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Rhynna

Story zu Runes of Magic
von

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Hass und Verbitterung

Eines Tages patrouillierten sie wieder in Sternhorn und genossen einträchtig nebeneinander gehend das herrliche Wetter. Die Sonne strahlte von einem herrlich blauen Himmel. Nur vereinzelt zog eine schneeweiße Wattewolke vorbei und warf für kurze Zeit einen dunklen Schatten auf die satte grüne Landschaft.

Rhynna sinnierte gerade darüber nach ob sie wohl bald schon ihre Grundausbildung abschließen durfte, als sie aus einem naheliegenden Gebüsch auf einmal ein lautes Schluchzen vernahm.

Wie angewurzelt blieb sie stehen und bedeutete Ser Kai es ihr gleich zu tun. „Habt Ihr das gehört?“ wollte sie wissen und lauschte noch einmal angestrengt in die Richtung, aus der sie das Geräusch vernommen hatte.

Wieder war das Wehklagen zu hören, diesmal deutlich länger und lauter.

Kai riss erstaunt die Augen auf. „Ja, ich höre es. Da weint eine Frau! Lasst uns nachsehen woher das kommt.“

Rhynna nickte und so verließen die beiden die staubige Straße und schlugen sich nach links ins Gebüsch.

Sie waren erst einige Schritte in die Wildnis gegangen, als sie auf einer kleinen Lichtung eine in sich zusammen gesunkene Frau erblickten. Sie kniete mit vor den Augen geschlagenen Händen auf der Erde und schluchzte immer wieder, so dass es einem schier das Herz zu zerreißen drohte.

Unschlüssig verharrten der Ritter und seine Schülerin zunächst an Ort und Stelle, unsicher was sie nun tun sollten.

Dann fasste Rhynna sich ein Herz und ging langsam zu der Fremden hin, Sie hockte sich neben sie und sprach mit ruhiger Stimme auf sie ein. „Beruhigt Euch, gute Frau. Wir sind von der Löwenherzgarde und würden Euch gerne helfen. Vielleicht möchtet Ihr mir erzählen was Euch dermaßen in Verzweiflung gestürzt hat.“

Irgendetwas von ihren Worten musste zu der Frau durchgedrungen sein, denn sie blicke jäh auf und musterte Rhynna mit dunkel verschleierten Augen, in denen sich großer Schmerz spiegelte.

Ihre Stimme klag rau und belegt, als sie schließlich zu sprechen begann. „Nun seid Ihr also hier? Und wo wart Ihr, als die Fürsten die Leute unterdrückt hatten? Wo wart Ihr, als man ihnen die Früchte ihrer Arbeit gestohlen hat? Und als die Feuer des Krieges unsere Familien gierig verschlangen, wo wart Ihr da?“

Aus jedem ihrer Worte sprachen Vorwürfe. Ihr bleiches Gesicht mit den vor Tränen verschmierten Wangen gewann etwas seiner Farbe zurück während ihre Worte allmählich immer hitziger wurden. „Wisst Ihr wie die Donnerhufhügel bereits genannt werden? Die Hügel der zerbrochenen Herzen! Wir sind machtlos gegen die Banditen. Um zu überleben gibt es nur zwei Möglichkeiten: sich ihnen unterwerfen oder durch ihre Hand sterben. Welchen Weg würdet Ihr da wählen?“

Mit herausfordernd funkelnden Augen sah sie Rhynna an.

„Ich... äh...“ Hilflos tauschte sie einen Blick mit Ser Kai, der ebenso ratlos wirkte wie sie sich fühlte.

„Eine schwierige Wahl, die es da zu treffen gilt, nicht wahr? Mein einziger Sohn hat sich dafür entschieden einer dieser Verbrecher zu werden und sich ihnen angeschlossen um mich vor schlimmeren Leid zu bewahren. Könnt Ihr Euch auch nur im Entferntesten vorstellen wie es ist eine Mutter zu sein und in ständiger Angst davor zu leben das eigene Kind tot in irgendeinem Straßengraben liegen zu sehen?“

„Das muss wirklich grauenvoll für Euch sein,“ meinte Rhynna mitfühlend und wollte der Frau beruhigend die Hand auf die Schulter legen. Doch das ließ diese nicht zu.

Sie schüttelte Rhynnas Hand sogleich wieder ab und warf ihr einen wütenden Blick zu. „Geht! Auf der Stelle! Als unsere Welt zerfiel, wart ihr von der Löwenherzgarde nicht da, also komme ich nun auch sehr gut ohne Euch zurecht. Und jetzt verschwindet endlich, lasst mich in Ruhe um mein Kind trauern . Ich will Euer geheucheltes Mitleid nicht! Lasst mir den letzten Rest meiner Würde und geht!“

Bestürzt sah Rhynna die Frau an, die wieder wie ein Häufchen Elend in sich zusammen gesunken war und ihr Wehklagen wieder aufgenommen hatte.

Mit welch einem Hass sie ihre Worte so eben hervorgebracht hatte. Wieso nur reagierten die Menschen dermaßen ablehnend auf die Löwenherzgarde? Was war nur geschehen?

Und vor allem wie konnten sie dieser armen Frau nun helfen?

Hilfesuchend sah Rhynna zu Ser Kai.
 

Ser Kai machte einen recht erschütterten Eindruck. Mit starrem Blick nahm er Rhynna beiseite. Seine Stimme klang belegt, als er schließlich das Wort an sie richtete. „Ich kann es nicht fassen mit welch einer Hoffnungslosigkeit sie uns gegenüber tritt. Hoffnungslosigkeit gegenüber der ganzen Welt, doch vor allem für die Löwenherzgarde. Wie konnte das geschehen? Wie konnte es soweit kommen, dass die Menschen uns mit solch Verachtung gegenüber treten und unsere Hilfe ablehnen, wenn wir sie ihnen bereitwillig darbieten?“

Fassungslos schüttelte er den Kopf. Es nahm ihn wirklich mit welch Abscheu sich die Fremde ihnen gegenüber gezeigt hatte. „Rhynna, wir müssen handeln. Ich kann nicht zulassen, dass diese gute Frau weiter leiden muss. Die Löwenherzgarde hat viel zu lange die Menschen mit ihren Problemen allein gelassen und die Augen vor ihrem Leid verschlossen. Wir müssen Wiedergutmachung leisten. Das schulden wir uns und diesen Menschen. Lasst uns damit gleich bei dieser Frau anfangen.“

Rhynna nickte voller Entschlossenheit.

Er hatte recht. Sie mussten etwas unternehmen.

„So soll es sein,“ sagte sie dann und wandte sich wieder an die leise vor sich hin schluchzende Frau.

„Meine Dame, bitte hört uns an. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit ihr Euren Sohn wieder wohlbehalten in Eure Arme schließen könnt. Aber dafür benötigen wir Eure Hilfe. Ihr müsst uns alles sagen was Ihr über die Banditen wisst, denen sich Euer Sohn angeschlossen hat.“ redete sie eindringlich auf die am Boden hockende ein.

Mit feuchten geröteten Augen sah diese sie abschätzend an. „Das würdet Ihr wirklich tun? Ihr kennt weder mich noch meinem Sohn und habt Euch so lange von uns einfachen Menschen ferngehalten. Und nun wollt Ihr auf einmal helfen?“

Rhynna nickte ernsthaft und Ser Kai streckte der Fremden hilfsbereit die Hand entgegen um ihr aufzuhelfen. Zögernd schlossen sich ihre Finger um die seinen und sie ließ sich von ihm hoch ziehen.

„Wir haben vieles falsch gemacht in letzter Zeit,“ sagte er dann und seine Stimme war voller ehrlichem Bedauern. „Ich bitte Euch inständig, gebt uns die Möglichkeit zu helfen. Dies ist unser aufrichtiger Wunsch.“

Schweigend musterte die Fremde Ser Kai und Rhynna eine ganze Weile, als ob sie prüfen wollte wie ernst es ihnen mit ihrem Anliegen tatsächlich war, ehe sie schließlich in einer kleinen resignierenden Geste die Achseln zuckte und seufzte. „Also schön. Was habe ich noch zu verlieren? Was müsst Ihr wissen?“
 

Nachdem Betty Ilun, so der Name der Fremden, ihnen alles über die kleine Gruppe Banditen berichtet hatte was sie wusste, begleiteten Rhynna und Ser Kai sie nach Hause, bevor sie in die Kaserne zurückkehrten um einige Vorkehrungen zu treffen.

Betty kannte das Versteck der Banditen und hatte ihnen verraten wie sie dort hinkommen konnten, ohne bemerkt zu werden. Nun plante Ser Kai einen Hinterhalt und hatte außer Rhynna die fünf besten Rekruten ausgewählt, um gemeinsam mit ihnen die Bande zu zerschlagen und Betty Iluns Sohn zu retten.

Nigula war auch unter ihnen, was nicht weiter verwunderlich war, zählte er doch zu den besten Schwertkämpfern der Kaserne.

Er und die anderen vier Männer behandelten Rhynna jedoch als wäre sie Luft. Sie bezogen sie in die Vorbereitungen absichtlich nicht mit ein, was ihr einen schmerzhaften Stich versetzte.

Ser Kai bekam davon nichts mit, da er zu beschäftigt damit war die beste Angriffsstrategie auszutüfteln und sie mochte ihn damit auch nicht belästigen.

Zum wiederholten Male fragte sie sich warum sie dermaßen ausgegrenzt wurde. Hatte sie nicht bewiesen, dass sie genauso gut kämpfen konnte wie jeder andere? Ihre Waffe war zwar eine andere, aber was zählte war doch das Ergebnis oder etwa nicht?

Mühsam schluckte sie ihren Ärger hinunter und verstaute einige heilende Tränke in ihrem kleinen Beutel. Wenn sie schon im Kampf keine entscheidende Rolle spielen sollte, so konnte sie sich anschließend zumindest um die Verwundeten kümmern. Dafür war eine Priesterin schließlich gut genug, dachte sie mit einem Anflug von Verbitterung.
 

Als sie im Morgengrauen des nächsten Tages aufbrachen, bildete sie das Schlusslicht der Gruppe. Die anderen Rekruten unterhielten sich angeregt miteinander, scherzten und lachten, und sie fühlte sich ausgeschlossener denn je.

Traurig ließ sie den Kopf hängen und fragte sich wieso sie nicht einfach aufgab und wieder ihrer Wege zog. Sie hatte es schließlich nicht nötig sich derart behandeln zu lassen.

Doch das wäre Kai gegenüber nicht fair, hatte er so viel auf sich genommen, damit sie einen Platz in der Garde bekam. Hinzu kam, dass sie es liebte den Menschen zu helfen und sie niemals jemanden im Stich lassen würde, der Hilfe bedurfte.

Die Ideale der Löwenherzgarde entsprachen also genau ihrem Wesen. Hier hatte sie die Möglichkeit ihre Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen um Gutes zu tun.

Plötzlich gebot Ser Kai ihnen allen mit einer ausdrücklichen Geste fortan zu schweigen. Sie waren ihrem Ziel also recht nahe.

Leise schlichen sie zu den nahe gelegenen Ruinen, in deren Mitte sich das Versteck der Banditen laut Betty Iluns Angaben befand und versteckten sich hinter einer großen umgestürzten Säule.

Rhynna hockte etwas abseits der anderen und spähte vorsichtig hinunter in die kleine Talsenke. Die Banditen hatten Zelte aus grobem Tuch rund um ein großes Lagerfeuer errichtet. Sie spürte deutlich den einfachen Zauber, welcher das Feuer umgab und verhinderte, dass man den aufsteigenden Rauch von der Ferne aus erkennen konnte.

Ein schmutzig aussehender Mann saß bewaffnet mit einem Speer am beinahe niedergebrannten Feuer und döste vor sich hin. Ansonsten war es ruhig im Lager. Die anderen Gauner schienen alle noch zu schlafen und ahnten nichts von dem Hinterhalt, in den sie gleich hineingeraten würden.

Rhynna warf Ser Kai einen fragenden Blick zu und wartete angespannt darauf, dass er endlich das Zeichen zum Angriff gab.

Sie wusste was sie zu tun hatte und hoffte, dass die anderen sich genau an den geplanten Ablauf halten würden. Unter keinen Umständen durfte Betty Iluns Sohn zu Schaden kommen.
 

Als Ser Kai schließlich das Zeichen zum Angriff gab, ging alles ganz schnell. Die Männer rannten mit gezogenen Waffen den Abhang hinunter und stürmten laut brüllend die Zelte der Banditen.

Sie trieben die schlaftrunkenen und überraschten Diebe in die Mitte der Senke und hielten sie dort in Schach.

Es waren weniger als erwartet. Rhynna zählte von ihrem Versteck aus nur sechs Mann, dabei hätten es laut Betty Iluns Aussagen mindestens doppelt so viele sein müssen.

Ein ungutes Gefühl beschlich sie.

Irgendetwas stimmte da nicht. Wo waren die übrigen Räuber?

Später wusste sie nicht mehr genau was es gewesen war, dass sie stutzig werden ließ. Vielleicht war es die tödliche Klinge des Dolches, die kurz in der Sonne aufblitzte, welche ihre Aufmerksamkeit jäh fesselte.

Sie bemerkte jedenfalls den näher kommenden Schemen und riss entsetzt die Augen auf, als sie verstand was er vor hatte. Hastig murmelte sie die vertrauten Worte, streckte die linke Hand aus und ließ einen perlenden Schild aus Wasser um den ahnungslosen Nigula entstehen, den sich der Schatten als erstes Opfer auserkoren hatte.

Keine Sekunde später prallte der Dolchstoß, der Nigulas ungeschützten Nacken hatte durchbohren sollen, wirkungslos vom Schild ab. Wellen durchliefen diesen und die Wucht des Stoßes schleuderte den Attentäter unsanft zurück.

Fluchend blieb er auf seinem Allerwertesten sitzen. Durch die überraschende Vereitlung seines Anschlags war er wieder sichtbar geworden, da seine Konzentration abrupt unterbrochen worden war.

Rhynna ließ die Hand langsam wieder sinken, woraufhin der magische Schild in tausend feine Wassertropfen zerstob, die kurz in der Sonne glitzerten ehe sie im Nichts verschwanden.

Nun begriffen auch die Soldaten der Löwenherzgarde, was gerade beinahe geschehen war. Nigula war kreidebleich im Gesicht, als er Rhynna nun anblickte. Sie erwiderte seinen Blick ruhig und begab sich dann zu den anderen nach unten.

Ser Kais Miene war grimmig, als er auf den gescheiterten Attentäter zu schritt. Er hielt dem noch recht jungen Burschen die Spitze seines Schwertes direkt unter die Nase ehe er grollend das Wort an ihn richtete. „Sprich schnell. Wer bist du und warum wolltest du einen meiner Männer töten?“

Aus den Augen des Jünglings sprach grenzenlose Wut, als er trotzig hoch in das Gesicht des älteren Mannes blickte. „Ich bin Weily Loth und ich wollte ihn töten, weil Ihr heuchlerischen Soldaten es nicht anders verdient.“

Verächtlich spuckte er Ser Kai direkt vor die Füße, was wütendes Gemurmel der Rekruten nach sich zog.

Der Ausbilder der Löwenherzgarde blieb regungslos stehen und starrte den Burschen mit ausdrucksloser Miene einfach nur an.

Rhynna bewunderte ihn für seine Gelassenheit, vor allem wenn man bedachte, dass es sich bei diesem respektlosen Jüngling um den gesuchten Sohn von Betty Ilun handelte. Weily Loth. Hätte er nicht einfach nur ein verängstigter Mitläufer sein können?

Sie seufzte. Der Junge hatte sich das Leben gerade unnötig schwer gemacht. Wie hatte er nur so naiv sein können zu glauben, er könnte einen Gardisten der Löwenherzgarde attackieren ohne Konsequenzen befürchten zu müssen?

Jetzt würden sie ihn nicht so einfach zu seiner Mutter zurückbringen können. Auf versuchten Mord stand eine hohe Strafe.

„Steh auf,“ befahl Ser Kai Weily nach einem Moment des eisigen Schweigens. Widerwillig rappelte sich der Angesprochene auf und funkelte den hochgewachsenen Soldaten vor ihm voller Trotz an.

Ser Kai richtete das Wort an seine Männer. „Bringt die Banditen nach Dalanis ins Gefängnis. Wir werden später darüber entscheiden was mit ihnen geschehen soll. Nigula, Ihr übernehmt das Kommando. Ich habe hier noch etwas zu erledigen.“

„Sehr wohl, Ser Kai.“ Nigula verbeugte sich leicht und erteilte den Männern dann Befehle. Wenig später zogen die Gardisten mit ihren Gefangenen ab.

Unschlüssig blickte Rhynna ihnen nach. Sie war nicht sicher ob sie ihnen folgen sollte oder nicht.

Ser Kai bemerkte ihre Unsicherheit. „Ist schon in Ordnung, Rhynna. Ich wünsche, dass Ihr bei mir bleibt. Wir beide kümmern uns um unseren jungen Freund hier.“

„Ich bin nicht Euer Freund, Ser Ritter!“ Die letzten beiden Worte spie Weily förmlich aus und sie waren voller Verachtung.

Rhynna hatte genug von seinem aufmüpfigen Gebaren. „Seid still!“ fuhr sie ihn zornig an. „Ihr seid selbst Schuld, wenn Ihr Euch nun jegliche Chance verspielt habt zurück in Euer altes Leben zu Eurer Mutter zu gehen. Wir wollten Euch helfen und wie dankt Ihr es uns? Indem Ihr törichterweise versucht einen Soldaten hinterrücks zu erdolchen! Wisst Ihr denn nicht welche Strafe auf solch eine Tat steht?“

Bei der Erwähnung seiner Mutter verlor Weilys Gesicht jegliche Farbe. Sein Widerstand schmolz dahin wie Eis in der Sonne. Plötzlich sah er aus wie der siebzehnjährige Bursche, der er war, jung und verloren.

Rhynnas Gesichtszüge wurden wieder weicher, als sie seine zusammengesunkene Gestalt bemerkte. Offenbar sorgte er sich um seine Mutter, auch wenn er das niemals offen zugeben würde. „Es geht Ihr gut, Weily. Sie macht sich allerdings große Sorgen um Euch und bat uns schweren Herzens Euch zu helfen wieder auf die richtige Seite des Gesetzes zu kommen. Das hier ist doch kein Leben für Euch:“

„Ich kann nicht glauben, dass sie jemanden wie Euch schickt. Sie verachtet die Löwenherzgarde genau wie ich es tue.“

Ser Kai zuckte bei diesen Worten unmerklich zusammen und seine Miene sah einen Moment lang ziemlich gequält aus. Rhynna konnte ihn gut verstehen. Sie war es allmählich ebenfalls leid, immer wieder zu hören zu bekommen wie sehr die Menschen die Garde verabscheuten.

„Glaubt mir, sie war nicht glücklich darüber unsere Hilfe annehmen zu müssen. Doch Ihr und Euer Wohlergehen waren ihr wichtiger als ihr Stolz,“ meinte er dann brüsk und steckte sein Schwert zurück an seinen Platz.

Weily nickte kaum sichtbar, ehe er sich straffte und Ser Kai anblickte. „Was wird nun mit mir geschehen?“

„Das werdet Ihr noch früh genug erfahren. Jetzt begleitet uns erst einmal zu Eurer Mutter. Ich bin mir sicher sie wird überglücklich sein Euch gesund und munter zu sehen.“

Ser Kai bedeutete ihnen mit einer knappen Geste ihm zu folgen. Weily trottete ihm mit gesenktem Haupt hinterher, während Rhynna hinterher schritt und ihn misstrauisch im Auge behielt.

Er sah zwar nicht mehr so aus, als würde er irgendetwas Dummes versuchen wollen, aber man konnte nie vorsichtig genug sein wie sie aus Erfahrung wusste.
 

Sie waren etwa eine halbe Stunde gegangen, als sie die kleine Siedlung erreichten, in der Betty Iluns Hütte stand. Sie war im Garten und jätete Unkraut zwischen dem sorgsam angepflanzten Gemüse.

Als sie Schritte vernahm, erhob sie sich und drehte sich um. Sie schirmte ihre Augen vor der Sonne ab und stieß einen spitzen Schrei aus, als sie schließlich erkannte wer sich ihr da näherte.

„Weily!“ rief sie mit Tränen in den Augen und stürzte ihnen entgegen. „Mein Junge!“ Schluchzend schloss sie ihren Sohn in die Arme und herzte ihn ausgiebig.

Regungslos ließ Weily es über sich ergehen. Offenbar war ihm die Rührseligkeit seiner Mutter in Gegenwart der beiden Mitglieder der Löwenherzgarde äußerst unangenehm. Etwas hilflos tätschelte er ihren Rücken, sichtlich beschämt.

Rhynna und Ser Kai standen etwas abseits und ließen den beiden Zeit für ihr Wiedersehen.

Dann trat Ser Kai vor und verneigte sich respektvoll vor Betty Ilun. „Wie versprochen bringe ich Euch Euren Sohn wieder.“ sagte er mit ruhiger Stimme.

Die kleine Frau blickte den großen Gardisten voller Dankbarkeit an. „Wie kann ich Euch nur dafür danken, dass Ihr meinen Weily aus den Fängen dieser nichtsnutzigen Banditen befreit habt? Ihr habt ihn davor bewahrt ein Gesetzloser zu werden, was ihm früher oder später zweifelsohne den Tod gebracht hätte. Ich weiß nicht wie ich Euch das jemals vergelten kann.“

Ser Kai lächelte sie freundlich an. „Ich wüsste da schon etwas. Doch zunächst möchte ich Euch noch einmal von ganzem Herzen um Verzeihung bitten, dass Ihr so viel Leid ertragen musstet und die Löwenherzgarde nichts unternommen hat um dieses Leid zu lindern. Wir sind nicht gekommen, als Ihr uns am dringendsten brauchtet und das ist unentschuldbar. Ich schwöre Euch, dass so etwas fortan nicht mehr vorkommen wird. Dafür werden ich und meine Gardisten Sorge tragen.“

Rhynna lauschte still Ser Kais Worten. Es beeindruckte sie zutiefst mit welch Redegewandtheit es ihm gelang diese schwierige Situation zu meistern. Sie wäre froh, wenn sie das auch nur halb so gut vermochte wie er.

Ernst blickte er Betty Ilun an, ehe er mit seiner Rede fortfuhr: „Momentan bin ich auf der Suche nach neuen Rekruten. Es wird an der Zeit, dass die Löwenherzgarde wieder alle Menschen beschützt und nicht nur die, die innerhalb der Mauern von Dalanis leben. Doch dafür benötige ich Eure Hilfe.“

Ein Schatten huschte über Betty Iluns Gesicht, als sie verstand worauf der hochgewachsene Soldat hinaus wollte. Zögernd schaute sie ihren Sohn an, der mit versteinerter Miene neben ihr stand und argwöhnisch die beiden Mitglieder der Löwenherzgarde vor ihm musterte.

Dann glitt ihr Blick wieder zu Ser Kai. „Kann ich Euch vertrauen? Ihr müsst verstehen, dass es mir nach all der Zeit schwer fällt Euren Worten Glauben zu schenken.“

Ser Kai nickte verständnisvoll. „Das verstehe ich durchaus. Doch ich würde mich geehrt fühlen, wenn Ihr mir Euer Vertrauen schenken würdet. Ich verspreche Euch hiermit hoch und heilig, dass die Löwenherzgarde in Zukunft unter der Führung des Königs alles tun wird, um dafür zu sorgen, dass wieder Frieden und Wohlstand nach Zandorya zurückkehren. Die Menschen werden nicht länger von Sorgen und Ängsten geplagt werden. Und Hoffnung wird wieder den Platz in ihren Herzen einnehmen, der jetzt von Verzweiflung besetzt ist. Wir von der Löwenherzgarde werden unsere Hingabe für das Volk durch unsere Beharrlichkeit beweisen und nicht eher ruhen bis wir das von uns angestrebte Ziel erreicht haben!“

Er hatte voller Leidenschaft gesprochen und man merkte deutlich, dass jedes seiner Worte seiner tiefsten Überzeugung entstammten. Sprachlos starrte Rhynna ihn an. Sie wusste, dass er ein sehr emotionaler Mensch war, dem viele Dinge schnell nahe gingen, aber mit solch einem leidenschaftlichen Ausbruch hatte sie nicht gerechnet.

Auch Betty Ilun schien zutiefst beeindruckt. Ihre Stimme klang entschlossen, als sie nach einem Moment des Schweigens zu sprechen begann. „Wie könnte ich weiterhin zweifeln, wenn Ihr mir mit solch glühender Inbrunst ein solches Versprechen gebt? Ich bin bereit an die Zukunft von der Ihr sprecht zu glauben. In allererster Linie brauchen wir ein sicheres Leben, die Bequemlichkeit kommt erst an zweiter Stelle. Wenn Ihr uns beschützt, dann bin ich zufrieden.“

Sie lächelte, griff den verdutzten Weily bei den Schultern und schob ihn zwischen sich und Ser Kai. „Dürfte ich Euch um etwas bitten?“

„Selbstverständlich. Sprecht.“

„Würdet Ihr meinen Sohn ausbilden? Ich möchte, dass er zu einem guten Ritter der Löwenherzgarde wird und dazu beitragen kann, dass dem Land eines Tages wieder Frieden und Wohlstand gebracht werden.“

Weily ließ ein entsetztes Keuchen hören, als er die Bitte seiner Mutter vernahm. „Mutter... ich...“ protestierte er, doch ein strenger Blick Ser Kais brachte ihn zum Schweigen. Offensichtlich war ihm wieder eingefallen, dass er es auch weitaus schlimmer hätte treffen können, nach seiner törichten Tat im Lager der Banditen.

Rhynna fand auch, dass er es noch recht gut getroffen hatte. Ein Leben als Gardist bei der Löwenherzgarde war dem Gefängnis allemal vorzuziehen.

Dessen wurde sich Weily allmählich wohl auch bewusst. Er blickte zwar ziemlich verstimmt drein, sagte aber nichts weiter.

Ser Kai verbeugte sich erneut vor Betty Ilun. „Bei meiner Ehre, ich verspreche Euch, dass ich mich persönlich um die Ausbildung Eures Sohnes kümmern werde, auf dass er ein hervorragender Ritter werde.“

Sie knickste leicht. „Habt Dank, werter Ritter. Für alles was Ihr für mich und Weily getan habt.“

Dann umarmte sie ihren Jungen zum Abschied. „Mach mich stolz, mein Sohn,“ flüsterte sie mit belegter Stimme.

„Zeit aufzubrechen,“ meinte Ser Kai und bedeutete Rhynna und Weily ihm zu folgen.

Betty Ilun sah den dreien noch nach, bis sie hinter der Wegbiegung verschwunden waren.



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