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Flucht

Disclaimer : Alle verwendeten Charaktere aus Yu-Gi-Oh! Gehören NICHT mir und ich verdiene mit dieser Geschichte auch kein Geld (wäre ja zu schön).

Kapitel: : 1 /

Genre : Romantik, Drama, Humor

Couple : Vaseshipping (Mana + Atemu)

Inspiration : Radioactive by Imagine Dragons

Viel Spaß beim Lesen!

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Zwei kleine Füße in weißen Sandalen trippelten unbeholfen über den steinernen Boden der Trockensteppe Afrikas. Sie huschten durch Dornenbüsche, erklommen Stock und Stein. Nervosität und Angst lag in der Luft, die sich mit Körnern und Dreckpartikel füllte. Diese schwirrten dem Jungen mit den exotischen Haaren ins Gesicht und erschwerten ihm die Sicht. Hustend kam er zum Stehen. Wenn er nicht bald ein Versteck fand, würde er den Menschenhändlern gnadenlos in die Hände fallen. Davor hatte das Kinderherz riesige Angst. Es schlug kräftig gegen das knochige Gehäuse aus Rippen und Brustbein. So sehr, dass es schmerzte das lebende Organ in sich zu spüren. Das Blut rauschte ihm in den Ohren.

„Mist, wenn ich mich nicht beeile, kriegen die mich noch!“. Ängstlich blickte er sich über die Schulter und suchte seine Umgebung nach einem blauen, alten VW- Bus ab. Zusätzlich spitzte er die Ohren. „Puh. Keiner da!“, erleichtert atmete er aus, als er nichts weiter als das Zirpen der Grillen und das Glucksen eines Gnus wahrnahm, das in der Ferne unter einem Baum stand und sich vor der Sonne schützte. Hoffnung keimte in ihm auf: „Vielleicht haben die sich ja verirrt oder lassen mich laufen?“ Das wäre natürlich Ideal für den kleinen Jungen gewesen, denn ohne Verfolger ließ sich die Flucht wesentlich leichter und angenehmer gestalten. Doch die Flucht war zu allem Übel nicht sein einziges Problem. In all der Eile hatte er es versäumt neben seiner Kette, in dessen Anhänger der Namen seiner Mutter eingraviert war, eine Flasche Wasser und ein Leib Brot mitzunehmen. Ohne Proviant würde er es nicht lange in der Savanne Afrikas aushalten, wenn er zuvor keinem Rudel hungriger Löwen über den Weg lief.

Allein der Gedanke an diese Raubkatze mit den riesigen Pranken und den langen, scharfen Zähnen, die mühelos das Genick ihres Opfers brechen konnten, wenn sie sich spielend leicht in das Fleisch bohrten, ließ ihn zittern. Zittern. Wie gerne wäre er jetzt am Nordpol. Dort gab es Unmengen an Eis und erst die riesigen Gletscher, die aus dem Polarmeer ragten.
 

Die Hitze Afrikas erschlug ihn. In all seiner Verzweiflung hoffte er darauf eventuell an einem Affenbrotbaum vorbeizukommen. Sie waren einmalige Wasserspeicher. Damals, als seine Großmutter noch lebte, hatte sie ihm gezeigt wie man mit wenigen Utensilien das blaue Gold aus den Adern des Baumes mit dem dicken, wuchtigen Stamm und den verworrenen Ästen abzapfte. Wasser. Just in diesem Moment verfluchte er sich doppelt und dreifach, weil er nicht daran gedacht hatte sich eine Flasche Wasser mitzunehmen. Wasser war lebensnotwendig. Die Verbindung aus Sauerstoff und Wasserstoff diente zum einen als Baustein der Photosynthese, war auf der anderen Seite aber auch Energieträger, der es der modernen Gesellschaft ermöglichte ihren hochmodernisierten Standard zu erreichen. Einen Standard, den er nie haben würde.

Als Sohn eines Mitarbeiters der Firma „Poseidon’s Illusion“ konnte er nicht mehr vom Leben als eine kleine Schüssel Reis und einen halben Liter des dort angepriesenen Table Waters „Pure Life“ am Tag erwarten, während sich die Menschen der Industrienationen mit Unmengen an Fastfood den Wanzt vollstopften. Mit Ekel hatte er einen dieser berüchtigten Fresswettbewerbe im Fernsehgerät mitverfolgt, als er im Mitarbeiterraum auf seinen Vater wartete, der an jenem Tag zu Überstunden verdonnert wurde, weil er zu spät kam. Daraufhin hatte seine Mutter entschieden den kleinen Jungen mitsamt einem kleinen Paket frischer Kleidung und Essen zu der Arbeitsstelle ihres Mannes zu schicken.
 

„Atemu mein Schatz. Würdest du mir einen Gefallen tun?“

Ein leises Klimpern war zu hören als die Gestalt einer schönen Frau mit ihren bemalten Händen den Türvorhang beiseite schob und sich einen Weg durch das Gewirr von violetten Pailletten bahnte. Ihre braunen Augen glitten durch den kleinen Raum auf der Suche nach ihrem Sprössling. Dieser hatte es sich im Schneidersitz auf einem der vielen Teppiche gemütlich gemacht und brütete über eines seiner neuen Errungenschaften, welche die Frau nicht zu Gesicht bekam, weil ihr Sohnemann ihr den Rücken zugewandt hatte.

Voller Stolz betrachtete er den bunten Würfel in seinen zur Schale geformten Händen und behandelte diesen als ob er ein Geschenk Gottes wäre. Was konnte man damit wohl anstellen? Flink wanderten die filigranen Fingerchen über die Oberfläche der Geometrischen Form und sogen jedes kleine Detail in sich auf. Optisch machte es einiges her, aber der Geruch war furchtbar. Er erinnerte an altes, verbranntes Gummi. Seine Nase kräuselte sich bei der strengen Duftnote.

Atemu klopfte auf den Würfel und stellte fest, dass jener in seinem Inneren nicht hohl war, sondern ein verdächtiges Klacken von sich gab, als sich ein Teil nach vorne bewegt hatte.

„Erstaunlich“, murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart hinein und hob den Würfel gegen das weiße Licht der Mittagssonne, als ob sie das Geheimnis lüften könnte. Wie ließ sich dieses Spiel bedienen? Das Rätsel wuchs mit jeder weiteren Sekunde in denen Atemu nicht die Lösung fand und nährte dessen Fragen.

„Wie spannend“, er klemmte seine Zunge zwischen die Lippen.

In seinem Kopf fing es an wie wild zu rattern. Die kleinen Zahnräder setzten sich klappernd in Bewegung. Was bedeuteten die neun bunten Felder auf der Oberfläche? War ihre wirre Anordnung Absicht? Moment. Wirre Ordnung! Das war des Rätsels Lösung gewesen. Beinah ungeduldig drehte er eine Reihe des Würfels und probierte solange bis er endlich eine Farbreihe komplettiert hatte.

„Hey!“, ein kleiner Freundesfunken zischte durch Atemus Leib, als er endlich verstand worum es bei dem Würfel ging. Seine Gesichtszüge, die zuvor angespannt Falten schlugen und den Jungen um einigei Jahre älter aussehen ließen, erhellten sich und strahlten mit der Sonne Afrikas um die Wette. Wenn er von Adaras Präsenz Kenntnis genommen hatte, hatte er den Gedanken daran längst in die hinterste Ecke seiner Wahrnehmung verfrachtet. Diese Frau. Sie war eine tolle Mutter gewesen, aber auch sie besaß ihre Macken. Furchtbar. Sah sie nicht wie tief er in seiner Arbeit versunken war? Jetzt kannten sie sich seit über 9 Jahren und trotzdem wagte sie es ihn bei seiner Lieblingsbeschäftigung – dem Spielen - zu stören.

Hatte Atemu einmal Gefallen an einem Spiel gefunden, schottete er seine Gedankenwelt von der Realität ab.

„Mh“, gab der Junge halbherzig von sich. Ein entnervtes Seufzen verließ den verhüllten Mund der Frau. Verärgert zog sie beide Augenbrauen zusammen und zählte innerlich bis drei.

„Bloß nicht aufregen! Du darfst dich nicht deinen Launen hingeben“

Adara, so war ihr Vorname gewesen, konnte lange auf eine inhaltsschwangere Antwort warten, wenn ihr kleiner Mann in einem Spiel vertieft war. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, bevor sie mit strenger Stimme sprach:

„Atemu Bahak. Du drehst dich jetzt gefälligst zu mir um und lieferst mir eine anständige Antwort!“

„Gleich“, wenn sie eines nicht leiden konnte, dann waren es Männer mit der Angewohnheit nicht zuzuhören. Von wem Atemu das wohl geerbt hatte…

„Nicht gleich, jetzt!“.

„Och Menno!“, er wollte jetzt nicht mit seiner Mutter darüber reden was er tun sollte. Konnte der Auftrag denn nicht warten? Sie sah wie tüchtig er war und jetzt wurde er auch noch dafür bestraft! Schmollend schob er seine Unterlippe nach vorne und sah sich über die Schulter. Ihre Blicke kreuzten sich.

„Nichts och Menno! Dein Vater hat mich gerade angerufen und muss Überstunden machen. Wärst du also so freundlich und bringst ihm ein paar Sachen vorbei?“.

„Kann das nicht warten?“

„Ich kann kaum abwarten dir deinen Würfel aus der Hand zu nehmen!“

Damit war das letzte Wort gesprochen und Adara hatte gewonnen.

„Ich will aber nicht!“, beschwerte sich der Junge mit den auffallenden Haaren und tat den Teufel sich zu erheben. Wenn der junge Herr etwas nicht wollte, dann wollte er es ums Verrecken nicht tun!

„Ich will spielen!“

Nach anfänglichen Schwierigkeiten und Gemeckere, rappelte sich Atemu schlussendlich doch dazu auf den Gefallen für seine Mutter zu tun. Jene lehnte an dem Türrahmen und verfolgte ihn gespannt mit ihren wachsamen Blicken auf die eine schnelle Antwort folgte.

„Hör auf zu schmollen! Du reißt dir kein Bein aus, wenn du mir mal zur Hand gehst“, kommentierte sie Atemus schlechte Laune mit einem sanften Lächeln, das durch den dunkelblauen Schleier ihres Kopftuches verdeckt blieb.

„Und wenn ich das tue?“, er hatte sich direkt vor sie gestellt und verschränkte langsam die Arme vor seiner Brust, als ob er es nicht eilig hatte zu seinem Vater zu kommen. Adara kannte diese Taktik. Ihr Sohn versuchte mit allen Mitteln ein wenig Zeit zu schinden, nur um sie dann von seiner Unfähigkeit zu überzeugen.

„Ich will hier weg“, dachte er still für sich und sah seiner Mutter fest in die Augen. Am liebsten würde er jetzt das Weite suchen und sich mit seinem Spiel beschäftigen. Warte. Irgendwo draußen im Garten gab es doch dieses alte Autowrack. Dort könnte er sich verstecken und weiter-

„Atemu Bahak! Ich weiß ganz genau was in deinem Köpfchen vorgeht“ Eingeschnappt drehte er den Kopf weg und würdigte sie keines Blickes, doch davon ließ sich Adara nicht beirren. Wenn sie sich mit einem bestimmten Menschenschlag auskannte, dann war es der der extrem sturen Sturköpfe und diese packte sie mit Leichtigkeit an den Hörnern.

„Ach, wenn du das wüsstest, würdest du mich nicht wegschicken“, Anklage war in den Kinderaugen zu lesen.

„Schatz, deine Ausreden werden immer langweiliger. Hast du auch ein paar andere auf Lager?“, schmunzelte sie belustigt über das Bild was sich ihr bot. Draußen flogen zwei bunte Vögel an ihrem Fenster vorbei und setzten sich neugierig auf das Fensterbrett in der Hoffnung ein Stück Brot abzubekommen. Ein Vögelchen strich mit dem Schnabel liebevoll über den Kopf seines Partners.

Schmusten die Tierchen etwa?

„Oh“, stieß die Frau entzückt aus. Das schöne Gefühl der Glückseligkeit überkam die Frau in anderen Umständen und sie verspürte den Drang ihrem Sohn die gleiche Herzenswärme zu schenken wie diese Vögel es untereinander taten. Von diesem Blick gerührt, griff die Mutter nach den schmalen Schultern ihres Sprösslings und dirigierte ihn zu sich. Sie wollte ihm mit dieser Geste zeigen, dass sie ihm ungerne diese Aufgabe zuteilte, aber in ihrem momentanen Zustand war es nicht besonders ratsam quer durch das Dorf zu marschieren. Am Ende lief sie Gefahr von Kriminellen aufgelauert zu werden.

Sie spitzte neugierig die Ohren, als die Vögelchen anfingen zu zwitschern.

„Du weißt, dass ich dich ungerne unglücklich mache“, die Leichtigkeit war der Trauer gewichen. Behutsam zog sie den Jungen an ihren geschwollenen Leib und platzierte dessen Kopf auf ihre wachsende Kugel. Mit einem Mal verstummte ihr Sohn und schloss die Augen. Bevor sie etwas sagen konnte, beschwor er leise lachend das Ungeborene.

„Hey kleiner Bruder. Weißt du. Mama ist ziemlich lieb, aber leg dich bloß nicht mit ihr an, sonst nimmt sie dir dein Spielzeug weg!“.

„Atemu“, rief die Frau empört aus und errötete vor Scharm, als ob sie Angst hätte das Kind in ihrem Leib verstünde tatsächlich welchen Schwachsinn sein großer Bruder von sich gab. Das konnte doch wohl nicht wahr sein oder? Da erzählte ihr eigener Sohn seinem kleinen Bruder, der bislang nicht der Welt war, diesen Blödsinn. Lange ließ sie das nicht auf sich sitzen und begann ihren Sohn zu kitzeln.

„Mama!“, erschrocken quickte er auf als er die spitzen Finger an seinen empfindlichen Seiten spürte. Wenige Sekunden später brach er in schallendes Gelächter auf.

„Hör auf!“, flehte er um Vergebung, aber Adara dachte nicht daran. Er sollte für seine Dreistigkeiten büßen!

„Nein ich denk nicht daran!“, als ob sie sich das Vergnügen nehmen ließ ihn lachen zu hören. Für sie als Mutter gab es kein schöneres Geräusch als das Glucksen ihres Kindes.

„Ich tue alles was du willst!“

„Hey mein kleines. Ich hoffe ja inständig, dass du ein Mädchen bist, denn unser Haushalt braucht dringend Frauenpower und ich gebe dir einen Tipp. Störe deinen Bruder niemals beim Spielen, sonst wirst du deines Lebens nicht froh.“

Mit diesem Satz erlöste die junge Frau ihren Sohn von seinen Qualen und drückte ihm das Bündel in die Hand, bevor er aus dem Haus flitzte.

„Tschüss Atemu wir sehen uns heute Abend!“

„Danke Mama!“.

Und fort war ihr kleines Vögelchen…
 

Die Erinnerungen an diesen Tag hielten ihn wach und stellten sicher, dass er bei vollem Bewusstsein blieb, denn in seiner Misere war alles andere als ratsam den Verstand zu verlieren, obwohl Atemu kurz davor war sich der Ohnmacht hinzugeben. Das Gefühl war zu verlockend, als das er weiterrennen wollte. Sein rasendes Kinderherz hielt ihn davon ab. Es hatte Angst. Schreckliche Angst, aber er schöpfte aus ihr seine Kraft und lief weiter ohne Pause zu machen. Mit der Zeit gaben seine Knie ein verächtliches Knacken von sich, . Er rannte so schnell wie nie in seinem Leben zuvor, denn er wusste, dass er sich diese einmalige Chance nicht durch die Lappen gehen lassen konnte. Die brennenden Schmerzen in seinem rechten Knie ignorierend, erhöhte er sein Lauftempo. Rasselnd zog er die Luft in seinen kleinen Körper.

Wann hatte er endlich die größere Stadt erreicht? Laut seiner Karte war die nämlich nur die Spannweite zwischen seinem Daumen und Zeigefinger von seinem ursprünglichen Ort entfernt gewesen. Oh Mann. Wenn Atemu eines nicht konnte, dann war es Entfernungen abschätzen.

„Ob ich das richtige tue?“, zu der Angst gesellte sich jetzt auch noch Zweifel. Beging er mit seiner Flucht nicht einen riesigen Fehler? Seine Gedanken drehten sich im Kreis und er rechnete sich seine Chancen auf einen Erfolg aus. Das Ergebnis lautete wie folgt: Er hatte keinen Proviant dabei, der ihn vor dem Verdursten und Verhungern bewahrte, die Kinderhändler waren mit ihren Fahrzeugen hinterher und seine Muskeln schmerzten

„Mama…“, sein Blick glitt hinab zum Anhänger. Wie gerne wäre er jetzt bei ihnen? Seine fürsorgliche Mutter und sein ehrenvoller Vater. Sie hätten bestimmt dafür gesorgt, dass es ihm besser ging.

„Mama was würdest du an meiner Stelle tun?“, er blickte hinauf in den Himmel, als ob er ihm die Antwort auf seine Fragen geben könnte. Binnen weniger Minuten verdunkelte sich das Himmelszelt. Regenwolken schoben sich vor den brennenden Ball und bereiteten die Erde auf ein atemberaubendes Naturspektakel vor. Donner grollte über den Firmament, gefolgt von weißen Blitzen, die den Himmel viele kleine Teile zerrissen.

Er musste schnell einen Unterschlupf finden, um nicht vom Blitz erfasst zu werden. Okay. Das war jetzt das vierte Problem.

„Mama..“, erneut rief er nach seiner Mutter in der Hoffnung sie sprang aus dem nächsten Busch und empfing ihn mit offenen Armen, aber dem war nicht so. Er war alleine, hoffnungslos.

Der Donner hinter ihm erinnerte ihn an sein eigentliches Vorhaben – nämlich so schnell wie möglich das Weite suchen, bevor ihn die Kinderhändler fingen.

Nach einiger Zeit – er hatte längst seine Orientierung verloren – erblickte er in der Ferne die Gestalt eines Baumes. Was war das für eine Sorte? Er konnte schlecht sehen, weil der Staub in seinen Augen ihm die Sicht erschwerte. So schnell wie es seine zittrigen Beine ihm erlaubten, sprintete er zu dem gigantischen Gewächs, dessen Äste wirr und systemlos in das schwarze Himmelszelt ragten. Zwei Schritte vor dem Baum kam er schlitternd zum Stehen. Andächtig ließ er das Wunder der Natur auf sich wirken und vergaß für wenige Minuten seine Sorgen. Der Baum war atemberaubend. Selbst zehn von Atemus Größe wären zu wenig, um den Stamm komplett zu umfassen.

Er legte den Kopf in den Nacken, um die Größe des Baumes mit seinen eigenen Augen erfassen zu können, doch das stellte sich als schwierig heraus. Deshalb entschloss er sich zwei Schritte zurückzugehen. Wow. Er hatte es tatsächlich geschafft einem Affenbrotbaum zu begegnen. Sein Blick glitt über das riesige Gewächs und saugte jedes kleinste Detail in sich auf, als ob es das letzte wäre was er tat. Der Affenbrotbaum war erschlagend, doch hatte er andere Sorgen.

Erschöpft lehnte er sich an das robuste Material und schmiegte seine Wange an die glatte Oberfläche der Rinde. Er gab ein erbärmliches Bild ab. Seine Haare, durchnässt von Regen und Schweiß, klebten ihn im Gesicht, während seine Kleidung vor Dreck und Schlamm triefte. Ihm war furchtbar heiß. Wenn er nicht bald einen Schluck Wasser zu sich nahm, würde er erbarmungslos verdursten.

„Wasser“, seine Gedanken kreisten um diesen einen Begriff. Reflexartig, um der unangenehmen Trockenheit in seinem Mund zu umgehen, speichelte er und befeuchtete seine aufgeplatzten Lippen. Das einst rosige und weiche Fleisch war eingefallen und gab in seinem jetzigen Zustand ein gutes Schmirgelpapier ab.

Gott. „Was habe ich getan, dass du mich mit Gefangenschaft strafst?“ Ja Gott. Wo war der überhaupt? In seinen Gedanken verfluchte er diese höhere Macht mit dem Titel Gott und spie unzählige Beleidigungen aus, denn sein Kinderherz verstand nicht warum es ihn so hart treffen musste. Zu erst gab er sich selbst die Schuld, denn nur Verbrecher wurden mit Flucht und Gefangenschaft bestraft und so schlussfolgerte er, dass er in der Vergangenheit etwas Böses angestellt haben musste, aber was? Lag es etwa am Würfel?

„Ich habe den Würfel doch nur mitgenommen, weil ich neugierig war und mir die Farben so gut gefallen haben!“, rechtfertigte der Junge seine Tat und war sich dabei absolut keiner Schuld bewusst gewesen. Wieso auch? Die Menschen in den Industrienationen kauften sich von ihrem Gehalt unzählige dieser Spielzeuge und warfen sie weg, sobald sie obsolet waren.

„Ich wollte doch nur spielen und du bestrafst mich dafür. Bin ich so ein schlimmes Kind? Ich hab doch meiner Mutter bei ihren Hausarbeiten geholfen.“, murmelte er kraftlos gegen das dunkle Holz und schlug mit voller Wucht auf dieses ein, als eine Welle des Zornes ihn überkam. „Warum bestrafst du mich? Ich bin kein böses Kind!“ Krachend traf die Kinderfaust auf und ein brennender Schmerz breitete sich in seinem Arm aus. „Autsch“ Er wollte und konnte nicht mehr länger stehen.

„Soll ich ihnen nicht einfach in die Arme laufen? Ich kann doch sowieso nicht mehr nach Hause…“, über seine eigenen Gedanken erschrocken, riss er die Augen auf und presste die Hand auf seinen Mund, da ihm klar wurde was es bedeutete sich willenlos den Sklavenhändlern der Elfenbeinküste auszuliefern. Doch das war nicht das Schlimmste. Erst hier in dieser Einöde an einem Affenbaum gelehnt realisierte er, dass er seine Eltern nie wieder sehen würde. Plötzlich gaben seine Knie zitternd nach, weil sie keine Kraft mehr hatten sein Gewicht eine Minute länger zu tragen. „Nein, das kann nicht wahr sein…!“

Obwohl er eigentlich keine Zeit dazu hatte sich seiner Trauer hinzugeben, weinte er sich an diesem Baum aus. Die Tränen rannen unaufhörlich über seine runden Wangen und tropften auf den verdorrten Boden.

Er hatte das Gefühl sich nie wieder von dem Schock erholen zu können und das machte ihm Angst.

„Mama…“, seine Hand umschloss fest den Anhänger und erneut fragte er sich was sie in dieser Situation tun würde: „Du hättest bestimmt einen Rat für mich.“
 

Nach einer Weile hatte sich das Kind von seiner Trauer erholt und richtete sich langsam auf.

„Ich kann nicht ewig hier rumlungern. Ich muss weiter!“

„Das ist es.“ Er durfte nicht länger seine Zeit damit verbringen über seine Situation den Kopf zu zerbrechen, sondern musste endlich handeln, um den Menschenhändlern ein Schnippchen zu schlagen. So schnell bekamen sie ihn nicht!

Mit neuem Mut im Herzen setzte Atemu seine Reise fort, ignorierte wieder den Schmerz in seinem Knie.

„Wie furchtbar…“, flüsterte er. Seine Augen weiteten sich, als sie sahen was Gott nicht für möglich hielt. Vor ihm lag die Steppe Afrikas und zeigte was der Mensch im laufe der Jahre angerichtet hatte. Es war ein Bild des Schreckens. Neben einem Elefantenkadaver lagen viele, zerstochene Autoreifen in der Gegend. Unter einem Baum tummelte sich ein Berg von Plastikflaschen. Ein kleiner Vogel hockte auf dem Rand eines Autoreifens und fütterte seine Jungen mit einem Wurm.

Der widerliche Geruch von Verwesung und Tod stieg ihm in die Nase.

„Was ist hier passiert?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yanara126
2014-12-24T20:48:34+00:00 24.12.2014 21:48
Wann gehts weiter? O.O
Von:  Atina
2014-03-22T12:05:35+00:00 22.03.2014 13:05
Ein sehr spannendes Kapitel - es macht Lust auf mehr. ^^
Besonders die ersten Seiten gefallen mir gut, weil du hier die Landschaft so ausführlich beschreibst und der Satz mit dem Wasser (eine Verbindung aus Sauerstoff und Wasserstoff) - bin Geo- und Chemielehrer. :-D

Insgesamt schreibst du sehr anschaulich, mach weiter so!


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