plante.

„Ich… ich weiß nicht wo ich anfangen soll.“

„Wie wäre es mit dem Anfang? Etwas Einfaches?“

„Einfach? Nichts daran ist einfach!“

Rose schnaubte und kaute auf ihrem Daumennagel herum.

„Sie werden es kaum glauben, aber das weiß ich. Besser als Sie sich vorstellen können!“

Die Rothaarige kaute noch einige Minuten schweigend weiter, dann holte sie tief Luft und stieß einen schweren Seufzer aus.

„Es… ich…vor anderthalb Monaten kam ich ins Krankenhaus. Nichts Ernstes, nur der Blinddarm, die Operation habe ich gut überstanden.“

Sie schwieg einfach, lies Rose reden.

Ihr selbst war das Erzählen immer am leichtesten gefallen, wenn man ihr einfach nur zuhörte.

„Ein paar Tage nach der OP kam dieser Arzt in mein Zimmer. Er fragte, wie es mir ginge und so weiter, las ein bisschen in meiner Krankenakte… Was Ärzte halt so tun!“

Sie holte tief Luft und schlang die Arme um den Körper, offenbar bereitete sie sich auf den schwersten Teil ihrer Erzählung vor.

„Dann gab er mir eine Spritze, redete irgendwas von Thrombose und Schmerzmittel, aber ich merkte sofort, dass etwas nicht stimmte! Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht mehr sprechen! Mein Körper wurde taub, ich konnte mich nicht mehr bewegen!“

Inzwischen redete sie so schnell, dass es schwierig war zu verstehen was sie sagte.

Und je mehr sie erzählte, desto mehr wünschte Alera sich, sie hätte nie gefragt.

„Ich konnte die Augen nicht öffnen, aber er muss mein Oberteil aufgeknöpft haben, ich spürte seine Hände auf meiner Haut… Er… er…“

„Sie müssen nicht weiterreden! Den Rest kann ich mir denken!“

Sie ließ ihre Stimme so sanft wie möglich klingen, aber Rose brach trotzdem in Tränen aus.

Mit dem Handrücken versuchte sie sie wegzuwischen, während sie sich auf den glücklicherweise trockenen Waldboden sinken ließ und hemmungslos schluchzte.

„Ich konnte es niemandem sagen! Ich… ich habe mich so geschämt! U..u..nd er m..meinte, es würde mir j..a sowieso n..niem..and glauben.“

Bevor sie wusste was sie da eigentlich tat, hatte sie die junge Frau in die Arme genommen und strich ihr beruhigend über den Rücken.

„Ganz ruhig! Es ist nicht Ihre schuld! Wenn sich jemand schämen muss, dann er! Ruhig! Ruhig!“

Sie wusste nicht, wie lange sie diesen tröstenden Unsinn von sich gab, aber die Floskeln, die Lucas ihr in so vielen Nächten ins Ohr geflüstert hatte, zeigten offenbar Wirkung, denn irgendwann beruhigte Rose sich.

„Hören Sie! Sie müssen mir nicht mehr erzählen! Ich muss nur noch eines wissen: den Namen! Und wenn Sie jemals jemanden zum reden brauchen, Sie wissen, wie Sie mich erreichen können!“

Lange Zeit sagte die rothaarige gar nichts, sondern schluchzte nur leise vor sich hin.

Dann sah sie auf und urplötzlich lag wilde Entschlossenheit in ihren grüngelben Augen.

„Roman Petricov!“

‚Ach du Scheiße!‘ war alles, was ihr dazu einfiel.
 

Roman Petricov.

Ausgerechnet der bekannteste Arzt der Stadt und sogar darüber hinaus, seit ihm die spektakuläre Heilung eines hoffnungslosen Falles gelungen war.

Die totkranke Tochter eines reichen Kerls war auf wundersame Weise gerettet worden.

Tony Green hatte sich überaus erkenntlich gezeigt und auch Valeria lies nur Gutes über ihren Retter verlauten.

Die Folge: der junge, talentierte Arzt schwamm nun förmlich in Geld und war praktisch über Nacht zum Star der Ärztezunft avanciert.

Gut für ihn, schlecht für seine Opfer.

Es musste mehrere Opfer geben!

Was Rose erzählt hatte klang nach Routine, also weinten vermutlich viele Mädchen und Frauen nachts in ihre Kissen, während sie tagsüber bei jeder fremden Bewegung zusammenzuckten.

Schrecklich!

Petricov musste aufgehalten werden, soviel stand fest.

Nur benötigte sie dafür Beweise, schließlich sollte ihr niemals jemand vorwerfen, sie hätte wahllos gemordet!

Sonst würde sie ihren Eltern niemals ins Gesicht sehen können, wenn sie ihnen im Jenseits begegnete.

Obwohl, vielleicht konnte sie das schon jetzt nicht.

Sie wären bestimmt entsetzt über das tun ihrer einzigen Tochter.

Das klopfen an der Tür riss sie aus ihren unangenehmen Gedanken.

Beatrice steckte ihren rotbraunen Kopf zur Tür herein.

„Willst du nicht zum Abendessen kommen?“

Verwirrt blickte sie auf die Uhr, es war tatsächlich schon halb sieben.

So was aber auch!

„Tut mir leid, ich habe die Zeit vergessen!“

Sie rutschte vom Bett, strich sich die Kleidung glatt und drehte sich genau in dem Moment um, in dem ihre Adoptivmutter schuldbewusst den Kopf senkte.

Ihr kurzer Rock und das T-Shirt mit V-Ausschnitt waren nicht gerade Ladylike und Beatrice kannte den Grund für diese Kleiderwahl ebenso gut wie sie selbst.

Wozu ein unachtsam dahingeworfenes Wort doch fähig war!
 

Die Lösung für ihr Beweisproblem kam ihr ein paar Tage später.

Sie konnte zwar nicht einfach ins Krankenhaus gehen und ihn bei seinen Taten fotografieren, aber wenn sie ihn zu einem Geständnis zwingen könnte…

Sie dachte zurück an Tom Marshall, wie sie ihn drei Monate lang verfolgt hatte und an die Vergewaltigung, die sie beobachtet hatte.

Sie wusste immer noch nicht, wie sie es dabei geschafft hatte auf ihrem Beobachtungsposten zu bleiben, obwohl sie einfach nur dazwischen hatte gehen wollen.

Es war so… unmenschlich gewesen.

Sie ekelte sich vor sich selbst!

Der Zweck heiligte wohl doch nicht immer die Mittel.

Und gebracht hatte es eigentlich nichts.

Aber egal, jetzt brauchte sie Papier, eine Zeitung, Klebstoff und ein Diktiergerät.

Es wurde Zeit für eine weitere Bastelstunde!
 

Eine Woche später stand sie in einem dunklen Durchgang und wartete.

Hoffentlich tauchte der Kerl bald auf, sie war müde!

Nach einer halben Ewigkeit hörte sie Schritte und kurze Zeit später tauchte eine Gestalt auf.

Roman Petricov war nur knapp eins fünfundsechzig und damit nicht viel größer als sie selbst.

Die schmalen Schultern, die Brille und der eher kümmerliche Körperbau täuschten beinahe über die verschlagene Intelligenz hinweg die in seinen Augen funkelte.

„Hallo? Ich bin hier, also wo sind Sie?“ seine überraschend tiefe Stimme klang leicht beunruhigt.

Im Licht der einzigen funktionierenden Straßenlaterne blickte er gehetzt nach links und rechts.

Leider machte er in seiner Anspannung einen Fehler: er stand mitten im Lichtkegel.

Ein Wunderbar beleuchtetes Ziel, während um ihn herum alles dunkel war.

Außerdem kam das Licht von vorne, sodass sie sich anschleichen konnte, ohne dass ihr Schatten sie verriet.

Komisch, auf was man so alles achten musste!

Im Fernsehen sah das alles so einfach aus, wenn der Held mal eben schnell ein Geständnis aus dem Bösewichts Gehilfen herausprügelte.

‚Mann Alera, das hier ist kein Film und du bist weder James Bond noch sonst jemand!‘

Mit diesem Gedanken rief sie sich selbst zur Ordnung, während sie sich von hinten anschlich und dem Arzt eine alte Spielzeugpistole ins Kreuz drückte.

„Wenn sie einmal auch nur falsch Atmen jage ich ihnen eine Kugel durch den Rücken und lasse sie in dieser dunklen Gasse elendig verbluten! Ist das klar?“

„J..ja!“

Offenbar wurde Leute erschrecken zu ihrem neuen Hobby!

„Machen wir einen kleinen Spaziergang!“

Mit diesen Worten schob Alera den Mann vor sich her, durch verwinkelte Straßen, bis sie in eine kleine Gasse kamen, die perfekt für ein kleines Verhör geeignet war.

Dunkel, keine Fenster, die auf die Straße hinausgingen, keine neugierigen Leute…

„Hände hinter den Rücken!“

Als er gehorchte fesselte sie ihn mit Kabelbinder und verpasste ihm einen Stoß, sodass er stolperte.

Während er abgelenkt war steckte sie die Pistole weg und holte stattdessen das Küchenmesser und das Aufnahmegerät heraus.

„So und jetzt erzählen Sie mir mal schön, mit was Sie sich im Krankenhaus die Zeit vertreiben!“
 

Etwa eine Stunde später schaltete sie das Aufnahmegerät ab.

Petricov hatte in allen Einzelheiten gestanden.

Sie hatte ihm zwar gesagt, er solle keine Namen nennen, aber ihr war trotzdem schlecht geworden.

Keinerlei Zeichen von Reue, im Gegenteil!

Seine Prominenz als Arzt und der Schutz von Tony Green waren der perfekte Deckmantel für seinen perversen Racheplan gewesen.

Sein erstes Opfer war seine ehemalige Mitschülerin und erste große Liebe gewesen, die ihn offenbar damals eiskalt hatte abblitzen lassen und so vor der ganzen Schule blamiert hatte.

Über zwanzig Jahre später war seine Gelegenheit gekommen, er hatte sich gerächt und Gefallen an der Sache gefunden.

Also hatte er weiter gemacht, sich an der Macht über seine Patienten berauscht, bis er nicht mehr hatte aufhören können.

Vor Wut und Abscheu zitternd hätte Alera beinahe das Messer fallen gelassen.

„Du Schwein!“ ihre verstellte Stimme klang schriller als sonst.

„Wieso? Sie wollten es! Keine hat sich gewehrt!“

Seine dunkelblauen Augen blitzen und sein Mund verzog sich zu einem grotesken Lächeln, wodurch er ein wenig wie ein verrückter Wissenschaftler wirkte.

„Ich habe nur getan, was sie sich insgeheim wünschten!“

Er begann zu lachen, ein grauenhaftes Geräusch, bei dem es ihr kalt den Rücken runterlief.

Es klang nicht fröhlich, erheiternd oder gar ausgelassen, sondern einfach nur grässlich, wahnsinnig.

„HALT DIE KLAPPE!“ sie schrie so laut, dass ihre Stimme kippte und die Kehle schmerzte, doch Roman Petricov lachte einfach weiter.

„Es hat ihnen gefallen!“

Er saß gegen eine Wand mit bröckelndem Putz gelehnt und stieß immer wieder mit dem Kopf daran, wenn er ihn beim Lachen nach hinten warf, was ihn aber nicht zu stören schien.

„ES REICHT!“

Hinterher konnte sie nicht mehr genau sagen, was passierte.

Die Erinnerung war hinter einem trüben Schleier aus Wut und Hass verborgen.

Wie von Sinnen war sie auf ihn losgegangen, das Messer in der Hand, welches sie ihm offenbar in die Kehle gerammt hatte, denn als sie wieder klar denken konnte saß sie auf dem Boden und war zum dritten Mal in ihrem Leben mit Blut bespritzt.

Handschuhe, Oberteil und Hose wiesen jetzt vermutlich ein rotgesprenkeltes Muster auf, was aber in der Dunkelheit nicht zu sehen war, außerdem waren die Klamotten schwarz.

Wie klischeehaft.

Während sie die Kabelbinder abschnitt kämpfte sich ein Schluchzer durch ihre Kehle, gefolgt von einem zweiten und einem dritten.

Die Tränen folgten kurz darauf.

Beim Versuch sie wegzuwischen schmierte sie sich Blut ins Gesicht, weswegen sie zu würgen anfing.

Es war so ekelhaft klebrig, warm und dieser Geruch nach Eisen machte die Sache nicht besser.

Sich hier zu übergeben wäre bestimmt keine gute Idee, weswegen sie es irgendwie schaffte, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten, während sie eine Balkenwaage in seine Stirn ritze.

Sie wischte das Messer an Petricovs T-Shirt ab und wickelte es samt den Kabelbindern in ein Tuch, um es in ihrer Tasche zu verstauen.

Dann verschwand sie leise schluchzend in der Dunkelheit.

Diesmal schaffte sie es nicht nach Hause, stattdessen erbrach sie sich in eine ziemlich verwilderte Hecke.
 

***
 

Und? Immer noch so ein gutes Bild von Petricov?

Wie? Sie sind erschüttert? Das hätten Sie nie gedacht? Tja, da ging es nicht nur ihnen so. Haben das nicht auch die meisten bei mir gesagt?

Warum darüber nichts in den Medien kam? Das ist ganz einfach: die Marshalls, die übrigens bis zum Hals im Drogensumpf stecken, sind die… wie soll ich sagen? „Hauptsponsoren“ der Polizei. Kommissar Swan hat ihnen mit Freuden Einblick in alle Akten gegeben und als sie das von mir aufgenommene Fotos sahen… tja, da wollten sie nicht riskieren dass ich in den Augen der nichtkriminellen Menschen zur Heldin wurde. Und bei Petricov sah man das wohl ähnlich.

Ob ich mich selbst als Heldin sehe? Nein! Ich habe gemordet, Selbstjustiz geübt. Ganz ehrlich: ich bin mir selbst nicht sicher was ich bin und ob ich geistig überhaupt gesund bin, aber hey, die meisten Psychopaten bezeichnen sich selbst als gesund. Ich denke die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Keine Sorge, nicht die ganze Geschichte wird nach diesem Muster ablaufen. Es ist nur Leider nötig, damit Aleras Charakter sich so entwickelt wie ich es mir vorstelle! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kiiy
2014-12-16T10:03:20+00:00 16.12.2014 11:03
Beim Kursiven denk' ich mir nur 'Och nö'. Alera hat also noch mehr umgebracht, für die 'Gerechtigkeit'. Ja, ich zweifle das momentan etwas an.
Alera stalkt Rose? Ich mag das Mädchen irgendwie nicht. Also Alera. Irgendwie kommt sie mir so vor wie 'Ich hab' was Schlimmes erlebt, und weiß deshalb GANZ GENAU was richtig und falsch ist! Und ICH muss bösen Menschen böse Sachen antun!" Keine Ahnung. Was ist eigentlich mit dem Mann im Prolog? MOMENT. Ist das der vielleicht Alera's Vater? Und hat er ihre Mutter getötet und Alera allein gelassen? Ich denke zu weit, kann das sein.
Okay, okay, offenbar ist der Vater auch tot. Vergessen wir meine obige Vermutung.
Beatrice weiß von Alera's Taten? Ernsthaft? Nee. Das glaube ich nicht. Ich interpretiere eindeutig zu viel hinein.
Sie hat ihn umgebracht..Wut schön und gut, aber das war nich' optimal. Ugh. Ich les' mal weiter.
Antwort von:  Zuckerschnute
16.12.2014 17:32
Jaja, das Kapitel mag ich auch nicht...
ich habe bei den ersten drei Kapiteln jede Menge Seelischen Müll abgeladen und das kam dabei raus...
Und denken die meisten Leute mit schlimmer Vergangenheit nicht, dass es nur ihnen schlecht geht und alle anderen in einer Traumwelt aus rosa Zuckerwatte leben?
Aber keine Sorge, das ist jetzt das letzte blutige Kapitel ;)


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