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OS Sammlung

Verschiedene Kurzgeschichten
von

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Can't stop loving you - (Azureshipping)

Für mich gab es nie so etwas wie Liebe. Es war ein Wort. Vergänglich. Zerbrechlich. Aber vor allem unehrlich. Ein Gefühl, das ich verleugnete. Mit jeder Zelle meines Körpers. Mein Verstand sagte, dass es falsch war.
 

Blitz und Donner tobten außerhalb meiner Villa ihr Unwesen. Das Licht hatte ich bereits gelöscht. Müde und erschöpft lag ich in meinem Bett, versuchte endlich einzuschlafen, doch es gelang mir nicht. Waren es die Geräusche des Sturmes oder deine Abwesenheit, die mir den wertvollen Schlaf raubten? Die Antwort kannte ich nicht. Nein. Ich wollte sie nicht wahr haben. Kleine Regentropfen, scharf wie eine Messerschneide, prallten laut gegen mein eiskaltes Glas, welches das Geräusch noch verstärkte. Immer wieder erleuchtete der Blitz mein Zimmer. Hätte ich es gewollt, hätte ich die Vorhänge zuziehen können, aber etwas in mir hielt mich davon ab. So blieb ich liegen, in meinem kalten, einsamen Bett.
 

Der nächste Morgen begann wie üblich. Wieder hatte ich mir schlaflos eine Nacht um die Ohren gehauen, hatte nicht die Möglichkeit ein Auge zu zutun. Der herbe Duft von Kaffee riss mich brutal in die Realität, welcher ich mich nun stellen musste. Schmerzen in meiner Brust waren ein Zeugnis dessen, dass es sich um keinen Traum hielt. Aber konnte das wahr sein?
 

Das Umfeld war mir bekannt und doch fühlte es sich so unheimlich fremd an. Ich fühlte mich wie gerädert. Hektisch griff ich nach einer Tasse, schüttete mir die heiße, schwarze Flüssigkeit hinein, wobei einiges auf dem Tisch landete. In den kleinen Pfützen spiegelte sich mein Gesicht. Es wirkte anders. So verändert. Ich war nicht mehr als mein eigener Schatten. Dein Lachen, deine Tränen und deine Wärme hatten etwas in Gang gesetzt. Aber ich konnte es nicht beim Namen nennen. Mein kleiner Bruder saß ruhig am Tisch, in seiner Hand hielt er einen Brief. Nachdenklich wand er ihn mehrmals in seinen Händen ehe er ihn mir übergab. Wortlos nahm ich ihn an, traute mich aber nicht, ihn zu öffnen.
 

Wie in Trance starrte ich den Brief an. Du hattest ihn mir geschickt. Deine schöne Handschrift erkannte ich immer, hatte doch ein Brief wie dieser, zu all dem hier geführt.
 

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Es war ein normaler Schultag. Der erste Schnee fiel zu Boden und bedeckte diesen erbarmungslos. So weit das Auge reichte, konnte man nur noch diese weiße Decke sehen. Prachtvoll und göttlich wirkte sie, bevor Menschen auf ihr herum trampelten und das malerische Bild zerstörten.
 

Wie jeden Tag saßt du mit deinen lächerlichen Freunden zusammen. Deine Präsenz wurmte mich. Deine Stimme empfand ich als grässlich und störend, obwohl sie in Wirklichkeit sanft und wohltuend war. Eine Wahrheit, die ich erst später erkannte. Stolz prahltest du von deinem Vortanzen. Deine Freunde waren nebenbei mit Kartenspielen beschäftigt. Ein ganz normales Bild. Du warst daran gewohnt. Du kanntest es. Du toleriertest es. Aber heute war es anders. Es verletzte dich zutiefst, riss tiefe Wunden in dein zartes Wesen. Sie erkannten es nicht, da du deine Trauer und deine Wut sehr gut verbargst. Das war typisch für dich.
 

Niemals würdest du jemanden schaden. Stets warst du darum bemüht sie glücklich zu machen. Ihr wart Freunde. Du warst es, die mir dies ans Herz gelegt hatte. Ständig wolltest du mich mit einbeziehen, kanntest du doch mein wahres Wesen und warst davon überzeugt, dass ich einsam war und jemanden zum Reden brauchte. Wie einfältig und kindisch von dir.
 

Hattest du wirklich geglaubt, ich wäre so naiv und glaubte an so etwas Flüchtiges wie Freundschaft? Es war ein Wort. Ein Mensch konnte nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn er an sich selbst glaubte. Ich vertraute niemanden und das war es, was mich so erfolgreich gemacht hatte. Du wandtest den Blick ab, verzogst eine wütende Miene und trotztest meiner Macht, ließt mich nicht zu Wort kommen.
 

»Das ist eine Lüge und das weißt du! Jeder Mensch braucht Nähe. Du bist auch ein Mensch, warum sonst ist deine Bindung zu deinem Bruder so stark? Denk darüber nach, Kaiba-kun. Eine Bindung zu haben, macht Menschen stark, sie ist kein Hindernis, verstehst du das? Du bist stark, weil du Mokuba hast.«
 

Du wirktest so weise, als du dies sagtest, aber deine roten Wangen, zeigten wie verlegen du um diese Worte warst. Hattest du Angst vor meiner Reaktion? Fürchtetest du, dass ich dich anschreien würde? Oder war es noch etwas anderes, was in deinem kleinen dummen Köpfchen vor sich ging? Damals kannte ich die Antwort noch nicht. Obwohl ich dich vehement ablehnte, deutetest du meine Handlungen anders, du glaubtest daran, dass ich dich und deine kleinen Zirkusäffchen mochte. Gutmütig wie ich war, ließ ich dich in diesem Glauben.
 

Dann, eines Tages, gabst du mir einen kleinen Brief. Wir standen allein im Flur. Mit Leichtigkeit hätte ich ihn dir zurückgeben können, denn es war niemand da, der mir dieses Verhalten verübeln hätte können. Weder unsere Klassenkameraden noch deine Freunde, die wie immer in ihrer kindlichen Welt verweilten.
 

Doch ich nahm den Brief an. Aus irgendeinem Grund wollte ich deine Gefühle nicht verletzen. Spät am Abend, als ich aus meinem Büro in meiner Firma zurückkehrte, öffnete ich den weißen Umschlag. Ein sonderbarer, süßlicher Duft haftete an ihm, den ich wider Willen in mich aufnahm und bis heute nicht vergessen konnte. Ein so unwichtiges Detail und doch hatte sich dieser nichtige Moment, der nur wenige Sekunden andauerte, in mein Gehirn gebrannt.
 

Eine Einladungskarte? Ein handgeschriebener Zettel? Erstaunt hob ich eine Augenbraue, lockerte mit meiner freien Hand meine blaue Krawatte, nur um daraufhin auch mein Hemd zu öffnen. Du wolltest, dass ich zu deinem Vortanzen kam. Belustigt grinste ich, konnte nicht glauben, dass du ausgerechnet mir, der, der dich immer nur verletzte und demütigte, eine solche Karte gabst. Grenzenlose Güte war einer der Gründe, warum du so beliebt warst und deine Freunde dich so sehr schätzen. Doch ich empfand es als überaus dumm von dir. Hattest du je an dich selbst gedacht?
 

Achtlos warf ich den Zettel und die Karte auf meinen Schreibtisch. Tatsächlich hatte ich nicht vor hinzugehen, wenn Mokuba nicht gewesen wäre. Mit allem, was in seiner Macht lag, überredete er mich dazu, zu kommen und dir zuzuschauen.
 

Es war ein kühler Winterabend, der Wind peitschte schmerzhaft meine Haut, die von der ganzen Büroarbeit eindeutig verwöhnt war. Mokuba folgte mir, er freute sich, dich tanzen zu sehen und seine Begeisterung steckte mich an. Dass ich mich über deinen Tanz freute, zeigte ich nicht. Meine Gesichtsmuskeln wirkten wie eingefroren. Wie ein Engel glittest du über die Bühne, jedes Licht betonte deinen makellosen Körper, welcher sich sanft und anmutig der tönenden Musik und dem Rhythmus anpasste. War das wirklich die nervtötende Göre aus der Schule, die mich tagtäglich mit irgendwelchen kindischen und sinnlosen Moralpredigten belästigte? Erst jetzt erkannte ich wie vollkommen und lieblich du warst.
 

Das musste der Moment gewesen sein, in dem du mir zum ersten Mal sympathisch warst, wo ich dich als Frau und nicht als hirnlose Cheerleaderin von Yuugi Mutou ansah. An diesem Abend hatte sich etwas geändert. Die Erkenntnis, dass das Mädchen, das sich mir gereizt im Cyberspace in den Weg gestellt hatte, erwachsen geworden war, veränderte etwas. Es setzte etwas in Gang, das ich nicht beim Namen nennen konnte.
 

Während unserer Schulzeit sahen wir uns öfter, redeten miteinander und ich spürte, dass da mehr zwischen uns war, als wir beide wahrhaben wollten. Wir diskutierten oft, lachten miteinander und selbst ich musste mir eingestehen, dass zwischen uns eine seelische Bindung entstanden war, die mir immer wichtiger wurde. Allerdings war der Schulabschluss unvermeidlich. Und es sollte das Ende einer gerade aufblühenden Freundschaft sein. Wir sahen uns nicht mehr... aber vergessen konnte ich dich nicht.
 

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So sehr ich diesen Brief ignorieren wollte, ich konnte es nicht. Er weckte Erinnerungen, die ich mit aller Macht versuchte zu verdrängen. Mokuba musterte mich. Sein langes, schwarzes Haar, hatte er zu einem Zopf gebunden und er trug einen dünnen Pullover. Wenige Monate lag unsere Trennung zurück, die mir, auf irgendeine Art und Weise, die Brust zuschnürte.
 

„Seto, du musst den Brief öffnen. Er ist von ihr. Er ist von Anzu.“ Mokubas Stimme drang zu mir, ich sah ihn an, erwiderte nichts.
 

„Ich weiß das, Mokuba. Aber... es ist nicht mehr wichtig.“
 

„Was soll das bedeuten? Sie fliegt in zwei Tagen nach Amerika! Dann wirst du sie erst Recht nicht mehr sehen. Willst du das etwa?“ Auf einmal wirkte er aufgebracht.
 

„Kann ich es denn ändern?!“, zornig knallte ich meine Tasse wieder auf den Tisch, Mokuba schreckte zurück. Aber nicht für lange.
 

„Du kannst es ändern und das weißt du! Du bist ein Vollidiot, Bruder.“
 

„Was weißt du schon...?“, zischte ich und ließ ihn in der Küche zurück.
 

Am besten war es, wenn ich mich mit Arbeit ablenkte. Das half immer. Gereizt tippte ich etwas in meinen Computer. Den Brief von dir hatte ich gleichgültig auf meinem Schreibtisch geschmissen. Wie konntest du es wagen, dich erst jetzt bei mir zu melden? Es war töricht von mir, aber ich verübelte es dir. Grimmig starrte ich den flimmernden Bildschirm an, der mir Zahlen entgegen schleuderte, die mir den aktuellen wirtschaftlichen Stand meines Unternehmens verrieten. Die Konkurrenz schlief nie. Der Kampf, um die Spitze war gnadenlos und unbarmherzig. Jeder konnte mir meinen Ruf streitig machen. Das wusste ich.
 

Dennoch wanderte mein Blick hin und her. Immer wieder stahl sich der Anblick deines Briefes in mein Blickfeld, hielt mich fest und vernebelte mir die Sicht für das Wesentliche.
 

»Kaiba-kun. Danke, dass du zu meinem Vortanzen gekommen bist. Das hat mir viel bedeutet. Schade, dass wir nicht noch mit einander reden konnten. Aber... wir könnten uns doch in der Mittagspause treffen?«
 

Weitere E-Mails füllten mein Postfach. Ich kämpfte mit der Neugier. Doch sie galt nicht den elektronischen Nachrichten sondern deinem Schreiben. Hattest du einen Grund dich so lange nicht bei mir zu melden? War es meine Schuld? Hätte ich dir aufrichtiger zeigen sollen, was ich über dich dachte oder hatten meine harschen und kalt klingenden Worte dich verschreckt?
 

Für mich war es nichts Neues, dass Menschen mit meiner Umgangsart nicht klar kamen. Manche Menschen ertrugen es nun einmal nicht, wenn man ihnen sagte, was man wirklich dachte. Sie fühlten sich verletzt, hatten nicht genug Mut der Wahrheit ins Gesicht zu sehen und versteckten sich hinter einem Schleier von Lügen und Illusionen. Soweit ich es beurteilen konnte, gehörtest du nicht zu dieser Sorte Mensch.
 

»Du darfst dich nicht so verschließen, Kaiba-kun. Das Leben hat so viel zu bieten. Du verpasst alles, wenn du nicht lernst, endlich offener zu werden. Ich weiß, dass du sehr mit deiner Firma beschäftigt bist, aber es würde dir wirklich guttun, ein paar Leute kennen zu lernen und dich zu amüsieren.«
 

Selbst jetzt hörte ich noch deine dummen Predigten, wo ich doch versuchte nicht an dich zu denken. Du verfolgtest mich, störtest mich sogar bei meiner Arbeit und doch sehnte sich ein Teil von mir nach dir und deiner Anwesenheit. Ich erinnerte mich an diesen Nachmittag. Yuugi, Jonouchi, Honda und Ryou waren draußen gewesen, spielten Basketball. Unvermeidlicherweise hatte Yuugi einen Ball abbekommen und saß den Rest des Spieles außerhalb, feuerte seine Freunde an.
 

Warum erinnerte ich mich überhaupt daran? Wütend kamst du hoch gelaufen, wirktest gestresst und ließest dich wortlos auf deinen Platz nieder. Es war unangenehm still. Wie immer ertrugst du diese Ruhe nicht, plappertest haltlos drauf los. Die Jungs warfen immer zu dir, um dir unter den Rock zu gucken, wenn du hüpftest. Aber das hätte dir klar sein sollen. Das band ich dir nicht auf den Hals. Verständnisvoll nickte ich und wir kamen ins Gespräch.
 

»Du sitzt immer alleine hier, wenn wir Pause haben. Möchtest du denn gar nicht wissen, was die anderen machen? Du verpasst einen Teil deiner Jugend. Vielleicht bereust du es später.«
 

Ja, du wolltest immer nur das Beste für mich. Eigensinnig wie ich nun mal war, wurde ich ärgerlich, reagierte dementsprechend. Standhaft und mutig. Dass dies nur wenige Eigenschaften deiner komplizierten Persönlichkeit war, wusste ich schon vorher. Das hattest du mir mehr als einmal gezeigt. Sowohl im Königreich der Duellanten als auch im Cyberspace botest du mir die Stirn. Nein, jemand wie du, kannte keine Angst vor jemanden wie mich. Nur wenige sahen mich als menschliches Wesen, was durchaus in meinem Bestreben lag.
 

Du gehörtest zu diesen wenigen.
 

Erneut sah ich den Brief an, streckte meine Hand nach ihm aus. Wieder dieser Duft, den ich seit damals nicht vergessen konnte. Meine kindliche und unüberlegte Neugier hatte meinen Verstand besiegt. Nun konnte ich nicht mehr anders, als den Brief zu öffnen.

Vorsichtig zog ich einen Zettel aus dem Umschlag, las ihn aber nicht, starrte ihn nur an. Ein sommerliches Gelb strahlte mir entgegen. Ein leichtes Schmunzeln konnte ich mir nicht weiter verkneifen, denn diese Farbe passte zu dir. Du hattest immer ein sonniges Gemüt, wolltest stets immer nur das Gute sehen und versuchtest selbst in einer ausweglosen Situation etwas Positives zu erkennen. Du warst nun einmal ein Optimist während ich ein Realist war. Natürlich würdest du mich eher als pessimistisch beschreiben, da du der Ansicht warst, dass Realismus und Pessimismus sehr dicht aneinander lagen.
 

Langsam öffnete ich den gefalteten Zettel, betrachtete den sauber geschriebenen Text, der zum Vorschein kam. Sogar deine Schrift wirkte erwachsener. Gut konnte ich mich daran erinnern, dass du in der Schule immer nur gekritzelt hattest und dir nicht immer viel Mühe bei den Abschriften gabst. Ungewollt verzog ich eine Miene, konnte es mir nicht mehr verkneifen deinen Brief zu lesen.
 

'Hallo Kaiba-kun,'
 

Ein einfaches 'Hallo' passte zu dir, knapp aber familiär, so als würdest du einen guten Freund begrüßen.
 

'Ich weiß selbst nicht, wie ich diese Zeilen formulieren soll. Es ist sehr viel Zeit vergangen, seit unserem Schulabschluss. Obwohl du mir unmissverständlich gezeigt hast, dass du mich nicht mehr wiedersehen möchtest, so kann ich nicht davon ablassen auf mein Herz zu hören und dir wenigstens Bescheid zu sagen, dass ich schon bald nach Amerika fliegen werde.'
 

Geschockt starrte ich den ersten Absatz an. Wann hatte ich ihr gezeigt, dass ich sie nicht mehr sehen möchte? Egal, wie sehr ich nachdachte, ich konnte nicht verstehen, was sie damit meinte. Hatte ich sie etwa versehentlich verletzt? War meine Art zu distanziert gewesen oder hatte sie irgendwas in den falschen Hals bekommen? Grübelnd rieb ich meine Schläfen, schloss die Augen und erinnerte mich an den einen Abend, an dem wir uns zuletzt gesehen hatten.
 

Es war unser Schulball. Was war geschehen? Nein, mein Gedächtnis wollte mir partout nicht auf die Sprünge helfen. Leichte Verzweiflung keimte in mir auf und ich spürte, dass mich Panik überkam. Zu gut konnte ich mich daran erinnern, dass du mit deinen Freunden getanzt hattest, dass das samtig rote Kleid deinen Körper zauberhaft umspielte und dass du dich bewegtest, wie ein elegant tanzender Schwan.
 

'Es hat mir sehr weh getan, wie du mit mir umgesprungen bist und dass du mir keine Antwort gegeben hast. Natürlich entspricht das deiner Natur, aber es war mein Wunsch dich näher kennen zu lernen, vermutlich bin ich dir mit meinem Verhalten zu Nahe getreten. Vielleicht ist es sogar meine Schuld, dass es letztendlich so gekommen ist. Tut mir Leid. Am nächsten Freitag um 18.00 Uhr nehme ich den Zug zum Flughafen. Dann beginnt mein neues Leben. Ich wünsche dir noch ein Leben voller Spaß und Augenblicken, die dich zum Lachen bringen und dass es dir auch weiterhin gut geht.'
 

Die Grußformel am Schluss ignorierte ich, was mich viel mehr interessierte war, dass ich sie auf irgendeine Art verletzt haben musste und mir einfach nicht einfiel, was ich gesagt haben sollte, was sie so dermaßen verärgert hatte.
 

Langsam lichtete sich der Schleier und die Erinnerungen kamen zurück. Stimmt. Sie hatte etwas gesagt, aber ich war viel zu sehr in Gedanken versunken, um ihr zuzuhören.

Es war keine Absicht, aber dieser eine Moment war so wertvoll für mich, dass ich ihn in vollen Zügen auskosten wollte. Ihre Stimme erreichte mich aus weiter Ferne, obwohl sie nur wenige Meter hinter mir stand. Daraufhin wirkte sie geknickt, so als wäre sie deprimiert. Bis heute fand ich den Grund für ihr Verhalten nicht, aber nun wurde mir langsam klar, dass ich der Grund war.
 

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Eine Woche später hatte ich meinen Entschluss gefasst. Isono fuhr mich zum Bahnhof. In der Limousine starrte ich aus dem Fenster, betrachtete, wie die Umgebung an uns vorbei rauschte. Obgleich einiges an Zeit vergangen war, hatte ich noch immer nicht die richtigen Worte gefunden. Was sollte ich ihr sagen? Mir war noch nicht einmal klar, ob sie irgendwelche Erwartungen hatte. Für mich stand fest, dass ich sie nicht einfach so gehen lassen konnte.
 

Zumindest 'Auf Wiedersehen' wollte ich sagen, auch, wenn es nicht ändern würde, was unvermeidlich war. Ihren Traum eine berühmte Tänzerin zu werden, verübelte ich ihr nicht und nichts auf der Welt konnte sie davon abhalten. Nicht einmal ein Seto Kaiba. Das wusste ich. Je näher wir dem Bahnhof kamen, desto schneller schlug mein Herz. Mein Blut zirkulierte rasend schnell in meinem Körper.
 

Aufgeregt stieg ich aus, rückte noch einmal meine blaue Krawatte zurecht, sah mich suchend um. Vor dem Bahnhof war sie nicht. Vielleicht stand sie bereits am Gleis? Isono wartete wie ich es ihm angeordnet hatte, also begab ich mich hinein in die Höhle des Löwen. Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Hände leicht feucht waren. Verlegen rieb ich sie an einem Taschentuch trocken und setzte meinen Weg fort. Leicht angestrengt sprintete ich die Treppe zum Gleis hinauf, sah mich ein weiteres Mal um. Nun war es 17:45 Uhr und ich war mir sicher, dass sie hier irgendwo sein musste. Bereits in unserer gemeinsamen Schulzeit war sie immer früher da. Pünktlichkeit war ihr zweiter Vorname.
 

„Kaiba-kun?“, hörte ich eine angenehm vertraute und sanfte Stimme. Dieser eine Moment, obgleich er nur eine Sekunde anhielt, ließ mich erstarren. Doch innerlich schüttelte ich meinen Kopf. Schnell fand ich zur gewohnten Ruhe zurück, drehte mich zu ihr um und sah in ihre leuchtend blauen Augen.
 

„Ah, du bist ja schon hier.“, entgegnete ich, versuchte meine Verlegenheit zu verbergen.
 

„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du kommst.“ Sie legte den Kopf leicht schief, musterte mich eingehend.
 

„Du hast mir einen Brief geschickt, vergessen?“, zog ich sie vorsichtig auf, wartete auf ihre Reaktion.
 

„Ja, aber ich ging davon aus, dass du ihn nicht lesen würdest.“ Sie verzog keine Miene, als sie das sagte.
 

„Warum hätte ich das tun sollen? Ich öffne meine Post immer.“
 

„Witzbold. Du weißt genau, wie ich das gemeint habe.“
 

Für einen Bruchteil der Sekunde schloss sie die Augen, öffnete sie dann wieder und vermied es mich direkt anzusehen.

Sie hatte die Arme verschränkt, neben ihr stand ein großer brauner Koffer. Ihr schwarzer Mantel umspielte ihre gute Figur. Diese Frau wusste ganz genau wie sie sich zu kleiden hatte, um Männerherzen höher schlagen zu lassen. Wie konnte ich in einem Moment wie diesen, nur so etwas Albernes denken?
 

„Was geschehen ist, tut mir leid.“ Ein Seufzer entfloh meiner Kehle.
 

„Nein, mir tut es leid. Ich habe einfach zu viel von dir erwartet. Ich war jung und naiv.“
 

„Inwiefern?“, bohrte ich nach. Sie ließ einen verächtlichen Laut ertönen, so als würde sie mich hassen.
 

„Tu nicht so unwissend, Kaiba-kun.“Sie zog ihre Augenbrauen runter, senkte den Kopf und ihr Gesicht wurde nun von ihrem Pony verdeckt.
 

„Was willst du denn von mir hören? Ich war ein Idiot. Ich habe dich verletzt ohne es zu wollen.“
 

„Das sagst du jetzt doch nur, um dein Gewissen zu erleichtern. Dir geht es nicht um mich. Es geht dir doch immer nur um dich und dein Wohlergehen! Wie konnte ich nur so dumm sein zu glauben, dass dir unsere Freundschaft etwas bedeutet.“ Sie drehte sich leicht von mir weg.
 

Diese Frau raubte mir den Atem. Für nur einen Augenblick fühlte ich mich machtlos, wusste nicht, wie ich auf ihre Vorwürfe reagieren sollte. Eines jedoch war klar: keines dieser Worte entsprach der Wahrheit. Dachte sie ernsthaft, dass ich so ein Egoist war, der nur an sich selbst dachte? Nein, ich hatte mich selbst immer zurückgestellt. Das einzige was für mich zählte, war, dass mein kleiner Bruder glücklich war und dass meine Firma gut lief. Wenn es mir nur um mich gegangen wäre, hätte ich niemals die Umstände auf mich genommen, bis hierher zu fahren, um diese Angelegenheit zu klären. Wieso begriff diese sture Frau das nicht?!
 

„Oh nein, meine Liebe!“, zischte ich wütend, versuchte mich dennoch zurückzuhalten. Dann fuhr ich fort.
 

„Du hörst mir jetzt mal zu! Du wirfst mir vor, dass ich nur an mich selbst denken würde und dass mir alles andere egal wäre? Was ist denn dann mit dir? Du hast mir doch diesen Brief aus einem bestimmten Grund geschickt. Weil du es nicht ertragen konntest, mich nie wieder zu sehen!“
 

„Das stimmt doch überhaupt nicht!“, erwiderte sie, wollte noch ansetzen, aber ich ließ ihr keine Chance.
 

„Lüg mich nicht an und sag mir die Wahrheit. Oder bist du wirklich so feige? Warum denkst du bin ich extra bis hierhergekommen?“ Kurz verlor sie ihre Balance, neigte den Kopf zu Boden, ehe sie sprach.
 

„Wie es scheint bist du nur hierhergekommen, um mir Vorwürfe zu machen.“ Sie wand sich zum Gehen, doch ich ergriff ihr Handgelenk, weigerte mich, sie einfach so gehen zu lassen.
 

„Verstehst du es denn wirklich nicht? Ich bin wegen dir hier.“
 

„Lass mich los, Kaiba-kun.“, sagte sie förmlich, doch ich gehorchte ihr nicht.

„Als sich damals unsere Wege trennten, wollte ich dich unbedingt wieder sehen.“
 

„Lügner. Du hättest mehr als eine Gelegenheit gehabt.“
 

„Das weiß ich, aber du wolltest mich doch nicht mehr sehen. Du hast mich gemieden.“
 

„Weil du mir keine Antwort gegeben hast!“, keifte sie und riss sich nun endgültig los, wand mir den Rücken zu.
 

„Was meinst du? Ich verstehe dich nicht.“ Sie musste den Abend an unserem Abschluss meinen. Sie hatte etwas gefragt, nur was?
 

„Willst du mir allen Ernstes sagen, dass du das vergessen hast? Jonouchi hatte Recht. Du wirst dich niemals ändern...“
 

Warum nur konnte ich mich an ihre Worte nicht erinnern? Kurz überlegte ich. An diesem Abend war es sehr windig und die laute Musik dröhnte von der Halle nach außen, so dass ich auch so Schwierigkeiten hatte sie richtig zu verstehen. Für mich war sie eine gute Freundin. Nein. Sie war mehr als das. Eine Seelenverwandte. Jemand, der mir zuhörte und über meinen schwarzen Humor lachen konnte. Jemand, der Verständnis für mich hatte und mir zeigte, dass er mich brauchte. Unsere gemeinsame Zeit war kurz, aber sie hatte ausgereicht, um mein Herz von ihr abhängig zu machen. So sehr ich es mir nicht eingestehen wollte, so wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass wir wieder Freunde sein konnten. Dass sie mich nicht vergaß und dass sie mich nicht hasste.
 

„Dann frage mich noch einmal und ich gebe dir eine Antwort.“
 

Der Bahnhof vibrierte als der Zug einfuhr. Sie starrte mich geistesabwesend an. In ihren klaren Azurfarbenden Augen bildeten sich Tränen, die sie versuchte zurückzuhalten. Und doch konnte ich einen Hoffnungsschimmer in ihnen erkennen.
 

„Was bedeute ich dir? Bin ich für dich nur eine Freundin oder mehr?“
 

„Du bist wie Luft...“, setzte ich an. Geschockt trat sie einen Schritt zurück, holte dann mit ihrer Hand aus. Gekonnt fing ich ihre Ohrfeige ab. Sanft aber bestimmt zog ich sie an mich, spürte ihre Wärme und vernahm erneut ihren Duft.
 

„..ich brauche dich zum Leben.“, wisperte ich, spürte, wie sie ihre Hände in meinen Anzug krallte und in Tränen ausbrach.
 

Leise schluchzte sie, zwang sich selbst dazu, sich wieder zu beruhigen. Behutsam drückte ich sie von mir. Enttäuscht hob sie den Kopf, sah mich fragend an. Meine Hand zitterte leicht, als ich sie unter ihr Kinn legte und ihr Gesicht in meine Richtung drückte. Zurückhaltend kam ich ihrem Gesicht immer näher, wartete darauf, dass sie mich von sich stieß. Doch sie ließ es geschehen. Zaghaft legte ich meine Lippen auf ihre. Ihr Mund war weich und sinnlich, verführte mich zu weiteren Taten, die ich mit meinem Verstand verdrängte.
 

„Anzu...“, sagte ich, merkte, dass sie verwirrt war und nicht wusste, was sie tun sollte.
 

„Du musst dich beeilen. Dein Zug fährt sonst ohne dich. Du musst deinen Traum erfüllen. Werde eine berühmte Tänzerin.“

„Aber...“ Mit sanfter Gewalt drückte ich sie von mir. Ich wusste, dass sie sich nicht mehr zwischen mir und ihrem Traum entscheiden konnte, dass sie hin und her gerissen war.
 

„Wir sehen uns wieder.“, erklärte ich ihr, übergab ihr einen Brief und schob sie in Richtung Zug.
 

„Kaiba-kun! Warte doch! Ich möchte bei dir bleiben.“, sagte sie, wirkte verschüchtert, aber ich schüttelte den Kopf.
 

„Nein, du hast dein ganzes Leben hierfür gearbeitet. Gib das nicht einfach auf.“
 

Tief in meinem Inneren wollte ich sie nicht gehen lassen, wollte sie noch einmal in meine Arme nehmen, aber auch wusste ich, wie wichtig diese Sache für sie war. Wie käme ich dazu, sie dazu zu bringen, ihren Traum aufzugeben und bei mir zu bleiben? Irgendwann würde sie es bereuen. Das wollte ich nicht. Sie sollte glücklich und unabhängig werden. Ein neues Leben erwartete sie und ich wollte, dass sie diese Chance ergriff und berühmt wurde.
 

Ich war mir sicher, dass wir uns wieder sehen würden. Mit einem Lächeln verabschiedete ich sie. Die Türen schlossen und wehmütig sah sie mir hinterher, presste den Umschlag, den ich ihr gegeben hatte, fest an ihre Brust, so als fürchtete sie, ihn zu verlieren.
 

Sie würde verstehen, sobald sie den Brief las. Der Lärm, als der Zug losfuhr, störte mich nicht. Gelassen trat in den Rückweg an, wissend, dass dies nicht die letzte Begegnung war.
 

Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  SenseiSasuNaru
2017-05-07T14:43:18+00:00 07.05.2017 16:43
Hallo ich lasse auch ein komi da. Also toll geschrieben auch die Charaktere sind toll rüber gebracht. Gefällt mir richtig gut dein Schreibstil. Lg
Von:  Yuugi_chan
2014-02-26T22:56:30+00:00 26.02.2014 23:56
Hallöchen.
Also ich persönlich finde, dass du die Seelenwelt Kaibas richtig gut und auch nachvollziehbar dargestellt hast. In dem Kapitel ähnelt er ein bisschen seinem antiken Ich Seth, der genauso sanft zu Kisara, aber auch gleichzeitig richtig bestürzt war, als sie gestorben ist.

Ganz davon abgesehen, dass Azureshipping wirklich was Feines ist :).
Was mir auch sehr gut gefällt ist deine Sprache. Du formulierst sehr klar und verständlich. Das macht es wiederum Spaß deine Fanfic zu lesen, weil man versteht was du ausdrücken willst.

Lg Yuugi_chan
Von:  jyorie
2014-01-20T05:23:28+00:00 20.01.2014 06:23
Hi ツ

Tut mir leid. Ich mag tea nicht so sehr.
Und könnte mich beim lesen daher auch
Nicht ganz damit anfreunden wie seto
Sie beschrieben und fast schon glorifiziert
Hat. Seto Klang recht weich in dem Kapitel.

Was mir gefallen hat, war mokuba, als
Kleiner Helfer im Hintergrund und der
Jenige, der den Überblick über Gefühle
Und Situationen hat. Das ist eine süße
Rolle für ihn.

CuCu, Jyorie



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