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Zweite Chance

Yusei x Bruno
von

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Wach gerüttelt!

"Er schläft schon seit 12 Stunden ..."
 

"Ich weiss, aber seine Werte sind stabil. Ich wüsste gern wer er ist und wieso er am Strand lag ..."
 

"Das wird er dir wohl erst beantworten können, wenn er wieder aufwacht."
 

Ich höre die Worte genau und spüre dass ich mich allmählich bewege. Meine Augen gehen auf und ich sehe zwei Personen in unmittelbarer Nähe. Ich blinzle, um mehr erkennen zu können und setze mich auf. Meine Kopfschmerzen sind verschwunden und auch sonst fühle ich mich viel besser.
 

"Oh du bist wach!" ,höre ich eine freundliche Frauenstimme und blinzle gleich noch einmal, um meine Sicht zu verstärken.
 

Eine rundliche Frau mit schulterlangem, braunen Haar steht direkt vor mir und lächelt mich an. Ich versuche meine Gedanken zu sortieren und erinnere mich, dass ich am Strand aufgewacht war, wo mich ein älterer Mann aufgegabelt hatte.
 

"Wie fühlst du dich? Du hast ziemlich lange geschlafen. Du musst hungrig sein. Ich hab hier auch was zu essen für dich."
 

Das überfordert mich ein bisschen. Ich bin doch eben erst wieder zu mir gekommen und schon werde ich von dieser überfreundlich, euphorischen Art empfangen, mit der mein Hirn gerade so gar nicht klar kommt.
 

"Es geht ... danke. Ja, ein bisschen hungrig wär ich vielleicht, aber das ist wirklich nicht nötig ..."
 

Erstaunlicher Weise klingt meine Stimme recht stabil, nur etwas matt und kratzig, weil ich sie so lange nicht gebraucht habe.
 

"Ach Unsinn!" ,wehrt sie entschieden ab und geht zu einem Tisch, der an der Wand steht, dann kommt sie zurück und hält mir einen Teller hin, auf dem ein Paar Sandwiches liegen.
 

"Hier, bedien dich. Ich bin übrigens Martha und du hattest Glück, dass dich ausgerechnet Doktor Schmitt gefunden hat. Satellite ist zwar nicht mehr so kriminell wie früher, aber dennoch sollte man nicht bewusstlos irgendwo rumliegen. Du hättest wer weiss wo wieder aufwachen können, oder schlimmer noch, du hättest gar nicht mehr aufwachen können."
 

Mein Kopf tut weh und ich kneife kurz die Augen zusammen, blicke dann aber wieder auf zu ihr und versuche ein Lächeln. Die Tatsache, dass ich wohl gar nicht mehr zu mir gekommen wäre, wenn mich jemand anderer gefunden hätte, schockiert mich nur halb so stark, wie man es normalerweise erwarten würde. Aber allein, dass ich die letzten Wochen – waren es Wochen? Oder Monate? Oder gar Jahre? - ich weiss es nicht, wie lange ich in der Finsternis war und ich habe auch keine Ahnung, wie ich von dort wieder in die Realität gelangen konnte. Falls sich dieses Szenario nicht doch noch als total skuriler Traum herausstellt. Dies gilt es noch zu überprüfen, aber dafür muss ich unbedingt nach New Domino City!
 

"Vielen Dank."
 

Mehr bringe ich für den Moment nicht raus. Meine Gedanken rotieren und drehen sich immer schneller, doch rasen sie immer wieder an diesem einen Punkt vorbei.

Yusei! Wenn das die Realität ist, dann werde ich auf jeden Fall zu Dir kommen. Ich muss wissen, wie lange ich weg war und ich muss mit Dir reden.

Ich greife nach einem Sandwitch und beisse halbherzig hinein. Jetzt da mein Mund voll ist, werde ich hoffentlich nicht mehr dazu gezwungen zu reden. Schliesslich begreife ich das Geschehen im Moment selbst kaum und muss mir dessen erst noch richtig bewusst werden. Wenn ich mich etwas besser besser fühle, werde ich mich sicher bei diesem Doktor, der mittlerweile den Raum verlassen hat und bei dieser netten Dame, Martha bedanken.
 

"Ich weiss, es ist vielleicht noch etwas verfrüht, aber wir haben uns gefragt, wie du zum Strand gekommen bist. Doktor Schmitt meinte, dass du sehr orientierungslos gewirkt hattest und dann auch schon ziemlich schnell das Bewusstsein verloren hast."
 

Schon redet sie wieder und lächelt dabei die ganze Zeit freundlich. Wie kann ich mich da entziehen? Ausserdem ist sie so nett, da bin ich wohl zumindest eine Antwort schuldig.

Mühsam schlucke ich den Bissen hinunter und merke, dass ich wohl eher ein Glas Wasser gebrauchen könnte, anstatt was zu essen. Mein Mund fühlt sich so trocken an, wie eine staubige, ausgetrocknete Wüste. Meine Zunge klebt an meinem Gaumen fest und Worte zu formen fällt mir im Moment schwer.
 

"Ich ... ich weiss es nicht." ,sage ich deshalb etwas verwaschen.
 

"Oh entschuldige bitte, hier!"
 

Etwas konfus blinzle ich, als sie mir ein Glas Wasser unter die Nase hält. Nach kurzem Zögern nehme ich es und leere es in einem Zug. Ein erleichtertes Seufzen kommt mir über die Lippen und ich schaue sie doch etwas verlegen an.
 

"Verzeihung ... Ich habe nur das Gefühl, seit einer Ewigkeit nichts zu mir genommen zu haben. Ich heisse -"
 

Eigentlich will ich mich vorstellen, aber ich weiss nicht mit welchem Namen ich mich vorstellen soll. Mein richtiger Name ist >Antinomy<, doch nannte man mich hier immer >Bruno<.

Nun war Martha diejenige, die mich etwas verwirrt anblinzelte.
 

"Hast du ein Gedächtnisproblem? Weisst du wo du herkommst?" ,fragte sie gleich besorgt und für meinen Geschmack zu führsorglich.
 

"Wo ich herkomme, weiss ich nicht. Ich weiss auch nicht, wie ich zu diesem Strand gekommen bin. Früher einmal hiess ich Antinomy, aber ich war schon mal hier. Also nicht in Satellite, aber in New Domino City und dort nannte man mich gern Bruno. Ich glaube ich habe kein Gedächtnisproblem, bis auf die Tatsache, dass ich nicht weiss, wo ich war und wie ich hier her gekommen bin."
 

Gedankenverloren beisse ich erneut in das Sandwitch und habe somit alles gesagt, was wichtig sein könnte.
 

"Bruno? ... Irgendwie kommt mir dein Name bekannt vor ... Ich weiss nur nicht woher."
 

Überrascht blicke ich sie wieder an. Mein Herz schlägt schneller, jagt Unmengen Adrenalin durch meinen Körper und macht mich nun vollends wach. Ist es möglich? Soll ich es wagen? Kann ich sie fragen? Ich setze alles auf eine Karte, sehe sie erwartungsvoll an und spüre wie mein ganzer Körper zu vibrieren beginnt. Wieso um alles in der Welt bin ich so nervös?
 

"Können Sie mir sagen, wann der Turbo-Duell-Grand-Prix war?"
 

Wenn sie das weiss, dann weiss ich zumindest wie lange ich weg war ...
 

"Der Turbo-Duell-Grand-Prix? Bist du ein Duellant? Der war vor – lass mich nachdenken – etwa ... zwei Jahren ... Ja es muss nun zwei Jahre her sein. Denn so lange habe ich auch die Jungs nicht gesehen."
 

Sie überlegt während sie spricht und blickt dabei an die Zimmerdecke, dann schaut sie mich wieder an und scheint sich ziemlich sicher zu sein.

Zwei Jahre! So lange bin ich weg gewesen?!

Ich höre wie mein Herzschlag immer lauter wird und habe das Gefühl, dass die Zeit für einen Moment still steht, dann dringt ein ziemlich lautes Ticken an mein Ohr und ich schrecke aus meiner Starre. Der Sekundenzeiger der Uhr an der Wand gegenüber hat sich bewegt. Mein Atem geht schnell und mein Kopf fühlt sich an, als wolle er jeden Augenblick platzen.
 

"Alles in Ordnung?"
 

Schnell war sie neben mich getreten und legt mir eine Hand auf die Schulter, blickt mich sorgenvoll an und überlegt wohl den Doktor zurück zu rufen.
 

"J-Ja ... geht schon ... Ein Duellant? Das schon, aber am Turnier hab ich nicht als solcher teilgenommen ..."
 

Zwei Jahre! Ich bin zwei lange Jahre in der Finsternis gewesen. Wie konnte ich das überleben? Wie konnte ich entkommen? Ich verstehe es nicht. Ich bin verwirrt!

Es dauert eine Weile, bis sich die Information in mir gesetzt hat und ich wieder normal ansprechbar bin. Martha muss mir angesehen haben, dass es mich beschäftigt, denn sie schwieg so lange.
 

"Bruno? Ich nenn dich so, wenn ich darf? Wenn du sagst, du hast nicht als Duellant teilgenommen, geh ich recht in der Annahme, dass du aber dabei gewesen bist?"
 

"Ja, Sie dürfen mich so nennen ..." ,gab ich zur Antwort, auch wenn meine Haare nach oben stehen, ganz orginal, wie früher, bevor ich hier kam ... bevor ich ... in der Zeit zurückgereist war.
 

"Ich bin Mechaniker gewesen, bei einem Team. Ich denke, dass Sie es kennen müssten. Immerhin haben sie ... haben wir ... damals den Turbo-Duell-Grand-Prix gewonnen."
 

Ich rede mehr beiläufig, bin mit den Gedanken noch ganz woanders. Doch Martha's Gesichtsausdruck weist grosse Überraschung auf, was mich leicht verwundert.
 

"Willst du damit sagen, dass du der Wundermechaniker bist?"
 

Ihre Stimme zitterte leicht und sie klingt sehr aufgeregt, als wär ihr gerade etwas klar geworden. Verwirrt blinzle ich und frage mich woher sie das weiss.
 

"Naja ... so würde ich mich nicht bezeichnen. Aber ich habe Yusei viel geholfen die D-Wheels aufzurüsten."
 

Sie schlägt sich die Hände vor den Mund und holt hörbar tief Luft, dann geht sie drei Schritte rückwärts und lässt sich auf einem Stuhl nieder. Es dauert einen Moment bis sich Martha wieder gefasst hatte und die Hände langsam sinken lässt. Tief und mit geschlossenen Augen, atmet sie durch, ehe sie mich wieder mit ihren dunklen Iriden fixiert.
 

"Jetzt ... erinnere ich mich an dich." ,spricht sie langsam und immer noch etwas neben sich wirkend.
 

"Du siehst anders aus, als auf dem Bild. Yusei hat viel von dir erzählt. ... Oh mein Gott! ... Ich sollte es ihm unbedingt sagen, dass du hier bist. ... Weisst du, dass er glaubt, dass du tot bist und sich die Schuld daran gibt? ... I-Ich muss ihn irgendwie kontaktieren ... jetzt gleich!"
 

Sie sringt auf und ist schon fast zur Tür draussen, doch will ich sie aufhalten. Das geht mir gerade zu schnell und Martha ist definitiv zu aufgeregt.
 

"Warten Sie!" ,rief ich deshalb.
 

"Bitte ..." ,fügte ich leiser hinzu.
 

Sie dreht sich wieder zu mir um und wirkt total aufgewühlt.
 

"Bitte, sagen Sie es ihm nicht. ... Noch nicht."
 

"Aber wieso denn nicht?"
 

Nun ist wieder verwirrt, hält aber inne. Ich fühle mich nicht wohl dabei, das geht zu schnell, viel zu schnell! Ich muss mich erst sammeln, ich muss das realisieren, ich muss mir dessen bewusst werden, was hier geschieht.
 

"Bitte!" ,sage ich deswegen nur und blicke sie schon fast flehend an.
 

Ein tiefes Seufzen kommt ihr über die Lippen, aber sie nickt langsam, was mich doch vorerst erleichtert aufatmen lässt. Ich kann Dir so noch nicht begegnen. Ich muss erst versuchen zu verstehen, wieso ich wieder hier bin. Aber dass Du Dir die Schuld daran gibst, dass ich weg war, ist nicht richtig. Ich denke, wenn ich mich erholt habe, in ein paar Tagen, werde ich mich nach New Domino City aufmachen und zu Dir kommen. Jetzt weiss ich, dass dies die Wirklichkeit ist!

Mein Kopf tut weh, ich lasse mich leicht zerknirrscht ins Kissen zurückfallen, lege mir einen Arm über die Augen und versuche mich zu entspannen.
 

"In Ordnung! Ich sage es ihm nicht. Aber wenn er vorbeikommt, werde ich es ihm sagen. Und du, Bruno. Bleibst bitte vorerst im Bett. Doktor Schmitt wird dich heute Abend noch einmal untersuchen und dann darfst du sicher wieder aufstehen. Aber wer einfach bwusstlos wird, sollte sich definitiv eine Weile schonen. Jetzt ruh dich bitte aus und vielleicht schläfst du einfach noch ein bisschen, dann kannst du dich am schnellsten wieder erholen."
 

Ich weiss, dass sie recht hat, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, ob ich schlafen kann, nach allem was ich nun weiss. Meine Innereien verknoten sich schmerzhaft und obwohl ich nichts dringender will als Dich zu sehen, habe ich nun Angst davor Dir tatsächlich wieder zu begegnen.
 

"Danke Martha, ich weiss Ihre Gastfreundschaft wirklich zu schätzen. Ich will es versuchen."
 

"Sehr gut, dann lass ich dich jetzt allein."
 

Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Nun war ich allein, allein mit meinen ganzen wirren Gedanken.

Wenn Du wirklich glaubst, dass ich tot bin und dass es Deine Schuld ist, was wird es dann in dir auslösen, wenn ich plötzlich vor Dir stehe? Wirst Du Dich freuen? Bist schockiert? Hälst du mich für eine Halluzination? Ich weiss es nicht, ich kann deine Reaktion nur schwer abwägen, vor allem nachdem bereits zwei Jahre vergangen sind. Ich will Dich sehen! Ich will zu Dir! Du bist der beste Freund, den ich jemals hatte und doch ... doch will ich nicht, dass deine Welt sich auf den Kopf stellt.

Was wenn Du es schon verarbeitet hast? Wenn du schon drüber weg bist, dass ich nicht da bin? Was passiert, wenn ich einfach bei Dir auftauche? Was soll ich dann sagen?

Völlig durcheinander drehe ich mich auf den Bauch und drücke mein Gesicht in das Kissen. Es ist zum verrückt werden. Ich halte das nicht aus. Meine Angst – Dir wieder unter die Augen zu treten – wächst von Sekunde zu Sekunde und überwiegt bald meinen Wunsch danach Dich zu treffen. Was soll ich nur tun?

Durch das viele Denken und die ganzen Informationen, bin ich im Moment masslos überfordern, allmählich erschlafft mein Körper, ich versuche mich zu entspannen. Dann merke ich wie erschöpft ich eigentlich bin und schliesse meine Augen. Erneut werde ich von Dunkelheit empfangen, doch sie wirkt nicht bedrohlich, sie ist angenehm und hüllt mich ein, wie eine wollige Decke im Winter. Schliesslich und mit meinen Gedanken immer noch bei Dir, lass ich mich von ihr wegzerren, meinen Geist befreien und gebe dem Erschöpfungsgefühl in mir nach, bis meine Atemzüge ruhig und gleichmässig sind und ich in einen vorerst entspannten und traumlosen Schlaf falle.
 


 


 

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Ich muss eingeschlafen sein ...

Mit einem übelkeitserregenden Gefühl im Bauch, komme ich langsam zu mir, spüre dabei wie ich gehalten werde. Wieso? Wer? Die Erinnerung kommt nur langsam zurück, ich fühle mich ausgelaugt und doch irgendwie befreit.

Crow!

Jetzt weiss ich es wieder. Ich hab mich übergeben und Crow hat mich ins Bett gebracht, wollte mir dann Tee und Suppe geben, doch sind einfach meine Gefühle aus mir herausgebrochen und er hat sich zu mir gelegt und mich umarmt.

Mein Herz schlägt schneller, bei diesen Gedanken. Wie konnte ich zulassen, dass einer meiner Freunde mich in diesem jämmerlichen Zustand sieht? Ich fass es nicht. Aber ich weiss, dass ich Crow noch eine Erklärung schuldig bin. Da werde ich nicht drum herum kommen, nicht nachdem was passiert war und was er gesehen hat.

Mein Körper fühlt sich unglaublich schwer an. Nur mit Mühe schaffe ich es meinen Kopf zu heben und versuche zeitgleich meine Augen zu öffnen, die sich nicht minder schwer anfühlen. Allerdings liegt das Hauptproblem, weshalb ich sie nicht öffnen kann gerade, darin dass sich meine Lider leicht miteinander verklebt haben. Wahrscheinlich weil ich während meines Weinkrampfes eingeschlafen bin.
 

"Yusei?"
 

Eine leise Stimme dringt an mein Ohr und ich rolle mich einfach auf den Rücken, aus den Armen meines Freundes heraus.
 

"Crow?" ,frage ich mit belegter Stimme und räuspere mich kurz.
 

"Kannst du mir einen feuchten Lappen holen? Meine Augenlider sind zugeklebt, ich bekomm sie nicht auf."
 

Ich rede leise, doch klingt meine Stimme fest.

Das ist immer so. Wenn ich einen Ausbruch hatte, schaffe ich es immer wieder meine innere Mauer hochzuziehen und mich dahinter zu verschanzen, weshalb ich nun ganz normal mit meinem Freund sprechen kann. Die Frage ist nur ... wie lange?! Denn sobald ich ihm erzählen muss, weshalb ich zusammengebrochen bin, weiss ich nicht, ob ich die rissige Backsteinmauer meiner Seele aufrecht halten kann. Schliesslich fühlt sich meine Seele schon gespalten an und ich ertrage den Schmerz einfach nicht mehr. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich immer verschliesse und es bevorzuge nicht über meine Gefühlswelt zu sprechen.
 

"Ja klar, mach ich. Warte kurz."
 

Ich spüre, wie er sich erhebt, da sich das Bett leicht bewegt und höre wie sich seine Schritte rasch entfernen. Es dauert auch gar nicht lange - ich konnte nicht einmal richtig tief durchatmen – ehe Crow zurückkehrt und meine Hand nimmt, um mir das feuchte Tuch in die Handfläche zu legen. Dabei setzt er sich wieder auf die Bettkante.

Langsam wische ich mir damit über die Augen und schaffe es so, sie endlich zu öffnen, wobei sie höllisch brennen und es mir im ersten Moment schwerfällt etwas zu erkennen. Erst nach mehrmaligem Blinzeln und Augen zusammenkneifen, schaffe ich es wieder richtig zu sehen. Dann setze ich mich schwerfällig auf und kippe dabei leicht nach vorn, um mich abzustützen, da mein Körper mir nicht richtig gehorchen will.
 

"Wie fühlst du dich?" ,höre ich die Frage mit leichter Besorgnis.
 

"Es geht ..."
 

"Vielleicht solltest du jetzt den Tee trinken und die Suppe essen. Ich werds dir nochmal aufwärmen und danach ... Yusei! ... Danach redest du mit mir. Ich will dich nicht noch einmal so zusammenbrechen sehen. Verstanden?"
 

Da gibt es wohl kein Schlupfloch mehr. Ich werde ihm nicht mehr ausweichen können und nicke einfach nur, während ich Crow ansehe. Mir wird klar, dass er es absolut nicht böse meint. Eigentlich weiss ich das ja, aber dennoch blockiere ich mich, wehre alles ab, lasse meine Freunde in dem Glauben, dass alles in Ordnung ist. Doch jetzt ... nachdem er mich so gesehen hat, habe ich keine andere Wahl, als es ihm zu erzählen, was mich so sehr beschäftigt.

Er steht auf und schüttelt leicht den Kopf, macht sich wahrscheinlich Sorgen, genau das was ich nicht will. Dann sehe ich wie er das Tablett vom Tisch nimmt und das Zimmer verlässt.

Seufzend lasse ich mich wieder in mein Kissen fallen, schlage mir die Hände vors Gesicht und weiss nicht was ich tun soll. Ich bin gefangen, ich fühle mich in die Ecke gedrängt. Dabei weiss ich, dass Crow es wirklich nur gut meint. Ich habe mich von ihm halten lassen und mich bei ihm ausgeweint.

Etwas verkrampft ziehe ich meine Finger übers Gesicht und starre einen Moment an die Decke. Wieder schweift mein Blick zu dem Regal ... Ich kann es einfach nicht lassen. Mein Herz wird in diesem Moment unheimlich schwer und erneut bleiben meine Augen genau auf Dir hängen. Zu lange schon habe mich wohl dagegen gewehrt, jetzt bricht einfach alles zusammen und ich kann es nicht verhindern.
 

Nach einer Weile höre ich Crow zurückkommen, doch wende ich meinen Blick nicht von Dir ab. Ich wünsche mir so sehr, dass Du wieder bei mir bist, dass wir wieder zusammen lachen können. Irgendwie wehrt sich alles in mir zu akzeptieren, dass Du für immer fort bist. Auch wenn ich weiss, dass es meine Schuld ist.
 

"Da bin ich wieder. Soll ich dir -?"
 

Er bricht mitten im Satz ab, wie schon einmal heute und scheint meinem Blick zu folgen, sieht das Bild an der Wand und ich denke ... jetzt weiss er, was mich so quält, auch ohne, dass ich etwas sagen musste.

Langsam setzt er sich zu mir aufs Bett und legt mir eine Hand auf die Schulter. Mit glasigen Augen blicke ich ihn an und weiss nicht, wie lange ich mich noch beherrschen kann, ehe es erneut aus mir herausbricht. Gerade weil Crow bei mir ist, werde ich die ganze Zeit daran erinnert. Wenn ich alleine zu Deiner Ruhestätte gehe und mit dir rede, ist das was anderes, aber ich kann nicht aufhören mir selbst die Schuld daran zu geben, dass Du nicht mehr bei mir bist.
 

"Du vermisst ihn, hab ich recht?"
 

Crow's unbefangene Art Dinge anzugehen, hat mich noch immer einbrechen lassen. Er ist einfach zu direkt. Diese Frage fühlt sich gerade an wie ein Schlag ins Gesicht. Was soll ich tun? Er hat mich bereits erwischt. Leugnen ist zwecklos.
 

"Ja ... aber das ... Schlimme ist ... dass es meine ... Schuld ist ... es ... es ist alles meine Schuld ... ich hätte das nicht zulassen dürfen ... Ich ... ich hätte wissen müssen, da-dass ... er mich nur provozieren wollte ... Er wusste, dass ich mich niemals ... ernsthaft gegen ihn ... duelliert hätte, wenn er mir nicht realistisch glauben gemacht ... hätte, dass er mein Feind ist ... und doch ... am Ende ... ich wusste er wird immer mein Freund sein ... und er ... wusste es auch ... Crow! Er ... hat mich gerettet ... und sich geopfert ... Wie konnte ich ... das nur zulassen? ... Was bin ich für ein schlechter Freund? ... Es ist meine Schuld ... ohne mich -"
 

"Ohne dich, würde die Stadt nicht mehr stehen!"
 

Ich schaffe es zu reden, ihm alles zu erzählen, auch wenn meine Worte nicht unbedingt in sich schlüssig sind. Doch habe ich meine Emotionen ausgeschaltet, sonst wär es mir gar nicht möglich, darüber zu reden. Allerdings unterbricht mich Crow und versucht wohl wieder meine Heldentat darzulegen.

Ich weiss bis heute nicht, wie ich es geschafft habe, das Duell gegen Zone zu bestreiten und auch noch zu gewinnen. Obwohl es wahrscheinlich daran lag, dass all meine Freunde hinter mir standen, sogar Du. Du hattest mich dazu inspiriert, mir die Kraft gegeben, das Unmögliche möglich zu machen. Meine Grenzen zu überschreiten und mich selbst zu finden. Allerdings bist Du und nur Du allein mein Antrieb gewesen diese Beschwörung durchzuführen. Dein Bild erschien vor meinem inneren Auge, als ich den Zustand des absolut klaren Geistes erreicht hatte. Bruno! Verdammt!
 

Crow blickt mich eindringlich an, hat seine Hand immer noch auf meiner Schulter und ist bereit mir jederzeit wieder ins Wort zu fallen, nachdem er sich angehört hatte, was ich zu sagen habe.
 

"Ich will, dass du sofort damit aufhörst Yusei! Es ist nicht deine Schuld und es ist niemals deine Schuld gewesen. Es war seine Entscheidung und wenn er es nicht getan hätte, dann hätten wir alle verloren. New Domino City gäbe es nicht mehr. Uns gäbe es nicht mehr. Du hast das einzig richtige getan."
 

Trotz seines ernsten und kritischen Blickes, klingt seine Stimme sanft und führsorglich. Ich weiss, dass er eigentlich recht hat, aber ich werde diesen Knoten in meinen Eingeweiden einfach nicht mehr los.

Nun schaut er mich auch wieder freundlicher und verständnisvoller an. Er kennt mich eben schon lange und weiss, dass ich nichts mehr hasse, als einem Freund nicht helfen zu können.
 

"Yusei! Ich weiss, dass es aus deiner Sicht so aussehen mag, aber es bringt rein gar nichts, wenn du dir weiterhin die Schuld gibst. Damit ist niemandem geholfen. Du isst jetzt erst mal was und dann schläfst du am besten nochmal. Du musst dich erholen. Sich selbst fertig zu machen bringt nichts, du kannst es nicht ändern, du kannst die Zeit nicht zurückdrehen. Glaub mir! Ich kenne das Gefühl."
 

Bei seinen letzten Worten reisse ich meine Augen auf, spüre wie sich erneut Tränen ihren Weg über meine Wangen bahnen und starre ihn an. Wie konnte ich das vergessen? Natürlich! Crow ist der einzige, der etwas ähnliches erlebt hat und er lebt dennoch weiter, hat sogar Spass am Leben. Er macht sich nicht fertig. Meine Innereien verknoten sich und ich richte mich etwas auf. Allerdings hat mein Kreislauf keine Lust dazu, was meinem Freund gleich auffällt, weshalb er mich im Rücken stützt.
 

"Danke ..." ,murmel ich leise ohne ihn anzusehen.
 

Dann wische ich mir energisch die Tränen aus dem Gesicht und schliesse meine Augen, atme tief durch und versuche mich zu entspannen, den inneren Knoten zu lösen und mich zu befreien. Er hat recht! Ich bin ein solcher Idiot!

Als ich meine saphirblauen Seelenspiegel wieder auf das Gesicht meines Freundes richte, lächle ich ihn an. Es ist ein ehrliches Lächeln und kein gezwungenes Lächeln.

Auch wenn meine Augen noch gerötet sind und mein Herz noch schwer ist, so will ich versuchen mich – zumindest heute – an seine Worte zu halten. Wie sagt man so schön? Einsicht ist der erste Weg zur Besserung! Genauso ist es auch. Wenn ich einsehen und endlich akzeptieren könnte, dass es nicht meine Schuld ist, dann würde ich auch wieder nach vorne schauen können. Aber es ist so schwer ... so verdammt schwer.
 

"Crow? ... Du hast recht. Ich habe es vergessen, dass du das kennst. Das tut mir leid, wirklich. Ich war so damit beschäftigt mich zu verschanzen und mich von meinen Schuldgefühlen erdrücken zu lassen, dass ich den Blick für das Wesentliche verloren habe. Ich will versuchen damit aufzuhören, auch wenn es nicht leicht ist."
 

"Das ist das erste Vernünftige, was ich dich sagen höre, seit meiner Ankunft."
 

Er lacht auf, scheint sich ehrlich zu freuen, dass er meine innere Blockade aufgelöst hat, mich dazu veranlasst hat, ernsthaft nachzudenken.
 

"Es tut gut dich lächeln zu sehen, mein Freund und jetzt iss bitte was, danach ruhst du dich aus. Auch ein emotionales Tief macht einen körperlich fertig. Du bist das beste Beispiel dafür. Dass du es auch immer so lange mit dir herumschleppen musst, bis du zusammenbrichst. Du wirst dich wohl niemals ändern, was?"
 

Immer noch grinst er mich an und steht dann auf, polstert meinen Rücken mit den Kissen, so dass ich leichter aufrecht sitzen kann und holt dann das Tablett, klappt die Beine aus und stellt es über meinen Schoss.
 

"Danke ... Nein, ich glaube nicht. Ich brauche wohl immer erst einen Schlag ins Gesicht, bis ich zu mir komme. Danke, dass du das jedes mal für mich machst. Wobei es Jack auch schon getan hat. Ich bin wirklich froh, solche Freunde zu haben. Aber Crow? Lass uns morgen Martha besuchen, ja? Du bist zwei Jahre nicht hier gewesen und ich ... muss ich leider zu meiner Schande gestehen ... habe sie die letzten zwei Jahre auch nicht einmal besucht."
 

Langsam kann ich wieder besser mit ihm reden, auch wenn es lange brauchen wird, bis meine gespaltene Seele wieder zuheilen kann. Ich bin wirklich unheimlich froh darüber, dass ich anscheinend immer einen Freund habe, der mich wachrüttelt.
 

"Das ist selbstverständlich. Du bist schliesslich auch immer für mich da. Und jetzt iss. Ja wir sollten sie mal wieder besuchen, ich bin sicher, dass sie sich darüber freuen wird."
 

Damit ist es beschlossene Sache. Mit einem Nicken bestätige ich noch einmal seine Worte und beginne dann langsam die Suppe auszulöffeln, die Crow mir hingestellt hat.

Im Anschluss räumt er alles weg und ich lege mich zur Ruhe, will versuchen zu schlafen. Schliesslich muss ich das ganze doch irgendwie verarbeiten und das geht am besten, wenn ich mich erst mal ausschlafe.

Crow lässt mich allein und ich rolle mich zusammen, schliesse meine Augen und seufze tief. Martha zu besuchen dürfte wirklich Zeit werden. Sie wird uns sicher einen Vortrag halten, aber das hab ich verdient. Dennoch freue ich mich im Moment gerade auf den morgigen Besuch. Es ist das erste mal seit zwei Jahren, dass ich mich überhaupt wieder auf etwas freuen kann.

Bruno! Ich wünsche mir so sehr, dass ich dich wiedersehen könnte, aber ich weiss, dass das unmöglich ist. Ich werde versuchen nach vorne zu schauen und ich hoffe, dass es dir gut geht, wo auch immer du dich im Augenblick befinden magst.

Meine Gedanken schweifen noch eine Weile ab, verschwimmen dann immer weiter zu bunten Bildern, von glücklichen Tagen, als wir uns in Mitten der Vorbereitungen für den Turbo Duell Grand Prix befunden haben. Dann gebe ich dem Gefühl der Schwere nach und lasse mich von der Erschöpfung überrollen.



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