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Fehlende Erinnerungen

von

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01 - Der Kontinent hinter den Nebeln

Die Worgen schlief sehr schlecht in dieser Nacht, sie hatte große Mühen gehabt überhaupt zur Ruhe zu kommen. Nicht nur die unbekannte Umgebung war ihr dabei ein Hindernis gewesen, sondern auch die Gedanken die sich ununterbrochen um ihren Verlobten und seinen todesmutigen Plänen kreisten.

Die Worte die er ihr in diesem bizarren Brief hinterlassen hatte, hallten mit seiner Stimme in ihren Träumen wieder und hielten sie in einem eisigen Griff fest. Den Brief hatte sie nur zweimal gelesen. Das erste mal weil er neu war, das zweite Mal um zu begreifen das dass was sie das erste Mal gelesen hatte auch wirklich dort stand. Und genau wegen der Tatsache dass sie ihn nur zweimal gelesen hatte, sorgte sie sich um so mehr. Sie konnte den Brief auswendig, auch wenn sie ihn nicht mit auf ihre Reise genommen hatte, sondern wahrscheinlich noch immer im Haus des Eschentals auf dem Boden lag.

Die Worte geisterten wieder um sie herum wie ein leises Flüstern, während sie nach ihrer Tasche packte und ihre Klauen über den darauf eingestanzten Namen fuhren. Ihren Namen.
 

Hallo, meine geliebte Struana,

der neue Kontinent beherbergt viele Geheimnisse, unter anderem auch das Sha. Wir haben uns bereits darüber etwas unterhalten und du hast dich gegen mein Vorhaben mit diesem Wesen zu experimentieren ausgesprochen. Du wirst dich bestimmt daran erinnern.

Ich bin mir der Gefahr sehr wohl bewusst, ebenso über die Mächte über die ich Herr werden könnte wenn ich sie erst einmal beherrsche. Sie sind zu verlockend und ich habe mich dazu entschlossen ihnen nachzugeben.

Ich kann von dir nicht verlangen auf mich zu warten, in der Hoffnung dass ich zurückkehren werde, denn möglicherweise werde ich dies nicht tun. Wenn meine Experimente mit dieser Kreatur nicht glücken, weiß ich nicht was mit mir geschehen wird.

Deswegen gebe ich dich hiermit frei. Werde glücklich mit jemand anderen, da die Zukunft mit mir zu ungewiss ist.

Solange ich atmen kann werde ich an dich denken und hoffen dass du glücklich wirst.

In Liebe

Tirenas
 

Struana konnte sich diesen Brief einfach nicht erklären. Als wäre es ein übler Streich, doch Tirenas war nicht die Person die solche Art von Streichen spielen würde. Sie hatten gemeinsam eine Hochzeit geplant. Und nur weil es einen neuen Kontinenten gab auf dem merkwürdige Kreaturen lebten die er unbedingt experimentell untersuchen musste, warf er alles hin? Er gab ihre gemeinsame Zukunft auf? Er gab sie auf?

Struana wollte das nicht wahr haben. Sie konnte es nicht einfach so hinnehmen. Für sie klang alles in diesem Brief wie eine Ausrede. Aber warum? Tirenas hatte nie Geheimnisse vor ihr gehabt und so hatte sie es auch immer gehalten. Sie hatten sich offen alles anvertraut, ihre Gefühle, ihre Planungen, ihre Träume und ihre Ängste. Wann hatte ihr Verlobter angefangen Pläne zu schmieden von denen sie nichts wusste?

Ihr Verlobter war ebenfalls ein Gilneer, der dem Fluch des Worgen unterlag, wie so viele ihres Volkes. Außerdem war er ein Hexenmeister, der sich nur allzu oft in die dunkle Magie und deren Künste verstrickte. Er arbeitete mit Dämonen, mit Flüchen, mit allem möglichen von dem Struana immer die Finger gelassen hatte. Und ausgerechnet in diesen Mann und Worgen hatte sie sich verliebt. Sie, eine Druidin.

Außerdem stimmte nicht was in dem Brief stand. Sie hatten sich einmal über diesen neuen Kontinenten unterhalten, ja. Doch nie hatten sie über das Sha gesprochen, geschweige denn hätte er erwähnt dass er so weit gehen würde sie zurückzulassen und das auch noch ohne ein Wort der persönlichen Erklärung um dieses Ding zu untersuchen.

Er hatte sie freigegeben, war das wirklich das wichtigste an das er gedacht hatte als er den Brief verfasst hatte? Struana atmete die Luft um sich herum tief ein. Sie war trocken und warm. Sie fühlte sich überhaupt nicht angenehm an.

Sie hatte vor ihren Verlobten zu suchen und sich mit ihm auszusprechen. Das war sie sich selbst schuldig, ansonsten würde sie womöglich nie zur inneren Ruhe gelangen und Frieden damit schließen können. Es würde sie ihr Leben lang verfolgen. Struana hoffte nur dass es nicht zu spät war und sie noch die Möglichkeit bekommen würde mit ihrem Verlobten zu sprechen ehe er sich in seine Experimente verstrickte.

Struana holte aus ihrer Tasche einen Streifen des Trockenfleisches heraus über welches sie das feine, violette Pulver streute, ehe sie das zähe Fleisch zwischen ihren Zähnen zerkaute. Das Pulver schmeckte widerwärtig, es war eine konzentrierte Mischung eines bestimmten Kraftkrautes, gemischt mit der Erdwurzel. Aber es sollte seine Wirkung nicht verfehlen. Diese kleine Menge des Pulvers sollte bereits ausreichen, dass sie ohne Rast zu machen sehr weit fliegen konnte und eine Rast konnte sie über dem Meer nicht einlegen. Außerdem hatte sie auch nicht vor wie ein Stein in die Tiefen des Wassers zu fallen, wenn ihre Flügel lahm wurden und sie mit diesen nicht mehr schlagen konnte. Nein, sie war der festen Überzeugung, dass sie mit der Hilfe des Stärkungspulvers in der Lage war, über das Meer zu fliegen und diesen neuen Kontinenten zu erreichen. Etwas anderes als dies zu glauben blieb ihr ohnehin nicht übrig.

Die Worgen schloss die Augen und spürte die Umarmung der Mächte der Lüfte als sie ihre Gestalt veränderte. Sie breitete ihre Schwingen aus und erhob sich in den Himmel. Sie wusste dass der Weg sehr anstrengend werden würde der vor ihr lag, aber sie hatte in ihren Augen keine andere Wahl. Auf ein Fortbewegungsmittel zu warten würde viel zu lange dauern. Die Küste hinter ihr gelang außer Sichtweite und unter ihr erstreckten sich lediglich die gigantischen Ausmaße des Meeres.
 

Das Sha, sie glaubte schon einmal etwas von diesem Wesen gehört zu haben, dass es eine Kreatur sein soll und doch mehrere. Dass es sehr alt sein soll und auf diesem neuen Kontinenten schon sehr existieren soll, dass es sogar in dem Land selbst lebte. Doch vielleicht waren dies auch nur Gerüchte, sie hatte nichts handfestes was in Büchern oder Rollen niedergeschrieben wurde. Die Expeditionen zu diesem neuen Kontinenten liefen auf Hochtouren und jeden Tag erfuhr man etwas mehr über den Kontinenten, vorausgesetzt man lebte in Sturmwind und stand im engen Kontakt mit den Adelshäusern, den Seemännern oder der SI:7 und keines von diesen drei Optionen war für die Worgen der Fall.

Struana wusste nicht was sie tun sollte, oder was genau passieren konnte wenn ihr Verlobter anfing mit dieser uralten Macht zu experimentieren. Auf jeden Fall war nicht klar, ob er es überleben konnte. Tirenas selbst hatte es ihr in seinem Brief geschrieben, dass er vielleicht nicht wieder zurückkommen würde und das ließ Struana nur das schlimmste hoffen. Doch wie konnte sie ihren Verlobten davon abhalten mit dem Sha zu experimentieren? Sie hatte es ja noch nicht einmal geschafft, dass er bei ihr blieb. Verlassen hatte er sie und einen einfachen Brief zurückgelassen. Hatte er sich etwa unwohl in ihrer Nähe gefühlt weil sie doch so verschieden waren?

Ihre Gedanken wirbelten umher, genauso wie die Wellen unter ihr aufpeitschten. Das Meer unter Ihr wurde mit jeder sich verstreichenden Stunde unruhiger. Als würden die Elemente sie zurückhalten wollen weiter zu fliegen. Doch sie konnte nicht umkehren oder an ein Scheitern denken, ihr Herz verbat es ihr und sie würde an dem Schmerz zerbrechen wenn sie nicht wenigstens versuchte ihn noch einmal zu treffen. Struana wollte sich einfach nicht mit diesem Brief abfinden.

Sie und ihr Verlobter waren dabei gewesen ihre Hochzeit zu planen. Sie hatten vor gehabt, sich nicht mehr zu sehr in ihre magischen Tätigkeiten zu verstricken. Struana selbst war aus ihrem druidischen Zirkel ausgetreten um nicht mehr auf gefährliche Missionen geschickt zu werden. Struana musste schlucken, als sie daran zurückdachte wie sie bei ihrer letzten Mission auf dem Hyjal gekämpft hatte. Wie sie Druiden der Flamme gegenübergestanden war und gigantischen Kolossen aus Magmagestein. Wie ihren Verbündeten die Augen ausgebrannt wurden und das Fleisch bis auf die Knochen verkohlt wurde. Diese Bilde würden sie ihr Leben lang verfolgen. Öfter als einmal glaubte sie sich damals ihren letzten Atemzug gemacht zu haben und ihr Leben verwirkt zu haben. Doch sie hatte es geschafft lebend aus dieser brennenden Hölle welche sich die Feuerlande nannten zu entkommen. Sie war eine der Druiden gewesen, die dem Feuerfürsten Ragnaros gegenübergestanden war und mit der vereinten Hilfe der Allianz und der Horde gegen ihn bestehen konnte. Damals hatte ihr der Gedanke an Tirenas geholfen den Glauben nicht zu verlieren und sich an ihrem Leben zu klammern wie ein Tier. Der Gedanke lebend zurückzukehren ließ sie die unheiligen Aufgaben der Feuerlande bestehen.

Direkt nach dieser Mission war sie aus dem druidischen Zirkel ausgetreten und hatte für sich selbst praktiziert. Struana hatte sich mit einem einfachen Leben als die Frau von Tirenas zufrieden gegeben, so wie er es von ihr verlangt hatte. Im Gegenzug hatte er vor gehabt ebenfalls nicht mehr die dunklen Mächte zu praktizieren, die er als Hexenmeister nur zu oft und mit einer merkwürdigen Vorliebe die sie nie nachvollziehen praktiziert hatte. Er hatte ihr beteuert auch wenn er den Pfad des Hexenmeisters nie gänzlich verlassen konnte, so wie sie an den der Druiden gebunden war, sich nicht mehr in größere Gefahren zu verstricken. Doch hatte er dies scheinbar nie getan.

Struana fühlte sich verraten. Verraten von dem Menschen, dem sie ihr Herz geschenkt hatte.
 

Mehrere Stunden später hatte sich das Wetter noch immer nicht verbessert. Das Meer unter Struana schlug immer noch peitschend seine Wellen, die dank der eingetretenen Nacht schwarz wirkten. Zu allem Überflüss geriet Struana in eine dichte Nebelwand, doch dies war genau das wonach sie suchte, sie durfte jetzt nur nicht die Orientierung verlieren. Die scharfen Augen der Krähengestalt versuchten durch die Nebelwand durchzustoßen, doch das, was sich dahinter verbarg wollte sich zwischen den Nebeln nicht sehen lassen. Struana ließ sich von ihrem inneren Kompass leiten und flog weiter, sie hatte schließlich keine andere Wahl. Nach mehreren Minuten verfloss die Nebelwand glücklicherweise wieder, stattdessen setzte nun der Regen ein der mit großen Tropfen auf die schwarze Krähe herniederfiel. Struana kniff die Augen zusammen während der Regen unaufhörlich auf sie hernieder prasselte und sie endlich glaubte Umrisse eines Landes auf dem freien Meer zu erkennen.

Eine weitere halbe Stunde des Fluges verstrich, als sie endlich die Küste des neuen Kontinentes erreichte. Der Regen wurde hier leichter als es über dem offenen Meer gewesen war, fast schon angenehm fühlte er sich zwischen ihrem Gefieder an, auf dem die Tropfen nicht haften konnten. Struana war dankbar dass sie es geschafft hatte das Meer zu überqueren ohne dass ihr die Flügel versagten oder dass die Müdigkeit sie übermannte. Das Kraftpulver, welches sie vor vielen Jahren noch in Gilneas hergestellt hatte, war immer noch so wirkungsvoll wie damals. Selbst die Jahre hatten seine Wirkung nicht abgeschwächt, worüber sie heilfroh war.

Die schwarze Krähe spannte ihre Flügel an und glitt in einen Segelflug über. Struana flog über die Küste der östlichen Kontinentsspitze und glitt über das fremde Land. Sie erkannte in der Dunkelheit die sich vor ihr auftat nicht viel, außer dass es eine ziemliche Gebirgslandschaft sein musste und anscheinend fast schon dschungelartig bewachsen war. Innerlich wünschte sie sich, dass sie vielleicht Tirenas irgendwie erkennen konnte, doch in dieser von Regen überzogenen Schwärze war es wirklich nur Wunschdenken welches sie antrieb noch weiter zu fliegen. Hohe, schmale Bergspitzen ragten wie unnatürliche Tannen hinauf auf denen merkwürdige Schreine und Tempel erbaut wurden so wie es aussah.

Von einer Freundin hatte sie von den merkwürdigen Wesen gehört die hier auf diesem Kontinenten beheimatet waren. Sie hatten eine eigene Kultur und eigene Bräuche und vermutlich auch eigene Götter. Struana merkte wie ihre Flügel lahm wurden, also ging sie nun bedeutend tiefer.

Sie umkreiste einige Male über eine dieser unnatürlichen Gebirgssäulen und erkannte dass auch darauf ein kleiner Tempel erbaut worden war. Sie flog tiefer als sie sich vergewissert hatte, dass der Tempel verlassen war und landete schließlich. Nebel wirbelten auf als sie mit ihren Schwingen noch einige male flatterte, ehe sie sich wieder in ihrer worgischen Form wiederfand. Sie sah sich mit ihren bernsteinfarbenen Augen sorgsam auf der Bergspitze um auf der sie stand. Es war eine natürliche Abflachung der Spitze, sodass es überhaupt möglich war einen Tempel zu erbauten. Über dem Tempel zogen sich dunkle Dachziegel über die der Regen zu den Seiten herunter lief. Umrandet wurde das Dach auf vier Holzsäulen, die nicht besonders hoch waren und von einem merkwürdigen roten Holz stammten. Unter dem Dach verbargen sich fünf Figuren aus edlem Stein die alle mit dem selben Abstand zueinander aufgestellt wurden.

Der anfänglich geglaubte Tempel kam Struana immer mehr wie ein Schrein vor. Über ihr hinter schwarzen Wolken grollte es dunkel, was ihre Ohren zum zucken brachte. Die Worgen streckte ihre Schnauze skeptisch in den Himmel, doch erkennen konnte sich nichts außer den Regentropfen die ihr in das Gesicht fielen und ihr Fell und ihre Haut benetzten. Struana ging auf den Schrein zu und stellte sich unter das Dach während ihre bernsteinfarbenen Augen zu den Figuren spähten.

Vier Figuren waren Tiere die auf Podesten standen und von der Mitte des Daches hing etwas großes, ovales nach unten, das irgendwie wie eine Glocke aussah. Der Schrein überdachte alle Tier mit ihren Balken und lief auch unter dem Dach in diesem merkwürdig gefärbten Holz wieder zusammen. Struana fragte sich an was genau die Einheimischen hier wohl glauben mochten. Wenn es Tiergeister waren die dargestellt werden sollten, konnte es dann sein dass es ein Druidisches Volk war?

Die Worgen entschied sich dazu sich die Tiere etwas genauer anzusehen, doch es war gerade mal ein Tier dabei welches sie mit ihrem Druidischen Weg irgendwie in Verbindung bringen konnte. Ein Tiger stand auf seinen Hinterläufen und streckte seine beiden Vorderpfoten mit mächten Klauen der Glocke entgegen. Sein Maul war zu einem Brüllen weit aufgerissen und in die Augen dieser Figur waren sogar blaue Edelsteine eingesetzt worden. Links von dem Tiger stand eine Schlange auf ihrem Podest, eine ziemlich große, merkwürdige Schlange. Sie wurde genauso groß wie der Tiger dargestellt, was Struana auf den ersten Blick etwas verwunderte. Auch schien dieser Schlange dessen Schuppen groß und wie Platten über ihren Körper gezeichnet waren, die Schwerkraft überhaupt nichts auszumachen. Sie ringelte sich geradewegs nach oben und streckte den Kopf in Richtung der Glocke.

Gegenüber der Schlange saß ein bulliger Ochse mit ziemlich struppigen und langem Fell auf dem Podest. Sein Kopf war gesenkt und mit den Hörnern deutete er in die Richtung der Glocke. Seine Hufen waren ungewöhnlich dünn aus dem Stein geschlagen worden. Rechts von dem Ochsen und gegenüber des Tigers stand ein Kranich auf seinem Podest. Er hatte sein Gefieder gespreizt und es sah so aus als wollte er geradewegs abheben und davon fliegen, da seine Flügel nach vorne schlugen. Alle vier Tiere sahen aus als würden sie zu der Glocke hingezogen werden.

Struana legte den Kopf nachdenklich schief und betrachtete die Glocke. Ihre bernsteinfarbenen Augen blickten durch die Dunkelheit, da sie auch sehr gut in der Nacht sehen konnte. Die Dunkelheit machte ihr nichts aus, auch wenn es ihr in den letzten Monaten immer schwerer fiel, da sie sich auf das Licht zu sehr verlassen hatte. Einerseits, ebenfalls wegen Tirenas, der immer dafür gesorgt hatte dass es ihr gut ging und andererseits da ihre Arbeit als 'freie Druidin' größtenteils am Sonnenlicht verrichtete.

Ihre Klauen streiften die schwere Fassung der Glocke. Sie war gewaltig, schwer und faszinierend fein gearbeitet für die Masse die sie hatte. Struana hoffte nur, dass die Glocke nicht auf den Boden schellen würde, die Masse könnte sie als Worgen mit Leichtigkeit erschlagen. Die Glocke war mit einigen Schnörkeln versehen, nicht zu vielen sodass es hätte kitschig aussehen können und nicht zu wenigen, als dass sie als einfaches Handwerk hätte durchgehen können.

Die Druidin fuhr mit ihren Klauen noch mehrere Zentimeter über den Ton, ehe sie von der Glocke abließ. Ihre Mähne wurde von dem Wind zerwuschelt der über die Bergspitze hinweg wehte. Müde trat Struana an den Rand des Schreines der noch immer überdacht war und lehnte sich gegen die rote Holzsäule während der Regen um sie herum immer leiser wurde. Ihr Blick glitt die Berghöhe auf der sie saß hinab über das unbekannte Gebiet das sie betreten hatte. Struana glaubte in der Ferne Fackeln und schemenhafte Schatten zu erkennen, doch vielleicht spielten ihre Augen ihr auch nur einen Streich.

Struana rutschte auf den Boden und legte den Kopf auf ihrer Tasche ab die sie unter sich hervorzog. Sie hatte die weite Reise über das Meer geschafft und war nun auf diesem merkwürdigen Kontinenten gelandet. Einen Kontinenten, den sie nie betreten wollte. Sie hasste alle anderen Kontinenten außer Kalimdor und die Östlichen Königreiche. Sie hasste die Scherbenwelt die irgendwo zwischen verschiedenen Welten in den Nebeln umher trieb. Sie hasste Nordend mit seinen eisigen Winden, dem kalten Boden und die tödliche , unheilige Macht die immer noch über dieses verteufelte Land lag. Und mit diesem Kontinenten würde es vermutlich auch nicht anders sein. Der einzige Grund warum sie hier war, war ihren Verlobten zu finden, mit ihm zu sprechen und ihn nach Möglichkeit wieder zurück in ihre vertraute Umgebung zu bringen. Aber vor allen Dingen wollte sie noch einmal mit ihm sprechen. Es nagte an ihr, dass er ihr nur einen Brief hinterlassen hatte und sonst nichts.

Struana kauerte sich auf den Boden und zog ihre Knie nah an ihren Bauch heran. Sie schloss müde ihre Augen während sie eingerollt in einen unruhigen, erschöpften Schlaf fiel.
 


 

Die verwilderten Bäume die ihr fremd waren bogen sich unheilvoll nach ihr, während ihre Schritte über den Waldboden in ihren Ohren nachhallten. Die Äste streckten ihre Knorrigen Äste nach ihr aus und versuchten nach ihr zu greifen, doch die Worgen duckte sich geschickt unter ihnen hinweg während sie an ihrer Mähne kratzten. Weit hinten hatte sie etwas gesehen, sie hatte Tirenas gesehen in seiner Robe die er sich neu zugelegt hatte, wobei Struana ihn gefragt hatte, warum er sich denn eine neue Wanderrobe zugelegt hatte. Er hatte sie angelächelt mit seinen roten Augen und ihr verraten, dass die Wanderroben viel Stabiler waren als die Kluft die man sonst in Sturmwind zu kaufen bekam. Außerdem soll sie nicht sehr teuer gewesen sein, was sie ihm geglaubt hatte. Allerdings, wenn sie jetzt so darüber nachdachte, war die Robe eindeutig viel zu fein gearbeitet, als dass sie billig hätte sein können.

Der Wald um sie herum wurde immer dunkler, doch sie kämpfte sich stetig weiter durch das Dickicht. Aus ihrer Kehle drang ein tiefes Knurren während sie mit Anlauf über einen umgefallenen Baumstamm sprang, der bereits seid vielen Jahren Moos angesetzt hatte. In einer Senke des tiefen, wilden Waldes, umgeben von Dunkelheit sah sie ihn dann. Die Haut unter Struanas Pelz prickelte erleichtert, als sie Tirenas vor sich stehen sah und ihr Herz wurde leichter, ehe sie von dem Stamm hinunter sprang. Leichtfüßig trat sie näher an ihn heran, wobei sich ein sanftes, vielzahniges Lächeln auf ihren Lefzen ausbreitete.

Tirenas sah zu ihrer Erleichterung gesund aus. Sein rabenschwarzes Fell und seine Pechschwarze Mähne sahen gesund aus. Seine Robe ohne jeden Makel, als hätte er sie gerade erst angelegt. Langsam und auf leisen Tatzen ging Struana immer näher an den Worgen heran, der ihr Verlobter war. »Tirenas.«, seufzte sie erleichtert und leise. »Ich hatte geglaubt, ich würde nicht mehr die Chance bekommen dir gegenüberzustehen.« Als sie nur noch einen Meter von ihm entfernt stand, stoppte sie abrupt und legte ihre Ohren verunsichert an. Tirenas hatte sich nicht zu ihrem Gesagten geäußert. Nein, er hatte sich gar nicht bewegt. Er hatte noch nicht einmal geatmet.

Auf einmal fiel der tote Leib von Tirenas vornüber und blieb zusammengebrochen, reglos liegen. Seine Robe war blutüberströmt und zerrissen, seine Mähne war verfilzt und sein Fell hatte kahle Stellen die seine Haut freigab, die blutete. Das Gras unter dem toten Worgen verfärbte sich und begann rasend schnell zu vertrocknen und zu faulen. Die Druidin stolperte einen Schritt rückwärts, während sie mit geweiteten Augen auf den toten Leib ihres Verlobten starrte. Ein grollendes Lachen, das sich dröhnend wie ein tiefer Glockenschlag ihr Gehör ausfüllte erschallte von ihm. Struana hätte nicht mehr schnell genug reagieren können, selbst wenn sie nicht unter dem Schock dieses schrecklichen Anblickes stand. Auf einmal hoben sich schwarze und graue Schatten von dem toten Körper auf und manifestierte sich zu einer für sie undefinierbaren Gestalt. Als hätte dieses abscheuliche Wesen in Tirenas' Körper gehaust und sich an seinem Leib satt gefressen, baute es sich vor Struana auf. Das dröhnende Gelächter in ihrem Kopf kam von dieser Kreatur, welche sich nun geradewegs auf die Worgen stürzte und seine Fratze ihr entgegenbleckte.
 


 

Keuchend schlug die Worgen ihre bernsteinfarbenen Augen auf und ihr Oberkörper hob sich kerzengerade in die Höhe. Sie sah sich mit geweiteten Augen verwirrt in ihrer fremden Umgebung um. Erst nach einigen verstrichenen Sekunden erkannte sie die Glocke, die Tiere auf ihren Podesten und das Dach des Schreines. Erst dann wollten sich ihre Sinne und ihr Verstand wieder regen und ihr sagen wo sie war und warum sie eigentlich hier war. Auf dem Himmel zeichneten sich die ersten Anzeichen der Morgendämmerung ab. Struana schloss daraus, dass sie nur wenige Stunden geschlafen haben musste, da es als sie sich schlagen gelegt hatte, bereits Nacht gewesen war.

Die Worgen stand schlaftrunken auf und streckte sich die Müdigkeit aus den Gliedern. Erst nachdem sie ihr Maul weit zu einem Gähnen aufgerissen hatte, fiel ihr der Grund ein, weshalb sie überhaupt aufgewacht war. Dieser Traum hatte ihr einen sehr großen Schrecken eingejagt. Ob er etwas zu bedeuten hatte? Vielleicht kam schon jede Hilfe für Tirenas zu spät und sie würde ihn – wenn sie ihn denn überhaupt finden sollte – nur noch tot erblicken. Ihr graute es vor dieser Vorstellung und legte ihre Ohren an. Die Druidin ob ihre Arme und streckte sich noch einmal durch. Ihre Muskeln schmerzten an den Armen und spannten sich unangenehm zusammen. Im Flug nach ihrem Verlobten zu suchen konnte sie wohl nicht, ansonsten würden ihre Kräfte zu stark zur Neige gehen und wer wusste schon, wie lange sie nach ihm suchen musste, oder wo. Immerhin war dies ein verdammter Kontinent.

Als das Tal unter ihr dem grauen Schleier der Morgendämmerung wich und sich die ersten, müden Sonnenstrahlen über den Himmel ausstreckten, überblickte Struana das erste mal den Wald in dem sie sich befand wirklich. Ihr Atem stockte und sie musste schlucken bei der Aufgabe die sie sich selbst gestellt hatte. Sie fühlte sich gänzlich überfordert und auch ein wenig verzweifelt, denn immerhin war dies was sie hier vor sich sah nur ein einzelnes Gebiet. Der Kontinent besaß aber bestimmt mehrere Gebiete die bestimmt ebenfalls die selbe Größe hatten. Der Wald unter ihr hatte eine chaotische Struktur. Die Bäume wuchsen wild, steil nach oben und breiteten ihre Blätterdächer über den Boden aus, sodass man diesen von der Bergspitze auf der sie stand noch nicht einmal sehen konnte. Das Gebiet wirkte mehr wie eine Gebirgslandschaft die sich über Hügel, Berge,und vereinzelten Tälern erstreckte. Fast glaubte sie, als hätten die Titanen selbst auf diesem Plateau gewütet und die riesigen Erdmassen eingestampft. Als wären so die Berge entstanden.

Struana schluckte und sah in den Westen, wo sie getrennt von einigen Metern eines Flusslaufes einen Strand des angrenzenden Gebietes gerade noch erkennen konnte. Wie sollte sie es nur bewerkstelligen ihren Verlobten so schnell wie möglich zu finden? Den Wald unter ihr würde sie wohl oder übel zu Fuß durchforsten müssen. Da würde ihre druidische Flugform nicht helfen können, wenn sie den Waldboden nicht erkennen konnte.

Und dann? Ihre bernsteinfarbenen Augen spähten zu der Küste und den Strand den sie im Westen erblickt hatte. Sie würde sich, nachdem sie den Wald durchsucht hatte auf den Weg dorthin begeben. Vorausgesetzt ihre Suche in diesem wilden Gebiet unter sich würde erfolglos bleiben. Sie schloss ihre Augen um sich in die Umarmung der Naturgeister fallen zu lassen. Ihre Arme formten sich zu großen Schwingen und der Rest ihres Körpers schrumpfte in ein Federkleid hinein.

In ihrer Flugform hüpfte sie bis zum Rand des Abstiegs, sah noch einmal zurück zu dem Schrein und zu diesen merkwürdigen Tierstatuen, ehe sie sich in die Tiefe stürzte. Sie entfaltete ihre Schwingen und segelte gemächlich immer weiter dem Erdboden entgegen. Struana versuchte sich die Umgebung aus der Luft aus einzuprägen, doch es schien keine Anhaltspunkte in diesem Gewirr aus Wald zu geben. Als sie auf dem Boden landete, entfaltete sie ihre Flügel und sie spürte erneut die Umarmungen der Wildgeister, die um sie herum wehten. Die Krähe veränderte ihre Form. Sie wurde länger und das Federkleid wich einem grauen, geschmeidigen Fell. Die Steuerfedern verschmolzen ineinander und in nur einem Wimpernschlag waren sie nicht mehr. Stattdessen bog sich ein langer, schmaler Schweif an dessen Ende ein buschiger Pinsel ragte.

Die Druidin hatte sich in ihre Katzenform gewandelt. Sie hatte sehr lange gebraucht um auch diese Form der Wildgeister zu beherrschen, aber es war um einiges entspannter in dieser zu wandeln, als in der Flugform. Die Geister der Wildnis prägten ihren von Muskeln übersäten, geschmeidigen Körper und gaben ihr in dieser Form neue Kraft und eine erstaunliche Wendigkeit und Schnelligkeit. In ihrer Form der Raubkatze besaß sie, ebenso wie in ihrer Worgenform – welches allerdings von einem Fluch herrührte als einer druidischen Gabe – ein furchteinflößendes Gebiss und scharfe Krallen, die allerdings nicht so lang waren. Ihre Pfoten waren sehr breit und der agile Körperbau ließ sie schnell über weite Strecken und um Hindernisse laufen. Ihre starken Hinterläufe würden sie kraftvoll über Hindernisse hinweg springen lassen und das graue Fell würde sie gut in den Schatten der Bäume verstecken. Die Mähne die kurzhaarig und schwarz ihren Kopf und Kragen umrandete und die Lederbänder die sie an jedem Lauf trug um diese zu stabilisieren, waren das einzige, was sie von einer normalen Raubkatze unterschied.

Struana hob ihren breiten Kopf der Raubkatze und prüfte die Luft, danach rannte sie los. Wie ein Pfeil schoss sie durch das Unterholz, ihre Ohren auf leise, ungewöhnliche Geräusche nach oben gestellt. Nach ihrem erschreckenden Traum, hatte sie ein anderes Ziel als sie es zunächst gehabt hatte. Deswegen zwang sie sich nun zur Hast. Ursprünglich war sie auf diesen Kontinent gekommen um Tirenas zur Rede zu stellen, was ihm einfiel sie zu verlassen und nichts weiter als einen lächerlichen Brief zu unterlassen. Warum er alles aufgab, was sie sich aufgebaut hatten und warum er sie aufgab und stattdessen freigab damit sie 'glücklich werden' konnte. Sie war auf diesen Kontinenten gekommen um ihn zur Rede zu stellen. Außerdem sollte er sich auch anhören was sie zu sagen hatte ohne weglaufen zu können. Die Dinge verliefen sich nun mal nicht einfach so im Sand, das musste er begreifen.

Die Raubkatze lief gerade am nördlichen Rand der Klippe abwärts gen Osten. Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten in der Morgensonne, die ihr Licht gerade über einen Teil des grünen Waldes warf. Ihre Gestalt huschte durch Farn und zwang sich durch Bambusstäbe. Nein, Struanas neues Ziel war ein anderes und es war nun auch ihre Aufgabe, die sie sich gestellt hatte. Wenn sie es nicht wenigstens versuchte, würde sie es sich selbst nie verzeihen. Sie musste ihren Verlobten finden und ihn unbedingt von seinem Vorhaben abbringen sich den Experimenten mit dem Sha zu widmen. Selbst wenn er sie zunächst abweisen sollte, würde sie sich nicht abwimmeln lassen. Irgendwie würde sie ihn schon wieder zurück nach Kalimdor bringen. Tirenas durfte nicht sterben. Ihr halbes Leben war von ihm geprägt worden. Sie wollte ihn nicht in sein Verderben rennen lassen, was der Traum den sie hatte unheilvoll angekündigt hatte.



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