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Friedrich

von

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Das Hosen- und Schlafplatzproblem

Ein kleiner Rest Zweifel blieben Friedrich noch. Er hatte schon erlebt, wie nette Menschen, Familienmenschen, Menschen der Wissenschaft, ja sogar Priester, im nächsten Moment hinter ihm her waren und ihn aufspießen wollten. Die alte Lady war nett, aber schlussendlich wurde auch sie von ihren geliebten Enkeln ermordet. Vertrauen ist ein zweischneidiges Schwert und wenn man nicht aufpasst verletzt man sich auf mehrere Weisen. In Gedanken versunken zog Friedrich die Hose wieder etwas höher, da sie trotz festhalten immer wieder rutschte. Es war auch so schwer Kleidung für jemanden zu finden, der noch einen zusätzlichen Schwanz hatte.

„Ach ja die Hose“ Heinrich schlug sich einmal mit der flachen Hand gegen die Stirn und verschwand im Schlafzimmer, nur um kurz darauf mit einem Arm in einem frischen Pulli wieder rauszukommen und während dem anziehen zur Theke zu gehen. „Hier war es doch irgendwo…“ Eine Schublade nach der anderen wurde nach Nadel, Faden und Schere durchsucht. Als er bei der letzten angekommen war, stemmte er seufzen die Hände in die Hüfte und schaute sich verzweifelt um. „Schlafzimmer. Kommode. Oben links“ Maye grinste ihn frech an und streckte ihm einmal die Zunge raus. „Duuuuu“ Lachend verschwand Heinrich wieder im Nebenraum und kam mit dem nötigen Zeug wieder. Jetzt gab es nur noch ein Problem für Friedrich. Damit die Hose zurechtgeschnitten werden konnte musste er sie ausziehen und die Unterhose auch. „Tja eigentlich hätten wir das wohl machen sollen, bevor du gebadet hast“ Verlegen kratze sich Heinrich am Hinterkopf. „Ich geh einfach ins Bad und reich dann die Sachen raus. Ist es auch wirklich in Ordnung, wenn die Sachen zerschnitten werden?“ Er fühlte sich etwas unwohl dabei, dass er so viel von Fremden annehmen musste und ein Teil von ihm hoffte, dass seine alten Sachen noch im Bad lagen damit er nicht an den Raum gefesselt war falls das doch eine Falle sein sollte. „Nein nein, die Sachen sind mir sowieso schon zu klein und Maye, … naja bis dahin würden sie sowieso von Motten zerfressen werden“ „Und das würde ich sowieso nie anziehen“ Angewidert deutete sie auf die Klamotten und verschränkte schmollend die Arme vor dem Bauch. „Ich will ein wunderschönes Kleid, genauso wie Marias Cousine!“ Ergeben seufzte Heinrich „Siehst du? Keine Chance. Also geh ruhig“
 

Eine halbe Stunde später war alles erledigt und Friedrich kam mit einer passenden Hose wieder aus dem Bad. Fröhlich wackelte er mit dem Schweif und genoss das Gefühl von sauberer, passender Kleidung auf seinem Körper. Er war auch unendlich froh, dass seine Besorgnis zuvor unbegründet geblieben war. Maye war vor dem Kamin über ihrem Buch eingenickt und Heinrich begutachtete vom Küchentisch aus zufrieden seine Arbeit. „Na Gott sei Dank habe ich meiner Mutter ab und zu beim nähen zu gesehen“ Beide lachten kurz und dann setzte sich Friedrich Heinrich gegenüber, unsicher was er sagen sollte. Er konnte dem Blonden seine Neugier richtig ansehen und auch, dass er nicht fragte um nicht unhöflich zu sein. Allgemein schien er seine Gefühle immer offen zu zeigen. Friedrich hatte noch nie einen Menschen getroffen, der so viel lächelte und immer fröhlich zu sein schien.

„Wie alt bist du eigentlich?“ Heinrich schien sich wohl für eine Frage entschieden zu haben, die er für möglichst unpersönlich hielt. Friedrich rechnete ihm das hoch an, nicht jeder machte sich über sowas Gedanken. „16 und du?“ „19“ Und damit schwiegen sie wieder, unsicher was sie als nächstes Fragen sollten.

„Wo sind deine Eltern?“ Beide schreckten aus ihren Gedanken auf, als sich Maye meldete, die wieder aufgewacht war und nun mit neugierigem Blick im Schneidersitz mit dem Buch auf dem Schoß auf dem Stuhl saß. Das besondere an Kindern ist, dass sie nichts Schlimmes in Fragen sehen und deshalb nicht lange darüber nachdenken, ob man sie nun stellen sollte oder nicht. „Sie sind schon lange tot und eure?“ „Mama und Papa sind letztes Jahr in den Himmel gegangen“ Obwohl Maye’s Tonfall traurig war, lächelte sie bei dem Satz. Das bewunderte Friedrich an Religionen. Selbst in so traurigen Momenten gaben sie Menschen die Hoffnung, dass ihre Geliebten irgendwo glücklich waren.

Heinrich ging zu seiner Schwester, hob sie hoch und setzte sich mit ihr auf den Schoß wieder hin. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck kuschelte sie sich in die Armbeuge ihres großen Bruders und schloss die Augen. Lächelnd beobachtete Friedrich die niedliche Szene und rückte mit seinem Stuhl näher an das Feuer. „Wie wird eigentlich Mais geerntet?“ Diese Frage stellte er sich jetzt schon seitdem er zugestimmt hatte zu helfen. Er hatte zwar schon Maiskolben gegessen und Felder gesehen, aber noch nie bei der Ernte zu gesehen. „Im Grunde ist es ganz einfach. Erst werden die Halme mit der Sichel abgeschnitten und dann werden die Maiskolben entfernt und sicher verpackt. Die Blätter sind giftig, deswegen werden sie entfernt und auf den Kompost geschmissen um im nächsten Jahr als Dünger zu dienen, aber die Halme schmecken süß und wir füttern sie zum Teil an unsere Tiere und zum anderen Teil benutzen wir sie beim kochen und backen.“ Zweifelnd schaute Friedrich aus dem Fenster auf das riesige Feld. „Ist das nicht sehr viel Arbeit? Bis zum Winter ist es doch nicht mehr lange.“ „Naja ursprünglich wollte ich schon vor zwei Tagen anfangen, aber es kam immer etwas dazwischen. Normalerweise helfen auch immer Nachbarn und Familie, aber wir leben zu weit weg und jemanden dafür anzustellen können wir uns nicht leisten. Mit dir schaffen wir das aber bestimmt noch rechtzeitig“ Verunsichert besah sich Friedrich nochmal das Feld. Er bezweifelte wirklich, dass er eine gute Hilfe dabei war, aber er würde sein Bestes geben.
 

Den nicht mehr allzu langen Rest des Tages redeten sie noch über belanglose Dinge und legten alles für die Ernte am nächsten Morgen bereit. Gleich bei Sonnenaufgang wollten sie Anfangen, damit sie so weit wie Möglich kamen und diesmal wurde sogar Maye mit eingeplant, da jede vorhandene Hand gebraucht wurde.

Am Abend viel ihnen allerdings auf, dass sie vergessen hatten zu klären, wo Friedrich schlafen sollte. Er wollte zwar wieder auf den Heuschober, weil er von dort aus sehr gut fliehen konnte, aber Heinrich gefiel die Idee nicht ihn bei der Kälte draußen schlafen zu lassen und Maye bestand darauf, dass Friedrich bei ihnen im Bett schlafen sollte. Da Heinrich nichts anderes einfiel, wo es warm und bequem genug war, stimmte er seiner kleinen Schwester zu und Friedrichs Protest wurde einfach übergangen. Von der Mehrheit geschlagen lag er zum Schluss mit ihnen zu dritt im Bett. Maye lag zwischen ihnen und kuschelte sich zufrieden in die Wärme, während Heinrich einen Arm um sie gelegt hatte und sie schon am einschlafen waren. Friedrich lag auf dem Rücken und starrte im Dunkeln Richtung Decke, während er den Tag in Gedanken nochmal Revue passieren ließ. Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte er noch Angst, den Winter nicht zu überstehen und jetzt lag er mit zwei Fremden in einem warmen Bett und hatte die Aussicht auf ein wundervolles Winterquartier. Trotzdem viel es ihm schwer einzuschlafen, da er immer noch der Situation misstraute. » Was wenn sie…« Er schüttelte leicht den Kopf und schaute zu Maye und Heinrich, deren schlafenden Gesichtszüge durch das aschfahle Mondlicht zu erahnen waren. Wie konnten sie ihm nur einfach so Vertrauen? Er könnte sie einfach so im Schlaf umbringen und den Winter mit dem Mais auf dem Feld und ihren Vorräten überleben. Nicht, dass er so etwas Grauenvolles jemals machen würde, aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Beiden nicht die geringsten bedenken ihm gegenüber hatten. Vielleicht sollte er ihnen auch einfach blind vertrauen? Aber Vertrauen kann gefährlich sein. Langsam bekam er von den sich ständig im Kreis drehenden Gedanken Kopfschmerzen und ihm vielen vor Müdigkeit immer wieder die Augen zu, bis er einfach eingeschlafen war.

Im Dunkeln öffneten sich zwei blaue Augen und schauten zu dem endlich schlafenden Friedrich rüber. Ein Lächeln breitete sich über Heinrichs Gesicht aus und er schloss die Augen wieder um auch endlich ins Land der Träume zu gleiten.



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