Zum Inhalt der Seite

Beyond the waves

Gaara X Deidara
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wiedersehen

Vor ihm erstreckte sich das Meer. Das Glitzern erinnerte ihn an hellblaue Diamanten, in denen sich das Licht der Sonne brach. Sanfte Wellen rollten den Sandstrand hinauf. Warm schmiegten sich die feinen Körner an seine nackten Füße. Tief sog er die salzige Luft ein. In einiger Entfernung konnte er die kleine Inselgruppe ausmachen, die völlig unbewohnt war.

Gaara liebte Okinawa. Jedes Jahr machte seine Familie in den Sommerferien Urlaub in ihrem Strandhaus auf der Insel Aka. Vater hatte es zusammen mit Mutter gekauft, bevor er geboren worden war. Doch bei seiner Geburt war sie gestorben. Temari und Kankurô, seine älteren Geschwister, hatten ihm mal erklärt, dass dieses Strandhaus wohl ein Traum ihrer Mutter gewesen war, weswegen Vater jedes Jahr mit ihnen hierher kam. Besonders gut verstand Gaara sich nicht mit ihrem Vater, doch er liebte den warmen Sand und das klare Meer. Man konnte bis auf den Grund sehen und musste nicht tief tauchen, um wunderschöne Korallenriffe bestaunen zu können. Außerdem blieben sie völlig ungestört, da sie abseits der Urlaubsgebiete waren und diese Bucht zu ihrem Privateigentum gehörte. Ein Grund mehr, warum der Rotschopf sich gern hier aufhielt. Er fühlte sich ungezwungen. Die Tiere störten sich nicht an seinen unheimlichen Augen. Und er auch nicht.

Gaaras Blick verweilte auf den teilweise bewachsenen Felsen in der Ferne, die aus dem Wasser ragten. Rund 600 Meter Luftlinie lag zwischen ihm und der winzigen Inselgruppe. Von hier aus sah man den weißen Strand dort gar nicht. Aber der Rotschopf kannte die Inseln gut. Ob er wohl auf ihn wartete? Hatte er ihn überhaupt verstanden, als er ihm versucht hatte zu erklären, dass er erst in einem Jahr wiederkommen würde? Gaara hoffte es. Denn dieses faszinierende Wesen würde er gern wieder sehen. Das ganze Jahr über hatte er sich darauf gefreut.
 

Der Strudel. Das war das Letzte, woran er sich erinnern konnte. Vater hatte sie immer wieder gewarnt, nicht zu weit raus zu schwimmen. An einer Stelle links neben den aus dem Meer ragenden Felsen brodelte ein Strudel unter der Wasseroberfläche. Nur aus dem Flugzeug konnte man diesen Strudel sehen. Mit einem Boot oder schwimmend gab es kein Entkommen. Gaara war zu weit geschwommen, hatte über die Schönheit der Welt, die im Wasser verborgen lag, vergessen, dass sie auch große Gefahr in sich barg. Der Sog erfasste ihn und riss ihn mit sich. Jeglicher Versuch, sich gegen das Wasser zu stemmen, war sinnlos gewesen. Nirgendwo gab es einen Halt, den er hätte nutzen können. Das Wasser wich ihm aus, hielt ihn zugleich aber erbarmungslos umklammert. Wie der Wind ein Blatt umherwirbelte, zerrte der Strudel ihn immer tiefer hinab. Gaara hatte Wasser geatmet und die Welt war dunkel geworden. An mehr konnte er sich nicht erinnern.

In diesem Moment krampfte sich seine Lunge schmerzhaft zusammen. Ruckartig bäumte sein Körper sich auf. Gaara rollte sich auf die Seite und hustete Wasser. Der salzige Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus. Zitternd sackten seine Arme unter seinem Gewicht zusammen, als sein Körper sich langsam beruhigte und wohl das meiste Wasser aus seiner Lunge raus war. Keuchend blieb er liegen. In seiner Brust schmerzte es. Aber er konnte wieder Luft atmen. Apropos, wie war er an Land gekommen? Er lag auf warmem Sand und Sonnenstrahlen streichelten seine noch feuchte Haut. Lange lag er also noch nicht hier. Erschöpft hob er seine Lider und setzte sich mühsam auf. Noch immer fühlte er sich schwach, aber es ging langsam wieder. Das Zittern verebbte allmählich. Sein Blick streifte über den Strand. Das war nicht der Strand von Aka.

Gaaras Augen weiteten sich, als er etwas erblickte. Ein geschuppter Fischschwanz reckte sich zum Wasser. Die Flosse verschwand halb in den Brandungswellen, sodass er nur erahnen konnte, wie groß sie war. Nass glänzte der Fischleib in der Sonne. Die Schuppen ähnelten der Farbe des Wassers. Vom Unterleib bis zur Flosse wandelte sich das Azurblau in einem flüssigen Farbverlauf zu einem kräftigen Indigo. Langes, goldblondes Haar ergoss sich über helle Schultern und schien mit dem Sand zu verschmelzen. Zwischen den nassen Strähnen lugten scheinbar aufgefächerte Flossen hervor anstelle von Ohren. Ein azurblaues Auge bohrte sich musternd in Gaara. Das andere wurde von dem Haar verdeckt, welches Gaara an flüssiges Gold erinnerte.

Der Rotschopf blinzelte. Der Schreck und die Schmerzen seines Beinahe Todes waren vergessen. Alle Gedanken kreisten um dieses fremde Wesen. War es echt? Fest schloss er die Augen und öffnete sie wieder. Unverändert sah ihn diese Kreatur an. Das, was wohl seine Ohren waren, zuckte kurz. Gaaras Blick huschte ein weiteres Mal über diesen faszinierenden Körper. Nun entdeckte er an den Unterarmen kleinere Flossen, die vom Ellenbogen bis zum Handgelenk ausliefen. An der Hüfte konnte er ebenfalls eine Flosse ausmachen. Da dieses Wesen halb auf dem Bauch lag und sich mit den Armen abstützte, war die andere Seite nicht zu sehen, aber vermutlich gab es auch auf der anderen Seite der Hüfte eine solche Flosse. Eine letzte Flosse zog sich die Wirbelsäule dieses Wesens hinab. Um die Hüfte schlang sich ein Gürtel, wo die Haut in Schuppen überging.

Ein Meermensch? Seitlich am Hals konnte er Kiemen ausmachen, die hier an der Luft eng anlagen. Atmete dieses Wesen jetzt durch die Nase wie ein Mensch oder konnte es für eine gewisse Zeit Wasser in den Kiemen speichern?

Ob er halluzinierte? Solche Wesen gab es doch nur in Geschichten und Mythen. Ningyo wurden sie genannt. Auf Okinawa waren solche Geschichten bis heute bekannt. Doch Ningyo wurden als eher hässlich beschrieben. Sie gehörten in Alpträume. Aber dieses Geschöpf hier war ganz und gar nicht hässlich. Scharfe, lange Klauen besaß es auch nicht bei einem genauen Blick auf die Hände. Lediglich Schwimmhäute spannten sich zwischen den Fingern. Nur wenige Meter trennten ihn von diesem Wesen. War es ein Mann oder eine Frau? Sein Oberkörper war nackt, die Brust flach. Konnte er davon ausgehen, dass er einen Mann vor sich hatte? Trotz des langen Haares waren die Gesichtszüge markant. Gaara war sich aber unsicher, ob er die Unterscheidungsmerkmale der Menschen auf eine solche Kreatur anwenden konnte.

„Hast… du mich …gerettet?“, fragte er schließlich vorsichtig. Seine Stimme klang etwas rau und brüchig. Sicherlich Überbleibsel von seinem unfreiwilligen Tauchgang im Strudel. Er musste verrückt geworden sein, mit einem Fantasiegeschöpf sprechen zu wollen, welches vermutlich nicht einmal existierte.

Der Ningyo, Gaara beschloss vorerst, dass es wohl ein junger Mann war, legte den Kopf leicht schief. Der durchdringende Blick veränderte sich. Verwirrung sprang ihm beinahe entgegen. Die Lippen des Wesens öffneten sich. Worte wurden von seinen Ohren aufgenommen, die er nicht verstand. Diese Sprache hatte Gaara noch nie gehört. Sie klang seltsam und vielleicht auch minimal schrill. Aber nun war er sich recht sicher, dass er keine Frau vor sich hatte. Die Stimme dieses Geschöpfs war viel zu tief. Leise seufzte er. „Ich verstehe… dich nicht“, erklärte er, auch wenn es vermutlich nichts brachte, das extra zu erwähnen. Also zuckte er ratlos mit den Schultern, um seine Worte zu unterstreichen.

Erneut zuckten diese fächerartigen Ohren, die kleinen Flossen so ähnlich sahen. Dann stemmte der Ningyo sich weiter hoch und zeigte mit der linken Hand aufs Wasser. Gaara folgte mit dem Blick der Richtung. Langsam orientierte er sich und ihm wurde bewusst, wo genau er war. Die Insel in einiger Entfernung musste Aka sein. Vor ihm lag die Bucht, in der das Strandhaus stand. Er war auf der kleinen Inselgruppe gelandet. Dorthin, wo der Blonde hindeutete, musste der Strudel sein.

Der Meermann ließ sich wieder mehr auf den Sand sinken und zeichnete mit dem linken Zeigefinger etwas in den Sand. Nach und nach erkannte Gaara einen Strudel. Ein Strichmensch kam dazu und eine weitere vereinfachte Figur, die wohl den Ningyo selbst darstellen sollte, wie er ihn hochzog. Der Kopf des Fremden ruckte wieder hoch. Ein Schauer erfasste ihn bei diesem durchdringenden Blick. Gaara erlebte zum ersten Mal, dass ihm jemand so intensiv in die Augen sah. Niemand ertrug lange seinen Blick. Die unnatürlich hellen Pupillen, die er seit seiner Geburt hatte, erweckten den Eindruck, er hätte keine. Die Ärzte hatten ihn untersucht und schließlich ratlos gemeint, es sei ein Gendefekt. Aber man erkannte seine Pupillen, wenn man genau hinsah. Sie hoben sich ein wenig dunkler von dem Jadegrün seiner Iris ab.

Dieses Wesen hatte ihn also wirklich gerettet. Unweigerlich fragte Gaara sich, warum er das getan hatte. Doch wenn er fragte, würde der Blonde ihn wohl kaum verstehen. Der Rotschopf bedauerte das sehr. Aber wenigstens bedanken wollte er sich. Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Danke“, sagte er. Um seinen Dank mit Gesten zu untermauern, legte er seine Hand auf die linke Brust. Vielleicht verstand der andere ja. Eher unbewusst neigte er seinen Kopf, wie es üblich war bei einer Verbeugung.

Ein Grinsen breitete sich auf dessen Lippen aus. Gaara war sich zwar nicht sicher, ob das Geschöpf ihn verstanden hatte, aber es wirkte nicht angriffslustig. Dieses Grinsen erinnerte ihn eher an einen Jungen, der gerade eine Dummheit begangen hatte und keine Reue zeigte, obwohl es falsch gewesen war.

Der Ningyo wedelte mit der Hand. Gaara begriff den Grund nicht und als er nichts machte außer fragend den Blick zu erwidern, wurde das Wedeln noch einmal energischer wiederholt. Das Azurblau des sichtbaren Auges schimmerte auffordernd. Schließlich klopfte der Blonde auf den Sand unmittelbar vor sich. Er sollte näher kommen? Langsam krabbelte Gaara näher, war er sich nicht sicher, ob es das war, was der Ningyo wollte. Aber er schien richtig zu handeln. Denn dessen Gesichtsausdruck wirkte nun recht zufrieden. Ungefähr auf Armeslänge entfernt blieb Gaara sitzen. Den Meeresbewohner so nah zu sehen, faszinierte ihn. Die fächerförmigen Ohren wirkten so filigran als könnte man sie mit nur zwei Fingern umknicken.

Erschrocken zuckte Gaara zurück, weil die Hand des Ningyo sich so unvermittelt nach ihm ausstreckte. Der Rotschopf war Körperkontakt nicht sonderlich gewohnt und er mochte es nicht, wenn man ihn derart überfiel wie dieses Wesen es gerade machte. Irritiert blinzelte der Blonde und hielt seine linke Hand in der Schwebe. Sie kam ihm nicht näher, aber er nahm sie auch nicht zurück. Also wollte er ihn immer noch anfassen. Vielleicht hatte der Ningyo noch nie einen Menschen so aus der Nähe gesehen und war ebenso neugierig wie er selbst. Gaara atmete tief durch und sah fest in das klare Azurblau. Dieses Geschöpf hatte ihn gerettet. Solange er sich ein wenig zurückhielt, wäre es wohl in Ordnung, wenn er ihn berührte.

Die Hand des Ningyo setzte sich wieder in Bewegung. Dieses Mal deutlich langsamer. Augenblicke später gruben sich Finger in sein nasses Haar und strichen hindurch. Es war ungewohnt, so berührt zu werden. Der Ningyo schien Interesse an seinem Haar zu haben, da er nun mit dem Blick der Hand folgte, die durch die kurzen Strähnen glitt. Innerlich machte sich jedoch Unruhe breit, als sie sich seiner Stirn näherte und die Narbe freilegte, die dort seit seinem sechsten Lebensjahr prangte. Die kühlen Finger glitten weiter zu seinem Ohr und tasteten darüber. Gaara konnte den Schauer nicht verhindern, der folgte, als die Finger weiter hinab wanderten über seinen Hals und seine Schulter. Erkundend strichen sie über seinen Unterarm. Dann zog der Ningyo seine Hand zurück. Gaara erlaubte sich, wieder ein wenig zu entspannen. Es war seltsam, von einem Fremden so angefasst zu werden.

Allerdings… war er nun selbst neugierig. Wenn der Ningyo ihn anfasste, durfte er ihn im Gegenzug berühren? Die Schuppen und dieses goldblonde Haar faszinierten ihn. Behutsam streckte der Rotschopf nun seine eigene Hand aus, beobachtete, wie das Wesen seine Bewegung verfolgte. Aber er zeigte keine Abwehrreaktion oder verhinderte, dass er ihn berühren konnte. Also strichen seine Finger nun durch das flüssige Gold. Das Haar war wie erwartet nass vom Wasser. Aber es fühlte sich ganz normal an, wie das feuchte Haar eines Menschen. Leicht kam Gaara gegen dieses fächerartige Ohr, was ein Wegzucken auslöste. Der böse Blick und die angelegten Ohren zeigten deutlich, dass er das besser nicht noch einmal machte. Offensichtlich waren die Ohren des Ningyo empfindlich. Gaara wollte ihn auch gar nicht erzürnen und zog seine Hand zurück. Dafür deutete er nun auf den Fischleib. Wenn dieses Wesen es ihm gestattete, würde er die Schuppen gern erkunden. Langsam hob sich die Flosse aus dem Wasser und hing nun in einer sanften Rundung über dem Fischleib. Funkelnd perlte das Meerwasser daran ab und tropfte auf die indigofarbenen Schuppen und den Sand. Einen Augenblick betrachtete Gaara die Flosse bewundernd, war sie größer als er vermutet hatte.

Beinahe ehrfürchtig legte sich seine Hand auf die Schuppen des Unterleibs. Ob an dieser Stelle normalerweise bei einem Menschen die Knie wären? Hoffentlich. Denn er wollte den Ningyo nicht ungebührlich anfassen. Doch es kam keine negative Reaktion. Also strich er neugierig über die dunklen Schuppen. Glatt und feucht schmiegten sie sich an seine Haut. Die kräftige Farbe schimmerte durch das Wasser beinahe wie Lack. Und die Schuppen fühlten sich genauso echt an wie das Haar davor. Gaara bildete sich dieses Geschöpf nicht ein. Davon ging er nun fest aus.

Der Rotschopf ließ seine Hand wieder sinken und sah dem Ningyo ins Gesicht. Er würde gern seinen Namen erfahren. Bestimmt hatte der Blonde einen Namen? Es kam auf einen Versuch an. Gaara deutete auf sich selbst. „Gaara.“

„Gaa…ra?“, wiederholte der Ningyo langsam. Den fremden Akzent hörte er heraus, aber er schien verstanden zu haben.

„Gaara“, bestätigte der Rotschopf und lächelte leicht. Nun deutete er auf den Blonden. Gaara wollte den Namen des Ningyo wissen. Jetzt kam es nur noch darauf an, dass dieser seine stumme Frage verstand.

Die linke Hand des Wesens legte sich auf seine Brust. „Deidara.“
 

Gaara schob das kleine Holzboot ins Wasser und kletterte hinein. Er griff nach den Riemen und senkte selbige ins Wasser. Gleichmäßig zog er die Riemen durchs Wasser. Eigentlich war er niemand, der besonders kräftig war, aber dafür war seine Ausdauer größer. In die Züge legte er nicht besonders viel Kraft, um sich nicht unnötig zu verausgaben. Dadurch brauchte er für den Weg vom Strand bis zu der kleinen Inselgruppe etwas länger, aber das störte ihn nicht. Dort angekommen zog er das Boot auf den weißen Strand, damit es nicht fort getrieben wurde. Der Rotschopf könnte die Strecke auch schwimmen, jedoch konnte er dann nichts mitnehmen. Im Boot verstaut hatte er nämlich eine Decke, zwei Wasserflaschen und etwas zu Essen. Immerhin konnte er nicht wissen, wann der Ningyô erscheinen würde. Und ob er überhaupt kam.

Die Decke breitete Gaara im Schatten eines Felsens auf und setzte sich darauf. Sein Blick schweifte über das ruhige Wasser. Das beständige Rauschen der Wellen, die über den Sand rollten und das vereinzelte Schreien der Möwen waren die einzigen Geräusche, die an seine Ohren drangen. Gaara entspannte sich langsam. Die Sommerferien genoss er sehr. Hier auf Okinawa zu sein, half ihm eine innere Ruhe zu finden, die ihm sonst fehlte. Gern würde er später hier leben. Er mochte die Hektik in der Großstadt nicht. Außerdem lebten dort so viele Menschen auf so engem Raum. Fast immer konnte man irgendwo einen Nachbarn hören. Nirgendwo war man wirklich einmal allein, selbst wenn man sich allein glaubte.

Leises Platschen riss ihn aus seinen Gedanken. Es passte nicht in das Muster der rauschenden Wellen. Aufmerksam geworden sah Gaara sich um. Zwischen den kleinen vereinzelten Felsen nahe des Strandes schimmerte etwas Goldenes unter der Wasseroberfläche. Sein Herz begann freudig zu schlagen. Wenige Augenblicke später streckte der Ningyo seinen Kopf aus dem Wasser. Ein azurblaues Auge erfasste ihn. Fächerförmige Ohren zuckten leicht.

„Deidara“, kam es Gaara freudig über die Lippen. Er erhob sich und schritt zum Wasser. Der Ningyo hatte ihn nicht vergessen und er schien verstanden zu haben, was er ihm vor einem Jahr versucht hatte begreiflich zu machen.

Da war es wieder. Dieses freche Grinsen auf den Lippen des Blonden, welches er ihm schon öfters gezeigt hatte. „Gaara… Hallo, hm“, brachte der Ningyo mit starkem Akzent hervor. Viel hatte Gaara ihm letztes Jahr von seiner Sprache nicht beibringen können, aber er hatte die Begrüßung definitiv behalten. Ein Lächeln huschte über seine Lippen.

„Hallo, Deidara“, begrüßte Gaara den Blonden und ging ins Wasser.

Abendröte

Gaara hatte sein Mittagessen und eine der Wasserflaschen aus dem Boot geholt und kam wieder zu Deidara zurück, der wie so oft mit dem Oberkörper auf dem feuchten Sand und mit dem Fischleib in der seichten Brandung lag. Neugierig fixierte ihn das azurblaue Auge, während er sich zu ihm setzte. Die Wasserflasche stellte er neben sich im trockenen Sand ab und legte das Furoshiki[1] mit den Reisbällchen in seinen Schoß. Nachdem er den Stoff aufgeknotet hatte, wickelte er die Folie eines Reisbällchens ab und sah wieder zu dem Ningyo. Ob er ihm das geben konnte? Wovon sich Deidara ernährte, wusste er nicht, aber da er im Meer lebte, gehörten vermutlich Fische und Meerespflanzen auf seinen Speiseplan. In den Reisbällchen war Lachs. Also dürfte es ihm wohl nicht schaden?

Gaara hielt dem Ningyo die Zwischenmahlzeit hin. „Reisbällchen“, sagte er. So war es am leichtesten, ihm seine Sprache beizubringen. Langsamer wiederholte der Blonde das Wort und Gaara nickte bestätigend. Ihm fiel auf, dass der leicht schrille Klang fehlte, wenn der Ningyo etwas in Japanisch aussprach. Vielleicht war diese unangenehme Klangfarbe normal, denn die Laute eines Wals hörten sich unter Wasser auch ganz anders an als an Land. Die Sprache des Meermannes war auf das Leben unter Wasser abgestimmt, da erschien es nur natürlich, wenn die Worte über dem Wasser in seinen Ohren seltsam klangen, weil sie an eine andere Schallausbreitung angeglichen waren. Ab und an versuchte Gaara Worte auszusprechen, die Deidara ihm vorsagte, aber er scheiterte jämmerlich und der Blonde amüsierte sich köstlich darüber.

Neugierig nahm Deidara ihm nun das Reisbällchen ab und betrachtete es eingehend, sah ihn dann aber wieder an, ratlos. Um dem Ningyo zu zeigen, was man damit machte, entfernte er die Frischhaltefolie eines zweiten Reisbällchens und biss hinein. „Kann man essen“, fügte Gaara an. Er war sich nicht sicher, ob Deidara seine Worte einigermaßen verstand, aber er sagte etwas in seiner eigenen Sprache. Der Rotschopf vermutete, dass es eine ähnliche Bedeutung haben musste wie seine Worte zuvor. Denn dann biss Deidara in das Reisbällchen und kaute darauf herum. Mit verhaltener Neugier beobachtete Gaara den Wandel der Emotionen, die sich so deutlich in dessen Gesicht widerspiegelten. Zuerst erschien der Blonde irritiert und konnte wohl nicht viel mit der Nahrung anfangen. Aber nach und nach erhellte sich seine Mimik und er biss erneut hinein, nachdem er den ersten Bissen hinunter geschluckt hatte. Während er kaute, deutete er fragend auf die Füllung. Er sprach auch wieder. Der Klang kam Gaara bekannt vor, hörte er diese Worte meistens, wenn Deidara wissen wollte, wie etwas hieß. Vermutlich bedeutete es: „Was ist das?“

„Lachs“, erklärte er und zeigte auf die weiße Ummantelung, bevor Deidara die nächste Frage stellen konnte. „Reis.“

Vorerst schien der Ningyo zufrieden und aß sein Reisbällchen weiter. Deidara war sehr interessiert an allem, was mit ihm und den Menschen zu tun hatte. Und es freute ihn, denn das bedeutete, dass sie sich auch weiterhin sehen konnten. Gern würde Gaara den Blonden einmal mit in seine Welt nehmen und ihm noch viel mehr zeigen, aber das ging nicht. Niemand durfte erfahren, was für ein Wesen der Blonde in Wahrheit war. Das traurige Schicksal, eingefangen und von Wissenschaftlern auseinander genommen zu werden, wollte er nicht verantworten müssen. Gaara mochte sich nicht vorstellen, wie dieses wundervolle Geschöpf in einem zu kleinen Becken eingesperrt war und allerlei Untersuchungen über sich ergehen lassen musste. Ein gleichberechtigtes Wesen würde man in ihm sicherlich nicht sehen. So war die Menschheit, überheblich. Sein Wunsch würde sowieso nie eine tragende Rolle einnehmen, da Deidara nicht laufen konnte. Eigentlich war es absurd. Gaara fühlte sich in der Gegenwart eines Geschöpfes wohler, welches für den Rest der Menschheit wohl nur als Fantasie abgestempelt wurde, als bei seinesgleichen. Die Kommunikation war auch nicht einfach. Aber die Art, wie der Ningyo ihn ansah. Dieser durchdringende Blick schien ihn nicht nur einfach zu sehen, sondern in ihn hinein sehen zu wollen. Das warme Gefühl, was Deidara dadurch in ihm auslöste, war sehr angenehm. Ob der Blonde sich an seinen ungewöhnlichen Augen nicht störte, weil er vielleicht gar nicht wusste, wie die Augen eines normalen Menschen aussahen? Eigentlich konnte es ihm egal sein, solange der Blonde sein Verhalten nicht änderte.

Gaaras Blick wanderte über die glänzenden indigofarbenen Schuppen und blieb schließlich an der kräftigen Flosse hängen. Ruhig lag sie im flachen Wasser. Die Spitzen wurden leicht von den kleinen Wellen in Bewegung gehalten. Er wusste, welche Kraft sich in dem Fischleib verbarg. Eine Kraft, die man auf den ersten Blick nicht vermutete.
 

Fest schlangen sich Gaaras Arme um den Hals des Ningyo. Kleine Wellen spritzten ihm immer wieder ins Gesicht. Es machte ihm ein wenig Angst, wie schnell Deidara schwamm. Diese atemberaubende Kraft hatte er nicht erwartet, mit der er ihn durch das Wasser zog. Der Meeresbewohner blieb so nah an der Wasseroberfläche, dass er ab und an ein Platschen hinter sich hörte, welches von der Schwanzflosse verursacht wurde, wenn die diese wieder in das klare Nass eintauchte.

Der Ningyo brachte ihn zurück. Normalerweise wäre es für Gaara kein Problem, die Strecke von den kleinen Inseln bis zur Bucht selbst zurück zu schwimmen. Aber nach seiner Nahtoderfahrung fühlte er sich nach wie vor etwas schwach und befürchtete, auf der Strecke doch noch zu ertrinken. Deidara hatte seine Andeutungen verstanden. Anscheinend war er ein Mann der Taten, denn er hatte ihn sogleich am Handgelenk gepackt und mit sich ins Wasser gezogen. Und nun klammerte der Rotschopf sich fast ein wenig verzweifelt an ihm fest, um nicht abhanden zu kommen. Die Rückenflosse musste der Blonde eng an den Körper gelegt haben, denn er spürte kaum Widerstand zwischen ihnen. Im ersten Moment war Gaara diese Nähe unangenehm gewesen, aber ihm blieb nichts anderes übrig, wenn er seinen Halt nicht verlieren wollte. Unweigerlich fiel ihm auf, dass sich die Haut des Ningyo, die sich gegen seinen bloßen Oberkörper schmiegte, glatt und fester anfühlte als die eines Menschen. Gaara hatte nie einen Delphin oder ein anderes Meerestier ohne Schuppen berührt, aber vielleicht fühlte sich deren Haut so ähnlich an.

Erst verspätet fiel Gaara auf, dass Deidara nicht direkt auf den Strand der Bucht zu hielt, sondern einen Bogen schwamm und sich den Felsen zu ihrer Linken näherte. Einen weiteren Augenblick dauerte es, bis ihm klar wurde, dass der Ningyo wohl nicht von anderen Menschen gesehen werden wollte.

Allmählich ließ das Tempo nach und geschickt manövrierte Deidara sie durch die Felsen. Schließlich hob er den Kopf aus dem Wasser und hielt inne. Vorsichtig streckte Gaara seine Beine neben dem kräftigen Fischleib aus und spürte Sand an seinen Zehenspitzen. Er ließ den Ningyo gänzlich los und brachte sich mit wenigen Schwimmzügen noch etwas näher zum Ufer, sodass er bequem stehen konnte. Dann wandte er sich zu Deidara um. Dieser war ihm gefolgt und verharrte in knapp einem Meter Abstand vor ihm. Das blonde Geschöpf grinste und deutete auf die Sonne, anschließend auf die kleine Inselgruppe. Wieder verließen fremde Worte dessen Mund, die er nicht verstand. Aber Deidara ließ ihm nicht die Zeit, in irgendeiner Weise nachzuhaken, was er meinte. Schon tauchte der Ningyo wieder unter die Wasseroberfläche. Ein goldener Schimmer zwischen den kleinen Felsen verriet ihm, dass der Blonde dem Meer entgegen schwamm. Nur wenige Herzschläge später war er gänzlich mit dem Wasser verschmolzen.

Nachdenklich schweifte der Blick aus den jadefarbenen Augen über die glitzernde Wasseroberfläche. War das wirklich real gewesen? Hatte ihn wirklich ein Ningyo vor dem Ertrinken gerettet und zurück zum Strand gebracht, wo sich in geringer Entfernung das Strandhaus zwischen den licht stehenden Bäumen erhob? Was hatte ihm Deidara am Schluss sagen wollen? Er hatte zur Sonne gedeutet. Vermutlich eine Art Zeitangabe? Und die Inselgruppe? Ein Ort. Wollte er ihn wiedertreffen? Aber wann? Gaara verließ langsam das Wasser und wandte sich am Strand noch einmal dem Meer zu, sah hoch zur Sonne. Grell biss sie in seine Augen, sodass er die Lider zusammenkneifen musste. Wollte er sich morgen mit ihm treffen? Bei den Inseln? Leise seufzte Gaara. Ein Versuch war es wert. Dieses Wesen faszinierte ihn. Wäre die Kommunikation nur ein wenig leichter…
 

Gaara schluckte das letzte Stück seines Reisbällchens hinunter und griff nach der Wasserflasche. Der neugierige Blick, der auf ihm lag, während er trank, blieb ihm nicht verborgen. Gaara spürte immer, wenn Deidara ihn so intensiv anschaute. Die Flasche löste er von den Lippen und betrachtete sie. Der Ningyo filterte die Flüssigkeit, die er brauchte, vermutlich durch die Kiemen wie ein im Salzwasser lebender Fisch. Unter Wasser hatte der Rotschopf ihn bereits beobachtet. Die Kiemenfalten an seinem Hals lagen dann nicht eng an, sondern ließen Wasser hinein- und wieder hinausströmen.

Da Deidara bereits beobachtet hatte, was er mit der Flasche machte, musste er ihm das nicht mehr extra zeigen, sodass er ihm selbige anbot. Wie zuvor das Reisbällchen nahm der Blonde auch die Flasche an und ahmte ihn nach. Jedoch trank er nur einen Schluck und hielt dann äußerst überrascht inne. „Was ist?“, fragte Gaara. Deidara leckte sich über die Lippen. Gaara dämmerte, was den Blonden so überraschte. Er kannte kein Süßwasser. „Süßwasser“, erklärte der Rotschopf. Das azurblaue Auge huschte von ihm zur Flasche und wieder zurück zu ihm. „Süß…?“

Nicht ganz das, was Gaara gesagt hatte, aber es passte auch. „Genau, süß.“ Er zeigte auf das Meer. „Das ist salzig.“ Die fächerförmigen Ohren zuckten leicht, dann entschloss Deidara sich offensichtlich, dass das Süßwasser gut war, denn er setzte die Flasche wieder an die Lippen und trank weiter. Ein kleines Lächeln huschte über Gaaras Lippen. Ob es wohl noch mehr solcher Wesen gab? Sicherlich. Wo sie wohl lebten? Zeigten sich andere Ningyo auch, so wie Deidara sich ihm gezeigt hatte? Irgendwo mussten doch die Geschichten herkommen. Hin und wieder wurden auch Menschen für verrückt erklärt, die behaupteten, ein solches Wesen mit eigenen Augen gesehen haben zu wollen.

Der Rotschopf wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Deidara ihm die halb leere Flasche hinhielt. Er nahm sie an sich, schraubte sie zu und stellte sie wieder in den Sand.
 

Der Sonnenuntergang tauchte die Insel in ein angenehmes Orange und verwandelte das Meer in flüssiges Feuer. Gaara liebte dieses Schauspiel, wie sich die beruhigende und kühle Ausstrahlung des Wassers in warmes Feuer zu wandeln schien. Kühle Flammen, die niemanden verbrannten, sondern den Körper sanft umspielten.

Leise seufzte er. Dennoch konnte er diesen Anblick nicht bis zum Ende genießen, da er nach Sonnenuntergang mit dem Boot nicht mehr auf dem Wasser sein wollte. Im Dunkeln konnte man leicht einen kleinen Felsen übersehen, der sich nicht weit genug aus dem Wasser erhob oder der gar unter der Oberfläche verborgen lag.

Also schob er das Boot zurück ins Wasser, bis es ihm knapp zu den Oberschenkeln reichte. Würde er noch tiefer hinein gehen, hätte er Probleme, in das kleine Boot zu steigen. Nachdem Gaara auf der flachen Bank Platz genommen hatte, sah er sah sich nach dem Ningyo um. Von ihm wollte er sich zuerst noch verabschieden, bevor er sich auf den Rückweg machte. Deidara war ebenfalls wieder im Wasser und kam auf ihn zu, griff nach dem Rand des Bootes und zog sich daran hoch. Leicht neigte es sich ihm entgegen. Der neugierige Blick huschte einmal durch das hölzerne Gefährt und richtete sich dann wie so oft auf ihn. „Treffen wir uns morgen wieder?“ Auch wenn Deidara die Hälfte seiner Worte noch nicht so ganz verstand, so war er sich sicher, dass er begriff. Denn solche wichtigen Dinge wie ‚Treffen‘ und ‚morgen‘ hatte zu den ersten Worten gehört, die er ihm mit Hilfe von Bildern im Sand und Zeichensprache erklärt hatte.

Der Ningyo nickte zustimmend, machte aber keine Anstalten, seinen Platz an der Bootswand aufzugeben. Dafür wedelte er mit der linken Hand. Gaara rutschte vorsichtig ein Stück näher, um das Boot nicht zu sehr in Schieflage zu bringen. Er wusste, was diese Geste bedeutete, aber er fragte sich, was Deidara nun wollte. Lange ließ dieser ihn nicht warten. Die Hand näherte sich ihm und vergrub sich wie letztes Jahr bei ihrem ersten Treffen in seinem roten Haar. Gaara dachte sich nichts dabei und genoss die Berührung einfach. Doch als die Hand in seinen Nacken wanderte, der Griff sich dort festigte und ihn noch näher zu dem Ningyo zog, weiteten sich seine Augen überrascht. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast. Unweigerlich schlug sein Herz in einem hastigen Takt. Das Azurblau des sichtbaren Auges schien ihn komplett einzunehmen wie das Meer es stets tat, wenn er tauchte. Bevor Gaara einen klaren Gedanken fassen konnte, überwand Deidara den verbliebenen Abstand. Feuchte Lippen schmiegten sich gegen seine. Gaara verharrte erstarrt, wusste nicht, was er tun sollte. Ob es überhaupt etwas gab, was er tun konnte. Deidara küsste ihn. Ein unruhiges Kribbeln fuhr durch seine Adern, welches er nicht zuordnen konnte. Seine Wangen begannen zu glühen. Hoffentlich wurde er jetzt nicht auch noch rot. Lange währte der Augenblick nicht, da löste Deidara sich von ihm. „Bis… morgen, hm“, hauchte er und die gesenkte Stimmlage jagte ihm einen Schauer den Rücken hinab. Deidaras Hand löste sich aus seinem Nacken und er ließ sich ins Wasser zurück gleiten. Überrumpelt sah er dem goldenen Schimmer nach, der sich nach ein paar Metern mit dem satten orangefarbenen Flimmern der Abendsonne auf der Wasseroberfläche vereinte. Zittrig atmete Gaara durch. Seine Zungenspitze huschte über seine Lippen. Der salzige Geschmack des Meeres lag auf ihnen.

Gaara hatte mit niemandem zuvor einen Kuss geteilt. Und der Ningyo küsste ihn einfach so. Darauf vorbereitet gewesen war er nicht. Deidara hatte ihn ahnungslos erwischt. Noch immer schienen die Nerven in seinem Körper zu kribbeln. Nur langsam griff er nach den Riemen und senkte sie ins Wasser. Die eintönige, sich immer wiederholende Bewegung half ihm, sich ein wenig zu beruhigen. Warum hatte Deidara ihn geküsst? Und wie sollte er darauf reagieren? Der Blonde war nicht nur ein Mann, sondern noch nicht mal ein Mensch. Aber… irgendwie war es… ganz angenehm gewesen? Wenn er den Schock einmal beiseite schob, den der Ningyo ihm mit seiner Aktion verpasst hatte. Bisher hatte er sich auch nicht sonderlich für Mädchen interessiert wie die anderen Jungs in seinem Alter, die fast jedem Rock hinterher schauten. Lag sein Interesse eher bei Männern? Erneut seufzte Gaara leise. Wie sollte er sich da sicher sein? Immerhin war sein Interesse an Menschen allgemein nicht sonderlich ausgeprägt. Mit seinen Geschwistern kam er relativ gut zurecht, aber sie kannten sich ein Leben lang. Andere mieden ihn eher, geschweige denn, dass sie ihm lange in die Augen sehen konnten. Deidaras Anwesenheit gefiel ihm. Bisher hatte er nicht das beklemmende Gefühl in seiner Gegenwart erlebt, sich zu etwas zwingen oder seine Maske nutzen zu müssen, die ihm in der Gesellschaft anderer Menschen gute Dienste leistete. Aber Deidara war kein Mensch und wusste nicht, was die Gesellschaft von einem verlangte, um als Teil von ihr akzeptiert zu werden. In seiner Gegenwart konnte er entspannt bleiben. Gaaras Gedanken brachten ihn zu dem Kuss zurück und sofort entfachte sich das Kribbeln in seinem Körper erneut. Fühlte man so, wenn man ‚Schmetterlinge im Bauch‘ hatte? Bedeutete das, dass er dem Blonden zugetan war?

Das Boot schrammte über Sand. Gaara zog die Riemen aus dem Wasser und kletterte aus dem Boot. An Land gezogen vertäute er es am Keil, der für diesen Zweck tief in den Boden getrieben worden war. Mit der Hand fuhr er durch sein Haar. Wie sollte er denn nun auf Deidara reagieren? Erneut ein Seufzen, während er die inzwischen leeren Wasserflaschen und das ebenso leere Furoshiki aus dem Boot holte. Ein letzter Blick huschte zur Sonne, die bereits zur Hälfte im Meer versunken war. Dann schritt er langsam den Strand hinauf und folgte dem kurzen Weg zum Haus.
 

_________________________________________________________________

[1]Furoshiki: quadratisches Tuch, welches in Japan oft als Verpackung dient (z.B. auch bei Bentôboxen)

Schock

Gaara war müde. Die halbe Nacht hatte er sich auf seinem Futon herum gewälzt und gegrübelt. Zu einem nennenswerten Ergebnis war er jedoch nicht gekommen. Das einzige, was er inzwischen sagen konnte war, dass Deidara ihn nicht abstieß und das Interesse an ihm nach wie vor in ihm glühte. Welcher Art sein Interesse war, konnte er jedoch nicht mit Sicherheit sagen. Warum Deidara ihn geküsst hatte, fragte er sich immer noch. Aber diese Grübelei führte zu nichts Sinnvollem im Moment. Zu viel Unsicherheit tobte in seinem Inneren. Vielleicht war es einfach am besten, er wartete ab, wie der Ningyo sich ihm gegenüber verhielt und dann entschied er sich, wohin auch immer ihn das führen würde.

Der Rotschopf zog das Boot an den Strand und breitete seine Decke im Schatten der Felsen aus, wie am Tag zuvor. Gaara legte sich auf den Bauch und bettete seinen Kopf auf den Unterarmen. Gedankenverloren schweifte sein Blick über das Meer. Eine genaue Uhrzeit machten sie nie aus. Deidara kannte eine Uhr wahrscheinlich nicht einmal. Gab es in dessen Welt überhaupt so etwas wie Zeit? Im Meer war es eigentlich immer dunkel, wo es nicht gerade so flach war wie zwischen den Riffen hier, dass die Sonnenstrahlen noch bis zum Grund gelangten. Deidara müsste eigentlich über eine gute Nachtsicht verfügen, wenn man das so nennen konnte. Wo er wohl lebte? Und in welchen Tiefen des Meeres er sich aufhielt? Lebten Ningyo in Höhlen oder waren sie auch in der Lage, eine Art Häuser zu bauen wie die Menschen? Hatten sie überhaupt eine Behausung in dieser Art oder ähnelten sie den anderen Meeresbewohnern und suchten sich irgendwo eine geschützte Stelle zum Ruhen.

Der Gürtel, den Deidara um der Hüfte trug, bestand aus geflochtenen Meerespflanzen. Und sein Messer daran musste wohl ein geschliffener Zahn von irgendeinem Meerestier sein. Wenn er das bedachte, war die Kultur der Ningyo auf alle Fälle eine ganz andere. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie mit der Natur lebten, in ihr, und nicht gegen sie wie die Menschen, die ihre Städte erbauten und einfach vernichteten, was ihnen im Weg war. Es war nicht unbedingt gut, was die Menschheit tat, vielen war das auch klar. Aber niemand wollte auf die Annehmlichkeiten dieses Lebens verzichten. Gaara konnte sich selbst kaum vorstellen, in einer Welt zu leben, in der es keine Elektrizität gab…
 

…Eine Hand strich durch sein Haar. Leise brummte Gaara. Ein angenehm nebliges Gefühl umklammerte ihn und wollte ihn noch nicht frei lassen. „Gaara…?“ Die tiefe Stimme zerrte ihn nun doch recht zügig in den Wachzustand. War er eingeschlafen? Müde rieb der Rotschopf über seine Augen und stemmte sich dann auf seine Unterarme. Neben ihm saß Deidara und schaute besorgt auf ihn herab. Sofort machte sich das Kribbeln in ihm breit, welches er gestern so intensiv verspürt hatte. Ganz ruhig, dachte Gaara sich. Es war nur ein kleiner Kuss.

Langsam setzte er sich ganz auf. „Bin wohl eingeschlafen“, murmelte er. Es war ein Reflex zu sprechen, obwohl der andere ihn vermutlich nicht so recht verstand, aber bei Deidara war es gewissermaßen ähnlich. Irgendwas fragte er ihn. Aber nur an der Besorgnis in seinen Augen konnte er erkennen, was er wohl wissen wollte.

„Alles in Ordnung“, erklärte er und deutete ein Lächeln an. Es gab nichts, worum der Ningyo sich Sorgen machen musste. Unweigerlich durchzog ein Schauer ihn, weil Deidaras Blick ihn so intensiv musterte. Auch näherte er sich ihm erneut. Nur wenige Zentimeter trennten sie noch. Wollte der Blonde ihn etwa wieder küssen? Sein Herz schlug schneller in seiner Brust. Ihm war, als könne er sein Blut rauschen hören. Deidara war ihm so nah und das Azurblau seines sichtbaren Auges nahm ihn schon wieder gefangen. Eine verräterische Wärme streifte seine Wangen. Oh bitte nicht auch noch das. Wieso musste sein Körper so heftig auf Deidaras Nähe reagieren? Noch berührte er ihn überhaupt nicht und er wurde schon rot?

Dem Ningyo war diese Tatsache nicht verborgen geblieben. Er hob seine Hand und strich mit den kühlen Fingerspitzen über seine rechte Wange. Da war er wieder, dieser neugierige Blick. So ungewohnt die Berührung war, sie fühlte sich angenehm an. Was auch immer das hier zwischen ihnen war… werden sollte, es konnte wohl nicht verkehrt sein, wenn es sich gut anfühlte.

Dieses Mal überrumpelte Deidara ihn nicht derartig, als sich ihre Lippen berührten, hatte Gaara sich mehr oder weniger darauf eingestellt, dass die Finger an seiner Wange nicht das Einzige bleiben würden. Und irgendwo in ihm war da auch die Neugier, mehr von diesem Neuartigen zu kosten. Vorsichtig bewegte er seine Lippen gegen die des Blonden. Die leichte Reibung löste ein wohliges Prickeln aus. Eher unbewusst senkten sich seine Lider.

Deidaras Hand stahl sich in seinen Nacken und verharrte dort. Noch zögerlich ging Gaaras eigene Hand auf Wanderschaft. Seine Fingerspitzen tasteten den Arm des Ningyo entlang hinauf zu seiner Schulter. Kühl und glatt schmiegte sich die feuchte Haut an seine Finger. Nasses Haar geriet in seinen Weg, welches er behutsam über die Schulter nach hinten strich. Schließlich gelangte Gaaras Hand an ihr vorläufiges Ziel, Deidaras Nacken. Sich von seinem Instinkt leiten lassend, strichen seine Fingerkuppen leicht über die Haut. Selbst im Nacken war sie eher kühl. Aber wohl auch nicht verwunderlich, war der Körper des Ningyo an ein Leben im Wasser angepasst und dort herrschten andere Temperaturen als an Land.

Ein gelöstes Seufzen drang an Gaaras Ohren. Anscheinend hatte er eine empfindsame Stelle gefunden. Demnach führte er das sanfte Streicheln weiter. Er gewann langsam etwas an Sicherheit bei dieser neuen Art von Körperkontakt, was wohl auch daran lag, dass Deidara es hierbei beließ und ihre Küsse nicht zu intensivieren gedachte. Schließlich lösten sich die Lippen des Ninygo von seinen. Sobald sich Gaaras Lider hoben, erfasste ihn ein Schauer, weil das azurblaue Auge ihn bereits wieder zu verschlingen drohte. Deidara grinste schelmisch. Typisch. Ein kurzes Lächeln schlich auf Gaaras Lippen. Während der Blonde sich nun komplett von ihm löste und sich neugierig einfach den Furoshiki griff, um ihn aufzuknoten und sich den Inhalt anzusehen, genoss Gaara noch ein wenig das angenehm warme Prickeln in seinem Inneren. Ein wenig weggetreten fühlte er sich, aber auf eine wohltuende Art. Unbewusst glitt seine Zungenspitze über seine Lippen. Er schmeckte Salz. Ein weiteres Lächeln zeigte sich. Ein wenig gruselig empfand der Rotschopf es schon, dass sich seine Mundwinkel so selbstständig zu machen schienen.

Wie gut, dass Deidara mit den mitgebrachten Reisbällchen beschäftigt war. Er zupfte an der Frischhaltefolie herum und wickelte die Speise ein wenig umständlich aus. Doch er aß nicht gleich, sondern zog an der Folie. In diesem Moment erinnerte ihn Deidara an ein kleines Kind, welches seine Umgebung entdeckte. Nun, es war wohl nicht verwunderlich, dass der Ningyo etwas Fremdes erkunden wollte. Aber er verlor auch rasch das Interesse an der Folie und hielt ihm das Reisbällchen hin. „Danke“, sagte Gaara und nahm es ihm ab. Das zweite Reisbällchen befreite Deidara schon schneller von seiner Verpackung. Dann schaute er ihn jedoch fragend an. Ein wenig überrascht erwiderte er den Blick. Deidara hatte keine Hemmungen, einfach an seine Sachen zu gehen, aber nun wartete er auf sein Erlaubnis, ob er essen durfte. „Iss ruhig.“ Immerhin hatte er extra mehr eingepackt. Unterstützend nickte Gaara und biss von seinem Reisbällchen ab. Deidara grinste erfreut und tat es ihm nach.
 

Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Gaara hielt sich praktisch die meiste Zeit auf der kleinen Inselgruppe bei Deidara auf. Er brachte immer eine kleine Zwischenmahlzeit mit, plante aber etwas mehr ein, da der Blonde ausnahmslos alles probieren wollte. Und sie schwammen gemeinsam. Nun ja, Deidara schwamm, denn im Vergleich zu ihm bewegte sich der Ningyo deutlich geschickter im Wasser. Durch seine Taucherbrille konnte er den Blonden unter Wasser beobachten und war immer wieder aufs Neue von der Schönheit dieses Wesens fasziniert. Kraft und Eleganz schienen sich in ihm zu vereinen. Außerdem mochte Gaara den Anblick des langen Haares sehr, wie es Deidara einem goldenen Schweif gleich anhing. Eigentlich hatte der Rotschopf angenommen, er kenne die Riffe ihrer Bucht, doch der Ningyo zeigte ihm Stellen und Korallen, die ihm zuvor nie aufgefallen waren.

Um wenigstens die Illusion zu erwecken, er könne mit Deidara mithalten, hatte er sich Flossen besorgt. Der Ningyo war nach wie vor schneller als Gaara, aber er fühlte sich nicht mehr ganz so langsam und unfähig im Wasser.

Die kleinen intimen Gesten führten sie fort. Gaara genoss die sanften Küsse und das gegenseitige Streicheln, was man wohl auch schon als Erkunden des jeweils anderen Körpers bezeichnen konnte. Weitere Gedanken, was daraus am Ende werden sollte, machte er sich nicht, wollte es nicht mehr. Was er mit Deidara machte, fühlte sich gut an und er wurde auch sicherer in ihrem Tun allgemein. Solche Berührungen mit einem anderen Menschen zu teilen, konnte der Rotschopf sich dagegen nicht vorstellen. Mit Deidara erschien es ihm natürlich, als müsse das so sein.
 

Unruhig wanderte der Blick der jadefarbenen Augen über die Wellen. Deidara ließ sich sehr viel Zeit heute. Mittag war vermutlich schon längst vorbei und noch immer war von dem Ningyo keine Spur. Leise Sorge waberte in seinem Inneren. Ob irgendwas passiert war? Gaara hoffte nicht, denn er könnte nicht nach dem Blonden suchen im Meer. Wieder einmal fragte er sich, wie dessen Leben überhaupt aussah. Was aß er normalerweise, wo schlief er? Gab es Dörfer oder Städte so wie bei den Menschen? Gingen Ningyo auch einer geregelten Arbeit nach? Hatten sie Schulen oder etwas, was man als solche bezeichnen konnte? Wie alt Deidara war, interessierte ihn auch, aber er wusste nicht, wie er ihm seine Frage begreiflich machen könnte.

Ein goldener Schimmer im flachen Wasser holte ihn in die Gegenwart zurück. Gaara stand auf und überwand die wenigen Schritte zum Wasser. Die ersten Wellen umspülten seine Füße. Der Schimmer bewegte sich nicht mehr. Hatte er sich vorher bewegt? Aufgrund der Wellen war er sich nicht sicher. Der Rotschopf ging tiefer ins Wasser. Nun konnte er verzerrt Deidaras Körper unter der Wasseroberfläche ausmachen. Aber er trieb reglos dahin wie ein Stück Holz. Angst fraß sich wie ein verzehrendes Loch in ihn. Eilig watete er tiefer ins Meer. Als er Deidara erreichte, leckten die kleinen Wellen an seiner Brust. Gaara drehte ihn um und griff unter seinen Armen hindurch, verschränkte seine Hände vor dessen Oberkörper. Jegliche Spannung fehlte dem Körper des Blonden, während er ihn ins flache Wasser zog. Erst im feuchten Sand legte er ihn ab. Deidara war schwer. Oder er selbst einfach zu schwach. Tief atmete er durch, um sich zu beruhigen.

Dann kniete er sich neben den Ningyo und betrachtete ihn eingehend. Das sichtbare Auge verbarg sich hinter dem Lid. Mehrere Verletzungen und Prellungen bedeckten seinen Körper. Träge sickerte Blut aus den offenen Wunden. Sie waren noch relativ frisch. Was war nur geschehen? Gaara tastete am Hals des Blonden nach Puls. Leicht spürte er das Pulsieren unter seinen Fingern. Der Ningyo lebte. „Deidara?“ Ihm das goldblonde Haar aus dem Gesicht streichend, legte er das linke Auge frei. Leicht schlug er gegen seine Wange. „Deidara?“ Gaaras Stimme war dieses Mal lauter, bestimmter. Aber Deidara rührte sich nicht.

Eigentlich müsste er zu einem Arzt. Vielleicht hatte er innere Verletzungen. Aber das ging nicht. Gaara konnte den Ningyo unmöglich zu einem Arzt bringen oder einen in die Bucht rufen. Sie würden ihm Deidara wegnehmen, ihn einsperren und ihren Wissenschaftlern zum Fraß vorwerfen. Nein! Der Rotschopf musste sich selbst um ihn kümmern. Hoffentlich reichten seine erbärmlichen Kenntnisse dafür aus. Temari übte ab und an für ihr Studium an ihren jüngeren Brüdern. Ein bisschen was davon war in seinem Gedächtnis geblieben. Doch zuerst brauchte er Utensilien. Und dazu musste er an Land zurück.

Aber er konnte Deidara nicht einfach so liegen lassen. Wenn eine höhere Welle kam, würde sie den Blonden vielleicht wieder ins Meer zurückspülen. Bisher hatte er den Ningyo nur ein oder zweimal komplett außerhalb vom Wasser gesehen. Deidara fiel es schwer, sich an Land zu bewegen, war seine Schwanzflosse hier nutzlos. Für ihn war nachvollziehbar, dass er sich lieber zumindest halb im Wasser aufhielt. Gaara wollte dieses Risiko jedoch nicht eingehen, weswegen er erneut seine Arme um Deidaras Oberkörper legte und ihn weiter auf den Strand zog, bis er sich sicher war, dass bis hierhin kein Wasser gelangen konnte. Und der Felsen bot dem Blonden ein wenig Schatten. Wie leicht ein Ningyo einen Sonnenbrand bekam, wusste er nicht, aber er wollte es nicht austesten. Eine Sache musste er noch überprüfen, bevor er sich auf den Weg machte. Er hielt seine Finger dicht unter Deidaras Nase. Warmer Atem streifte über seine Haut. Der Ningyo atmete an Land also tatsächlich durch die Nase. Dass er erstickte wie ein Fisch auf dem Trockenen, war demzufolge auszuschließen. Eilig stemmte Gaara sich hoch und schob das Boot ins Wasser.
 

Gaaras Arme taten vom Rudern weh. Er hatte sich beeilt und seine Muskeln rächten sich nun für die Überbeanspruchung. Doch er ignorierte die Schmerzen in seinen Armen. Sobald sein Boot wieder sicher auf dem Sand weilte, nahm er den Erste-Hilfe-Kasten und eine der Wasserflaschen aus dem Inneren und lief zu dem Ningyo. Augenscheinlich war dieser immer noch bewusstlos. Das Blut hatte inzwischen mahnende Spuren auf die helle Haut gezeichnet. Gaara wurde flau im Magen. Hoffentlich konnte er ihm helfen.

Der Rotschopf kniete sich neben ihn und öffnete den Kasten. Ein Tuch wurde mit etwas Wasser getränkt. Behutsam wischte er das bereits halb eingetrocknete Blut vom Körper. Anschließend desinfizierte er die offenen Wunden. Bei manchen reichte etwas Mull, das er mit hautfreundlichem Tape befestigte, aber bei den Schrammen an seinen Armen und Händen hielt er Verbände für angebrachter. Jedoch eröffnete sich ein Problem. Wie sollte er den Verband um den Unterarm wickeln, wenn dort eine Flosse war? Vorsichtig tastete er die Flosse ab. Sie ließ sich an den Körper legen. Ein Verbinden könnte also funktionieren, wenn er den Verband nicht zu fest anlegte. Gerade griff er nach einem weiteren frischen Verband, als die Flosse schrumpfte. Gaara hielt inne und blinzelte. Nein, seine Augen spielten ihm keinen Streich. Die Flosse an Deidaras Arm verlor an Größe und schien sich in seinen Körper zurück zu ziehen. Erschrocken weiteten sich seine Augen. Es war nicht nur die Flosse, der gesamte Körper des Ningyo schien sich zu verändern. Alle Flossen schrumpften so wie die erste. Es blieb nur makellose Haut zurück. Auch die fächerförmigen Ohren wichen ganz normalen Ohren eines Menschen. Die wohl größte Wandlung geschah allerdings mit der Schwanzflosse. Die Schuppen zogen sich scheinbar unter die Haut zurück. Die riesige Flosse bildete sich zurück. Diese Transformation erweckte in Gaara den Eindruck, als sähe er die Entwicklung des Körpers in umgekehrter Reihenfolge. Nur, dass sich nun der Fischleib teilte.

Gaara starrte den völlig menschlichen Körper noch einige Herzschläge an, bis er begriff, was passiert war. Der Ningyo besaß offensichtlich eine zweite Gestalt. Splitternackt lag er nun vor ihm, mit Beinen, ohne Flossen und Schwimmhäuten. Unglücklicherweise begannen seine Wangen zu glühen. Und er hatte nichts dabei, was er ihm anziehen könnte. Gaara ermahnte sich, auf das Wesentliche zu achten. Deidaras Verletzungen hatten Vorrang. Er riss seinen Blick von Deidaras Mitte los und betrachtete dessen Beine. Zumindest diese wirkten unverletzt. Die Schuppen hielten vermutlich einiges ab. Der Rotschopf verband nun den Unterarm, wobei die Wandlung ihn unterbrochen hatte. Ob Deidara davon wusste? Wie war die Transformation ausgelöst worden? Und warum gab es das überhaupt? Wäre er inzwischen nicht schon an wundersame Dinge in der Welt gewöhnt – an Deidara -, hätte er jetzt den nächsten Schock erlitten. Diese Veränderung hatte magisch gewirkt, als sei sie nicht von dieser Welt. Aber Magie… gab es doch gar nicht. Gaara seufzte. Vielleicht sollte er sich einfach keine Gedanken mehr darum machen, was es in der Welt gab und was nicht. Hatte Deidaras Existenz ihm denn nicht schon bewiesen, dass die Menschheit lange nicht alles über ihren Planeten wusste?

Nachdem er auch den letzten Verband angelegt hatte, holte Gaara die Decke zu dem Ningyo rüber, auf der er zuvor gesessen hatte, und legte sie über seine Beine und Unterleib, damit er nicht komplett nackt war. Neben sich legte er den Furoshiki ab und setzte sich zu Deidara. Mit dem Rücken lehnte er sich gegen den Felsen hinter sich. Seine Augen richteten sich wieder auf das Gesicht des Blonden. Sanft schob er seine Finger in die goldblonden Haare. Inzwischen waren die Strähnen fast trocken. Nachdenklich strich er durch selbige hindurch. Bisher war Deidara immer irgendwie nass oder zumindest noch feucht gewesen vom Wasser. Sehr lange hatte er sich auch nie außerhalb des Meeres aufgehalten. Folgte die Transformation, wenn sein Körper trocken war? In Gaaras Überlegungen ergab das am meisten Sinn. Vielleicht eine Art Schutzmechanismus?

Ein leises Stöhnen richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die momentane Situation. Deidaras Lider flatterten. „Deidara?“ Langsam öffneten sich dessen Augen und er sah zu ihm auf. Ein müdes Lächeln huschte über seine Lippen. Zum ersten Mal sah er den Ningyo lächeln. Bisher kannte er nur dessen Grinsen. Aber es ließ ihn sanfter erscheinen. Gaaras Finger strichen weiter durch das Haar. „Wie geht’s?“, fragte er leise. Der Rotschopf hoffte einfach, dass Deidara irgendwie begriff, was er wollte. Dem fragenden Glanz in den azurblauen Augen nach zu schließen wohl eher nicht. Mühsam stemmte der Ningyo sich in eine sitzende Position und erstarrte.

Gaara folgte Deidaras Blick zuerst auf dessen Hände und Arme, dann schlug er die Decke zurück. Der Schock war dem Ningyo sehr gut anzusehen. In diesem Moment wurde Gaara klar, dass der Blonde nichts von dieser Gestalt gewusst hatte. Er öffnete den Mund, schien etwas sagen zu wollen, und schloss ihn dann wieder. Er zog die Beine an, bewegte sie dabei als seien sie eins, wie er es von der Flosse gewohnt war. Zittrig tasteten die Finger über die Knie und die Unterschenkel bis zu den Zehen hinab. Ruckartig zuckten seine Hände hinauf und befühlten seine menschlichen Ohren. Brüchige Worte schwappten über seine Lippen. Deidara sah ihn wieder an und die wilde Mischung aus Unverständnis, Fassungslosigkeit, Angst uns Unglauben versetzte ihm einen leisen Stich. Es bereitete ihm Sorge, den Blonden in einem solchen Zustand zu sehen. Und er verstand nicht einmal, was er sagte. Wie sollte er den Ningyo nur beruhigen? …seine Theorie! Gaara griff nach der Wasserflasche und zog behutsam Deidaras unverletztes Handgelenk zu sich. Er kippte etwas von dem Wasser über seine Hand und den Unterarm. Tatsächlich funktionierte es. Die Schwimmhäute zwischen seinen Fingern bildeten sich wieder aus und die Flosse stieß durch die Haut. Ein Blick in Deidaras Gesicht offenbarte ihm Anspannung. Seine Augen zuckten leicht als habe er leichte Schmerzen. Die Transformation schien wohl nicht sonderlich angenehm abzulaufen. Beruhigend strich Gaara durch das Haar und dann über seine Wange. Deidaras Haut fühlte sich jetzt auch weicher an, wie die Haut eines Menschen. Das war wirklich erstaunlich. Allerdings sollte er sich um den Blonden kümmern, über den Rest konnte er sich später Gedanken machen.

„Alles in Ordnung“, hauchte er und deutete auf das Meer. „Du kannst dich bestimmt wieder zurück verwandeln.“ Deidara verstand kein Wort von dem, was er sagte. Aber er machte Anstalten, zum Wasser zu robben. Oh nein, nicht mit den Verletzungen! Der Ningyo war gerade erst aufgewacht. Da sollte er sich noch etwas ausruhen. Gaara hielt Deidara an der Schulter zurück. Verwirrt sah dieser ihn an. Zuerst zog der Rotschopf jedoch wieder die Decke über dessen Unterleib. Es machte ihn nervös, wenn Deidara hier derartig unbedeckt saß. Gaara rutschte näher hinter ihn und zog ihn sanft an sich, sodass der Blonde seinen Kopf an seine Brust lehnen konnte. Langsam schien er sich auch wieder zu beruhigen. Seine Hände zitterten nicht mehr. Dafür zupfte er nun an dem Verband. Gaara legte seine Hand über die Finger und unterband das Zupfen, damit er nicht noch den Verband lockerte. Erneut ein fragender Blick. „Lass den erst mal dran“, murmelte er. Zumindest gab der Blonde nach und betrachtete den Verband nur noch.

Etwas Nahrung war sicher auch nicht verkehrt. Also hielt er ihm die halb leere Wasserflasche hin. „Trink“, forderte er ihn leise auf. Deidara griff nach der Flasche und kam seiner Bitte nach. Das beruhigte nun ihn selbst langsam. Die Flasche nahm er dem Ningyo anschließend wieder ab und öffnete den Furoshiki. Gaara hob den Deckel von der Bentôbox und holte vorsichtig ein Taiyaki[2] heraus. Es war vielleicht nicht das Gesündeste, aber die Schokoladenfüllung enthielt Zucker und für Deidaras Kreislauf war das wohl nicht das Schlechteste. Der Blonde betrachtete die Süßigkeit und sah dann zu ihm hoch. „Taiyaki“, erklärte Gaara. „Ist süß.“ Mit ‚süß‘ konnte Deidara inzwischen ja etwas anfangen. Neugierig biss dieser von dem Taiyaki ab. Anscheinend war er recht leicht mit angenehmen Dingen abzulenken, denn er konzentrierte sich nun komplett auf das Taiyaki in seinen Händen.

Erleichtert seufzte Gaara. Deidara schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen. Das war wohl Glück im Unglück. Was den Blonden so zugerichtet hatte? Er wollte ihn gern fragen, was passiert war. Aber an diese Hürde würde er sich wagen, wenn es Deidara etwas besser ging.
 

____________________________________________________

[2]Taiyaki: http://www.nekobento.com/?page=taiyaki

Erste Schritte

Gaara schaute hinab in das entspannte Gesicht, welches sich gegen seine Brust schmiegte. Nach dem Taiyaki war der Blonde schnell eingeschlafen. Sicher war er erschöpft von den Verletzungen und dem Schock. Seine Hände ruhten auf der Decke. Bevor Deidaras Bewusstsein abgedriftet war, hatte er die trockene, nun komplett menschliche Hand befühlt. Vielleicht sollte er froh über dessen allgemeine Neugier sein. Wäre jemand anderes in einem halb fremden Körper aufgewacht, wäre derjenige wahrscheinlich nicht so leicht zu beruhigen gewesen.

Gedankenverloren strich Gaaras Hand durch das goldblonde Haar. Im trockenen Zustand glitt es weich durch seine Finger, wie feiner Sand. Was Deidara nun mit dieser neuen Erkenntnis machte? Er könnte das Laufen lernen. Und vermutlich war der Ningyo, sobald er das erst mal konnte, schwer zu halten. Irgendwie musste er ihm klar machen, dass er bei anderen Menschen vorsichtig sein musste. Dass nicht jeder so reagierte wie er selbst. Der Rotschopf sah sich als Ausnahme. Wenn andere Menschen nicht schockiert wegrannten und das Gesehene als Hirngespinst abtaten, erzählten sie es herum. Gelangte Deidara an die falschen Menschen, lautete die Endstation Untersuchungslabor. Das wollte Gaara nicht. Hinzu kam, dass der Ningyo sich überhaupt nicht unauffällig zwischen Menschen bewegen konnte, weil er die Gepflogenheiten nicht kannte. Irgendwie fühlte er sich für Deidara verantwortlich und er wollte ihn gern vor den Gefahren schützen, die von seinesgleichen ausgingen. Das war doch das Mindeste, was er für ihn tun konnte, wo der Blonde sich ihm gegenüber so angenehm normal verhielt. Normal war eindeutig das falsche Wort in diesem Zusammenhang, aber in seinem Geist klang es genau richtig.

Allmählich neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen. Eigentlich müsste Gaara sich auf den Weg zurück zu seiner Familie machen. Doch was geschah in der Nacht mit Deidara? Er wollte ihn hier nicht allein lassen. Vielleicht robbte er ins Wasser zurück trotz der Verletzungen und wenn das, was ihn verletzt hatte, ihn erneut angriff? Wie ein Unfall kamen ihm diese Wunden nicht vor.

Gaara fasste einen Entschluss. Im Sommer war es in Okinawa heiß genug, um die Nächte auch draußen verbringen zu können. Leicht rüttelte er an Deidaras Schulter und sprach seinen Namen. Ein müdes Murren drang aus dessen Kehle. Dann hoben sich die Lider langsam und er sah zu ihm auf. Wie erklärte er ihm nun, dass er kurz rüber rudern würde und gleich wieder zurück kam? Gaara deutete zur Bucht. „Ich muss kurz ein paar Dinge holen.“ Eindringlich sah er in die azurblauen Augen.

„Bleibst du hier?“ Der Rotschopf zeigte nun auf den Ningyo und schloss in einem kleinen Kreis die Insel ein. Langsam setzte Deidara sich richtig auf. Sein Haar fiel nun mehr nach vorn und verdeckte seine linke Gesichtshälfte nun wieder fast völlig. Fragend traf ihn dessen Blick. Gaara erhob sich langsam und brachte die leere Wasserflasche und die Bentôbox ins Boot. Dann kam er zu dem Blonden zurück, der unruhig wirkte. Er kniete sich neben ihn und strich ihm über die Wange. „Ich bin gleich wieder da“, erklärte Gaara leise. Kurz zeigte er auf die Decke. Vielleicht begriff der Ningyo, dass er bisher nie etwas hier gelassen hatte. „Warte kurz“, fügte er leiser an und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
 

„Temari, ist das Abendessen schon fertig?“, fragte Gaara. In seinem Zimmer hatte er sich kurz umgezogen und trug nun eine halblange, rotbraune Badeshorts und ein schwarzes Shirt. Für Deidara hatte er in eine Decke unauffällig ebenfalls Kleidung eingewickelt. Da dieser ungefähr dieselbe Größe wie er hatte, sollten ihm seine Sachen passen. So stand Gaara nun in der Küchentür und wartete auf eine Antwort seiner älteren Schwester.

Diese wandte sich ihm kurz zu und fragte: „Ist fast fertig, wieso? Willst du heute noch mal raus?“

Die Frage bestätigte Gaara. „Kann ich mir was mitnehmen?“ Temari wirkte ein wenig irritiert. Nach ein paar Augenblicken nickte sie langsam. „Aber treib dich nicht mehr auf dem Meer rum nach Einbruch der Dunkelheit.“

Gaara legte die zusammengerollte Decke auf einem Stuhl ab und holte eine frische Bentôbox aus dem Küchenschrank. „Mach ich nicht“, versprach er. Immerhin würde er noch im Hellen zu Deidara zurückkehren. Die Box füllte er bis zum Rand, was Temari leider nicht verborgen blieb. „Willst du campen? Du isst doch sonst nicht so viel.“

Ganz falsch war ihre Frage nicht. Er würde über Nacht draußen bleiben, nur durfte sie nicht wissen, dass das Essen nicht für ihn allein war. „So in der Art. Ich nehm mir das Zelt“, erklärte er.

Bevor seine Schwester ihn weiter löchern konnte, verschloss er die Box, griff sich noch eine neue Wasserflasche aus dem Kühlschrank und verschwand mit dem Abendessen und der Decke samt Kleidung aus der Küche. Gaara hörte noch, wie sie ihm nachrief, dass er doch im Haus schlafen könne, aber darauf reagierte er nicht mehr.

Oft sah seine Familie ihn sowieso nur zu den Mahlzeiten. Manchmal auch nur kurz zwischendurch. Einen gemeinsamen Familientag gab es nicht wirklich, nur diesen Familienurlaub. Temari hielt die Geschwister ein wenig zusammen, aber ansonsten machte jeder inzwischen mehr oder weniger seins. Da Gaara schon immer zurückhaltender gewesen war als sein Bruder, wunderte es niemanden besonders, dass er den halben Tag auf der kleinen Inselgruppe verbrachte. Kankurô tingelte die meiste Zeit durch Aka oder fuhr mit einem Motorboot auch mal auf eine größere Insel rüber, um etwas mehr Gesellschaft zu haben – wo was los war, erklärte er dann immer. Gaara wusste, dass sein Bruder eigentlich gar nicht mehr mitkommen wollte, aber Vater hatte sich durchgesetzt. Selbiger streifte durch den Wald oder schwamm mal in der Bucht oder war irgendwo auf der Insel unterwegs. Aber eben auch meist für sich.
 

Die Sonne berührte gerade den Horizont, als er sein Boot auf den Sand hinauf zog. Schon vom Weiten hatte er gesehen, dass der Blonde noch da war. Dieser lehnte inzwischen am Felsen. Gaara nahm die Sachen aus dem Boot und setzte sich wieder neben ihn. Während er die Kleidung aus der Decke ausrollte, spürte er Deidaras Finger auf seinem Oberkörper und hielt inne. Nun gut, er schien gerade eher an seinem Shirt interessiert zu sein. Aber das traf sich gut. Gaara faltete das mitgebrachte, schwarze Shirt auseinander und hielt es dem Blonden hin. Irritiert sah er von dem Stoff zu ihm und griff dann langsam danach. „Schau mal“, meinte der Rotschopf einfach und nahm eine von Deidaras Händen, führte sie langsam in das Shirt hinein und durch den kurzen Ärmel. Auffordernd sah er ihn an und nickte leicht. Noch etwas unsicher folgte dessen zweite Hand der ersten in den Stoff. Es war wie mit einem kleinen Kind. Deidara hatte natürlich keine Ahnung, wie man sich anzog. Aber Gaara wäre wohler, wenn er über die Nacht etwas trug. Hier draußen wurde es durch den Wind nun mal etwas frischer ohne die wärmenden Strahlen der Sonne. Vor allem wäre es nett, wenn Deidara eine Hose am Leib hätte.

Nachdem er ihm das Shirt über den Kopf gestreift hatte, zog er behutsam das lange Haar unter dem Stoff hervor. Deidara zupfte derweil an dem Shirt herum. Was er davon hielt, konnte er ihm momentan nicht vom Gesicht ablesen, was vielleicht auch daran lag, dass der Blonde sich selbst noch nicht sicher schien. Innerlich bereitete Gaara sich darauf vor, ihm auch noch die Shorts anzuziehen. Mehr oder weniger. Der Rotschopf schlug die Decke bis zu Deidaras Knien zurück und nahm erst den einen Fuß, um ihn durch das Hosenbein zu stecken, dann den anderen. Ein Stück weit zog er die hellgraue Shorts selbst hoch, dann ließ er aber von Deidara ab und sah zu ihm, deutete auf die Hose, die ungefähr an seinen Knien hing und anschließend auf seine eigene. Zufrieden beobachtete er, wie der Blonde nach dem Hosenbund griff und sich die Hose selbst weiter hoch zog. Ein wenig ungeschickt stellte er sich an, aber schließlich lag die Decke neben ihm und die Shorts bedeckte, was sie bedecken sollte. In diesem Moment war Gaara sehr froh über diese Badeshorts. Das ersparte Deidara vorerst die Auseinandersetzung mit Reißverschluss und Knopf.

Der Ningyo war noch mit der Erkundung der Kleidung beschäftigt, sodass Gaara sich erhob. „Ich bau eben das Zelt auf.“ Deidara verstand ihn nicht, aber sicher würde er ihn gleich beobachten. Erwähntes holte er nun aus dem Boot und brachte alles zu einer relativ geschützten Stelle zwischen ein paar höheren Felsen, an denen sich auch ein kleiner Baum festklammerte, der wohl etwas Erde oder Sand in den Zwischenräumen des unebenen Gesteins gefunden hatte.

Die Plane legte er auf den Boden und schob die Stangen durch die Laschen. Schon spürte Gaara den Blick des Blonden auf sich. Aber bei Deidara war es ihm nicht unangenehm. Kurz sah er zu ihm rüber und ein Lächeln deutete sich auf seinen Lippen an. Sobald die Stangen die Plane hielten, trieb er die langen Heringe, die vermutlich extra für sandigen Boden gedacht waren, in den Sand, bis er der Meinung war, dass sie genug Halt hatten, um das Zelt und die Seile halten zu können. Gaara hatte früher ab und an mit seinem Bruder in dem Zelt am Strand in der Bucht übernachtet. Kankurô hatte das als Kind aufregend gefunden. Pirat hatte er mit ihm spielen wollen, aber irgendwann aufgegeben, weil Gaara ihm zu ‚langweilig‘ gewesen war, denn er hatte viel lieber schwimmen und Muscheln suchen wollen. Wenn er sich das Zelt so anschaute, musste es aus der Zeit stammen, in der ihre Mutter noch gelebt hatte. Zudem war es auch nur für zwei Personen gedacht. Es würde ihn nicht wundern, wenn Vater und Mutter damals gezeltet hatten. Andernfalls wäre dieses Zelt nicht in ihrem Besitz.

Gaara schob die Plane vom Eingang weg und befestigte sie an der Seite. Ein Rascheln ließ ihn aufhorchen und er drehte sich nach Deidara um. Warum wunderte ihn nicht, dass dieser von Neugier geplagt näher robbte? Sollte er Schmerzen haben, dann offensichtlich keine starken, denn er belastete beide Arme scheinbar ohne nennenswerte Probleme. Wenn es ihm schon wieder so gut ging, konnte er auch versuchen, zu stehen. „Warte“, sagte Gaara also und schritt zu ihm. Sich vor Deidara hockend, nahm er seine Arme und legte sie um seinen Hals. „Festhalten“, fügte er leise an. Noch verstand Deidara ihn nicht, er erkannte es an dem verwirrten Blick. Seine eigenen Hände blieben auf Deidaras Oberarmen liegen als Zeichen, dass er nicht loslassen sollte. Dessen Griff festigte sich auch sofort, als er selbst sich langsam hochstemmte. Gaara schwankte unter dem fremden Gewicht. Er vermutete, dass Deidara ungefähr so schwer war wie er selbst. Und momentan hing er wohl fast gänzlich an ihm. Der Stärkste war Gaara nicht, aber nach einem Augenblick, in dem er sich in Gedanken bereits auf dem Boden sah mit dem Blonden auf sich, fand er einen sicheren Stand und verharrte. Die Situation erinnerte ihn an die Male, wo Deidara ihn durchs Wasser gezogen hatte. Sie hatten lediglich die Rollen getauscht.

Seine Hände glitten eher unbewusst tiefer und legten sich in Deidaras Taille, wollten ihm so ein wenig Halt geben. Unsicher schaute ihn das azurblaue Auge an, dann hinab zum Boden. Gaara wackelte leicht mit den Zehen. „Versuch es.“ Seine Worte klangen hoffentlich aufmunternd. Sehen konnte er nicht, was Deidaras Füße genau machten, aber nach ein paar Momenten wurde er deutlich leichter, auch wenn er sich weiterhin Halt suchend an ihm fest hielt. Gaara hielt die Beine des Ningyo für kräftig genug, um sein Gewicht tragen zu können. Die Muskeln in der großen Flosse und dem Fischleib konnten wohl kaum einfach ‚verschwunden‘ sein. Er musste demnach nur lernen, sie anders zu bewegen.

Gaara machte einen kleinen Schritt nach hinten und stellte sich darauf ein, gleich wieder mehr Gewicht des Ningyo halten zu müssen. So schnell würde Deidara sicherlich nicht mit dem Laufen zurecht kommen. Und wie erwartet, sobald der Blonde sich bewegte, verlor er das Gleichgewicht und krallte sich an ihn. Gaara stemmte sich in den Boden, um ihm eine Stütze zu sein. Nach und nach fand Deidara seinen eigenen Halt wieder, stand nun aber noch dichter an ihn geschmiegt. Der Rotschopf suchte seinen Blick. „Nur ein Bein“, sagte er leise und schaute an ihnen hinab. Eine Hand löste er von Deidara und deutete auf das rechte Bein. Unauffällig schob sich sein anderes Bein parallel vor Deidaras, damit er keine Möglichkeit hatte, es einfach mit zu bewegen. Dann ging er wieder langsam einen kleinen Schritt zurück. Der Widerstand an seinem linken Bein zeigte ihm deutlich, dass er richtig dachte und Deidara automatisch versuchte, mit beiden Beinen zugleich zu gehen. Auf das zusätzliche Gewicht, welches wieder an ihm zerrte, war er vorbereitet, sodass er kaum noch schwankte. Aber es schien irgendwie zu gelingen. Deidara wirkte ein wenig erschrocken, als er hinab sah, aber er hatte tatsächlich so etwas Ähnliches wie einen Schritt gemacht. „Gut“, meinte Gaara leise und ein Lächeln huschte über seine Lippen. Er setzte seine Strategie fort. Bis zum Zelt war es nicht sehr weit. Für das erste Mal klappte es doch schon ganz gut, fand Gaara. Das Bein, was sich nicht vorwärts bewegen sollte, hielt er zurück und der Widerstand wurde auch nach und nach weniger. Deidara begriff allmählich, dass Beine anders funktionierten als eine Flosse. Dennoch atmete der Blonde erleichtert auf, als er sich beim Zelt hinsetzen konnte.

Gaara holte nur noch schnell die Decken und die anderen Dinge herüber, dann ließ er sich neben dem Ningyo in den Sand sinken. Dieser war schon vollauf damit beschäftigt, das Zelt zu erkunden und hinein zu sehen. Eine der Decken schob Gaara ins Innere, sowie den Erste-Hilfe-Kasten und die neue Wasserflasche. Die Bentôbox behielt er auf seinem Schoß und öffnete sie.

Interessiert betrachtete Deidara den Inhalt. Bei einem Blick auf die Stäbchen wurde Gaara die nächste Hürde bewusst. Oder sollte er ihn einfach erst mal mit den Fingern essen lassen? Einmal konnte er die Stäbchen doch auch weg lassen. Davon ging die Welt nicht unter. Also legte Gaara sie beiseite und stellte die Bentôbox zwischen sie. „Iss ruhig.“ Ein kleines Lächeln sollte den Blonden ermutigen zuzugreifen. Er selbst nahm sich ein kleingeschnittenes Würstchen und schob es sich zwischen die Zähne.
 

Gaara schaltete sein Handy auf lautlos. Netterweise hatte er es mitgenommen, falls seine Familie auf die Idee kam, sich Sorgen machen zu müssen. Aber er wollte ungern laut gestört werden. Ausnahmsweise betrachtete Deidara die Sterne, sodass er von seinem kleinen Spielzeug nichts bemerkte. Es wäre sehr schwer geworden, Deidara zu erklären, was das war. Eigentlich… momentan unmöglich, wenn er darüber nachdachte.

Sein Blick wanderte wieder hoch zum nächtlichen Himmel. In Ôsaka sah man bestenfalls sehr hell leuchtende Sterne, wenn überhaupt. Eher konnte man wohl einen Helikopter erkennen als einen Stern. Zu viele Lichter erleuchteten die Stadt nachts. Aber hier, wo die gesamte Umgebung dunkel war, strahlten tausende Sterne am dunklen Firmament und wie ein heller Schleier zeigte sich die Milchstraße. Gaara schaute sich gern die Sterne an. Ein Grund mehr, warum Kankurô ihn langweilig gefunden hatte, wenn er als Kind mit seinem jüngeren Bruder spielen sollte. Kankurô war immer der temperamentvollere gewesen. An sich besaß seine gesamte Familie ein gewisses Temperament, aber bei dem Rothaarigen zeigte es sich am seltensten. Dafür waren seine Ausbrüche dann jedoch die heftigsten. Gaara hatte ab und an seine Beherrschung verloren, wenn andere Kinder ihn zu sehr geärgert hatten. Ein blaues Auge war da noch unter harmlos zu verbuchen. Mit zunehmendem Alter hatte er aber gelernt, sich besser zu beherrschen. Hoffte er. In der Schule mieden seine Klassenkameraden ihn einfach seit dem ersten Ausbruch seines Temperaments, den sie selbst heraufbeschworen hatten. Das war jetzt gut eineinhalb Jahre her.

Deidara gähnte neben ihm. Der Tag war anstrengend gewesen, vor allem für den Ningyo. Sie sollten wohl langsam schlafen. „Schlafen?“, fragte Gaara und deutete auf das Zelt. Wie so oft traf ihn ein verständnisloser Blick. Er erhob sich aber erst mal und schüttelte den Sand aus der Decke, damit sie die zum zudecken nehmen konnten. Anschließend schob er sie ins Zelt und krabbelte hinein, bedeutete Deidara, ihm zu folgen. Sobald dieser neben ihn gekrochen war, schloss er die Plane und breitete die Decke über ihren Beinen aus.

Der Ningyo war kaum mehr als ein Schemen. Aufgeregt begann Gaaras Herz gegen seine Rippen zu schlagen, als er sich näher zu ihm beugte. Deidara griff nach seiner Hand und legte etwas in seine Innenfläche. Es musste klein sein, denn er spürte es kaum. Mit der freien Hand tastete er nach der Taschenlampe, die er irgendwo hier ins Zelt gelegt hatte. Nach kurzem Suchen fand er sie und schaltete sie ein. Deidara schreckte zurück. „Alles in Ordnung“, murmelte Gaara beruhigend und während Deidara die Taschenlampe kritisch beäugte, richtete er das Licht auf seine Hand. Darin lag eine grünlich schimmernde Perle, vielleicht gerade mal so groß wie der Nagel des kleinen Fingers. Er nahm sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Eine kleine, dunklere Einbuchtung durchbrach die ansonsten ebenmäßige Fläche. Davon abgesehen war die Perle makellos. Jadefarbene Augen suchten Blickkontakt. „Für mich?“, fragte er leise. Deidara neigte den Kopf leicht und deutete auf die Perle und auf ihn. Dann legte er selbige wieder in Gaaras Hand und schloss seine Finger darum. Das war das erste Geschenk, was Gaara von jemandem außerhalb seiner Familie bekam. Der Ningyo lächelte und in seinem Inneren kribbelte schon wieder alles. Er mochte dieses Lächeln so sehr, stellte er fest. „Danke“, hauchte Gaara. Zwar war er kein Freund von Schmuck, aber diese einzelne Perle fiel für ihn nicht unter die Kategorie Schmuck. Außerdem war es ein Geschenk von Deidara und die grünliche Farbe sah auch wirklich sehr hübsch aus. Jetzt hatte er eine Art Andenken an ihn, wenn er nicht bei ihm sein konnte.

Gaara legte die Taschenlampe neben sich auf die Decke und ließ die Hand in das schöne weiche Haar gleiten. Sanft zog er Deidara näher zu sich, um ihre Lippen zu einem Kuss zu vereinen. Die ganze Situation war schrecklich kitschig, dachte er sich, aber es war auch genau das, was ihn jetzt hier mit Deidara unglaublich entspannte und ein herrlich warmes Gefühl in ihm auslöste.

Herzmuscheln

Gedankenverloren betrachtete Gaara die kleine Perle, die Deidara ihm geschenkt hatte. Der Rothaarige saß im Schatten der Veranda. Ein leichter Wind wehte vom Strand her und stromerte durch das Haus. Da die Schiebetüren alle geöffnet waren, konnten die sanften Böen die angestaute Hitze gut verscheuchen. Gerade in solch heißen Gegenden waren die traditionellen japanischen Häuser sehr nützlich. Es ließ sich wirklich gut aushalten.

Am Morgen hatte Deidara die Verbände gelöst, gegen seinen Willen. Aber er schien mit solchen Wunden vertraut zu sein. In Bildern hatte der Ningyo ihm erklärt, dass er angegriffen worden war, nachdem er ihm ein wenig umständlich begreiflich gemacht hatte, dass er gern die Ursache für die Verletzungen wissen wollte. Danach hatte Deidara sich ins Meer zurückgezogen. Wie erwartet hatte er sich im Wasser wieder vollständig in einen Ningyo verwandelt. Wie die Gesellschaft der Meermenschen wohl aufgebaut war? Und wenn Deidara angegriffen worden war, was bedeutete das? Entweder war eine Bande Krimineller daran schuld… oder aber Deidara war selbst kriminell. Konnte er eigentlich in diesen menschlichen Mustern denken? Vielleicht war alles ganz anders. Leise seufzte er. Gaara hoffte, dass sie sich irgendwann richtig verständigen konnten.

Leicht drehte der Rotschopf die grünliche Perle zwischen seinen Fingern. Nachdenklich hob er sie höher, besah sich die dunklere Einbuchtung genauer. Irgendwie… erinnerte ihn die Perle an seine Augen. Die Farbe war ähnlich und wenn er sie so hielt wie jetzt, sah sie aus wie seine Iris samt Pupille. Hatte Deidara ihm bewusst genau diese Perle geschenkt? Der Gedanke löste ein warmes Kribbeln in seinem Körper aus. Es wäre ein eindeutiges Zeichen, dass der Blonde seine Augen mochte. Ein Lächeln huschte über seine Lippen.

Die Perle wurde ihm aus der Hand genommen. „Du siehst aus wie ein Mädchen, das von seinem Freund einen Ring geschenkt bekommen hat.“ Augenblicklich versiegte das Lächeln. Gaaras Kopf ruckte zu Kankurô herum, der nun seine Perle in der Hand hielt. „Gib her.“ Seine Worte waren leise, aber nachdrücklich. Gaara erschreckte sich vor sich selbst ein wenig, denn er spürte die Wut in sich brodeln, die sein älterer Bruder in seiner Stimme wohl auch bemerkt hatte. Fordernd streckte er seine Hand aus. Die Perle war ein Geschenk von Deidara. Und niemand sollte sie ihm wegnehmen.

Skeptisch sah Kankurô ihn an. „Ganz ruhig. Du kannst deine Perle behalten. Ich will sie nicht“, erwiderte der Brünette beschwichtigend und ließ sie in seine Handinnenfläche fallen. Sofort schlossen sich Gaaras Finger schützend darum. Innerlich beruhigte er sich wieder. Den zweifelnden Blick ignorierte der Rothaarige, starrte nur abwartend zurück. „Manchmal bist du echt komisch, Brüderchen.“ Kankurô seufzte und zerstrubbelte sein Haar. Dann stieg er die Treppen von der Veranda hinab. „Sag Temari, sie soll nicht auf mich warten mit dem Abendessen“, rief er ihm noch über die Schulter zu, ehe er aus seinem Sichtfeld verschwand. Gaara brummte und richtete die roten Strähnen einigermaßen. Wenigstens hatte Kankurô aufgegeben, ihn mitschleifen zu wollen so wie er ihn früher dazu gedrängt hatte, mit ihm zu spielen. Er mochte diese lauten, verrauchten Clubs nicht, in denen man sich kaum bewegen konnte, ohne seinem Nachbarn auf die Füße zu treten.

Jadefarbene Augen senkten sich in seinen Schoß hinab, wo er die Hände abgelegt hatte. Seine Finger lockerten sich wieder und gaben die Sicht auf die Perle frei. Welche Bedeutung dieses Geschenk wohl hatte? War es einfach nur ein Geschenk wie bei den Menschen? Gaara wusste einfach viel zu wenig von dem Leben des Ningyo. Wie er die intimen Gesten zwischen ihnen deuten sollte, fragte er sich auch allmählich. Deidara musste doch auch klar sein, dass eine Beziehung zwischen ihnen alles andere als leicht sein würde. War dem Ningyo ihr Zusammensein überhaupt so ernst wie ihm? Erneut huschte ein Seufzen über seine Lippen. Irgendwie sollten sie einmal darüber reden. Viel Zeit blieb ihm auch nicht mehr, da die Ferien sich ihrem Ende neigten und seine Familie wieder nach Ôsaka zurückfliegen würde. Und dann musste er wieder ein Jahr warten, bis er Deidara wiedersehen konnte.

Er würde dem Blonden auch gern etwas schenken. Aber er wusste beim besten Willen nicht, was er ihm schenken könnte. Schließlich musste es wasserfest sein, was die Angelegenheit bedeutend schwerer machte. Glas wäre möglich… ob er ihm auch eine seiner gesammelten Muscheln schenken könnte? Deidara lebte im Wasser, er könnte sich jederzeit selbst welche suchen. Aber das war bei einem Geschenk auch nicht so wichtig, oder? Er sollte mal seine Sammlung durchforsten. In den vielen Jahren hatte er einige schöne Muscheln gefunden.
 

In den nächsten Tagen kam Deidara wie üblich zum Strand. Die Verletzungen heilten gut, worüber Gaara sehr erleichtert war. Der Blonde ließ sich nun auch absichtlich von der Sonne trocknen und übte dann Laufen. Sonderlich angenehm schien die Transformation wirklich nicht zu sein, wirkte Deidara jedes Mal angespannt, doch das hielt ihn offensichtlich nicht auf. Und das Laufen klappte auch zunehmend besser. Gaara nahm inzwischen immer eine zweite Badehose mit auf die kleine Inselgruppe, damit der Ningyo nicht nackt herumlief, was diesen wohl weit weniger störte als ihn selbst. Denn jedes Mal, wenn er ihm die Hose hinhielt, schnaufte Deidara unwillig, streifte sie letztendlich aber doch über. Der Ningyo fand die Badehose unbequem. So viel hatte er ihm zu verstehen geben können. Trotzdem konnte er ihn ja nicht komplett nackt rumlaufen lassen.
 

Gaaras Blick wanderte über die ruhigen Wellen des Meeres. Das war der letzte Tag. Morgen musste er zurück in die Stadt. Er wollte lieber hier bleiben. Doch das ging nicht. Wieder musste er ein Jahr warten, bis er Deidara wiedersehen konnte. Einen letzten schönen Tag wollte er mit ihm verbringen. Aber noch war der Ningyo nicht da. Seine Hand wanderte in die Tasche seiner Badeshorts und holte die Hälfte der Muschelschale heraus, die er dem Blonden schenken wollte. Sie war in ein warmes Rot getaucht, durchzogen von dunkelbraunen Streifen. Gaara fand sie sehr hübsch. Zudem war es eine der wenigen sehr farbintensiven Muscheln gewesen, die er gefunden hatte. Diese Hälfte hier sollte Deidara bekommen, die andere Hälfte behielt er. Während seine Finger über die geriffelte Oberfläche der Herzmuschel strichen, musste er an ihr Gespräch kürzlich denken.
 

Gaara genoss ihre Küsse sehr. Allerdings fiel ihm auch auf, dass sie allmählich an Leidenschaft gewannen. Das Kribbeln in seinem Inneren intensivierte sich zunehmend, was ihm auch ein klein wenig Angst machte. Fast widerwillig zog sich seine Zunge zurück und er löste den Kuss. Deidara schmeckte viel zu gut und an dem leichten Salzgeschmack, der oft auf dessen Lippen lag, störte er sich nicht, war er durch das Meer daran gewöhnt. Sein Blick traf auf Azurblau. Der begehrende Ausdruck in Deidaras Auge jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Sanft strichen seine Finger durch das lange Haar. Der Rotschopf wollte gern wissen, was das zwischen ihnen war, bevor er sich mehr auf diese ganze verrückte Beziehung einließ.

„Was ist das?“, fragte er leise. Zumindest die Frage verstand Deidara inzwischen. „Was?“, hakte er aber nach, da Gaara noch nicht spezifiziert hatte, was er meinte. Langsam zog er seine Hand aus den goldblonden Strähnen zurück und brachte ein wenig Abstand zwischen sie, um bequem von Deidara zu sich selbst zu zeigen und dann wieder zu ihm. „Zwischen uns?“, fügte er zur Geste unterstützend an.

Der Blonde legte den Kopf leicht schief und schien einen Augenblick nachzudenken. Dann sagte er etwas in seiner Sprache, was Gaara aber nicht verstand. Verständnislos sah er den Ningyo an. Deidara wandte sich dem Sand zu, strich ihn kurz glatt, um zu zeichnen. Nach und nach erkannte Gaara eine Herzmuschel. Für ein im Sand gezeichnetes Bild war sie sehr detailliert, fand er. Ihre Blicke trafen sich wieder und er meinte, so etwas wie Unsicherheit in Deidaras sichtbarem Auge zu erkennen. Doch dieser Schimmer war so unterschwellig, dass er sich nicht ganz sicher war.

Allerdings… verstand er immer noch nicht, was Deidara ihm mit der Zeichnung sagen wollte. „Tut mir Leid, ich verstehe nicht“, erklärte er mit betrübten Unterton. Es gab so viele Unterschiede zwischen ihnen. Sie kamen aus so unterschiedlichen Welten. Wie sollten sie sich nur je wirklich verstehen? Aber aufgeben wollte Gaara auch nicht. Dafür war ihm der Ningyo zu wichtig. Dessen trauriger Gesichtsausdruck versetzte ihm sogleich einen Stich. Was auch immer das Bild bedeutete, es war wichtig. „Ich werde es irgendwann bestimmt verstehen“, versicherte er gestenreich. Sanft strich er dem Blonden über die Wange und versuchte sich an einem aufmunternden Lächeln.
 

Anschließend hatte sich nichts zwischen ihnen verändert. Sie überschritten jedoch nicht die Grenze, an der die innere Erregung körperlich sichtbar wurde. Denn dass Gaara den Blonden anziehend fand und auf seine Berührungen zunehmend mit Begehren reagierte, spürte er deutlich.

Ein Platschen lockte seine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart. Sein Herz schlug schneller, als er den goldenen Schimmer nahe des Strandes bemerkte. Eilig schloss sich seine Hand um die Muschel, damit Deidara sie noch nicht sah. Während der Ningyo sich auf den Sand schob, trat er zu ihm und hockte sich direkt vor ihn. Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen, während er sich vorbeugte und ihre Lippen vereinte. Deidaras Reaktion folgte prompt. Dessen nasse Hand legte sich in seinen Nacken und löste einen wohligen Schauer aus. Bereitwillig öffneten sich die kühlen Lippen des Ningyo. Gaara nutzte dies und schlüpfte mit seiner Zunge in die feuchte Mundhöhle. Leidenschaftlich schmiegten sich ihre Zungen gegeneinander. Der ein oder andere angetane Seufzer entfleuchte in den Kuss. Als sie sich schließlich wieder voneinander lösten, ging nicht nur Gaaras Atem etwas schwerer.

„Hallo“, hauchte Gaara leise. Deidaras Antwort war sein typisches Grinsen. Dann zog er sich neben ihm weiter auf den Strand hoch, um sich in der Sonne trocknen zu lassen. Gaara setzte sich. „Deidara, ich hab was für dich“, sagte er.

Der Blonde sah ihn fragend an. Ganz sicher war er nicht, wie viel er verstanden hatte, aber es wäre wohl möglich, dass er ihn auch nur ansah, weil er seinen Namen verstanden hatte und weil er der einzige war, mit dem Gaara hier sprach.

Gaara hielt ihm seine Hand hin und öffnete sie, sodass der Ningyo die Muschelschale sehen konnte. In dessen Gesicht konnte der Rotschopf nun Verblüffung erkennen. Der Blonde fragte etwas in seiner Sprache und deutete auf sich. Gaara nickte. „Für dich.“ Deidara griff nach der Muschelschale und besah sie sich genau. Dann traf ihn ein Blick, der ihm das Blut in die Wangen schießen ließ. Das Azurblau wirkte so warm und weich. Dazu noch dieses sanfte Lächeln. Gaara rieb sich über den Nacken. Die Situation machte ihn verlegen. Deidara schien sich über das Geschenk sehr zu freuen. Ungewohnt war es trotzdem für ihn. „Danke“, hauchte der Blonde. Mit den Fingern fuhr er über die Oberfläche der roten Muschelschale. Erneut fragte er ihn und als Gaara verständnislos blinzelte, zeichnete er in den Sand. Zwei einzelne Muschelhälften. Der Ningyo deutete auf die eine Hälfte und dann auf seine Muschelschale. Nun wurde sein Blick fragend, als er auf die zweite gezeichnete Muschelhälfte zeigte und anschließend auf Gaara.

„Ob ich die zweite Hälfte habe?“, fasste Gaara zusammen und nickte. „Im Haus“, fügte er an. Kurz streckte er sein Hand hinweisend in Richtung der Bucht von Aka aus. Von hier war das Haus kaum zu erkennen, aber das machte nichts. Die Antwort machte Deidara offensichtlich glücklich, denn im nächsten Moment landete Gaara mit einem überraschten Laut im Sand, der Blonde hing halb auf ihm. Eng schmiegte sich der noch feuchte Körper an ihn. Etwas langsamer hoben sich seine Arme zum Rücken des Ningyo. Dabei strich er über die Rückenflosse. Deidara verstand und legte sie an, sodass er seine Arme um ihn schließen konnte. Ein wenig unsicher war er nun aber schon. Schon wieder hatte Deidara diese Herzmuschel gezeichnet, auch wenn die Hälften dieses Mal getrennt waren. Was bedeutete das nur?

Bevor er sich darüber den Kopf zerbrechen konnte, wurden seine Lippen von dem Blonden vereinnahmt und er ließ seine Grübeleien fallen. Deidara war viel verlockender. Gaaras Augenlider fielen zu. Eine Hand wanderte höher und in das schöne, goldene Haar, um sich darin zu vergraben. Anregendes Prickeln benetzte seine Lippen und drang langsam in seinen Körper vor. Nach einer gefühlten Ewigkeit zog der Ningyo sich so weit zurück, dass sie beide Luft holen konnten. Dieser weiche Glanz in dessen Augen war immer noch sichtbar. Gaara gefiel es, so angesehen zu werden. Dieser Blick löste Entspannung in ihm aus und schien ihn gleichzeitig von innen heraus zu wärmen. Wenn er daran dachte, dass er den Blonden erst in einem Jahr wieder sehen und spüren konnte... Unweigerlich entkam ihm ein schweres Seufzen.

Der fragende Blick seitens Deidara folgte sofort. Langsam rutschte der Ningyo von ihm runter und Gaara stemmte sich wieder in eine sitzende Position. „Morgen muss ich weg“, begann er. „Wir sehen uns erst in einem Jahr wieder.“ Den Kummer, die er dabei empfand, wollte er nicht einmal verbergen.

„Morgen… nicht sehen, hm?“, fragte der Blonde. Ganz verstanden hatte er noch nicht. Aber dieses Jahr würde es hoffentlich einfacher werden, ihm zu erklären, dass er erst in einem Jahr wieder da war. „Wie letztes Mal… ich bin lange weg.“ In den Sand zeichnete er eine kleine Insel und eine große und deutete mit einem Pfeil zur großen Insel den Weg an, wie das Jahr davor. In dem Moment schien Deidara zu verstehen. An diese Zeichnung erinnerte er sich zum Glück. Nun spiegelte sich auch bei ihm Trauer wider. „Will… nicht“, brummte er unwillig wie er es auch immer tat, wenn er die Badehose überziehen sollte.

Gaara strich ihm durch das schöne Haar. Diese Geste wurde anscheinend zu einer Art Sucht. „Ich komme wieder“, erklärte er mit Nachdruck. Der trübselige Blick aus dem azurblauen Auge tat ihm weh. Gaara würde auch lieber bleiben.

„Ein… Ja…hr?“, wiederholte Deidara langsam, hatte sich anscheinend gemerkt, was er eben gesagt hatte. Bestätigend nickte Gaara. „Ein Jahr. Dann bin ich wieder da.“ Und den Rest des Tages wollte er mit Deidara genießen.

Akatsuki

Kräftige Flossenschläge brachten Deidara der Meeresklippe näher, die sich östlich der Okinawainseln erhob. Steil brach der Fels dort ab und schien ins Bodenlose zu reichen. Wie tief die Rinne war, konnte niemand sagen. Ningyo konnten nicht so tief tauchen, hielt ihr Körper den Druck der Wassermassen irgendwann nicht mehr aus. Zudem war es dort unten so finster, dass selbst ihre guten Augen nichts mehr erkennen konnten. Wie in dieser Dunkelheit etwas leben konnte, war schwer vorstellbar. Allgemein hielten sich Ningyo in etwas flacheren Gewässern auf, in denen Riffe oder anderweitig Felsgebirge existierten, um die Höhlen als Behausung zu nutzen. Deswegen war die Klippe ein perfekter Treffpunkt für Akatsuki. Niemand suchte sie hier.

Der Blonde schwamm über die Klippe hinaus und wandte sich dem schwarzen Abgrund zu. Nah an der schroffen Felswand bewegte er sich hinab. Es wurde kälter. Deidara fühlte sich hier nicht unbedingt wohl, aber ein paar Stunden in der Einbuchtung waren ertragbar. Der Blonde verlangsamte sein Tempo und schwamm schließlich in selbige hinein. Wie eine übergroße Kerbe erschien diese Mulde, als habe ein Seeungeheuer mit einem Messer versucht, ein Stück aus dem Felsen heraus zu schneiden. Immer zur Tag- und Nachtgleiche traf Akatsuki sich hier, um Neuigkeiten auszutauschen. Ansonsten reisten sie teilweise umher oder lebten irgendwo versteckt, um nicht allzu schnell gefunden zu werden. Oft wussten sie nicht einmal gegenseitig, wo die anderen sich befanden.

Leider waren sie in der Gegend um Okinawa einigermaßen bekannt, was manch alltägliche Tätigkeit schwer machte. Ein einfacher Marktbesuch wurde zu einer Hetzjagd, wenn ein paar Jäger sie erkannten. Deidara hatte vor einer Weile mit ihnen Probleme bekommen. Er konnte von Glück reden, dass sie ihn erst erkannt hatten, als die Perle für Gaara bereits bezahlt war. Entkommen war er ihnen auch nur, weil er die Riffe besser kannte, sich gut versteckt hatte und in einem geeigneten Moment verschwunden war. Wie er mit den Verletzungen noch bis zu der winzigen Inselgruppe gekommen war, wusste der Blonde nicht mehr genau. Er hatte darauf gehofft, dass Gaara ihm half. Allein wäre es für ihn beschwerlich geworden, alle Verletzungen zu behandeln. Außerdem war er an Land sicher vor den Jägern des Dorfes.

Deidara ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Bis auf Hidan und Kakuzu befanden sich alle Mitglieder bereits hier. Die Schuppen ihres Anführers Yahiko schillerten in warmem Orange und zogen unweigerlich die Aufmerksamkeit auf ihn. Seine Augen dagegen wirkten beinahe farblos in diesem matten Grau. Schwarze Punkte durchbrachen die helle Haut in einer parallelen Formation an der Nase, der Unterlippe und seinen Armen. Um den Hals trug er eine Kette aus dunklen Perlen durchsetzt mit kleinen Korallenästen. Seine Gefährtin Konan erschien wie ein Kontrast zu ihm mit ihrem blauen Haar und der ebenso blauen Schwanzflosse. Ruhig erwiderten die orangefarbenen Augen Deidaras Blick. Ihre Brust war mit einem Geflecht aus Seetang bedeckt. Geschickt geflochten ließ es den Rücken weit genug frei, um die Flosse dort nicht zu beeinträchtigen. Zetsu gehörte auch zu den eher farbenfrohen Ningyo. Grün schimmerten Haar und Schuppen. Über seine Schultern und Arme zogen sich schwarze Streifen, die zu seiner Rückenflosse hin ausliefen. Dagegen machten Kisame und Itachi einen unauffälligeren Eindruck, wenn man den kräftigen Körperbau des Blauhaarigen außer Acht ließ. Doch dessen Blau schien sich mehr der Farbe des Meeres anzupassen. Selbst seine Haut wirkte eher bläulich. Sein Gefährte Itachi war der einzige von ihnen, dessen Schuppen in Schwarz getaucht waren, ebenso wie dessen Haar und die Augen. Deidara fand diese Augen unheimlich, weil er das Gefühl bekam, in den Abgrund zu sehen. Als schaue er geradewegs in die Rinne hinab und den Boden konnte man in der Dunkelheit nicht einmal erahnen.

Deidara legte seine linke Hand auf das Brustbein und neigte den Kopf. Die Ningyo erwiderten die Begrüßung auf dieselbe Weise, nur fand ihre rechte Hand den Weg auf die Brust, da der Blonde der einzige Linkshänder war.

Ein überraschter Laut entkam dem Blonden, als plötzlich ein Ruck durch seinen Körper ging und er sich im nächsten Augenblick in einer stürmischen Umarmung wiederfand. Ein unangenehmer Druck baute sich auf seine Rippen auf. Silbernes Haar gelangte in sein Sichtfeld. Hidan. Wieso musste er es immer übertreiben? „Deidara-chan, zwischen diesem Haufen Langweiler tut es echt gut, dich zu sehen.“

Deidara verdrehte die Augen und grub seine harten Nägel leicht in Hidans Unterarm. „Trotzdem musst du mich nicht jedes Mal halb erdrücken, hm“, knurrte er und erhöhte den Druck der Nägel. Murrend ließ Hidan ihn los und besah sich seinen malträtierten Unterarm. Ein paar Blutstropfen drangen aus den roten Halbmonden. „Stell dich nicht so an. Iss mehr, dann hast du mehr auf den Rippen und dann stört’s dich auch nicht mehr“, maulte Hidan und leckte über die kleinen Wunden. Deidara grinste. Die Nägel waren sehr praktisch. Er fragte sich, wie sich Menschen mit diesen viel zu weichen Nägeln überhaupt verteidigen oder Nahrung beschaffen konnten.

Bevor Hidan irgendwas anstellen konnte, griff Kakuzu nach ihm und zerrte ihn etwas auf Abstand. Fluchend ruderte die silberne Schwanzflosse durch das Wasser. Aber schließlich gab Hidan auf. Gegen seinen Aufpasser kam er nicht an. Der Braunhaarige konnte es an Unauffälligkeit mit Kisame aufnehmen. Zwischen Felsen verschmolzen die braunen Schuppen problemlos. Kakuzu hatte schon einige Kämpfe ausgefochten. Die Narben auf seinem Körper erzählten stumme Geschichten davon. Irgendwann hatte er Hidan aufgelesen, als dieser noch ein kleines Kind gewesen war. Der Grund war Deidara bis heute schleierhaft, denn die meiste Zeit stritten sie sich.

Vermutlich war ihr Verhältnis nicht unähnlich zu dem Verhältnis, welches er zu Sasori gehabt hatte. Der Rotschopf war oft genervt von ihm gewesen, hatte sich aber um ihn gekümmert nach dem Tod seiner Eltern. Auf diese Weise war er quasi bei Akatsuki aufgewachsen und in die Organisation mit hinein gerutscht. Vor drei Jahren hatten Jäger ihr Versteck aufgespürt und Sasori getötet. Nur dank der Unachtsamkeit eines Jägers war dem Blonden die Flucht gelungen.

„Da nun alle da sind“, begann Yahiko und sah einmal jeden einzelnen an, „können wir anfangen. Irgendwelche neuen Erkenntnisse?“

Seit vielen Jahren sammelte Akatsuki Informationen über die Menschen, gegen den Willen der Ningyodörfer. Sie fürchteten sich vor der zunehmenden Macht der Zweibeiner. Allmählich schienen sie sogar ins Wasser, in ihr Reich, vorzudringen. Kamen sie zu nahe an ihre Dörfer, wurden die Taucher von den Jägern angegriffen und getötet. Die Schiffe machten ihnen aber auch Sorgen, denn es waren keine Holzschiffe mehr wie in den Geschichten aus vergangenen Tagen erzählt wurde. Sie konnten diese Kolosse aus unnachgiebigem Material nicht mehr versenken, weswegen sie sich von ihnen fernhielten.

Akatsuki jedoch war der Ansicht, sich nicht vor den Menschen zurückzuziehen, sondern sie zu beobachten und mehr über sie zu erfahren. Man sollte den Feind schließlich gut kennen, wenn man gegen ihn vorgehen und sein Reich verteidigen wollte. Für sie ging jedoch weniger Gefahr von den Menschen aus als für die Ningyodörfer. Oft genug wechselten sie ihre Behausung und waren meist nur in Zweiergruppen oder allein unterwegs. Die Dörfer in den Riffen und Felsenhöhlen mussten sich deutlich mehr vor einer Aufspürung fürchten, denn eine Umsiedlung gestaltete sich als kompliziert. Und die Ningyo in den Dörfern waren der Ansicht, Akatsuki würde mit ihrer Neugier erst recht zu ihrer Entdeckung beitragen. Deswegen wurden sie gejagt. Dabei war das lächerlich. Schließlich waren sie vorsichtig, mehr oder weniger. Deidara war sich bewusst, wie riskant es gewesen war, sich Gaara zu zeigen. Doch er war sehr froh, genau das getan zu haben.

Allgemeines Kopfschütteln folgte auf die Frage. „Nichts Neues, nur das Übliche“, meinte Kisame. Hidan löste etwas von seinem Seetanggürtel und hielt es stolz hoch. „Das hab ich gefunden!“ Kakuzu seufzte. „Hidan, ich hab dir doch gesagt, das Ding ist nichts Neues! Sowas finden wir ständig in den untergegangenen Schiffen.“

Bockig wedelte der Silberhaarige mit dem Ding herum. „Und was ist es dann, hä? Kannst es mir ja nicht mal sagen!“

Deidara betrachtete das zylindrische Ding. Man konnte seine Hand gut darum schließen. Das Innere war hohl. Nur mit der Rundung, die von dem Körper abging und wo man durchschauen konnte, wussten sie nichts anzufangen. Sie hatten schon mal darüber gegrübelt, wofür die Menschen es benutzten, aber nur Graben war ihnen als logisch erschienen. Bei einem sandigen Boden ging das sehr gut. Doch bei harten Materialien zeigte dieses Ding keine Wirkung.

„Das wissen wir nicht“, erwiderte Yahiko und richtete seinen Blick nun auf Deidara. „Was Neues von deinem Menschen? Hast du ihn mal wieder getroffen?“

Deidara grinste breit und nickte. Nach dem ersten Entsetzen und der folgenden Skepsis hatten sie schnell begonnen, den Vorteil für sich zu nutzen, dass der Blonde Kontakt zu einem Menschen hatte. Er begann zu erzählen, was der Rotschopf ihm alles gezeigt und erklärt hatte. Von dem leckeren Essen berichtete er, von dem Zelt und dem Zeug, mit dem er seine Verletzungen behandelt hatte, von dem süßen Wasser, was man trinken konnte und von den Sachen, die man anzog. Aber das Beste kam ja noch.

„Wusstet ihr, dass wir eine zweite Gestalt haben, hm?“, fragte Deidara und genoss die irritierten Blicke. Diese Information würde so viel für Akatsuki ändern! Und es gefiel ihm, dass er derjenige war, der es herausgefunden hatte. Es war nur ein Zufall gewesen, aber das war nebensächlich.

„Wie meinst du das?“, fragte Yahiko.

Deidaras Grinsen wurde noch breiter. „Ich bin an Land getrocknet und mein Körper hat sich in den eines Menschen gewandelt, hm.“

Überraschung und Unglauben schlugen ihm entgegen. Selbst Itachi, der sich sonst kaum eine Emotion anmerken ließ, wirkte leicht überrascht. „Hast du dich an einem Kugelfisch vergiftet oder was? Das hast du dir doch sicher bloß eingebildet“, pfefferte Hidan ihm entgegen. Deidara schnaubte nur belustigt.

„Ist das wahr?“, hakte Yahiko nach. Der Blonde wurde ernst. „Ja. Ich wurde von Jägern auf dem Markt angegriffen und bin geflohen. Gaara hat mich an Land gezogen, als ich bewusstlos war. Als ich aufwachte, war ich in der Menschengestalt. Sobald ich wieder mit Wasser in Berührung kam, veränderte sich mein Körper in meine normale Gestalt. Die Transformation ist unangenehm, aber man gewöhnt sich dran, hm.“

„Kein Scheiß? Du meinst das ernst?“, fragte Hidan. Er wollte es wohl immer noch nicht so ganz glauben. „Du kannst es ausprobieren, hm“, erwiderte Deidara herausfordernd.

Kakuzu brummte: „Setz ihm keine Flausen in den Kopf.“

Zetsu rieb sich über das Kinn. „Das würde uns ungeahnte neue Möglichkeiten einräumen…“, begann er. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen eine ganz andere Kultur haben. Wir würden auffallen, wenn wir uns einfach unter sie begeben.“

Und es gab noch mehr zu bedenken. „Außerdem müsst ihr erst mal laufen lernen“, wandte Deidara ein. „Das ist schwerer als es aussieht. Und die Sprache ist das nächste Problem. Außerdem scheinen sie immer Kleidung zu tragen. Die haben wir auch nicht, hm.“

Itachis ruhige Stimme erhob sich. „Da du von ‚ihr‘ sprichst, bedeutet das, du kannst laufen?“ Unter dem bohrenden Blick aus den schwarzen Augen fühlte Deidara sich nicht wohl. Seine Ohren zuckten leicht. „Klar. Gaara hat es mir gezeigt, hm.“

Kisame grinste und seine spitzen Zähne blitzten auf. „Dann kannst du es uns ja zeigen.“

„Damit haben wir die erste Aufgabe bis zum nächsten Treffen. Wir suchen nach einer unbewohnten Insel, auf der wir uns mit dieser anderen Gestalt beschäftigen können“, fasste Yahiko zusammen.

„Und was dann?“, gab Konan zu bedenken. Bisher hatte sie sich ruhig verhalten, doch nun war es wohl an der Zeit, die mit den neuen Informationen einhergehenden Konsequenzen zu prüfen. „Wir können dann laufen. Aber das bringt uns noch nicht voran. Ohne diese Sachen, die die Menschen anziehen und ohne ihre Sprache zu verstehen, können wir uns nicht unter sie mischen und neue Informationen gewinnen.“

Yahikos Blick richtete sich erneut auf Deidara. „Verständigst du dich mit deinem Menschen immer noch mit Bildern?“

„Teilweise. Ein paar Worte und Sätze kann ich schon in seiner Sprache, aber ich verstehe sehr viel noch nicht, hm“, gestand er.

„Wann seht ihr euch das nächste Mal?“

Die Frage störte den Blonden. Nicht, dass Akatsuki auf die Idee kam, ihm nachzuschwimmen, wenn er sich mit Gaara traf. Er hatte keine Lust auf Beobachter. „Irgendwann nach der Zeit der langen Nächte, hm.“ Mit diesen Worten log Deidara nicht einmal, weil er nicht genau sagen konnte, wann Gaara wiederkam. Er würde einfach wieder täglich zur Insel schwimmen und schauen, ob er da war. Letztes Mal hatte das auch gut funktioniert.

Yahiko schien zufrieden mit der Antwort zu sein. „Dann ist alles klar. Zunächst konzentrieren wir uns darauf, eine passende Insel zum Laufen lernen zu finden. Und anschließend werden wir uns um die Sprache kümmern.“

Graue Augen lagen auffordernd auf Deidara. „Du wirst so viel wie möglich von ihm lernen.“ Unwille machte sich in Deidara breit. Vielleicht hätte er doch nichts von Gaara erzählen sollen und all den neuen Dingen, die er erfahren hatte. Es behagte ihm nicht, dass Akatsuki sich so sehr in seine Beziehung einmischen wollte. Denn mit dieser Anweisung taten sie genau das. Er wollte gern mehr von Gaaras Leben kennen lernen, aber er wollte sich nicht von den anderen diktieren lassen, welche Prioritäten er zu setzen hatte bei dem Umgang mit dem Rotschopf. Sie wussten nichts von ihrer Beziehung, aber übel nahm er es ihnen trotzdem.

„Ihr könnt euch auch selbst einen Menschen suchen und von ihm lernen, hm“, knurrte Deidara und wandte sich genervt ab. Mit schnellen Flossenbewegungen hatte er die große Kerbe im Fels verlassen und strebte aufwärts der Klippe entgegen, über die er wieder in das flachere Gewässer kam. Sobald er über selbige hinweg schwamm, drehte sich der weit entfernten Wasseroberfläche zu, sah in das helle Blau über sich und ließ sich treiben. Wenn er Yahikos Aufforderung nachkam, käme er sich schäbig vor, als würde er Gaara ausnutzen. Dabei erwiderte dieser seine Zuneigung. Die Perle hatte er ihm schließlich geschenkt, um ihm zu verstehen zu geben, dass er an ihm Interesse hatte und ihn als Gefährten gewinnen wollte. Ein paar Verständigungsschwierigkeiten hatte es zwar gegeben, weil Gaara mit seiner Zeichnung von der Herzmuschel nichts anfangen konnte, doch er musste es später noch begriffen haben. Warum sonst hätte er ihm die halbe Muschel geschenkt? Die Herzmuschel war ein Zeichen für Liebe, zwei Hälften, die gemeinsam ein Ganzes formten.

Der Blonde spürte Bewegung im Wasser und sah sich um. Konan war ihm nachgeschwommen und näherte sich ihm nun langsam. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie.

Schnaufend schlug er mit der Flosse und brachte sich in eine aufrechtere Position. Konan hatte eine gute Beobachtungsgabe. Sie konnte sich denken, dass mehr hinter seinem plötzlichen Rückzug steckte als vielleicht gekränkter Stolz. Die Frage war reine Höflichkeit. „Nein“, brummte Deidara.

„Du hast ihn gern, oder?“ Ihre Stimme war sanft. Nach kurzem Zögern nickte der Blonde. „Und wie sieht es bei ihm aus?“ Ihr Blick wanderte auf seine Brust. Deidara hatte ein kleines Loch in die Muschelhälfte gebohrt, um einen dünnen Strang aus Tang hindurch zu ziehen. Die Kette hing nun um seinen Hals. Leicht spürte er die Ränder der Muschel auf seiner Haut. „Sie ist sehr schön. Hat er sie dir geschenkt?“

Erneut nickte Deidara. Konan lächelte. „Das freut mich für dich, nur…“, sie wurde wieder ernst. „Weiß er überhaupt, was es bedeutet?“

Der Blonde verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich hab ihm die Herzmuschel in den Sand gezeichnet. Außerdem hat er die andere Hälfte, hm.“ Er wollte nicht darüber nachdenken. Konans Einwand verunsicherte ihn. Bisher hatte Deidara angenommen, dass Gaara verstanden hatte, weil er ihm diese Muschelhälfte geschenkt hatte. Aber… was, wenn Konan recht hatte? War dem Rotschopf ihre Beziehung gar nicht so ernst wie ihm? Deidara machte sich wirklich ernste Hoffnungen und das hatte er mit der Perle auch ausgedrückt. Hatte Gaara diese Geste verstanden? Konan hatte es geschafft, dass er alles in Zweifel zog. Bedrückt sah er hinab zum Meeresgrund, der ein paar Meter unter ihnen war. Dabei mochte er Gaara sehr gern. Die Zeit mit ihm war immer sehr angenehm. Und er hatte so schöne Augen, als schauten ihn zwei Perlen an.

Konans Hand legte sich auf seine Schulter und er sah wieder auf. „Mit einem Menschen wird es sicher nicht leicht. Ihr kommt aus völlig verschiedenen Reichen. Lernt euch erst einmal verstehen. Und dann erklär ihm, was solche Gesten bei uns bedeuten.“ Aufmunternd sah die Blauhaarige ihn an. „Wenn du meinst…“, murmelte Deidara. Unsicherheit krallte sich an ihm fest. Was bedeutete die Muschel für Gaara? Und die Perle?

„Kümmere dich erst einmal nicht um Yahikos Worte. Du hast viel für Akatsuki getan. Mach einfach weiter wie bisher. Und wenn du neue Informationen über die Menschen hast, sag uns das. Du musst Gaara nicht extra aushorchen. Durch euer Verhältnis lernst du sowieso viel von seiner Spezies.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie an: „Aber sei bitte vorsichtig. Wir können nur hoffen, dass er anderen Menschen nichts von uns erzählt. Es sollen nicht noch mehr kommen mit ihren Schiffen.“

Deidara glaubte nicht, dass Gaara die Ningyo verriet, aber er nickte. „Ich pass auf, was ich erzähle, hm“, versprach er. Immerhin war nicht wichtig, wo genau die Dörfer zu finden waren. Er lebte ohnehin in keinem davon. Demnach wäre das in einem Gespräch nicht von Belang.

Konan hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Viel Glück“, hauchte sie und löste sich von ihm. Elegant bewegte sie sich durchs Wasser und verschwand schließlich hinter der Klippe, um zu den anderen Ningyo zurückzukehren.

Sommerferien

Gaara war das Jahr länger vorgekommen als sonst. Im Gegensatz zum Meer und dessen verborgenen Schätzen war die Schule langweilig, aber ein notwendiges Übel. Seine Noten waren gut, was wohl daran lag, dass er kaum soziale Kontakte pflegte und viel Zeit zum Lernen nutzen konnte. Manchmal hatte er sich auch mit dem Schulstoff einfach nur von seiner Sehnsucht nach Deidara abgelenkt. Inzwischen war er auch im letzten Schuljahr und musste sich allmählich Gedanken um seine Zukunft machen[3]. Ein paar grobe Ideen formten sich bereits in seinem Geist. Das Meer hatte ihn schon immer fasziniert. Warum nicht irgendwas damit beruflich machen? Er könnte Meeresbiologie studieren. Das Abitur würde er bestehen, darum machte er sich keine Sorgen. Allerdings wollte er auch gern in das Strandhaus auf Aka ziehen. In der kleinen Stadt auf der Insel gab es ein Institut für den Schutz und die Aufzucht von Korallen. Und er war dann Deidara dauerhaft nahe. Doch eine Universität gab es dort nicht in der Nähe. Wie er das alles unter einen Hut bringen wollte, musste er sich noch überlegen.

Vater hielt den Wagen vor dem Tor, welches in eine alte Mauer eingebettet war und deutlich machte, dass hier ihr Privateigentum begann. „Gaara, machst du das Tor auf?“, hörte er die tiefe Stimme seines Vaters. Bisher war das immer Kankurôs Aufgabe gewesen. Doch da ihr Bruder dieses Jahr erfolgreich seine Ausbildung vorgeschoben hatte, waren sie nur zu dritt. Vater war momentan sowieso nicht sonderlich gut auf Kankurô zu sprechen. Er hielt dessen Berufswunsch, Schauspieler zu werden, für schwachsinnig. Dieser Beruf war hohl und aufgeblasen wie eine Seifenblase und konnte genauso schnell zerplatzen. Er hätte es lieber gesehen, wäre Kankurô in seine Fußstapfen getreten und Polizist geworden. Aber ein anständiger Beruf hätte es nach Vaters Meinung auch schon getan, so wie Temaris Berufswunsch, Ärztin zu werden.

Schweigend stieg Gaara aus dem Auto und öffnete das Tor, wartete, bis Vater den Wagen hindurch gelenkt hatte und schloss es wieder. Er stieg in das Auto und es setzte sich mit knirschenden Reifen in Bewegung. Nach kurzer Zeit lichtete sich der Wald und gab den Blick auf den Strand und das ruhige Meer frei. Gaaras Herz schlug schneller, als er in der Ferne die kleine Inselgruppe ausmachen konnte. Er freute sich so sehr, Deidara endlich wiedersehen zu können. Eher unbewusst tastete seine Hand nach der jadefarbenen Perle und umschloss sie sanft mit den Fingern. Er hatte bei einem Juwelier ein winziges Loch hineinbohren lassen, sodass er sich die Perle an einer Kette um den Hals hängen konnte.

Kankurô hatte ihn deswegen immer wieder versucht zu ärgern, weil er glaubte, die Perle hätte ihm ein Mädchen von der Insel geschenkt. Da Gaara jedoch auf keine seiner Fragen oder Neckereien eingegangen war, hatte sein Bruder sich irgendwann wirre Geschichten ausgedacht. Eine von ihnen war, dass er eine Meerjungfrau getroffen habe. Damit lag sein Bruder nicht gänzlich daneben, dennoch sagte er nichts dazu. Auch Temari hatte ihn nach der Herkunft der Perle gefragt und auch sie hatte er mit der Antwort: „Aus dem Meer“, abgespeist. Damit log er ja nicht einmal. Denn die Perle stammte aus dem Meer.

Das Auto kam neben dem Strandhaus zum Stehen und sie begannen auszupacken. Immer wieder huschte Gaaras Blick zum Meer. Wie gern würde er einfach alles fallen lassen, hineinspringen und zur Insel rüber schwimmen. Allerdings würde dieses Verhalten Fragen aufwerfen. Also brachte er zuerst seine Reisetasche in sein Zimmer. Aber dann hielt ihn wirklich nichts mehr. Den Futon konnte er auch noch heute Abend vorbereiten. Der Rotschopf zog seine Schwimmflossen, Taucherbrille und die Badeshorts aus der Tasche und wechselte die Kleidung. Eine Hose für Deidara musste er nicht mitnehmen, weil er ihm letztes Jahr eine dagelassen hatte, die der Blonde hoffentlich noch hatte.

Während er aus dem Haus ging, rief er Temari und seinem Vater noch zu: „Ich geh schwimmen.“ Auf etwaige Prostete reagierte er gar nicht mehr, sondern löste die Plane vom Ruderboot, drehte es mit etwas Mühe um und schob es ins Wasser. Die Riemen kamen an ihren angestammten Platz. Gaara kletterte ins Boot und begann zu rudern.
 

Der Rotschopf ruderte das Boot in die kleine Bucht und hatte gerade die Riemen eingeholt, da sah er einen goldenen Schimmer unter der Wasseroberfläche. Im nächsten Augenblick neigte sich das kleine Boot zur Seite, weil Deidara sich am Rand hochzog. Freudig grinste der Ningyo. Gaara war einfach nur froh, dass niemand den Blonden entdeckt zu haben schien. Ansonsten wäre er wohl kaum noch hier. „Hallo, Deidara“, begrüßte der Gaara ihn. Sein Herz schlug einen schnellen Takt an. Er rutschte näher und noch bevor er irgendwas machen konnte, griff Deidara in seinen Nacken und zog ihn zu einem Kuss heran. Instinktiv wollte er sich am Bootsrand festhalten, doch das Boot neigte sich zu sehr, er verlor den Halt und stürzte Deidara entgegen ins Wasser. Angenehmes kühles Nass umfing ihn. Unter Wasser drehte er sich und fand Boden, gegen den er sich stemmen konnte. Prustend brach er durch die Oberfläche. Der Blonde schmiegte sich eng an ihn und gestattete ihm nicht einmal, zu sprechen, schon hatte er seine Lippen vereinnahmt.

Gaara beschloss die stürmische Begrüßung zu genießen und schlang seine Arme um den nassen Leib, ließ seine Lider sinken und ging ausgehungert auf den Kuss ein. Wie sehr hatte er den Blonden vermisst, die Küsse, die fast immer einen salzigen Beigeschmack hatten, die nasse Haut an seiner, die glatten Schuppen, die er an seinen Beinen spürte, das weiche Haar, welches durch seine Finger glitt… und besonders Deidaras neugierige und leicht stürmische Art.

Erst nachdem Deidara sich langsam von seinen Lippen gelöst hatte, erwiderte er die Begrüßung. „Hallo Gaara, hm.“ Dessen Arme blieben um seine Schultern geschlungen, hielt Deidara sich auch an ihm fest, da das Wasser dem Rotschopf nur bis zur Hüfte reichte und der Ningyo sich mit der Flosse nicht auf dieser Höhe halten konnte. Gaaras Arme waren automatisch in seine Taille gewandert und stützten ihn zusätzlich.

Der Blick aus dem azurblauen Auge sank tiefer, wo die Perle hing. Ein warmes Lächeln huschte über Deidaras Lippen. Er löste einen Arm und deutete auf seine Brust. Gaara folgte der Bewegung und entdeckte die Hälfte der Muschel, die er Deidara geschenkt hatte. Sie hatten ganz offensichtlich dieselbe Idee gehabt. Entspannt erwiderte er das Lächeln. Es mochte kitschig sein, aber er fühlte sich wohl damit. Und er war nicht der einzige, der hier kitschig war. Gaara freute sich so sehr, endlich wieder hier zu sein und die nächsten Wochen mit Deidara verbringen zu können.

Aber jetzt sollte er sich erst mal um das Boot kümmern. Denn es dümpelte auf den Wellen herum und wenn er es nicht bald an Land zog, trieb es noch weiter weg. Deidara könnte es ohne Probleme holen, doch man konnte ja vorsorgen. „Lass mich kurz los“, bat er den Blonden und löste langsam seine Arme von dem anderen Körper. Erfreut stellte Gaara fest, dass es mit der Kommunikation noch relativ gut klappte, denn Deidara ließ tatsächlich von ihm ab. Der Rotschopf war mit wenigen Schritten bei seinem Boot und zog es aus dem Wasser. Als er sich zu Deidara herumdrehte, lag dieser bereits auf dem Sand, um sich zu trocknen. Die indigofarbenen Schuppen glänzten herrlich in der Sonne. Gaara konnte und wollte nicht widerstehen. Neben dem Ningyo setzte er sich hin und strich mit den Fingern über die glatten Schuppen. Wie üblich schmiegten sie sich kühl an seine Haut. Jadefarbene Augen suchten Blickkontakt. Deidaras Mundwinkel hatten sich zu einem Grinsen verzogen. Nichts hatte sich geändert. Sie setzten anscheinend nahtlos dort an, wo sie letztes Jahr geendet hatten.
 

Kein Tag verging, den Gaara und Deidara nicht gemeinsam verbrachten. Gestern hatte er ihm verständlich gemacht, dass er sich heute am Strand von Aka mit ihm treffen wollte. Natürlich nicht in der Bucht, die zum Eigentum ihrer Familie gehörte. Das war ihm zu heikel. Aber neben dieser Bucht lag eine kleinere, die man von der winzigen Inselgruppe aus gut sehen konnte. Dort wären sie ungestört und Gaara konnte dem Blonden den Wald zeigen. In dem Jahr hatte Deidara laufen geübt, denn es gelang ihm inzwischen sehr gut. Gaara musste ihn nicht mehr stützen oder darauf achten, dass er über seine Füße stolperte und fiel.

Der Rotschopf stellte den Rucksack auf einem Stuhl in der Küche ab und schaute in den Kühlschrank, was er mitnehmen könnte neben zwei Wasserflaschen. „Es ist noch etwas vom Frühstück über“, erklang Temaris Stimme hinter ihm. Und er dachte, sie sei noch ein paar Minuten länger im Bad, sodass er sich einfach etwas nehmen könne, ohne dass sie merkte, wie viel er mitnahm.

„Gut“, murmelte er nur und griff danach. Während seine ältere Schwester das Geschirr abwusch, füllte er eine Bentôbox und hoffte, sie bemerkte nicht, dass vom Frühstück nun gar nicht mehr übrig war. Aber da hatte er wohl falsch gedacht. „Bleibst du heute wieder lange draußen?“, fragte sie.

Zustimmend brummte Gaara. Die Bentôbox gesellte sich zusammen mit den Wasserflaschen zu der Decke, die bereits in seinem Rucksack war. Er schulterte ihn. „Du bist zum Abendessen also nicht da?“, hakte Temari weiter nach.

Gaara zuckte nur mit den Schultern. „Weiß ich nicht.“

Sie seufzte. „Dann stell ich dir was hin.“ Er war ganz froh, dass sie nicht zu tief nachbohrte. Allerdings war sie sich wohl auch bewusst, dass es zwecklos wäre.

„Danke.“ Gaara verabschiedete sich und verließ das Haus. Seine Füße trugen ihn zum Eingangstor, welches er durchschritt, ehe er in den Wald hinein bog und an der Mauer entlang ging. Um einfach drüber zu klettern, war sie zu hoch. Und der Umweg war nicht groß. Gaara war vielleicht maximal zwanzig Minuten unterwegs, bis er die Bucht erreichte, in der er sich mit Deidara treffen wollte. Sein Blick huschte über den Strand. Natürlich war der Blonde noch nicht zu sehen. Der Ningyo kam immer erst, wenn er bereits anwesend war. Den Rucksack legte er neben sich ab und setzte sich in den Sand, um zu warten.

Es dauerte nicht lange und Gaara konnte den vertrauten goldenen Schimmer nahe des Strandes erkennen. Augenblicke später hob Deidara den Kopf aus dem Wasser. Zuerst sah er sich wachsam um, ehe er ihn angrinste und näher kam. Der Ningyo schob sich auf den Sand und legte die Badeshorts, die Gaara ihm überlassen hatte, neben sich ab. Sie begrüßten sich mit einem innigen Kuss und während sie warten mussten, dass Deidara trocknete, begutachtete dieser seinen Rucksack genau. Den Moment, in dem die Transformation des Ningyo dann einsetzte, wandte Gaara den Blick ab, machte ihn ein nackter Deidara in seinem Sichtfeld nach wie vor nervös. Dafür lauschte er auf die Geräusche. Sobald das Rascheln der Shorts erstarb, wandte er sich ihm wieder zu.

Gaara erhob sich und streckte dem Blonden seine Hand hin. „Ich zeig dir den Wald“, erklärte er mit einem kleinen Lächeln. Deidara nahm die Hand und ließ sich aufhelfen, sah ihn aber fragend an. „…Wald?“, wiederholte er langsamer. Gaara nickte und deutete auf die Bäume, die nicht weit entfernt emporragten. Das azurblaue Auge begann neugierig zu funkeln. „Wald… hm“, murmelte Deidara nun verstehend und lief auch schon recht zügig los. Leicht überrascht sah Gaara ihm nach, ehe er sich in Bewegung setzte. Seine Mundwinkel zuckten zu einem Schmunzeln.

Im Wald verlangsamte Deidara sein Tempo bald. Einerseits erkundete er alles, andererseits trat er manchmal auf einen Ast, einen spitzen Stein oder irgendwas anderes, was unangenehm in die Fußsohle drückte. Da Gaara selbst barfuß war, spielte die Geschwindigkeit für ihn keine Rolle. Sie hatten es sowieso nicht eilig. Geduldig erklärte der Rotschopf Deidara alles, was dieser wissen wollte, soweit er das mit dem spärlichen Vokabular schon konnte, welches der Ningyo verstand. Aber es schien vorerst auszureichen. Irgendwie fand Gaara es niedlich, wie Deidara so fasziniert die Rinde eines Baumes betastete oder die Kiefernnadeln von einem tief hängenden Ast zupfte. Er ließ sich wirklich leicht begeistern. Oder es lag einfach daran, dass die Umgebung für den Blonden so neu war.

Nach ein paar Stunden machten sie Pause. Gaara breitete die Decke unter einem alten Baum aus, der ihnen viel Schatten bot. Hier im Wald war die Mittagshitze gut ertragbar, allerdings war der kühle Wind am Strand noch angenehmer. Jedoch schien der Ningyo mit der Hitze Probleme zu haben. Die helle Haut glänzte leicht vom Schweiß und sein Atem ging schwerer. Deidara ließ sich auf die Decke fallen und schloss die Augen. Etwas langsamer setzte Gaara sich neben ihn und holte eine Wasserflasche aus dem Rucksack.

„Wasser?“, fragte er. Das rechte Auge öffnete sich und linste zu ihm. Ein zustimmendes Brummen folgte und er stemmte sich halb hoch. Gaara schraubte die Flasche auf und reichte sie Deidara. Durstig trank dieser fast ein Drittel der Flüssigkeit. Der Ningyo war vermutlich mit den Temperaturen an Land nicht vertraut. Aber das war nicht verwunderlich, wenn Gaara bedachte, dass es im Meer nun mal kühler war. Deidara war in einer anderen Umgebung aufgewachsen. Unter Wasser wurde es niemals so warm, heiße Unterwasserquellen ausgenommen.

Deidara gab ihm die Flasche zurück und er trank ebenfalls vom Wasser. Kalt war es nicht mehr, aber das war auch nicht so wichtig, löschte es den Durst trotzdem hervorragend. Zugeschraubt stellte Gaara die Flasche zur Seite und ließ seinen Blick über den Ningyo schweifen, der sich wieder mit ausgestreckten Armen hingelegt hatte. Die Muskeln unter der Haut schienen durch den leichten Schweißfilm betont zu werden. Gaara konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken in unanständige Gebiete abdrifteten. Seine Wangen wurden warm und er wandte den Blick ab. Nur gut, dass Deidara seine Augen wieder geschlossen hatte. Es wäre ihm doch etwas peinlich, wenn er ihn bei solchen Fantasien erwischte, obwohl dem Blonden einfach nur zu heiß war. In den letzten Monaten hatte Gaara öfter darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, mit Deidara weiter zu gehen als nur Küsse und recht harmlose Berührungen zu tauschen. Aber… er wusste noch nicht so ganz, wie er das anfangen wollte.
 

___________________________________________________________________

[3] In Japan ist das Schuljahr in Trimester aufgeteilt, zwischen denen jeweils die Ferien liegen, die rund aus 60 Werktagen bestehen. Das erste Trimester beginnt Anfang April und endet Ende Juli. Nach den Sommerferien beginnt das zweite Trimester Anfang September und endet Ende Dezember. Das letzte Trimester beginnt Anfang Januar und endet Ende März.

Pläne

Die Wochen vergingen viel zu schnell. Und heute musste Gaara schon wieder in das Auto steigen und die Insel verlassen. Aber in spätestens einem Jahr wollte er wieder hier sein. Wenn alles klappte, wie er hoffte, würde er bereits im nächsten Frühling zurückkommen und dann auch hier bleiben. Er wollte hier leben und er würde alles daran setzen, seinen Plan wahr zu machen. Das schwere Seufzen wurde von dem Schnaufen übertüncht, als der Rotschopf seine Reisetasche in den Kofferraum wuchtete. Er trat beiseite, um Temari und seinem Vater Platz zu machen. An der hinteren Seitentür lehnte er sich gegen den Wagen. Sehnsüchtig wanderte sein Blick hinaus aufs Meer zu der winzigen Inselgruppe. Es war so viel passiert und doch auch wieder so wenig. Vermutlich kam es ganz auf den Blickwinkel an. Gaara hätte Deidara gern ihr Haus gezeigt oder ihn mit in die kleine Stadt auf der anderen Seite der Insel genommen, falls man eine Ansiedlung mit ungefähr 330 Menschen überhaupt als solche bezeichnen konnte. Aber er mochte es. Dort war nie solche Hektik wie in Ôsaka. Das Leben schritt einfach langsamer voran. Außerdem gab es viel weniger Lärmquellen, die durch die Ruhe dringen konnten. Gaara war einfach kein Stadtmensch. Hin und wieder mochte er die Stadt, das wollte er gar nicht bestreiten. Man hatte einfach fast alles in der näheren Umgebung. Doch er brauchte das nicht ständig um sich. Man konnte auch in eine Stadt fahren für ein paar Tage im Jahr. Vielleicht konnte er Deidara irgendwann Aka zeigen, wenn er ausreichend mit dem Lebensstil der Menschen und der japanischen Sprache vertraut war.

Ein kleines Lächeln stahl sich auf Gaaras Lippen, während er an ihren Ausflug auf den Berg der Insel zurückdachte. Im Vergleich zum Fuji war dieser hier klein, aber es reichte, um gemeinsam auf seine Spitze zu wandern. Viel sah man eh nicht, da er komplett bewaldet war. Aber die Wanderung war schön gewesen.
 

Sie waren den ganzen Tag unterwegs. Gaara nahm auf den Ningyo Rücksicht und legte viele Pausen ein, damit dieser sich kurz ausruhen und etwas trinken konnte. Die Hitze musste für den Blonden sehr anstrengend sein. Über dessen Energie war er dennoch erstaunt. Das Wetter hielt Deidara nicht auf, er erkundete alles, was ihm während ihres Weges den Berg hinauf auffiel. Kurz sahen sie sogar einen Kerama-Hirsch, eine vom Aussterben bedrohte Hirschart, die es nur hier und auf wenigen anderen Okinawa-Inseln gab. Der Ningyo war von dem Tier begeistert gewesen, doch als er sich ihm genähert hatte, war der Hirsch zwischen den Bäumen verschwunden. Auf dieselbe Art versuchte der Blonde auch, an Vögel heran zu kommen. Den Vögeln schenkte er weniger Aufmerksamkeit, was daran liegen könnte, dass er sie nahe der Küste vom Wasser aus beobachten konnte. Allerdings musste Gaara auch aufpassen, dass Deidara nicht aus Versehen einem Tier zu nahe kam, welches in irgendeiner Weise wehrhaft war. Sie hatten Glück, dass bisher keines dieser Sorte ihren Weg gekreuzt hatte. Aber er hatte ihn schon abgehalten, Beeren zu essen. Der Rotschopf hatte ihm zuvor welche angeboten. Jedoch wuchsen diese an einem anderen Strauch und die, die Deidara entdeckt hatte, waren von der giftigen Sorte.

Auf einer kleinen Lichtung baute Gaara am Abend das Zelt auf, während der Blonde auf der Decke lag und sich ausruhte. Bald würde es kühler werden. Die Dämmerung brach herein, als Gaara sich neben ihn setzte und ihren Proviant auspackte. Temari hatte es gut mit ihm gemeint. Er hatte ihr erzählt, er wolle den Berg erkunden und würde über Nacht im Zelt schlafen. Da er 18 war, konnte ihm das auch niemand mehr verbieten. Ganz wohl war ihr bei der Sache nicht gewesen und sie hatte angeordnet, dass er ja seinen Handyakku aufladen solle, bevor er das Haus verließ. Die zwei Bentôboxen waren wohl ein Ausdruck ihrer Sorge, denn sie waren üppig gefüllt. Gut daran war, dass er sich nicht noch heimlich am Kühlschrank hatte bedienen müssen, damit Deidara auch satt wurde. Und dieser langte schon hungrig zu.

„Warte“, sagte Gaara und hielt ihm Essstäbchen hin. Sie hatten doch Zeit und wenn er Deidara noch viel mehr von der Welt zeigen wollte, in der er lebte, dann musste er früher oder später sowieso mit Stäbchen essen lernen. Wie sollte er ihn sonst in ein Restaurant einladen?

Zögerlich nahm der Blonde die Stäbchen in die Hand, besah sie genau und schaute ihn dann fragend an. Gaara schob seine eigenen Stäbchen zwischen die Finger und zeigte es ihm. Ungelenk versuchte Deidara es ihm nachzumachen. Er schmunzelte, legte seine Essstäbchen beiseite und nahm die Hand des Ningyo. Dessen Stäbchen legte er nun zwischen seine Finger. „Versuch es“, forderte er ihn auf. Der Rotschopf nahm seine Stäbchen wieder auf und pickte sich ein Stück vom Lachs aus der Box, um sie sich in den Mund zu schieben. Aufmunternd sah er den Ningyo an. Reichlich unsicher und steif tat er es ihm nach. Ein paar Versuche brauchte er, bis ihm das Lachsstückchen nicht mehr herunter fiel und er es essen konnte. „Genau so“, lobte Gaara lächelnd. Deidara schnaufte. „Wozu, hm?“, fragte er und deutete auf die Stäbchen.

Wie sollte er das nur erklären? Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht. Es gehörte dazu, alle aßen mit Besteck. Im Westen benutzte man eher Messer und Gabel und bei ihnen eben Stäbchen und bei Bedarf einen Löffel. „Menschen essen nicht mit Fingern.“ Hoffentlich reichte das als Erklärung. Vorerst schien Deidaras Wissensdurst befriedigt, auch wenn er nicht sonderlich angetan wirkte. Langsam vertilgten sie ihr Abendessen und der Blonde hielt auch gut durch, obwohl er die Stäbchen anschließend erleichtert beiseite legte. Gaara packte die leere Bentôbox weg. Eine hatten sie nun noch für morgen.

Neben Deidara streckte der Rotschopf sich auf der Decke aus und sah hoch zum inzwischen dunklen Himmel. Tausende Sterne funkelten dort oben, umrahmt von einem Blätterrand, der ihre Lichtung begrenzte. Leise Geräusche des Waldes drangen zu ihnen. Das Rufen eines Kauzes, das Knacken eines Astes, das flüsternde Rascheln von Laub. Ab und an verirrte sich eine frische Brise zwischen die Lücke im Wald und strich angenehm über die Haut. Gaara hätte ewig so liegen können. Doch bald bewegte sich Deidara neben ihm. Nur einen Herzschlag später schob sich dessen Gesicht in sein Sichtfeld und glühende Augen gruben sich tief in seinen Geist, verdrängten alles andere. Das weiche Haar kitzelte die Haut an seinem Hals und an der Schulter. Noch während der Ningyo sich zu ihm hinab beugte, hob Gaara seine Hand und schob sie in seinen Nacken. Zärtlich berührten sich ihre Lippen. Mit einem wohligen Seufzen senkten sich Gaaras Augenlider.
 

Allein bei dem Gedanken an diese Nacht wurde ihm wieder warm. Sie waren nicht lange zärtlich geblieben, hatte schon bald das Verlangen nach mehr sie übermannt. Zugegeben, anfangs hatte es ihm etwas Angst gemacht, sich einer anderen Person so zu zeigen… erregt und nackt, und sich auf Berührungen dieser Art einzulassen. Aber es war herrlich gewesen. Schloss er seine Augen, konnte er deutlich Deidaras Gesicht vor sich sehen, verzerrt vor Lust. Das raue Stöhnen, als er gekommen war, jagte ihm bei dem bloßen Gedanken daran einen Schauer den Rücken hinab. Mental gewaltsam musste der Rotschopf sich von diesen anregenden Erinnerungen lösen. Er wollte jetzt keine Erektion bekommen. Das wäre ihm sehr peinlich.

„Gaara, steig ein. Wir fahren los“, hörte er seinen Vater sagen. Einen allerletzten Blick aufs Meer gönnte der Rotschopf sich, dann öffnete er die Seitentür und stieg ein. Kaum hatte er sich angeschnallt, fuhr sein Vater auch schon los. Temari drehte sich halb zu ihm um und grinste ihn an. „Wenn du hier so gern bist, solltest du später vielleicht hier her ziehen“, schlug sie vor.

„Hatte ich vor“, erklärte Gaara seiner Schwester ohne Umschweife. Bevor die Blonde noch etwas sagen konnte, mischte Vater sich ein. „Hast du dir überlegt, was du hier machen kannst?“ Das war eine typische Frage von seinem Vater. Nachdem Kankurô seinen Willen in Bezug auf seine Berufswünsche durchgesetzt hatte, bangte er nun anscheinend um seinen jüngeren Sohn. „Es gibt hier das Akajima Marine Science Laboratory. Die beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten der Unterwasserwelt, auch mit dem Erhalt der Korallenriffe. Ich könnte dort anfangen. Und ich denke darüber nach, Meeresbiologie zu studieren“, erklärte er ruhig seine Überlegungen.

Vor dem Tor stoppte ihr Vater den Wagen und Gaara stieg aus, um selbiges zu öffnen. Sorgfältig verschloss er es hinter dem Wagen wieder und setzte sich ins Auto zurück. Schließlich reagierte sein Vater auch auf seine vorigen Worte. „Wenigstens bist du vernünftiger als dein Bruder“, brummte er. Damit war das Thema offensichtlich abgeschlossen für seinen Vater. Vorerst. Denn noch wusste er ja nicht, dass Gaara plante, ein Fernstudium zu machen, weil er gern sofort nach der Schule hier leben wollte. Mit diesem Detail würde Gaara ihn aber erst konfrontieren, sobald er eine durchführbare Möglichkeit gefunden hatte.

Der Blick aus jadefarbenen Augen glitt aus dem Fenster. Bäume huschten an ihnen vorbei und seine Gedanken wanderten wieder zu Deidara zurück. Ihr letzter gemeinsamer Abend war aufregend gewesen. Die Verabschiedung hatte sich hinausgezögert, weil er sich einfach nicht von dem wunderschönen Körper lösen wollte. Gaara mochte Deidaras wahre Gestalt sehr gern, das Gefühl der nassen Haut und der glatten Schuppen war wundervoll. In den vergangenen Wochen hatten sie sich seit dem ersten Mal auf dem Berg öfters gegenseitig befriedigt, aber gestern war es anders gewesen, denn er hatte den Ningyo in seiner wahren Gestalt berührt. Faszination erfüllte ihn selbst jetzt noch. Der Blonde war logischerweise an denselben Stellen empfindlich, aber statt der Beine schmiegte sich die relativ unempfindliche Schwanzflosse gegen seine Beine. Die Anatomie war sehr interessant. Wie bei vielen Tieren zeigte sich Deidaras Glied erst, wenn er erregt war. Ansonsten war es in einer unscheinbaren Falte verborgen. Für Gaara war dies eine mögliche Erklärung, warum Ningyo kaum bekleidet waren. Eigentlich war Deidara überhaupt nicht bekleidet, wenn man von dem Gürtel aus geflochtenen Meerespflanzen absah, an dem Messer hingen, vermutlich aus Zähnen von Meerestieren. Allerdings hatte er rein gar nichts gegen einen nackten Ningyo. Der bloße Körper lenkte ihn nicht ab im nicht erregten Zustand. Und während sie sich gegenseitig in Ekstase versetzt hatten, waren sie von Brandungswellen umhüllt worden, welche ein wohliges Prickeln über Gaaras Haut geschickt hatten. Mit aller Macht unterdrückte der Rotschopf ein schweres Seufzen. Er wollte nicht, dass Temari ihn noch ausfragte. Sie konnte recht aufmerksam sein, wenn sie wollte. Seufzte er in ihrer Nähe zu oft, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie die erste Frage stellte oder einen neckenden Kommentar von sich gab.

Gaaras Finger tasteten nach der Perle um seinen Hals und umschlossen diese. In weniger als einem Jahr wollte er Deidara wiedersehen. Und dann konnten sie endlich länger zusammen sein, ohne diese langen Monate der Trennung.

Neue Welt

Gaara schob seine schwarze Honda unter die Überdachung, welche an das traditionell japanische Strandhaus grenzte. Nachdem er von seinem Motorrad abgestiegen war, nahm er den Helm vom Kopf und klemmte ihn unter den Arm. Leise seufzte der Rotschopf und schritt zum Eingang des Hauses. Sein Ausflug hatte ihn zum Akajima Marine Science Laboratory geführt, allerdings war das Gespräch mit dem Leiter desselbigen ernüchternd ausgefallen. Sie wollten keine Erstsemester als Praktikanten bei sich aufnehmen. In einem Jahr könne er sich erneut bei ihnen bewerben, wenn er erste theoretische Kenntnisse vorweisen konnte. Ein Gutes hatte diese Ablehnung. Innerhalb eines Jahres konnte er Deidara genug über das Leben der Menschen beibringen, um ihn auch länger als ein paar Stunden allein lassen zu können.

Ein paar Wochen lebte Gaara nun schon in dem Strandhaus auf Aka. Die Honda war sein Geschenk zum 19. Geburtstag gewesen. Für ihn reichte ein Motorrad, vor allem hier auf der Insel war es praktisch. Die Universität hatte seine Bewerbung zum Fernstudium angenommen, sodass er nun die meiste Zeit hier leben konnte und nur regelmäßig seine Aufgaben erledigen, sowie für die praktischen Blockseminare und Prüfungen nach Nishihara zur Ryûkyû[4] kommen musste.

Gaara trat durch die Eingangstür. Der Helm fand seinen Platz auf der schlichten Kommode. Nachdem er die Schuhe von den Füßen gestreift hatte, machte er sich auf die Suche nach dem Blonden. Seit der Rotschopf hier wohnte, war er jeden Tag zum Strand runter gegangen in der Hoffnung, der Ningyo würde ihn bemerken. Tatsächlich hatte dieser sich jedoch erst gut eine Woche später gezeigt. Vermutlich hatte der Blonde nicht damit gerechnet, ihn früher als gewöhnlich wieder zu sehen. Die Freude stand dafür deutlich in seinem Gesicht. Und endlich hatte Gaara ihn auch mit ins Haus nehmen können, da er nun allein wohnte. Die ersten Stunden und Tage waren zwar recht anstrengend für ihn gewesen, weil er Deidara ohne ausreichendes Vokabular die Modernität einiger Geräte erklären musste, aber der Blonde hatte sich recht schnell daran gewöhnt. Außerdem waren da noch die vielen anderen Dinge, die der Ningyo erst lernen musste. Meist machte Gaara ihm derzeit einfach vor, wie man etwas benutzte oder bediente und Deidara ahmte ihn nach. Das klappte recht gut. Ihm die Benutzung einer Toilette begreiflich zu machen, war ihm jedoch etwas peinlich gewesen.

Erleichternd war, dass Deidara an allem Interesse zeigte und schnell lernte. Meist reichte es, ihm einmal eine Handlung zu zeigen. Allerdings wunderte Gaara nicht, sollte er momentan Dinge hinnehmen, die er ihm noch nicht erklären konnte, weil Deidara seine Sprache einfach noch nicht genügend verstand. Der Blonde war momentan wie ein Kind, nur ohne Trotzphasen und mit der Reife eines jungen Erwachsenen.

Aus dem Wohnzimmer hörte er Geräusche. Gaara schritt in diese Richtung und schob die Tür auf. „Ich bin wieder da“, begrüßte er den Blonden, der sich offensichtlich nur schwer vom Fernseher trennen konnte. „Hallo, Gaara. “ Sogleich waren die azurblauen Augen wieder auf den Flachbildschirm gerichtet. Deidara trug wie meist nur die Shorts, die er ihm gab. Dass der Blonde Kleidung abgeneigt war, hatte Gaara schnell bemerkt, verzog er recht eindeutig sein Gesicht, wenn er ein T-Shirt anziehen sollte. Mit den Shorts gab es glücklicherweise weniger Probleme. Der Rotschopf mutmaßte, dass dieses Verhalten daher rührte, weil Deidara von Klein auf nie an Kleidung gewöhnt worden war.

Gaara kam näher und setzte sich neben Deidara auf eines der Sitzkissen. Deidara schaute wieder die Kinderserie, die er letztens zufällig entdeckt hatte. Sobald der Blonde die Funktionsweise des Fernsehers verstanden hatte, schaltete er munter durch die Programme und war schließlich über Chi’s sweet Home[5] gestolpert. Der Rotschopf fand es nicht schlecht, dass Deidara diese Serie schaute, war das Japanisch sehr einfach. Es könnte ihm helfen, sich mit der Sprache vertraut zu machen.

„Treffen war gut, hm?“, fragte Deidara, ohne seinen Blick von der kleinen Katze zu nehmen, die durchs Bild tapste. „Schon“, stimmte Gaara zu. Momentan war es so am besten. Bis er mit dem Blonden reden konnte wie mit anderen, würde es noch etwas dauern, weswegen er der Einfachheit halber ab und an nicht alles erzählte. Irgendwann würde er mit Deidara über Details sprechen können. Doch zuerst musste er einigermaßen Japanisch beherrschen. Der Blonde wandte sich ihm endlich komplett zu, da die Serie zu Ende war. Eine Hand wanderte in seinen Nacken und zog ihn zu einem sanften Kuss heran. Seine Lider senkend ließ er sich auf die Berührung ein. Gaara genoss ihre Zweisamkeit. Nach all der Zeit hatten sie endlich die Chance, sich richtig kennen zu lernen. Sein Vater wäre wohl nicht begeistert, wüsste er, dass noch jemand auf seine Kosten hier lebte, aber zugegeben, das kümmerte Gaara wenig. Unangemeldet tauchte niemand von seiner Familie auf, da war er sich sicher. Wie er Deidara dann allerdings dazu bewegte, sich in dieser Zeit nicht zu zeigen, wusste er noch nicht. Darüber würde er sich zu gegebener Zeit Gedanken machen.

Langsam löste Deidara den Kuss. Kaum öffnete der Rotschopf seine Augen, rann ihm ein Schauer den Rücken hinab bei dem intensiven Blick, der sich in ihn bohrte. Zart strich Deidaras Daumen knapp unter seinem rechten Auge entlang. „Deine Augen…“, begann er und suchte nach Worten. „Anders… im Fernsehen bei Menschen, hm.“ Automatisch senkte Gaara seinen Blick. Dem Blonden war der Unterschied also aufgefallen. Die Menschen im Fernsehen hatten schließlich alle ganz normale Augen und keinen Gendefekt wie er. Aber noch konnte er Deidara den Grund für diese Besonderheit nicht erklären. „Ihre Augen sind normal“, sagte er leise. „Meine sind anders.“ Gewisse Angst kroch in ihm hoch, dass Deidara sein Verhalten vielleicht ändern könnte. Aber er war kein Mensch. Wer wusste schon, was für den Ningyo normal war? Deidaras Finger glitten über seine Wange. „Ich mag. Deine Augen, hm.“ Die nachdrücklichen Worte gaben dem Rotschopf genug Sicherheit, um wieder aufzusehen. Der Blonde lächelte. „Wie Perle.“ Bevor Gaara eine Verbindung ziehen konnte, huschte Deidaras Hand in seinen Ausschnitt und zog die jadefarbene Perle hervor, die er ihm geschenkt hatte. Seine bisherige Vermutung war also korrekt gewesen. Die Perle ähnelte absichtlich seiner Augenfarbe. Nun hatte er Gewissheit. Intensive Wärme stieg in seinem Inneren auf. Es machte ihn in der Tat sehr glücklich, dass der Ningyo seine Augen mochte. Gaara zog Deidara an sich und vergrub sein Gesicht in dem langen Haar. Seine Überwältigung ließ ihn ein wenig überschwänglich reagieren. Aber er war sich recht sicher, dass der Blonde damit zurecht kam. Es bedeutete ihm einfach viel.

Gaara verharrte noch ein paar Augenblicke, bis er sich wieder weit genug in der Gewalt hatte, um sich auf alltägliche Dinge konzentrieren zu können. Noch immer mit einem warmen Gefühl im Bauch sah er Deidara an. Kurz wanderte sein Blick hinab auf dessen nackte Brust. Dort lag wie immer die Muschelhälfte auf der Haut. Irgendwann würde er verstehen, was Deidara ihm mit der Zeichnung der Muscheln hatte sagen wollen. Bis dahin freute er sich einfach, dass dem Blonden sein Geschenk gefiel und er es bei sich trug.

„Essen?“, fragte Gaara. Die Mittagszeit war angerückt. Allmählich bekam er Hunger. Deidara nickte und schaltete den Fernseher aus, um ihm in die Küche zu folgen. Dem Blonden ein Messer in die Hand zu drücken, um beispielsweise Gemüse oder Fisch zu schneiden, klappte gut. Deidara war sehr sicher im Umgang mit scharfen Gegenständen und zerteilte vor allem Fleisch und Fisch äußerst geschickt. Gaara kümmerte sich dafür eher um das Kochen und Braten und Feinheiten wie Gewürze.

Wenn er ihn so beim Filetieren des Fisches beobachtete, fragte er sich oft, wie sein Leben im Meer wohl aussah. Noch konnte er ihn kaum fragen. Ihre sprachliche Basis war zu klein für solche Konversationen. Aber es interessierte ihn sehr. Vieles versuchte er selbst zusammen zu fügen. Beispielsweise gab es keinen Strom im Meer. Viele Geräte, die Menschen ihren Alltag erleichterten, fielen weg. Als einzige Wärmequelle kamen Unterwasservulkane in Frage, die Hitze erzeugen konnten. Wie tief Ningyo wohl in der Lage waren zu tauchen? Bei seinem Körperbau bezweifelte er, dass der Blonde dem Druck von mehreren Kubikkilometern Wasser standhielt.

Sicherlich hatte Deidara auch niemals etwas Gekochtes gegessen, bis Gaara ihm etwas mitgebracht hatte. Dass er den Fisch normalerweise roh aß, wusste der Rotschopf inzwischen. Anscheinend versorgten Ningyo sich komplett selbst mit Nahrung, denn der Blonde fing die Fische eigenhändig, die ihre Mahlzeiten bereicherten. Jedoch vertrug Deidara Getreide anscheinend nicht sonderlich gut. Als es einmal Ramen gab, hatte der Blonde sich nicht lange danach mit Bauchschmerzen auf dem Futon zusammengerollt. Wahrscheinlich war diese Unverträglichkeit nur natürlich, da unter Wasser lediglich Pflanzen und eben Meerestiere auf dem Speiseplan stehen konnten. Ferner schien das klassische Schnuppern mit der Nase für Deidara recht neu zu sein. Geruchs- und Geschmacksinn hingen zwar zusammen, jedoch atmete der Ningyo unter Wasser durch die Kiemen, weswegen Gaara vermutete, dass er auch wie Fische riechen konnte, um Geschmacksstoffe wahrzunehmen, über Sinneszellen am Körper und an den Flossen. Vermutlich fungierte seine Nase dann wie die Riechgruben bei Fischen. Aber er war definitiv nicht daran gewöhnt, nur über die Nase Gerüche zu erkennen und auseinander zu halten.

Die sozialen Netzwerke und das alltägliche Verhalten der Ningyo interessierten Gaara ebenso. Er konnte lediglich Deidara beobachten, aber wie viel von seinem natürlichen Verhalten er ihm tatsächlich zeigte, musste er mutmaßen. Ihm war bisher lediglich aufgefallen, dass Deidara ihm nie zur Begrüßung oder Verabschiedung die Hand gab. Er umarmte ihn immer und seitdem sie mit intimeren Gesten begonnen hatten, war ein Kuss fester Bestandteil. Allgemein funktionierte die Kommunikation wohl ähnlich, ansonsten wäre es nicht einmal möglich, ihm Japanisch beizubringen. Ningyo verfügten über die gleiche Intelligenz wie Menschen, weswegen Gaara von einer komplexeren sozialen Struktur innerhalb dieser Rasse ausging.
 

Nach dem Mittagessen setzte Gaara sich mit dem Blonden hin, um ihm weiter seine Sprache beizubringen. Vorsichtshalber hatte der Rotschopf all seine Schulsachen mitgebracht, sollten ihm selbige helfen. Allerdings konnte er nicht alles einfach übernehmen, da Deidara nicht einmal mit der Sprache an sich vertraut war. Manchmal musste Gaara durchaus einen mentalen Spagat zwischen den Erklärungen im Schulheft und Deidaras Verständnis machen. Aber bisher klappte es relativ gut.

Er drückte dem Ningyo zusätzlich einen Stift in die Hand, damit er zu der Aussprache sofort das dazu passende Kanji sehen und schreiben konnte. Der Blonde schien allerdings von dem Bleistift und dem Blatt Papier an sich deutlich faszinierter zu sein als von der Sprache, begann er zwischendurch immer herum zu kritzeln. Und als er ihn jetzt bei diesem Kritzeln erwischte, fiel ihm auf, dass seine zuerst zusammenhanglosen Striche allmählich Formen annahmen. Deidara zeichnete die kleine Katze Chi aus der Fernsehserie und das erstaunlich gut. Anstatt ihn zu unterbrechen, beobachtete Gaara ihn einfach weiter. Unweigerlich dachte er an die Bilder im Sand, die der Blonde zur Unterstützung gezeichnet hatte. Sie waren teilweise wirklich detailliert und gut gemacht gewesen. Er bekam allmählich den Eindruck, dass Deidara gern zeichnete und anscheinend auch gewisses Talent dafür besaß. Ohne den Blonden zu stören, erhob Gaara sich und holte aus dem Wandschrank seine Stiftebox, die er vor allem in der Schulzeit im Kunstunterricht benötigt hatte. Er stellte sie auf den Tisch und öffnete sie. Neugierig hielt Deidara inne und schaute von der Box zu ihm.

Gaara nahm einen roten Stift heraus und machte ein paar kleine Striche auf das Papier, um ihm zu zeigen, dass nicht jeder Stift grau in sich barg. „Damit kannst du bunt zeichnen.“

Verständnislos sah der Blonde ihn an. Aber er hatte wohl nur seine Worte nicht verstanden, weil er ihm den Stift aus der Hand nahm und sich nun selbst ausprobierte. „Was du machst, heißt zeichnen“, folgte zuerst einmal die einfachere Erklärung. Gaara deutete auf die kleinen Bilder, die wahllos auf dem Papier verteilt waren. „Zeichnen…“, wiederholte der Blonde versonnen. Seine Augen begannen zu funkeln. Deidara griff in die Box und fischte nun wahllos weitere Stifte heraus, die er austestete.

Gaara stützte sich mit den Händen hinter sich ab und betrachtete den Ningyo, der mit zunehmender Begeisterung die verschiedenen Farben zu Papier brachte. Damit war die Sprache für heute wohl erledigt. Aber das war nicht weiter tragisch. Gaara freute sich, wenn Deidara etwas für sich entdeckte, was ihm Spaß machte. Jetzt konnte er sich auch sehr gut allein beschäftigen, war Gaara nicht den ganzen Tag in der Lage, sich um ihn zu kümmern. Das Studium durfte er nicht vernachlässigen. Seine Zeit musste er sich einteilen. Die eine Hälfte für Deidara, die andere Hälfte für seine Bildung. Der Rotschopf war zuversichtlich, beides bewältigen zu können.

___________________________________________

[4]Universität Ryûkyû in Nishihara, Präfektur Okinawa: staatliche Universität in Japan

[5]Chi’s sweet Home: japanischer Kinderanime über die kleine Katze Chi; kurze Episoden von ca. 3 Minuten
 

Traditionell japanisches Haus: also Tatami, Schiebetüren, Sitzkissen und niedrige Tische, Wandschränke, Futons etc.
 

Aktuelles Alter :

Gaara: 19 Jahre

Kankurô: 20 Jahre

Temari: 22 Jahre

Deidara: 21 Jahre

Einladung

Temari widersetzte man sich besser nicht. Schon vor langer Zeit hatte Gaara diese Versuche aufgegeben. Würde er sich weigern, mit ihr einkaufen zu gehen, käme sie einfach in sein Zimmer, um ihn gegen jeden Protest ins Auto zu zerren. Eine Zustimmung war für alle Seiten die angenehmste Variante. Und deswegen trottete Gaara nun neben seiner älteren Schwester durch die Straßen von Aka und ließ sich möglichst wenig von ihr ausquetschen. Gerade jetzt sehnte er sich nach der vergleichsweise ruhigen Zeit mit Deidara. Dem Ningyo zu erklären, dass er während der Sommerferien nicht bei ihm wohnen und sich nicht zeigen durfte, war leichter gewesen als erwartet. Gaara hatte angenommen, es gäbe größere Probleme. Natürlich nagte die Angst in ihm, dass Deidara dachte, er verleugne ihn. Das war natürlich nicht der Fall. Er wollte den Ningyo schützen. Niemand durfte von ihm erfahren. Aber soweit er Deidara verstanden hatte, war diesem seine Handlungsweise nur recht. Der Blonde wollte sich jedoch regelmäßig mit ihm treffen, wogegen er nun wirklich nichts einzuwenden hatte. Vermutlich waren sich die Ningyo der Gefahr bewusster, welche von den Menschen ausging, als er bisher gedacht hatte.

Beim Auto angelangt, öffnete Temari den Kofferraum. Die Einkaufstüten fanden ihren Platz im Inneren. Gaara rieb sich den Nacken. Mit etwas Glück war es überstanden. Die Blonde verschloss den Kofferraum und sah ihn auffordernd an. Oder auch nicht. „Und jetzt gehen wir etwas essen“, beschloss sie. Gaaras Stirn legte sich in Falten. „Wolltest du nicht kochen?“

Sie schmunzelte. „Heute Abend. Also komm.“ Zielstrebig lief sie voran und ihm blieb nichts anderes übrig als ihr ergeben zu folgen. Temari hatte die Autoschlüssel. Wenn er nicht zum Strandhaus zurücklaufen wollte, ließ er das über sich ergehen. Gaara ahnte, was ihn erwartete. Temari wollte sich mit ihm unterhalten. Im Strandhaus konnte er ihr entfliehen, indem er mit dem Boot zu der kleinen Insel ruderte oder im Wald verschwand und erst sehr spät wiederkam. Ihm war aber nicht nach dieser Art von Unterhaltung, musste er auf jedes Wort achten, das über seine Lippen kam. Nichts durfte darauf hindeuten, dass er nicht alleine lebte.

Seine Schwester hielt vor einem Ramenlokal. „Lass uns hier essen“, schlug sie vor und trat auch schon durch die offene Tür. Wie lange war es her, dass sie dieses Lokal zum letzten Mal aufgesucht hatten? Mindestens fünf Jahre bestimmt. Aber Gaara kam es nicht so vor, weil er gegenüber immer einkaufen ging und den Ramenimbiss jedes Mal sah, wenn er den Einkaufsladen verließ.

Langsamer folgte der Rotschopf Temari. Sie hatte sich bereits einen Tisch ausgesucht und ließ sich daran nieder. Gaara setzte sich zu ihr. „Ist lange her, dass wir hier waren“, sagte die Blonde gut gelaunt. „Damals waren Vater und Kankurô noch dabei.“ Zustimmend nickte Gaara. Wie letztes Jahr hatte Kankurô sich vor dem Familienurlaub gedrückt. Und obwohl er mit seinem großen Bruder wenig anfangen konnte, fand er es schade. Sie waren doch schließlich eine Familie. Wann er Kankurô nun wiedersehen würde, wusste er nicht. Allerdings war Gaara wenig bereit, sich zu ihm einzuladen. Kankurô lebte in einer kleinen Wohnung mitten in der Stadt. Ruhe war dort ein Fremdwort.

Der Kellner kam und fragte nach ihrer Bestellung. Während Temari bereits ihre Wünsche nannte, suchte Gaara sich zügig etwas von der Karte aus. Gerade wollte er bestellen, da unterbrach der junge Mann ihn. „Du bist doch der Typ, der gegenüber immer einkaufen geht. Deine Haare sind ziemlich auffällig. Du wohnst noch nicht lange auf Aka, ne?“ Gaara blinzelte irritiert. Erst jetzt betrachtete er den Kellner genauer. Blondes Haar umrahmte strubbelig sein Gesicht. Auf seinen Lippen hatte sich ein penetrantes Grinsen eingenistet und die meerblauen Augen sahen ihn unverwandt an. Gaaras Stirn zog sich kraus. Der andere sah ihm immer noch direkt in die Augen? Das war sehr ungewohnt. Verspätet deutete er ein Nicken an, um die Frage zu bestätigen. Was geschah hier gerade?

Der Kellner beugte sich etwas vor und musterte ihn unangenehm aufdringlich. „Du hast krasse Augen, echt jetzt“, kommentierte er seltsam unbekümmert als spräche er über das Wetter. Dann ging er nahtlos zu seiner eigentliche Aufgabe über. „Also, was willst du nun?“ Gaara entspannte sich geringfügig, weil der junge Mann sich wieder aufrichtete und mehr Raum zwischen ihnen war. „Einmal Shio-Ramen.“

Eine helle Augenbraue wanderte hoch. „Sonst nichts?“ Gaara schüttelte mit dem Kopf. „Kommt sofort“, sagte der Kellner gut gelaunt und trat hinter den Tresen, um die Bestellung weiter zu geben. Der Rotschopf dagegen musste das erst mal verdauen. Nur ließ ihm seine Schwester keine Zeit. „Ich bin überrascht. Früher hast du dir nicht so leicht Freunde gemacht.“ Das gut gemeinte Necken prallte an ihm ab. „Witzig“, war seine einzige Reaktion darauf. Temari wusste genau, dass er es in der Schule nie leicht gehabt hatte. Die Menschen ertrugen den Blick in seine Augen nicht lange. Seine Familie kam damit inzwischen zurecht, aber sie hatten auch schon fast 20 Jahre Zeit gehabt, sich an diese Außergewöhnlichkeit zu gewöhnen. Der einzige, der ihm von Anfang an immer direkt in die Augen gesehen und den Blick nicht abgewandt hatte, war Deidara. Bis jetzt.

„Ist ja gut.“ Temari schnaufte. „Dann lass uns über was anderes reden. Wie kommst du mit deinem Studium voran?“ Das war nur der Anfang. Gaara war sich sicher. Aber auf diesem Terrain fühlte er sich sicher. Denn sein Studium hatte nichts mit Deidara zu tun. „Gut. Für die Prüfungen fliege ich bald zur Hauptinsel rüber.“ Inzwischen ging Gaara davon aus, Deidara für ein paar Tage allein lassen zu können. Das Haus würde anschließend noch stehen. So neugierig der Ningyo war, er ließ auch gewisse Vorsicht walten.

Zufrieden nickte Temari. „Und wie sieht es mit deinem Praktikum aus? Sie haben ihre Meinung nicht geändert?“ Der Rotschopf schüttelte verneinend den Kopf. „Sie bleiben dabei. Ab dem dritten Semester nehmen sie mich erst.“ Sie seufzte. Ihr Gespräch wurde kurz unterbrochen, brachte der übermütige Kellner ihre Bestellungen. „Lasst es euch schmecken. Sind die besten Ramen, die man auf Aka kriegen kann, echt jetzt!“ Während der Blonde sprach, sah er allerdings nur Gaara an und grinste schließlich stolz. Auf eine nennenswerte Antwort wartete der Kellner glücklicherweise nicht. Vielmehr griff Gaara innerlich zutiefst verwirrt nach seinen Stäbchen und löste sie voneinander.

„Der scheint dich zu mögen“, meinte Temari. Abermals runzelte Gaara seine Stirn. „Er kennt mich gar nicht.“ Locker zuckte seine Schwester mit den Schultern. „Sag das ihm, nicht mir.“ Nun wandten sie sich aber erst einmal ihrem Mittagessen zu. Für diese kleine Gesprächspause war der Rotschopf dankbar. In seinem Kopf herrschte gerade recht großes Chaos. Er konnte einfach nicht verstehen, warum der Kellner so… aufdringlich war. Zwar war es durchaus angenehm, nicht mitansehen zu müssen, wie sich Blicke abwendeten, nur weil er jemandem in die Augen sah, aber zugleich verwirrte es ihn auch. Warum ausgerechnet jetzt? Warum ausgerechnet hier? Und warum dieser Kellner?

Gaaras Ramenschüssel war leer, bevor er seine Gedanken komplett geordnet hatte. Gern würde er sich jetzt auf die kleine Insel zurückziehen, dem Rauschen der Wellen lauschen und durch Deidaras langes Haar streichen. Das seidige Gefühl der Strähnen zwischen seinen Fingern hatte eine wohltuend beruhigende Wirkung auf ihn.

„Gaara“, begann seine Schwester. Ihr Unterton ließ durchblicken, dass das Nachfolgende von Bedeutung war. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Hier und Jetzt. Fragend sah er sie an. „Ich hab beim Aufräumen ein paar Zeichnungen gefunden“, eröffnete sie ihm. Innerlich fluchte Gaara. Warum putzte sie immer noch in seinem Raum? Dabei hatte er Deidaras Zeichnungen doch extra gut weggelegt, damit niemand selbige zu Gesicht bekam. „Ich hatte dir doch gesagt, du brauchst in meinem Zimmer nicht putzen.“ Ernst sah er sie an. „Früher hat es dich auch nicht gestört.“ Früher war er auch noch jünger gewesen und hatte sich um andere Dinge gekümmert. Nun aber war er es gewohnt, sich allein um seine Angelegenheiten zu kümmern. „Ich bin alt genug. Ich kann das selbst.“

Temari hob beschwichtigend ihre Hände. „Ist ja gut. Sonst freut ihr Jungs euch doch immer, wenn ihr die Hausarbeit nicht machen müsst.“ Das traf vielleicht auf Kankurô zu. Gaara störte sich nicht sonderlich daran. Hausarbeit gehörte zum Leben dazu. „Aber um auf die Zeichnungen zurückzukommen… die sind echt gut. Seit wann zeichnest du? In der Schule warst du doch nie so begeistert vom Kunstunterricht gewesen …und auch nie so gut.“ Temaris Neugier erschlug ihn fast. Gaara musste sich schnell etwas einfallen lassen. Dass diese Zeichnungen noch aus seiner Schulzeit stammten, glaubte sie nicht. Da sie damals auch sein Zimmer immer geputzt hatte, wusste sie recht gut, was er alles besessen hatte. „Ich… brauchte einen kleinen Ausgleich zum Studium“, murmelte er und sah in die leere Ramenschüssel. „Beim Zeichnen muss man nicht denken und man kann den Geist entspannen.“ Hoffentlich war die Lüge gut genug. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.

Temari lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. „Das glaube ich dir nicht.“ Unwillig schnaufte Gaara. „Glaub, was du willst“, erwiderte er leise. Die Wahrheit ging sie nichts an. Störrisch erwiderte er ihren bohrenden Blick. Merkwürdigerweise verzogen sich ihre Lippen zu einem schelmischen Lächeln. „Gib es zu, du hast eine Freundin und die Zeichnungen sind von ihr.“ Minimal weiteten sich Gaaras Augen. Wie kam sie denn nun darauf? „Ist es dieselbe, von der du die Perle hast?“

Eigentlich war die Idee gar nicht so schlecht. Solange Deidara niemals vor Temaris Nase herumlief, wäre das eine akzeptable Lüge, um beispielsweise die Zeichnungen plausibel zu erklären. „Das geht dich nichts an“, brummte Gaara und verschränkte nun abwehrend die Arme vor der Brust. Sein Liebesleben ging Temari doch überhaupt nichts an. Er fragte sie schließlich auch nicht aus, ob sie einen Freund hatte. Sie erzählte solche Details von ganz allein.

Temari öffnete ihre Arme wieder und beugte sich etwas vor. „Ich wusste es doch.“ Triumphierend sah sie den Rotschopf an. „Das geht doch garantiert schon ein paar Jahre. Glaubst du, ich hätte deine Veränderung nicht bemerkt? Jetzt ergibt das alles einen Sinn.“ Verstehend nickte die Blonde. „Deswegen wolltest du auch unbedingt hier leben und hast ein Fernstudium angefangen. Damit du bei ihr sein kannst. Das ist wirklich süß von dir.“ Wenigstens kniff sie ihm nicht noch in die Wange oder zerstrubbelte sein Haar. Dennoch war Gaara nahe dran, im Boden zu versinken. Ganz Unrecht hatte Temari allerdings nicht und das ärgerte Gaara am meisten. Zu allem Übel begannen seine Wangen zu brennen. Ihm war dieses Gespräch extrem unangenehm.

„Und wann stellst du sie deiner Familie endlich vor?“ Abschätzend legte sich Gaaras Stirn in Falten. „Damit du sie auseinandernimmst und Kankurô sie anbaggert?“ Das wurde ja immer besser. Sollte Temari in der Familie verbreiten, dass er eine Freundin hatte. Aber niemals würde er Deidara vorführen. Mal ganz davon abgesehen, dass er ein Mann war.

„Jetzt übertreibst du“, widersprach Temari. Gaara seufzte. „Können wir das Thema bitte einfach beenden und Heim fahren?“ Unnachgiebig ruhten Temaris grüne Augen auf ihm. Erst befürchtete er, sie wollte weiterbohren, doch schließlich gab sie nach. „Na gut. Für’s Erste. Aber fühl dich nicht zu sicher.“ Am Ende zwinkerte sie. Gedanklich schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Womit hatte er eine derart neugierige Schwester verdient?

„Kellner, die Rechnung“, verlangte die Blonde. Nur wenig später trabte der dreiste Kellner an und nannte den zu zahlenden Betrag. Schon wieder ruhte sein Blick auf Gaara. „Weißt du was? Jeden Samstagabend treff ich mich mit ein paar anderen im Minami, das ist der einzige Club hier. Gut, eigentlich treffen wir uns öfter da. Aber Samstag sind eigentlich alle da, weil an den anderen Tagen nicht immer alle Zeit haben. Komm doch vorbei.“ Der Kellner grinste. Noch immer fühlte Gaara sich von der Offenheit etwas überrumpelt. Doch der junge Mann schien das Angebot ernst zu meinen. Leise Neugier wallte in Gaara auf. Er würde schon gern dorthin gehen. Es war nicht so, dass er keine Freunde wollte. Nur war er einfach nicht gewohnt, dass Menschen etwas mit ihm machen wollten. Aber vielleicht sollte er diesem aufdringlichen Kellner eine Chance geben. Zögerlich nickte Gaara schließlich. Zwar war er kein Clubgänger, aber einmal konnte er sich ja mit der anstrengenden Umgebung arrangieren. „Toll“, war die glückliche Reaktion. „Ich bin übrigens Uzumaki Naruto. Meinen Eltern gehört das Ramenlokal.“ Durfte Gaara skeptisch sein? Naruto wirkte freundlich und aufrichtig. Aber er redete auch ziemlich viel. Vielleicht war er aber gar nicht so übel, wenn er ihn etwas besser kennen lernte. Der Rotschopf wollte ihn nicht gleich von sich weisen, wo dieser sich nicht an seinem Gendefekt zu stören schien und ihn auch noch einlud. „Sabaku no Gaara“, stellte er sich selbst vor. Ein kurzer Seitenblick glitt zu seiner Schwester. „Das ist Temari, meine Schwester.“ Diese erhob sich und legte ihre Hand schmunzelnd auf Narutos Schulter. „Ich sorge schon dafür, dass er Samstag auftaucht.“

Jetzt verbündete sie sich schon mit dem Kellner. Gaara stemmte sich ebenfalls hoch. Am besten sagte er dazu einfach gar nichts. „Ich würd mich freuen, wenn du kommst“, erklärte Naruto an ihn gewandt. „Dann kannst du auch die anderen kennen lernen. Wird bestimmt lustig!“

Gaara nickte einfach, weil er nicht wusste, was er dazu sagen sollte. Das wäre sein erster Abend in einem Club mit Menschen seines Alters, die ihn bisher immer gemieden hatten. Allein bei dem Gedanken wurde er ein wenig nervös, obwohl er davon nach außen nichts zeigte.

„Wir müssen dann“, erklärte Gaara schließlich. „Bis dann.“ Naruto verabschiedete sich von ihnen und sie verließen das Lokal. Tief atmete der Rotschopf die frische Luft ein. „Er wirkt ein wenig einfältig, aber sehr nett. Vielleicht werdet ihr ja Freunde. Würde mich freuen.“ Gaara sah seine Schwester von der Seite an. Ein ehrliches Lächeln zierte ihre Lippen. „Mal sehen“, erwiderte er langsam. Seine Haltung blieb vorerst abwartend. Er würde der Einladung folgen, aber er wollte sich noch keine zu großen Hoffnungen machen. Vielleicht fanden Narutos Freunde dessen neueste Bekanntschaft nicht so toll wie der Blonde selbst.

Sie erreichten das Auto. Nachdem Temari den Wagen aufgeschlossen hatte, setzten sie sich hinein. Nur Augenblicke später startete der Motor. Während Temari ausparkte und aus dem Ort hinaus steuerte, wanderten Gaaras Gedanken zu Deidara. Ihm wäre wohler, könnte er ihn mit in diesen Club nehmen. Doch zum einen war seine Familie noch mindestens eine Woche hier, sodass der Ningyo sich nicht zeigen konnte, zum anderen wollte er ihm einen engen Club voller Menschen und Alkohol vorerst nicht zumuten. Deidara war noch nicht einmal mit dem Rauschmittel in Berührung gekommen. Bevor er ihn überhaupt mit in solch ein Etablissement nahm, musste er ihn in einer kontrollierten Umgebung damit konfrontieren. Den jungen Menschen von Aka würde Gaara sich also erst einmal allein stellen.

Im Club

Gaara stellte seine Honda auf einem nahe gelegenen Parkplatz ab. Den Helm verstaute er wie üblich unter seinem Sitz. Tief durchatmend fuhr er sich durch das Haar, dann überquerte er die kaum noch befahrene Straße. Leuchtende Schrift verkündete den Namen des Clubs. Minami. Unruhe krallte sich an ihm fest, sobald er ins Innere des Gebäudes trat. Gedämpftes Licht umfing ihn. Im ersten Impuls wollte Gaara sofort wieder umdrehen. Der Club wirkte eng, stickig und laut. Die gesamte Jugend von Aka schien sich hier versammelt zu haben. Wie sollte er Naruto zwischen den ganzen Menschen finden? Etwas verloren ließ der Rotschopf seinen Blick über die Bar an der linken Seite schweifen. Die Kellner dahinter hatten alle Hände voll zu tun, den Kunden ihre Wünsche zu erfüllen. In der Mitte des Raumes war Platz geschaffen worden für eine Tanzfläche. Aber noch war es recht früh, weswegen sie noch relativ übersichtlich erschien. Zuckende Lichter umgaben die Tanzenden beinahe unnatürlich. Eingerahmt wurde die Fläche von Sitzecken und ein paar frei stehenden Tischen, um die sich die jungen Menschen drängten. Selbst über das Dröhnen der Musik hörte er noch ihr rumoren.

Gaara fühlte sich deplatziert. Was machte er überhaupt hier? Das war nichts für ihn. Vielleicht sollte er wieder gehen. Doch bevor er diesen Gedanken in die Tat umsetzen konnte, tauchte Naruto plötzlich freudestrahlend aus der Menge aus. „Wie schön, dass du da bist. Komm mit. Ich zeig dir, wo wir sitzen.“ Und schon griff der Blonde nach seinem Handgelenk und zog ihn einfach mit sich. Wenigstens war die Musik nicht so laut, dass man sich nicht mehr verstand. Ein oder zwei Stunden brachten ihn sicherlich nicht um.

Sie erreichten eine der Sitzecken. Neugierige Augenpaare musterten ihn. „So, Leute. Das ist Gaara“, erklärte Naruto und legte den Arm um seine Schulter. Innerlich verspannte Gaara. Er mochte es nicht, wenn Fremde ihm derart nahe kamen. Aus den Augenwinkeln sah er den Blonden an. So stolz wie Naruto gerade grinste, könnte man meinen, er hätte einen Wettbewerb gewonnen. Bestimmt schob er die Hand von seiner Schulter. Kurz lag der Blick aus den blauen Augen irritiert auf ihm, aber Naruto ließ sich nicht beirren.

„Das sind Sakura, Ino, Shikamaru, Lee, Neji, Tenten und Hinata.“ Während Naruto sprach, deutete er auf die entsprechende Person. Hier in dem schummrigen Licht war es schwer, die Personen wirklich richtig zu erkennen. Aber Sakura und Ino hatten definitiv helles Haar, im Gegensatz zu dem Rest. Länger blieb sein Blick an einem jungen Mann mit langem Haar hängen. Die Augen erinnerten ihn an seine eigenen. Sie wirkten so hell. War das nur eine Täuschung des Lichtes hier im Club? Noch nie zuvor war er einem anderen Menschen begegnet, der derart helle Augen besaß wie er selbst. Naruto war anscheinend daran gewöhnt. Deswegen also sah er ihn direkt an.

Ein allgemeines „Hallo“, kam von Narutos Freunden. Gaara erwiderte es, vielleicht etwas zu leise, aber er hoffte, man verstand ihn trotzdem. Eigentlich war er wenig gewillt, seine Stimme derart zu erheben, nur um die Musik zu übertönen, die ohnehin nicht so ganz seinem Stil entsprach. Es waren die üblichen Pop-Klänge, die man in den beliebtesten Radio-Sendern hörte.

Naruto schob ihn zu der freien Ecke der runden Sitzbank. „Setz dich schon mal, ich hol dir eben was zu trinken. Was willst du?“

Gaara blinzelte kurz. Er fühlte sich dezent überrumpelt. Mit fragendem Ausdruck im Gesicht beugte Naruto sich näher zu ihm. „Sag schon?“ Bevor der Blonde noch in ihn hinein kroch, gab er lieber nach. „Irgendwas Alkoholfreies.“ Naruto grinste breit. „Kommt sofort.“ Gaara sah ihm nach, bis er ihn in der Menge verlor. Eigentlich war er ganz froh, sich nicht selbst durch die Meute quetschen zu müssen.

„Du trinkst nicht?“, fragte die junge Frau, die Naruto als Sakura vorgestellt hatte. „Ich muss noch fahren“, erklärte Gaara. Temari hatte angeboten, ihn zu fahren. Aber dann wäre er von ihr abhängig gewesen. Und bei seinem Glück wäre sie vielleicht sogar mitgekommen. Seine Schwester wollte er nun nicht ständig um sich haben.

Ino beugte sich etwas vor und sah ihn interessiert an. „Aka ist so klein, da brauchst du doch gar kein Auto“, meinte sie. „Ich wohne außerhalb.“ Gaara wollte nicht nachts durch den Wald laufen. Seine Zeit konnte er besser nutzen. Lee trank von seinem Bier und sah ihn forschend an. „Naruto hat erzählt, dass du Motorrad fährst.“ Dieser Kommentar schien Inos Interesse an ihm zu verstärken.

Gaara war es neu, dass ihm so viel Interesse galt. Aber bisher erschienen Narutos Freunde recht …nett? Wie lange waren sie schon mit Neji befreundet, um an dessen Augen gewöhnt zu sein? Er brauchte einfach etwas Zeit, sich mit der Normalität anzufreunden.

„Du fährst Motorrad? Cool“, kommentierte Ino und lächelte. Auch Lees Begeisterung schien zu wachsen. Vermutlich galt selbige vorrangig seinem Motorrad, dabei hatte er noch gar nichts dazu gesagt. "Was für eins hast du denn?“ Allerdings mischte sich nun Shikamaru ein und vervollständigte das Chaos. „Ino, bagger ihn an, wenn er Narutos Fängen entkommen ist.“ Irritiert runzelte der Rotschopf die Stirn. Was meinte der andere damit? Die Blonde schnaufte nur. „Man kann es doch trotzdem versuchen.“ Sie nippte schmollend an ihrem Cocktail.

„Was meinst du damit?“, hakte Gaara nach und erntete einen Seitenblick von Shikamaru. „Wirst du noch sehen.“ Ein wissendes Schmunzeln huschte über dessen Lippen. Hier wussten also alle etwas, was er nicht wusste. Doch nach dieser Aussage schlich eine Ahnung durch seinen Geist. Hatte Naruto ihn aus einem ganz bestimmten Grund eingeladen? Das würde er wohl noch rausfinden.

Das Gespräch erhielt einen anderen Fokus und Gaara beschränkte sich aufs Zuhören, war dies in dieser ungewohnten Umgebung unter fremden Menschen angenehmer. Soweit er es verstand, war Sakura mit einem Kerl namens Sai zusammen, der in Tôkyô studierte und deshalb nicht anwesend war. Und wenn er richtig beobachtete, dann mussten sich Neji und Tenten recht nahe stehen. Die beiden saßen sehr nah beieinander und unterhielten sich leise.

Seine Aufmerksamkeit wurde allerdings schnell wieder von Lee beschlagnahmt. „Also was hast du jetzt für eine Maschine?“ Der Junge wirkte etwas übereifrig. Halb hing er über dem Tisch und starrte ihn an. Die Frisur war auch ein wenig seltsam, ein altmodischer Topfschnitt. „Eine Honda.“ Lees Augen begannen zu leuchten. „Wenn du mal irgendein Problem hast, komm ruhig zu mir. Ich bin KFZ-Mechaniker. Hier fahren alle Auto oder Fahrrad. Da ist ein Motorrad eine schöne Abwechslung.“ Diese Information war natürlich praktisch. Nun wusste er schon mal, an wen er sich wenden konnte, sollte an seiner Honda mal irgendwas ausgewechselt oder repariert werden müssen. Verstehend nickte er. Vermutlich war Lee auch schon ein paar Jahre älter, wenn er bereits einem Beruf nachging. Der Schwarzhaarige öffnete bereits wieder den Mund, da fiel ihm Sakura ins Wort.

„Jetzt frag nicht noch, ob er sie dir jetzt zeigen soll. Er ist gerade erst angekommen. Außerdem wirst du das Motorrad sicher sowieso irgendwann sehen.“ Lee wirkte im ersten Moment ein wenig traurig. „Ja, du hast ja Recht, Sakura“, gab er nach. Gaara war dankbar, ein wenig aus dem Mittelpunkt der Aufmerksamkeit heraus zu kommen. Er lehnte sich zurück. Ohne Fokus schweifte sein Blick über die vielen Menschen. Er fühlte sich nach wie vor etwas deplatziert, als gehöre er nicht hierher. Es war merkwürdig, plötzlich bei einem festen Freundeskreis zu sitzen und zu wissen, man war der Neue. Aber bisher wirkten die anderen ganz in Ordnung. Gaara schaute zur Bar. Naruto war immer noch nicht wieder zurück. Das dauerte ziemlich lange, fand er.

„Gaara?“ Fast hätte er die leise Stimme überhört. Der Rotschopf wandte sich dem Mädchen zu, welches direkt neben ihm saß. Bisher hatte er sie kaum beachtet, weil sie nichts gesagt hatte. Sie ähnelte Neji. Langes, schwarzes Haar und dieselben hellen Augen. Sie wirkte ein wenig schüchtern ihrer Haltung nach zu urteilen und wie sie in ihrem Schoß unauffällig ihre Fingerspitzen aneinanderlegte. „Ich habe noch nie jemanden außerhalb meiner Familie gesehen, der auch solche Augen hat.“ Dann gehörte Neji also zu ihrer Familie? Die Ähnlichkeit war selbst in diesem dämmrigen Licht auffällig. „In deiner Familie haben mehr solche Augen?“, fragte er ebenso leise. „Fast alle“, bestätigte sie. „Ich bin der einzige. Ist ein Gendefekt, sagen die Ärzte.“ Hinata hieß das Mädchen, soweit er sich erinnerte. Sie senkte kurz ihre Lider und sah auf ihr Getränk. Aber schon nach wenigen Augenblicken suchte sie wieder seinen Blick. „In unserer Familie war das schon immer so.“ Irgendwie tat es gut zu wissen, dass er nicht der einzige war. Vermutlich kannten Hinata und Neji auch die Schattenseiten dieser Augen.

Bevor er allerdings antworten konnte, wurde ein Cocktail vor ihm abgestellt und ihre Unterhaltung unterbrochen. Naruto quetschte sich neben ihn auf die freie Ecke und grinste schief. „Sorry, dass es so lang gedauert hat. Die sind da vorn ein bisschen überfordert.“ Gaara nickte nur verstehend und betrachtete den Cocktail. Den Strohhalm nahm er zwischen die Lippen und trank einen Schluck davon. Ein wenig bitter, aber es fehlte jede Spur von der sinnesberauschenden Flüssigkeit. „Schmeckt‘s dir?“, fragte Naruto. An sich war das Getränk völlig in Ordnung. Gaara mochte Bier sowieso nicht sonderlich. Wenn er sich Daheim mal etwas Alkohol gönnte, griff er eher zu einem ordentlichen Schuss Rum oder Wodka in einem Glas Saft. Die harten Sachen vertrug sein Körper einfach besser als den eher seichten Alkohol. „Ist gut“, versicherte Gaara. „Wie viel schulde ich dir?“

Naruto winkte ab. „Gar nichts. Ich lad dich ein!“ Die Stirn runzelnd wanderte sein Blick von Naruto zu seinem Getränk und wieder zurück. „Ich zahle selbst“, erwiderte er bestimmt. Der Blonde setzte eine Schmollmine auf. „Ist doch nichts dabei, echt jetzt. Lass mich dich doch einladen.“ Man lud einen Fremden aber nicht ohne Hintergedanken ein. Wie viel wohl an Shikamarus Aussage dran war? „Das ist nett von dir, aber ich zahle lieber für mich selbst“, erklärte Gaara nun ausführlicher und zog seine Geldbörse aus der Hosentasche. Naruto verschränkte störrisch die Arme vor der Brust. „Ich sag dir aber nicht, wie viel ich bezahlt hab!“ In diesem Moment wirkte der Blonde wie ein bockiges Kind.

„Gib es auf. Entweder holst du dir deinen Drink selbst oder du musst damit leben, dass er ihn dir bezahlt“, mischte Shikamaru sich einmal mehr ein. Gaara wollte sich eigentlich nicht herumstreiten. Es war wohl das Beste, nachzugeben und sich in Zukunft an Shikamarus Hinweis zu halten. „Na gut“, murmelte der Rotschopf. Das Portemonnaie fand seinen Weg zurück in seine Hosentasche.

Und schon strahlte Naruto wieder. Zufrieden trank er von seinem mitgebrachten Drink, was auch immer das sein sollte. „Wo ist eigentlich Chôji heute?“, fragte der Blonde in die Runde. Alle Augenpaare richteten sich auf Shikamaru. „Eine Kuh bekommt heute wohl noch ihr Kalb, deswegen muss er auf dem Hof bleiben.“ So schnell das Interesse aufgekommen war, so schnell verpuffte es wieder. „Chôjis Eltern besitzen einen Rinderhof“, erklärte Naruto ungefragt das Detail, welches Gaara nicht wissen konnte.

„Und was hat dich nach Aka verschlagen?“, fragte der Blonde neugierig. Gaara war noch etwas vorsichtig, was er alles erzählen konnte und sollte, weil er so viel Aufmerksamkeit einfach nicht gewohnt war. Meist ließ man ihn in Ruhe. Sich auf eine Person zu konzentrieren, gelang ihm recht gut. Aber er konnte Deidara auch nicht mit den Menschen vergleichen. Der Ningyo kannte die Gebräuche nicht, was ihre Interkation zwar schwerer, aber für ihn auch sehr angenehm machte. Ihm gegenüber konnte Gaara sich seiner Natur entsprechend verhalten.

„Ich studiere hier.“

Verwirrung schlug ihm entgegen. „Aber hier gibt es doch nicht einmal eine Uni“, widersprach Naruto. „Die nächste Uni ist auf der Hauptinsel von Okinawa“, fügte Neji an. Zustimmend neigte Gaara den Kopf. „Ich bin an der Ryûkyû eingeschrieben.“ Naruto legte fragend den Kopf schief. „Wieso wohnst du dann hier? Du musst doch zu Vorlesungen und so.“ Gaara wollte gerade antworten, da hakte Shikamaru bereits nach. „Fernstudium, oder?“ Der Rotschopf bestätigte.

„Wieso macht Sai das nicht auch? Dann könnte er hier wohnen, echt jetzt!“ Naruto hatte sich wohl noch nie mit den Universitäten auseinander gesetzt. „Nicht jede Uni bietet ein Fernstudium an“, erklärte Gaara. „Aber wieso wohnst du ausgerechnet hier? Du könntest doch auch in Nishihara wohnen.“ Neugierig betrachtete Ino ihn. Durfte er sich eigentlich ausgefragt fühlen?

„Weil meine Familie hier ein Haus hat.“ Das war immerhin die halbe Wahrheit. Ohne Deidaras Auftauchen hätte er sich wohl in Uni-Nähe eine Wohnung gesucht. Wer wusste, ob er dann überhaupt aus Ôsaka fortgegangen wäre? Möglicherweise, denn die Stadt war ihm schon immer zu hektisch gewesen. Aber eine Uni befand sich nun mal immer in einer großen Stadt.

„Und was studierst du?“ Sollten die anderen Fragen haben, so kamen sie kaum dazu, diese zu stellen, weil Naruto ihnen zuvor kam. „Meeresbiologie.“ Gaara nahm ein paar Schlucke von seinem Getränk, um sich eine kurze Pause zu gönnen.

„Dann kennst du vielleicht das Akajima Marine Science Laboratory“, meinte Shikamaru. Der Rotschopf nickte. Der Schwarzhaarige schien die Insel recht gut zu kennen und kombinierte ziemlich schnell in die passende Richtung. Naruto neben ihm sah derweil ratlos aus. „Was ist das denn?“

Sakuras Blick wurde tadelnd. „Du wurdest hier geboren und weißt nicht mal das! Das ist ein Institut für die Korallenforschung. 1988 wurde es gegründet.“ Gaara sah davon ab, sie zu verbessern, denn der Schwerpunkt des Instituts lag schlicht und ergreifend auf der Korallenerforschung und dem Schutz selbiger. Aber sie machten noch weit mehr als nur das. „Man kann doch nicht alles wissen“, brummelte Naruto vor sich hin. „Du bist ein hoffnungsloser Fall“, lamentierte Sakura. „Alles, was nichts mit Ramen zu tun hat, interessiert dich nicht.“ Das ließ Naruto nicht auf sich sitzen. „Doch! Meine Familie und meine Freunde sind mir auch wichtig.“ Allgemeines Schmunzeln war die Reaktion auf die klare Ansage. „Wissen wir doch“, erwiderte Tenten.

„Wisst ihr was“, begann Ino, „lasst uns tanzen.“ Sie deutete auf die inzwischen gut gefüllte Tanzfläche. „Jetzt blamieren sich hier manche auch nicht mehr, die das nicht so gut können.“ Sie grinste amüsiert. Naruto kippte seinen Drink hinter und sprang begeistert auf. „Ja, lasst uns tanzen!“ Auffordernd lag sein Blick auf Gaara. Wenigstens zog er ihn nicht wieder mit sich. Aber wieso schien er ausgerechnet mit ihm tanzen zu wollen?

Für Gaara war es passender Moment, sich zu verabschieden. Denn allmählich wurde das ständige Rumoren und die laute Musik, sowie die stickige Luft wirklich anstrengend. „Ich gehe dann mal“, erklärte Gaara und trank die letzten Schlucke seines Drinks. Narutos Mimik reichte von überrascht bis traurig. „Jetzt schon? Der Spaß geht doch erst jetzt überhaupt richtig los, echt jetzt!“ Der Rotschopf erhob sich langsam. „Ich mag solche Lokale nur nicht so sehr.“ Andernfalls wäre er vielleicht länger geblieben. Narutos Freunde wirkten nett. So ungewohnt es war, es war auch ein Stück normale Interkation, die er sich früher schon mit anderen gewünscht hatte.

„Oh. Achso.“ Naruto wühlte in seiner Hosentasche und zog schließlich sein Handy hervor. „Gib mir doch deine Nummer. Dann können wir uns mal so treffen.“ Es war sicher nicht verkehrt, ein paar Kontakte hier zu knüpfen. Naruto war etwas stürmisch und wirklich ein wenig einfältig wie Temari schon erwähnt hatte, aber durchaus nett. Und wenn er endlich die Chance erhielt, auch Freunde zu haben wie andere, dann würde er sie schon gern ergreifen. Also nannte er Naruto seine Handynummer.

Gaara wandte sich den Freunden des Blonden zu und hob zum Gruß die Hand. „Schönen Abend noch“, wünschte er ihnen. „Kommst du nächsten Samstag wieder?“, fragte Lee noch. Ratlos zuckte er mit den Schultern. Heute wollte er sich noch nicht festlegen. Aber der Gedanke war schön, dass nicht nur Naruto ihn wiedersehen wollte. Kurz streifte sein Blick noch Hinata, die zurückhaltend lächelte. Die Gruppe war vielleicht ein wenig seltsam, aber vielleicht war es genau das, womit er sympathisierte? Denn er selbst war auch nicht ganz normal.

Verabschiedungen wurden ihm zugerufen. Sakura und Ino verschwanden bereits auf die Tanzfläche. Tenten zog Neji hinter sich her. Gaara schaute Naruto ein letztes Mal an. „Danke für den Drink.“ Wenn er schon für ihn bezahlt hatte, war ein Dank wohl angebracht. Der Blonde setzte wieder sein strahlendes Lächeln auf. „Ich ruf dich an“, versprach er.

Gaara deutete ein verstehendes Nicken an. Dann schlängelte er sich durch die Menschenmassen zum Ausgang. Frische Seeluft empfing ihn draußen und willkommene Ruhe. Tief atmete er ein. Der Abend war besser geworden als er erwartet hatte. Er schritt über die Straße zu seiner Honda. Der Helm wurde aus seinem Fach herausgenommen und aufgesetzt. Gaara schwang ein Bein über die Maschine und ließ sich nieder. Die Maschine startend spürte er das vertraute Vibrieren unter sich. Ein letzter Blick ging zum Minami. Ob Deidara solch ein Club gefallen würde? Zumindest zeigen wollte er ihm selbigen irgendwann mal.

Unterschiede

Deidara war aufgeregt. Gaara wollte ihm heute das Dorf zeigen, aus dem er immer Nahrung beschaffte. Die Tage, welche er im Meer verbracht hatte, waren langweilig gewesen, gab es noch immer so viel Neues für ihn zu entdecken in der Welt der Menschen. Daher war er sehr froh gewesen, als Gaara ihm erzählt hatte, dass seine Schwester und sein Vater in ihre eigene Heimat zurückgekehrt waren. Nun durfte er wieder im Haus wohnen und viel Zeit mit dem Rotschopf verbringen. Deidara konnte wieder zeichnen, die Geschichten in dem erstaunlichen Gerät verfolgen, das sich Fernseher nannte, und mit Gaara zusammen Essen kochen. Es gab so viel mehr Möglichkeiten als im Meer. Die Sprache war anstrengend zu lernen, aber Deidara verglich das Schreiben der Kanji mit Zeichnen. Er zeichnete ein Wort. Das half ihm beim Einprägen.

Einmal mehr umrundete Deidara neugierig das Motorrad. Menschen hatten interessante Fortbewegungsmittel. Im Fernsehen hatte er diese bunten Kästen mit vier Rädern gesehen, die als Autos bezeichnet wurden. Dass Gaara keines davon besaß, war ihm ganz recht. Diese Dinger sahen doch sehr eng aus.

Der Rotschopf hielt ihm einen Helm hin. Irritiert sah der Blonde ihn an. „Den musst du aufsetzen“, sagte Gaara. „Ist sicherer.“ Langsam nahm Deidara ihm den Helm ab und beobachtete, wie Gaara sich seinen eigenen aufsetzte. Unwillig verzog er das Gesicht. Das sollte er sich über den Kopf ziehen? Deidara sah ins Innere des Helms. Passte sein Kopf da überhaupt rein? Er wollte den Helm nicht aufsetzen. „Ohne nehm ich dich nicht mit“, fügte Gaara ruhig an. Deidara brummte vor sich hin, gab aber nach. Sein Rotschopf kannte sich in der Menschenwelt aus. Wenn es besser war, diesen Helm zu tragen, akzeptierte er das vorerst. Also setzte er den Helm auf. Im ersten Moment hatte er das Gefühl, seine Ohren wurden plattgedrückt, doch die menschlichen Ohren passten hinein. In solchen Momenten musste Deidara sich immer ins Gedächtnis rufen, dass er nicht in seinem Ningyo-Körper steckte. Die Menschen hatten diese Helme erfunden. Sie mussten passten. Unangenehm war es ihm trotzdem, weil er direkt am Kopf anlag und ihn einengte.

Deidara ließ sich hinter Gaara auf dem Motorrad nieder. „Halt dich an mir fest.“ Der Aufforderung kam er prompt nach, erschien ihm die ganze Angelegenheit auf einmal sehr wacklig. Beunruhigung erfasste Deidara, als die Maschine plötzlich unter ihm zu vibrieren begann. Das Geräusch des startenden Motorrads kannte er inzwischen zur Genüge, aber die Vibration war neu. Automatisch schmiegte er sich dichter an Gaaras Rücken. Nur einen Moment später krallte er sich fest an ihn, weil sie sich in Bewegung setzten. Deidara sah sie vor seinem inneren Auge bereits fallen. Sein Fluchtinstinkt riet ihm, sich umgehend von diesem Ungetüm zu entfernen.

Aber Gaara fuhr doch auch damit. So schlimm konnte das nicht sein. Deidaras Angst beruhigte sich allmählich, nachdem sie das Tor passiert hatten und das Motorrad ruhig auf der Straße entlangfuhr. Sein Griff um Gaaras Mitte lockerte sich ein wenig und er sah über dessen Schulter. Die Bäume huschten an ihnen vorbei. Wie schnell waren sie wohl? Erstaunlich war das schon, wozu die Menschen fähig waren. Sie konnten Maschinen erfinden, die einen in kurzer Zeit zu einem anderen Ort brachten.

Nach kurzer Zeit wichen die Bäume zurück und die ersten Häuser rahmten die Straße ein. Gaara fuhr nun langsamer. Interessiert sah Deidara sich um. Diese Häuser sahen anders aus als das von Gaaras Familie. Sie schienen nicht aus Holz gebaut zu sein. Andere Menschen liefen am Straßenrand. Deidara sah zum ersten Mal andere Menschen aus der Nähe, die nicht im Wasser waren oder ertranken. Aber sie würden ihn nicht als Ningyo erkennen. Der Blonde hatte seinen neuen Körper sehr genau analysiert und mit Gaaras und den Menschen aus dem Fernsehen verglichen. Er sah genauso aus wie sie. Nur nass werden durfte er nicht.

Gaara hielt an und schaltete die Maschine ab. Recht schnell stieg Deidara von dem Motorrad ab, war es doch eine recht wacklige Angelegenheit. Deidara fühlte sich mit festem Boden unter den Füßen wohler. Den Helm zog er sich zügig vom Kopf und schüttelte sich kurz. Erleichtert atmete er auf. So war es doch gleich viel besser. Gaara nahm seinen Helm ebenfalls ab. Ein kleines Lächeln umspielte dessen Lippen. Die Helme fanden ihren Platz in dem Motorrad, wo zuvor Gaaras Rucksack verstaut worden war.

Deidara drehte sich langsam, versuchte alle Details zu erfassen. Im Fernsehen hatte er Dörfer der Menschen schon gesehen, aber in einem zu stehen, war ganz anders. Überall gab es etwas zu sehen und er konnte einfach hingehen, nicht wie im Fernsehen. Dort wurden nur bestimmte Sachen gezeigt.

„Wo möchtest du hin?“, fragte der Rotschopf neben ihm.

Unschlüssig wanderte Deidaras Blick umher. Die Frage war schwer zu beantworten. Am liebsten würde er sich alles sofort ansehen. „Da hin, hm“, entschied Deidara sich spontan und zeigte auf einen Laden. Während sie näher kamen, erklärte Gaara ihm, dass es sich um einen Bäcker handelte. Fasziniert betrachtete der Blonde die Torten im Schaufenster. „Du wirst das Meiste hiervon nicht vertragen. Fast überall ist Gluten drin.“ Enttäuscht sah Deidara Gaara an. „Aber etwas …Kleines geht doch, hm?“, hakte er nach. Nachdem er von den Nudeln Bauchschmerzen bekommen hatte, hatte Gaara ihn gefragt, ob ihm auch das Taiyaki damals Schmerzen bereitet hatte. Da die Portion aber im Gegensatz zu den Nudeln klein gewesen war, waren die Schmerzen nicht sonderlich stark gewesen.

Ein kritischer Blick aus den jadefarbenen Augen traf Deidara. „Ich möchte… probieren“, fügte er langsamer an. Gaara seufzte. „Na gut. Wir nehmen etwas mit und teilen es uns.“ Erfreut grinsend folgte Deidara ihm in den Laden hinein. Was Gaara kaufte, überließ er ihm einfach. Am liebsten würde er alles kosten, aber das machte sein Körper nicht mit.

Gaara bezahlte und erhielt einen kleinen Karton, den er in der Hand behielt. Sie verließen den Laden. Gemütlich schritten sie auf dem Bürgersteig entlang. Gaara erklärte ihm, dass es in dieser Straße viele Geschäfte gab und man alles kaufen konnte, was man brauchte. Vor einem der Läden verharrte Deidara und schaute sich die unechten Menschen an, die im Schaufenster standen und Kleidung trugen, die er in Gaaras Schrank noch nicht gefunden hatte. „Warum hast du das nicht, hm?“, fragte er den Rotschopf und deutete auf die Beinbekleidung. Das sah viel bequemer aus als die Hosen, die zwischen den Beinen rieben. „Das ist ein Rock. Nur Frauen tragen das“, erklärte Gaara. Seine sichtbare Augenbraue hob sich. „Sieht aber viel …besser aus, zum Tragen, hm“, murmelte er, auf der Suche nach der richtigen Erklärung.

Leicht legte er den Kopf schief. Gaara wurde rot. Amüsiert grinste der Blonde. „Dir gefällt, hm?“, hauchte er und verringerte ihren Abstand. Deidara wusste, wann Gaaras Wangen sich in diesem hübschen Rot färbten. Es hatte immer irgendwas mit körperlicher Nähe zu tun. „Ich möchte probieren, hm.“ Seine Stimme senkte er mit Absicht und ein verheißungsvoller Unterton schwang mit. Gaaras freie Hand fuhr durch das rote Haar. „Das geht nicht“, murmelte er offensichtlich konfus. „Es sieht komisch aus, wenn du in diesem Laden einen Rock anprobierst. Da gehen nur Frauen rein.“

Deidara verstand das nicht. „Wieso? Sachen nur für Frauen, hm?“

Gaara haderte mit sich. Das tat er immer, wenn die Erklärung kompliziert war. Oft begriff Deidara dann nicht, was der Rotschopf ihm verständlich machen wollte. „Menschen unterscheiden manches nach Frau und Mann“, erklärte Gaara schließlich. Verblüfft sah Deidara ihn an. „Kleidung, hm?“ Gaara nickte. „Bescheuert“, kommentierte Deidara. Gaara seufzte. „Deidara. Das ist ein Schimpfwort.“ Und genau deswegen hatte er es auch benutzt. Für den Blonden ergab es keinen Sinn, warum Frauen und Männer nicht das Gleiche tragen durften. Auch war für ihn unerklärlich, wieso Männer mit freiem Oberkörper herumliefen im Fernsehen, aber die Frauen kreischten, wenn man ihre Brüste sah. Bei Ningyo war es völlig egal, wer seinen Oberkörper mit geflochtenem Tang bedeckte. Es herrschte nur eine Tendenz, dass Ranghöhere Ningyo ihren Oberkörper eher mit Seetang einhüllten und sich mit Muscheln und Perlen schmückten, um ihren Status zu unterstreichen.

„Komm, wir gehen weiter.“

Zustimmend brummte Deidara. Nachdenklich sah er noch ein letztes Mal zu dem Rock, dann folgte er Gaara. Der Rotschopf hatte eine Schwester. In die Zimmer seines Vaters, seiner Schwester und seines Bruders sollte er nicht hineingehen, das waren deren Reiche. Aber… wenn Röcke nur für Frauen waren, vielleicht gab es in Temaris Schrank einen Rock? Deidara wollte unbedingt einen anprobieren. Das Kleidungsstück wirkte viel bequemer!

Sie kamen an einem weiteren Laden vorbei und erneut hielt Deidara inne. Die Hauswand war bunt beklebt. „Auch für Frauen, hm?“, fragte er. Gaara schüttelte den Kopf. Ein kleines Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel. „Nein. Der ist für alle. Ein Supermarkt.“

Freudig grinste Deidara. Er griff nach Gaaras Handgelenk und zog ihn einfach mit sich hinein. Doch schon im Inneren wusste er nicht mehr, in welche Richtung er sich wenden sollte. Also überließ er Gaara wieder die Führung. Neugierig lief er den Weg entlang und schaute sich um. Hier stand so viel in den Regalen. Das meiste davon kannte er gar nicht. Ein paar der Dinge erkannte er wieder, hatte Gaara sie bereits mitgebracht. Aber es gab so viel zu kaufen. Wie konnten sich die Menschen da entscheiden? Ob er diesen Supermarkt mit

dem Markt der Ningyo vergleichen konnte? Dort gab es alles Wichtige zu kaufen. Vielleicht. Aber Ningyo beschafften sich ihre Nahrung anders. Fische jagte man entweder allein oder in kleinen Gruppen. Und in der Nähe der Dörfer wurden verschiedene Pflanzen zum Verzehr gezüchtet, damit es genug Nahrung gab.

Die Menschen gingen einfach in einen Laden und kauften alles, was sie brauchten. Gaara konnte vermutlich überhaupt nicht jagen. Mit einem Messer ging er viel zu langsam um und Fische filetierte er eher schlecht.

Ein großes Bild zog Deidaras Aufmerksamkeit auf sich. Der abgebildete Mensch hielt ein kleines Päckchen in der Hand und vor seinem Mund war eine rote Blase. „Was ist das, hm?“, fragte Deidara den Rotschopf. „Kaugummi. Man kaut es, darf es aber nicht runterschlucken.“

Und damit konnte man anscheinend Blasen machen? Fragend schaute er Gaara an. „Kann ich probieren, hm?“ Gaara nickte und betrachtete die verschiedenen Verpackungen näher. Neugierig schaute Deidara ihm über die Schulter. Was auf den Verpackungen stand, konnte er nur zu einem Bruchteil lesen, aber irgendwas daran musste wichtig sein. Schließlich zeigte Gaara ihm eine der Verpackungen. „Der hat kein Gluten. Den kannst du essen.“ Verwirrung machte sich in Deidara breit. „Wieso ist da… Gluten drin? Ist doch kein Geh…treide, hm?“

Langsam schritten sie weiter die Regale entlang. „In einigen Sachen ist Gluten drin, auch wenn man es nicht vermutet.“ Deidara schnaufte. Die Gesellschaft der Menschen war kompliziert.

Plötzlich tauchte ein Mensch mit kurzem, blondem Haar neben ihnen auf. „Hey Gaara. …ist ja schön, …uns hier treffen, echt jetzt.“ Deidara musterte den Fremden. Dieser strahlte über das ganze Gesicht. Sein Blick wanderte von dem anderen Menschen zu Gaara. Er wirkte beunruhigt. Bevor er ihn fragen konnte, wer das war, sah der Blonde nun ihn an. „… Freund von dir?“

„Das ist Deidara“, stellte Gaara ihn vor. „Deidara, das ist Naruto.“ Naruto also. Mit diesem Mann und dessen Freunden hatte der Rotschopf in den letzten Wochen ab und an etwas unternommen. Naruto sprach weiter, aber Deidara verstand ihn kaum, redete er schneller als Gaara, sodass es ihm schwer fiel, ihm zu folgen. Darum war er ganz froh, als Gaara dessen Aufmerksamkeit von ihm ablenkte. Deidara hielt es für klüger, momentan nichts zu sagen. Er war der Fremde in dieser Gesellschaft und wollte nicht auffallen, durfte nicht auffallen. Aber Deidara gefiel zunehmend weniger, was er sah. Narutos Blick klebte intensiv an Gaara. Das Leuchten in den Augen war ihm bekannt. So sahen Konan und Yahiko sich an. Bei Kisame bemerkte er einen solchen Blick auch manchmal, nur Itachi hatte seine Gefühle in Gesellschaft gut genug unter Kontrolle, um nichts von seinen Empfindungen für seinen Gefährten durchschimmern zu lassen. Naruto war an Gaara interessiert. War sich Gaara dessen bewusst? Sein Rotschopf wirkte distanziert. Das kannte er von ihm nicht, doch diese Verhaltensweise gegenüber Naruto beruhigte ihn etwas.

Deidara beschloss, ihm so schnell wie möglich zu erklären, was die Perle und die Muschelhälften zu bedeuten hatten. Er musste Klarheit zwischen ihnen schaffen. Zwar war er sich noch nicht ganz sicher, wie er das bewerkstelligen sollte, aber er glaubte, inzwischen einigermaßen zu wissen, wie er Gaara zumindest die Bedeutung der Muschelhälften begreiflich machen konnte. Naruto sollte gar nicht erst eine Chance erhalten, sich zwischen sie zu drängen. Doch dieser war ein Mensch. Mit ihm hätte es Gaara viel einfacher. Der Gedanke machte ihm Angst. Deidara wollte Gaara nicht verlieren.

„… rübergehen … Ramen essen…“ Die Wortfetzen lenkten Deidaras Gedanken wieder auf die Gegenwart. Gaara schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Deidara verträgt kein Gluten.“ Naruto machte nun denselben verständnislosen Eindruck wie er, als Gaara dieses Wort zum ersten Mal benutzt hatte. Abschätzend betrachtete er Naruto. Das war ein Mensch und er wusste mit Gluten nichts anzufangen? Dieser Fakt sprach nicht unbedingt für Narutos Intelligenz. Gaara setzte zu einer knappen Erklärung an. Naruto kratzte sich am Kopf.

„…gluten…frei…?“ Deidara wurde aufmerksamer. Wenn Naruto nur etwas langsamer sprechen würde, damit er ihn besser verstand. Gaara schüttelte den Kopf. „Glutenfreie Ramen scheint es hier nicht zu geben. Die Insel ist zu klein.“ Es gab Ramen ohne dieses Gluten? Das bedeutete, er könnte Ramen essen, wenn andere Nudeln drin waren?

„… mal was… machen…“ Erleichtert atmete Deidara auf, als Naruto sich verabschiedete und zwischen den Regalen verschwand. Gaara schien es ähnlich zu gehen. „Bezahlen wir“, murmelte der Rotschopf.

Kaum hatten sie den Laden verlassen, öffnete Deidara die Verpackung von dem Kaugummi und schob sich einen davon in den Mund. Der Geschmack war sehr interessant. Es war erstaunlich, dass er eine Masse blieb und sich nicht allmählich auflöste. Aber die Blasen bekam er nicht hin. Das war offenbar doch nicht so leicht.

„Was hast du erzählt, hm?“, fragte Deidara, als sie etwas Entfernung zwischen sich und den Supermarkt gebracht hatten. „Ich habe ihm erzählt, dass du nicht aus Japan kommst und noch nicht lange hier wohnst und unsere Sprache noch nicht gut verstehst.“ Verstehend nickte der Blonde. „Danke, hm.“ Allgemein entsprachen all diese Einzelheiten der Wahrheit. Aber er war darauf angewiesen, dass Gaara verschwieg, was er wirklich war.

„Was hat Naruto gesagt, hm?“ Der Blonde hatte so viel gesprochen.

„Er sollte einkaufen für seine Eltern. Dann wollte er mit uns Ramen essen. Aber es gibt auf dieser Insel keine Nudeln ohne Gluten. Er will sich irgendwann mit uns treffen.“ Zweifelnd sah Deidara Gaara an. „Ich verstehe ihn schlecht… er redet schnell, hm.“ Das war die eine Sache. Deidara war nicht sonderlich erpicht darauf, Naruto wieder zu treffen. Aber solange er dabei war, konnte er ein Auge darauf haben, dass Naruto sich Gaara nicht zu sehr näherte.

„Mit mehr Übung verstehst du bald mehr“, gab Gaara zuversichtlich zurück.
 

Sie verbrachten noch ein paar Stunden in dem Dorf. Gaara zeigte ihm weitere Läden und einen kleinen Marktplatz mit einer Markthalle, in der viele Stände verschiedene Waren anboten. Vor allem frischer Fisch, Fleisch und Gemüse sowie Obst wurde dort verkauft. Wenige Straßen weiter befand sich bereits der Hafen, wo mehrere Stege ins Wasser ragten. Boote in verschiedenen Größen ankerten dort. Doch die Boote waren alle deutlich kleiner als diese riesigen Ungetüme, die manchmal im Meer versanken oder aus denen Öl lief, welches die Tiere tötete und auch schon Ningyo umgebracht hatte.

Der Besuch in Aka war äußerst spannend, dennoch war Deidara froh, als sie zurück fuhren. So viel Neues und die ganzen Menschen waren anstrengend und ermüdeten ihn. Wieder im Haus zog Deidara sich zuerst bis auf die Unterhose aus. So war es gleich viel angenehmer. Wieso Menschen überhaupt Kleidung trugen, würde er wohl nie verstehen.

Er ging ins Wohnzimmer und nahm sich den Bleistift und ein leeres Blatt Papier. Konzentriert begann er zu zeichnen, auf die linke Seite ein Herz, auf die rechte die beiden aneinandergefügten Herzmuscheln. Beides war sich von der Form her erstaunlich ähnlich und seitdem er wusste, was das Herz bedeutete, konnte er Gaara erklären, wie er die Herzmuscheln verstehen musste.

Grübelnd stützte Deidara seinen Kopf auf die rechte Handfläche. Wie sollte er die Bedeutung der Perle erklären?

Gaara kam in den Raum. In den Händen hielt er ein Tablett, welches er auf dem Tisch abstellte. Während der Rotschopf sich zu ihm setzte, sah er auf den Kuchen, den sie mitgebracht hatten. Neben dem Teller lagen zwei Gabeln. Eine kleine Kanne Tee und zwei Tassen rundeten die Mahlzeit ab. Doch zuerst das Wichtige.

„Gaara… ich will dir was erklären, hm“, begann der Blonde und schob das Blatt zu ihm. Gaaras Blick fiel auf die Zeichnungen. „Was bei Menschen das Herz ist… ist bei Ningyo das.“ Deidara zeigte auf die Herzmuscheln. „Es zeigt Liebe. Zwei Teile, die zusammen… passen, hm.“

Gaaras Augen weiteten sich kurz, dann sah auf die Hälfte der Muschel, die um Deidaras Hals hing, ehe er seinen Blick suchte. Ein rosa Schimmer breitete sich auf Gaaras Wangen aus. Dieses Mal konnte der aber nicht von körperlicher Nähe oder den Gedanken daran kommen. Ningyo wurden nicht rot in ihrem natürlichen Zustand. Daher wusste Deidara nicht genau, wie er dies nun einordnen sollte.

„Deswegen war es dir wichtig, dass ich die zweite Hälfte der Muschel habe?“, fragte Gaara. Er schien ihn endlich zu verstehen. Deidara nickte zustimmend. Er beugte sich etwas vor und fischte die Perle unter Gaaras Shirt hervor. „Die Perle zeigt Interesse… an dir. Ningyo schenken eine Perle, wenn…“, Deidara brach ab und dachte nach. Wie erklärte er das am besten? „…Sie zeigt, dass ich dich möchte… als Partner, hm.“ Deidara hoffte, dass Partner die passende Entsprechung für Gefährte war. Ein anderes Wort kannte der Blonde leider noch nicht.

Auf Gaaras Lippen zeichnete sich ein sanftes Lächeln ab. Im nächsten Moment senkte er jedoch den Blick. „Es tut mir Leid, dass ich die Bedeutung erst jetzt verstehe“, murmelte er. Recht schnell suchte er wieder Blickkontakt. „Wie zeige ich dir, dass ich das auch möchte? Muss ich dir eine Perle schenken?“

Deidara schüttelte den Kopf. „Du musst meine Perle … annehmen, hm.“ Unsicherheit wühlte ihn auf. Und wenn Gaara ihm die Perle nun nach all der Zeit zurückgab, weil er ihn nicht als Gefährten wollte? Gaaras Hand wanderte hinauf und nahm ihm die Perle aus der Hand. Seine Finger schlossen sich darum. „Ich nehme sie an.“ Die Situation mochte seltsam sein, denn Gaara hatte sie vor Jahren angenommen, aber ohne deren Bedeutung zu kennen. Daher erleichterte Deidara die Bestätigung jetzt sehr. Glücklich fiel der Blonde Gaara um den Hals. Einige Momente genoss er dessen Arme um sich und den vertrauten Geruch.

Langsam löste Deidara sich schließlich wieder. „Warum hast du… mir die Muschel gegeben, hm?“, fragte er dann. Immerhin hatte Gaara zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung gehabt, welche Botschaft sie bei Ningyo übermittelte. Herzmuscheln schenkte man nicht ohne triftigen Grund. „Ich wollte, dass du etwas hast, was dich an mich erinnert.“ Wieder zeigte Gaara das sanfte Lächeln.

„Darf ich sie behalten? Jetzt… wo du weißt, was sie bedeutet, hm?“ Deidara war der Klarheit so nahe. Er wollte nicht, dass es an einem Detail scheiterte. Gaara nickte und strich ihm ein paar Strähnen über die Schulter zurück. Die Hand fand ihren Weg in Deidaras Nacken. Nur zu gern ließ er sich näher ziehen und ihre Lippen vereinen. Deidara seufzte in den Kuss. Endlich. Endlich verflog die Unsicherheit, die ihn bis jetzt ständig begleitet hatte.

Besuch

Die Tür zu Temaris Zimmer war offen. Gaara runzelte die Stirn. Er hatte Deidara doch gesagt, dass er nicht in die anderen privaten Zimmer gehen sollte. In der offenen Tür hielt er inne. Seine Augen weiteten sich. Was er davon halten sollte, wusste er auf Anhieb nicht so recht. Deidara stand vor dem Spiegel und trug einen von Temaris Röcken. Der Rock an sich war weniger verwunderlich, hatte der Blonde bereits Interesse daran gezeigt, aber musste er denn unbedingt in Temaris Schrank herumwühlen? Es war wirklich seltsam, ihn in einem Rock seiner Schwester zu sehen… der ihm offensichtlich auch nicht passte, weil seine Hüfte schmaler war als Temaris. Denn als er ihn losließ, rutschte das Kleidungsstück hinab. Und natürlich trug Deidara nichts darunter.

Gaara schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Oh, Gaara.“ Deidara hatte ihn also bemerkt. Langsam senkte der Rotschopf seinen Arm und fixierte den Blonden. Nackt, wie dieser war, drehte er sich zu ihm um. Obwohl Gaara den menschlichen Körper des anderen gut kannte, assoziierte er mit einem unbekleideten Deidara Handlungen, die nicht in diese Situation gehörten. Seine Wangen kribbelten trotzdem.

„Ich hatte doch gesagt, das ist Temaris Raum.“

Deidara schnaufte. „Ich wollte anprobieren. Du hast gesagt, Männer dürfen nicht in den Laden.“ Missmutig sah er an sich hinab zu seinen Füßen, die nun vom Stoff verhüllt wurden. „Das passt nicht, hm“, brummte Deidara.

Gaara kam näher und bückte sich nach Deidaras Unterhose. Mit der anderen Hand gab er ihm zu verstehen, dass er aus dem Rock treten sollte. „Komm, zieh deine Unterhose wieder an.“ Kaum kam der Blonde seiner Aufforderung nach, nahm er Temaris Rock und erhob sich wieder, sah geflissentlich nicht zu Deidaras unbedeckter Mitte. Er wollte sich jetzt nicht ablenken lassen, denn ihm fielen einige Dinge ein, die sie machen könnten, anstatt hier über Frauenkleidung zu diskutieren.

„Ich mag Hosen aber nicht, hm“, maulte Deidara, zog die Unterhose widerwillig an. Gaara legte den Rock zusammen und verstaute ihn in der offenen Schublade. Nachdem er diese verschlossen hatte, schob er Deidara aus dem Zimmer.

„Ich will auch einen Rock, hm.“ Deidara stemmte sich gegen ihn. Auf dem Flur wandte er sich zu ihm um und sah ihn störrisch an. Die Arme verschränkte er vor der Brust. Gaara seufzte. „Du kannst damit nur hier rumlaufen, nicht vor anderen Menschen. Sonst fällst du auf“, erklärte er ihm. Und wenn eines bei Deidara zog, dann das Argument, dass er auffiel. Als Ningyo wollte er die Aufmerksamkeit der Menschen nicht auf sich ziehen. Manchmal musste er diese Taktik anwenden, damit der Blonde sich nicht noch in sein eigenes Verderben stürzte.

Kurz dachte Deidara nach, dann nickte er. „Gut, dann nur hier, hm.“ Auffordernd sah er Gaara an. Er wusste ganz genau, was Deidara wollte. Er sollte ihm einen Rock besorgen. Zugegeben, der Gedanke hatte etwas Reizvolles an sich, Deidara in einem Rock herumlaufen zu lassen, vor allem, da dieser garantiert nichts unter dem Kleidungsstück tragen würde. Schon wieder kribbelten seine Wangen verräterisch.

Aber er musste in einen Laden und einen Rock kaufen. Man würde ihn komisch anschauen. In Aka war es nur eine Frage der Zeit, bis der Buschfunk an die falschen Ohren trug, dass er Frauenkleidung kaufte. Man würde glauben, er kaufe für seine Freundin einen Rock. Nun, so falsch war das dann auch nicht. Niemand wusste, dass er mit einem Mann zusammen war. Oder er bestellte einfach im Internet. Die Alternative gefiel ihm sehr. Dann konnte der Blonde gleich schauen, ob ihm der Rock gefiel. An Deidara konnte er nicht mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten der Menschen herangehen. Wenn er sich mit einem Rock besser fühlte an Land, konnte er das wohl durchgehen lassen.

„Okay“, gab Gaara nach. „Wir kaufen dir einen Rock.“ Oder vermutlich auch mehr als einen, immerhin musste er ja irgendwas anziehen, wenn der Rock in der Wäsche war. Deidara strahlte und drückte ihm einen stürmischen Kuss auf. „Danke, hm.“

Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Zumindest war Deidara recht leicht glücklich zu machen.
 

Gaara suchte mit Deidara also in einem Internetshop zwei Röcke heraus. Allerdings achtete er darauf, dass sie möglichst neutral und nicht mädchenhaft wirkten. Er wollte nun wirklich keine Schleifen oder Rüschen an Deidara sehen. Das ging selbst ihm zu weit. Demnach bekam der Blonde zwei schlichte Röcke in Schwarz, in denen er viel Bewegungsfreiheit hatte. Einer ging bis zu den Knien, der andere bis fast zu den Knöcheln.

Glücklicherweise wurde das Paket noch geliefert, bevor er für ein paar Tage nach Nishihara musste, um seine Prüfungen zu schreiben. Die Hürde, Deidara die Funktionsweise des Telefons zu erklären, meisterte er ebenfalls. Aber er wies ihn an, nur ran zu gehen, wenn sein Name auf dem Display stand, da seine Handynummer in dem Telefon eingespeichert war. Schließlich war er offiziell nun ein paar Tage nicht da.

Die Prüfungen verliefen seiner Meinung nach gut und er telefonierte jeden Abend mit Deidara, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Inzwischen konnte der Blonde auch den Herd selbstständig bedienen, sodass er sich etwas kochen konnte.

Das Haus stand noch, als er zurückkehrte. Eine latente Unruhe hatte die ganze Zeit in seinem Inneren gesessen, weil Deidara ganz allein war. Wenn nun etwas Unvorhersehbares passierte? Glücklicherweise fiel weder der Strom aus, noch ging irgendetwas kaputt.

Ein paar Wochen hatte Gaara nun weniger für die Uni zu tun, sodass er sich intensiver Deidaras Fortschritten in Japanisch zuwenden konnte. Und seiner Malerei. Denn allmählich schienen ihm selbst die Tuschfarben, die Gaara noch aus der Schule hatte, nicht mehr zu genügen. Deidara maulte rum, die Blätter seien zu klein, die nassen Farben wellten das Papier und sie wirkten blass.

In wenigen Monaten hatten sich die künstlerischen Fähigkeiten des Blonden enorm verbessert. Vermutlich nicht außergewöhnlich mit einem gewissen Talent und täglicher Übung. Aber nun begannen die Künstlerallüren. Einerseits fand er es interessant, dass sich Ningyo und Menschen in diesem Punkt stark ähnelten. Andererseits musste Gaara sich Gedanken machen, wie er Deidaras Wunsch nach Entfaltung am besten nachkam. Ob er ihm Ölfarben und Leinwände besorgen sollte? Dann brauchte er aber auch das Zubehör. Alles zusammen war nicht billig. Seinem Vater würde auffallen, wenn er plötzlich recht viel auf einmal vom Konto abhob und dann um einen Vorschuss bitten musste, weil der Rest nicht mehr für Essen bis zum Monatsende reichte.

Deidara könnte klein anfangen. Mit ein paar Grundfarben und kleinen Leinwänden, für die er nicht unbedingt eine Staffelei brauchte. Das Loch in seiner Geldbörse wäre dann nicht bedenklich. Aber in Aka selbst gab es keinen Künstlerbedarf. Entweder musste er extra nach Okinawa rüber fliegen oder er bestellte wieder im Internet. Letzteres wurde zu einer wirklich angenehmen Alternative.

Deidara ließ er wie üblich mit Stiften, Farben, Papier und einer Schale mit Trockenfrüchten im Wohnzimmer, während er sich an den Laptop in seinem Zimmer setzte und das Internet durchforstete. Grübelnd ging er die verschiedenen Ergebnisse seiner Suche durch. Gaara hatte von Malerei keine Ahnung. Wie sollte er wissen, welche Marken gut waren und welche weniger?

Die Stimme seiner Schwester riss ihn aus seinen Gedanken. „Hey, Brüderchen!“, rief sie durch das Haus. „Ich wollte mal sehen, wie es dir geht.“ Gaara erstarrte. Temari war hier? Das konnte nicht sein! Sonst kam niemand unangekündigt. Wieso ausgerechnet jetzt? Vielleicht halluzinierte er nur. Seine Reglosigkeit abschüttelnd stemmte er sich hoch und hastete in den Flur. Just in diesem Moment sah er Temari ins Wohnzimmer gehen. Eilig folgte er ihr. Deidara war dort. Das war eine Katastrophe! Im Türrahmen verharrte er und betrachtete die Szene. Deidara war vom Tisch aufgesprungen, den Stift noch in der Hand. Misstrauisch musterte er die Blonde. Temari stand wenige Meter entfernt mit dem Rücken zu Gaara, sodass er ihr Gesicht nicht sehen konnte.

Gaara warf Deidara einen beruhigenden Blick zu. Er sollte jetzt nur nichts Falsches machen. Weglaufen wäre auffälliger als bleiben. Er musste sich eine Geschichte ausdenken, warum der Blonde hier war. Eine gute Geschichte. Verdammt! Gaara log nicht gern. Bisher war es auch nie nötig gewesen. Nur das eine Mal, als er Temari nicht verbessert hatte in Bezug auf seine Freundin.

„Hallo, Temari.“ Seine Schwester drehte sich zu ihm um und maß ihn nun mit einem zweifelnden Blick. „Ich wollte dich besuchen, aber ich sehe, du hast schon Besuch?“ Gaara wollte gar nicht wissen, was seine Schwester von Deidara dachte. Er stand nur in einem Rock vor ihr. Vielleicht konnte man es als Künstlereigenheiten erklären.

„Warum hast du dich nicht angekündigt?“, hakte Gaara nach.

Temari stemmte die Hände in die Hüfte. „Ich wollte dich überraschen.“ Erneut folgte ein schräger Blick zu Deidara. „Und wer ist das?“

Gaara fuhr sich durchs Haar und atmete einmal tief durch. Wenn er schon lügen musste, wollte er so wenig wie möglich lügen, um sich nicht unnötig in dem Gespinst zu verstricken. Temari durfte nicht herausfinden, was Deidara war, aber seine Herkunft hatte nichts mit ihrer Beziehung zu tun.

„Darf ich vorstellen? Meine Freundin.“ Nach einer kurzen Pause fügte Gaara an Deidara gerichtet fort. „Deidara, das ist meine Schwester Temari.“ Gaara war sich nicht ganz sicher, ob Temari nun erstaunt oder doch eher erschrocken die Augen aufriss. Auf jeden Fall aber war sie sprachlos. Ihr Mund öffnete sich, aber sie schloss ihn wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. Ihr Blick huschte zwischen ihnen hin und her.

„Setz dich“, bat Gaara. Deidara bedeutete er, ihm zu folgen. „Wir machen Tee.“ Er musste kurz mit dem Blonden allein sein. Viel Zeit hatten sie nicht, aber irgendwas würde ihm schon einfallen. Zumindest musste er Deidara von seinem Plan erzählen, damit er nicht mit einem unpassenden Kommentar die Lüge zerstörte, die ihn schützen sollte.

Kaum waren sie in der Küche, schloss Gaara sorgfältig die Tür hinter ihnen und setzte das Teewasser auf. Deidara stand nahe neben ihm. Er wirkte so beunruhigt wie Gaara sich fühlte. „Was jetzt, hm?“, fragte der Blonde. „Ich lüge“, erklärte er leise. Irritiert legte Deidara den Kopf schief. Das Wort kannte er offensichtlich noch nicht. Manchmal verlor Gaara den Überblick über Deidaras Wortschatz.

„Ich erzähle ihr etwas Falsches.“

Gaara öffnete eine Schranktür und holte Teeschalen sowie die dazugehörige Kanne heraus. „Und was, hm?“ Die Teedose folgte. Während er den Tee in das Sieb gab, überlegte er. Was wäre logisch? „Du kommst aus Island“, begann er schließlich Deidaras falsches Leben auszuarbeiten. „Deine Mutter hat sich von deinem Vater getrennt und du bist mit deinem Vater hierher gezogen.“ Sie brauchten noch eine Erklärung, warum Deidara hier wohnte. „Dein Vater ist vor kurzem an einer Krankheit gestorben. Da du noch Probleme mit der Sprache hast, findest du keine Arbeit. Deswegen wohnst du hier.“ Himmel, er hoffte, Temari nahm ihm diese Geschichte ab.

„Sag am besten nichts und lass mich reden“, fügte Gaara an. Das heiße Wasser goss er nun in die Kanne. Ein paar wenige Minuten blieben ihnen noch, in denen der Tee ziehen musste. Gaara wandte sich dem Blonden zu. Sanft strich er ihm über die Wange. „Wir kriegen das schon hin“, murmelte er. Deidara war unruhig, er konnte es ihm ansehen.

„Wie alt bist du eigentlich?“, fragte er plötzlich. Das war wichtig. Temari würde vermutlich irgendwann fragen. Und solch wichtige Details sollte man von seinem Partner eigentlich wissen. Gaara hatte sich vorgenommen, Deidara irgendwann zu fragen, wenn er ihn verstand. Jetzt war wohl der Zeitpunkt gekommen.

Kurz dachte der Blonde nach. „21 …lange Nächte“, murmelte er vor sich hin. Lange Nächte? Meinte Deidara damit den Winter? „21 Jahre, hm“, fügte er schließlich entschlossener hinzu. Der Blonde war ungefähr zwei Jahre älter. Dann passte das einigermaßen. Denn in diesem Alter ging man normalerweise nicht mehr zur Schule. Wenn er beispielsweise vor drei oder vier Jahren nach Japan gekommen war, kümmerte sich niemand mehr darum, ob er die Schulbank drückte.

Gaara nahm das Teesieb aus der Kanne und platzierte alles auf einem Tablett. Tief atmete er noch mal durch. „Auf in die Schlacht“, gab er leise von sich. Deidara öffnete ihm die Tür und folgte langsamer ins Wohnzimmer. Seine Schwester saß am Tisch und betrachtete die Zeichnungen. Als sie näher kamen, sah sie auf und schaffte etwas Platz, um das Tablett abzustellen.

Schweigend setzten Deidara und er sich dazu. Gaara verteilte die Schalen und füllte Tee hinein. Die Überraschung war aus Temaris Miene gewichen. Doch nach wie vor huschte ihr Blick skeptisch von ihm zu dem Blonden und wieder zurück. Gaara fühlte sich unwohl. Die Sekunden schienen sich wie Kaugummi in die Länge zu ziehen.

„Ihr seid wirklich zusammen?“, fragte Temari schließlich. „So richtig?“

Gaara nickte. Sie sah den Blonden an. „Dann hat er von dir die Perle?“ Deidara wirkte nach wie vor argwöhnisch, was Gaara ihm nicht verdenken konnte. Aber er nickte bestätigend.

„Und wie lange geht das schon?“ Gaara griff nach der Teeschale und trank einen Schluck. „Was soll das werden? Ein Verhör?“, fragte er.

„Es interessiert mich. Offensichtlich hältst du deine Beziehung ja schon länger geheim. Hast du geglaubt, wir reißen dir den Kopf ab?“

Gaara runzelte die Stirn. „Warum hätte ich etwas sagen sollen? Es ist meine Sache.“

Temari seufzte. „Aber wir sind eine Familie. Ich nehme an, Vater und Kankurô wissen nichts davon?“ Ein Kopfschütteln folgte auf die Frage. Natürlich nicht. Kankurô würde sich vermutlich darüber lustig machen. Und Vater… seine Reaktion konnte Gaara nicht einschätzen. „Ich wäre dir dankbar, wenn du ihnen nichts von Deidara erzählst.“ Ein Schnaufen folgte. „Es ist deine Entscheidung. Aber ich finde sie nicht gut.“ Das hatte Gaara sich schon gedacht. Temari mochte Geheimnisse innerhalb der Familie nicht.

„Also, wie lange schon?“ Temari hatte die Frage also nicht vergessen. „Ein paar Jahre.“ Konnte sie sich das nicht denken? Gaara besaß die Perle lange genug. „Und ihr habt die ganze Zeit eine Fernbeziehung geführt?“ Sie pfiff anerkennend. „Nicht schlecht.“

Ihr Blick wanderte nun wieder musternd über Deidara. „Aber was hast du dir da geangelt? Einen Künstler? Oder warum läufst du in einem Rock rum?“ Sie kombinierte bereits, hatte sie schließlich Deidaras Bilder gesehen.

„So in der Art. Er ist talentiert.“

Temari zog eine Augenbraue hoch. „Kann er nicht sprechen oder warum redest du für ihn?“

Nun ging der komplizierte Part also los. „Er ist kein gebürtiger Japaner. Ist erst vor ein paar Jahren hierher gezogen. Mit unserer Sprache hat er noch ein paar Schwierigkeiten.“

Interessiert betrachtete Temari den Blonden. „Und wo kommst du her?“ Deidara überlegte kurz, dann antwortete er selbst. „Is…land, hm.“ Es war gut, dass Gaara ihm grob erzählt hatte, was sie am besten sagen konnten. Wenn Deidara auch ein bisschen redete, fiel die Lüge hoffentlich weniger auf.

„Das ist ja am anderen Ende der Welt“, kommentierte sie. Einige Augenblicke Ruhe gönnte seine Schwester ihnen, als sie etwas von ihrem Tee trank. Ihr grübelnder Blick verhieß jedoch nichts Gutes. „Wo habt ihr euch damals getroffen? Du bist doch immer schwimmen gegangen oder warst irgendwo in den Wäldern unterwegs.“

Verdammt! Daran hatte er nicht mehr gedacht. Allerdings wusste sie nicht, seit wann genau sie sich kannten. Die Perle hatte Deidara ihm erst ein Jahr später geschenkt. „Wir sind uns im Wald begegnet. Er hat am Rand von Aka gewohnt.“ Der Weg war nicht allzu weit, wenn man gut zu Fuß war und gern durch den Wald streifte. Verstehend nickte Temari.

Bevor seine Schwester die Möglichkeit erhielt, noch weitere Fragen zu stellen, drehte Gaara den Spieß um. Ein Versuch war es zumindest wert. Er war in der Konversation weniger geschickt als Temari. Aber vielleicht hatte er mal Glück. „Wie lange bleibst du denn?“

Ein amüsiertes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Stör ich euch etwa?“ So viel dazu. Gaara wollte diese Frage nicht beantworten. Demnach überhörte er sie einfach. „Wie lange?“ Leichte Enttäuschung spiegelte sich in ihrem Gesicht. „Ich habe das Gefühl, du willst mich loswerden, Brüderchen.“

Gaara seufzte. Schon wieder keine klare Antwort. „Ich will dich nicht loswerden. Ich möchte es nur gern wissen. Ich habe einfach nicht mit dir gerechnet.“ Temari störte ihn an sich nicht. Das Problem war, dass er und Deidara nun aufpassen mussten, was sie taten. Ihr Alltag wurde eingeschränkt. Deidara konnte nicht mehr ins Wasser gehen und Fische fangen. Er durfte sich nicht mehr am Strand trocknen lassen, während sie hier war. Sie mussten Acht geben.

„Ich wollte ein paar Tage bleiben und mal schauen, dass du nicht vereinsamst. Aber offensichtlich bist du gar nicht einsam.“ Sie grinste vielsagend.

„In der Tat“, murmelte Gaara zustimmend. Einsam war er wirklich nicht. Außerdem traf er sich auch ab und an mit Naruto und seinen Freunden. „Keine Sorge, ich spiele nicht den Anstandswauwau. Ihr seid alt genug.“ Ein prüfender Blick traf Deidara. „Seid ihr doch?“ Deidaras sichtbare Augenbraue zog sich hoch. „Ich bin 21 Jahre, hm.“ Anscheinend verstand er seine Schwester besser als Naruto. Das war schon mal recht hilfreich.

Zufrieden nickte Temari. „Gut.“

Wunderbar. Die nächsten Tage spazierte seine Schwester also munter durch das Haus. Früher oder später bemerkte sie, dass Deidara praktisch hier wohnte. Vor diesem Gespräch würde er sich gern drücken. Aber es kam. Vorerst wollte Gaara selbiges jedoch hinauszögern. Sollte Temari den Anfang machen, wenn sie darüber unbedingt reden wollte. Den ersten Part hatten sie erst mal einigermaßen heil überstanden.

Gespräche

Gaara achtete darauf, seine Schwester möglichst wenig mit Deidara alleine zu lassen. Sie war neugierig und würde den Blonden früher oder später ausfragen. Ihm war es lieber, wenn er dabei war und im Notfall das Gespräch ablenken oder beenden konnte. Er ging auch wieder mit Deidara allein in den Wald, damit sie zumindest in einer anderen Bucht schwimmen konnten, wo sie unbeobachtet waren.

Wenigstens war die Entscheidung, Temari von ihrer Beziehung zu erzählen, richtig gewesen. So mussten sie nicht noch darauf achten, vor ihr keine intimen Gesten auszutauschen. Vielleicht hätte Deidara den Grund auch gar nicht verstanden, hätte er ihn gebeten, dies geheim zu halten. Er wusste nicht, wie normal eine Beziehung zwischen Männern bei Ningyo war.

Am ersten Abend fiel nicht weiter auf, dass er hier schlief. Am zweiten Abend wurde Temari jedoch schon aufmerksamer. Am Morgen des vierten Tages fragte sie schließlich am Frühstückstisch. „Sag mal, Gaara… wohnt Deidara hier?“

Nun war es also soweit. Hoffentlich ging die Unterhaltung gut. Langsam nickte der Rotschopf. Kurz tauschte er mit dem Blonden einen Blick. Sie hatten an den letzten Abenden genug Zeit gehabt, sich über die Lüge zu unterhalten. Bei dieser Gelegenheit hatte Gaara sich nach Deidaras Familie erkundigt. Allmählich konnten sie sich gut genug unterhalten, sodass Gaara auch gern mehr über Deidaras Leben unter Wasser erfahren wollte. Anscheinend waren die Familienverhältnisse denen der Menschen recht ähnlich. Doch Deidaras Eltern waren gestorben, als er noch sehr jung gewesen war. Er konnte sich kaum an sie erinnern. Ein Ningyo namens Sasori hatte ihn zu sich genommen und groß gezogen. Aber auch dieser war vor wenigen Jahren gestorben. Ob Deidara sehr einsam gewesen war? Wenn, dann zeigte er es nicht.

„Ich nehme an, davon weiß auch niemand was?“, hakte Temari nach.

Gaara stimmte zu. „Ich dachte, er wohnt am Rand von Aka?“ Natürlich erinnerte seine Schwester sich an die Unterhaltung vor ein paar Tagen. „Bis vor kurzem ja. Aber sein Vater starb an einer Krankheit und er konnte die Wohnung nicht finanzieren. Er findet keine Arbeit.“ Warum, sollte Temari sich ja wohl denken können. Sie hatte inzwischen schon oft genug mit Deidara gesprochen, um bemerkt zu haben, welche Schwierigkeiten er mit Japanisch noch hatte. Und die Einheimischen hier waren Fremden gegenüber misstrauisch. So war das in Dörfern immer. In der Stadt war man Fremden gegenüber aufgeschlossener.

Temari seufzte. „Heißt, wir füttern ihn durch.“ Das war nicht ganz korrekt. „Vater“, verbesserte er sie. „Unwissentlich.“

Sie legte ihre Stäbchen beiseite und sah Gaara ernst an. „Das wird ihm nicht gefallen, wenn er davon erfährt.“ Nachdenklich betrachtete sie Deidara. „Was hast du für eine Ausbildung?“, fragte sie ihn. Der Blonde sah sie fragend an. „Was, hm?“ Gaara lenkte das Gespräch wieder auf sich. „Gar keine. Er kam kurz nach dem Schulabschluss her.“

Tief atmete Temari durch. „Ich finde es ja schön, dass du jemanden gefunden hast, der dir gut tut“, sagte sie, „aber er sollte lernen, sich in Japan zurecht zu finden und auch selbst Geld zu verdienen, um seinen Anteil zu finanzieren. Er ist 21. Als junger Mann sollte man eine Aufgabe haben.“

Das brauchte sie ihm nicht zu erzählen. Das Komplizierte daran war, eine passende Arbeit zu finden. Doch zuerst musste Deidara die Sprache ausreichend beherrschen und sich in der menschlichen Gesellschaft gut allein zurecht finden. Zudem hatte Gaara Bedenken, die Menschheit auf Deidara loszulassen. Mit den menschlichen Denkweisen konnte man eigentlich auch nicht an ihn heran gehen. In seiner Welt war er völlig unabhängig und auf niemanden angewiesen, soweit er wusste.

„Ich weiß“, erwiderte er. „Aber wer wird ihm eine Arbeit geben? Du hast erlebt, wie viel er von unserer Sprache noch nicht versteht.“

„Das kann doch nicht sein. Wieso kümmert sich denn da niemand drum?“ Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Gaara und Deidara zuckten beide zusammen. Temaris Temperament kam zum Vorschein. Im nächsten Augenblick hatte Deidara sein Messer in der Hand. Seit wann trug der Blonde es denn bei sich? Vermutlich seit Temari hier war, denn zuvor hatte es in einer seiner Schubladen gelegen. Er nahm seine Waffen immer nur mit ins Wasser. Erschrocken betrachtete seine Schwester das Messer. Nicht nur, dass es aus einem Zahn bestand, Deidara richtete gerade eine Waffe auf sie. Das war nicht gut.

Beschwichtigend legte der Rotschopf seine Hand auf Deidaras und nahm ihm das Messer weg. Er schüttelte leicht den Kopf. Von Temari ging keine Gefahr aus. Er konnte sich aber denken, dass der Blonde eher aus Reflex gehandelt hatte. In seiner natürlichen Umgebung war es anscheinend normal, Waffen bei sich zu tragen, allein schon, um sich Nahrung zu besorgen.

Deidara ließ sich das Messer aus der Hand nehmen. Gewissenhaft platzierte Gaara selbiges außerhalb seiner Reichweite, sodass der Ningyo nicht einfach wieder danach greifen konnte.

„Gaara…“, der Unterton, den Temari jetzt anschlug, gefiel ihm nicht. „Kann ich dich kurz allein sprechen?“ Wie sollte er Deidaras Reaktion nur erklären? Er verstand sie, aber Temari würde sie ohne Hintergründe nicht nachvollziehen können.

Während Temari sich bereits erhob und zur Wohnzimmertür trat, warf er Deidara einen beruhigenden Blick zu. Langsamer folgte er seiner Schwester in die Küche. Die Tür schloss sie hinter ihm. „Das war doch eben nicht normal. Was ist er? Ein Krimineller? Ein Psychopath?“

Gaara fuhr sich durchs Haar. „Nein. Er hat früher mal sowas wie Kampfsport gemacht, soweit ich ihn richtig verstanden habe. Aber er ist etwas schreckhaft bei lauten Geräuschen oder größeren Menschenmengen.“

Zweifelnd runzelte sie die Stirn. „Und deswegen schleppt er ein Messer mit sich rum? Was war das für eins? Hat er das selbst gebastelt?“ Gaara zuckte mit den Schultern. „Das wusste ich bis eben nicht. Aber ich erkläre ihm, dass hier im Haus kein Grund dazu besteht.“

Seufzend lehnte sie sich gegen die Anrichte. „Eigentlich finde ich ja gut, dass du jemanden gefunden hast, aber er ist seltsam. Ich mache mir Sorgen. Vielleicht spielt er dir nur was vor und lässt sich aushalten.“

Entschieden schüttelte Gaara den Kopf. Das würde Temari nicht denken, würde sie die Wahrheit kennen. Bedauerlicherweise durfte sie diese nie erfahren. „Es ist, wie ich es dir erklärt habe. Du kennst die Engstirnigkeit der Leute hier, vor allem der Älteren. Es ist schwer, etwas für ihn hier zu finden.“

Einige Herzschläge lang betrachtete Temari ihn lediglich. Dann seufzte sie. „Na gut, ich glaube dir… vorerst. Aber ihr solltet für ihn eine Arbeit finden. Ich sehe mir das nicht lange an, dass er hier wohnt ohne jede Gegenleistung.“

Verstehend nickte Gaara. Seine innere Aufregung zeigte er nicht. Deidara war noch nicht so weit. Ihre Kultur war ihm noch zu fremd. Es gab so viele Kleinigkeiten, die ihm erst vertraut gemacht werden mussten. Wenn er jetzt schon mit anderen Menschen arbeiten sollte, könnte er auffliegen.

„Ich habe mir seine Bilder angeschaut. Er ist wirklich ziemlich talentiert. Vielleicht könntet ihr Kontakt zu einer Galerie aufnehmen. Mit etwas Glück stellen sie etwas von ihm aus.“

Überrascht sah er seine Schwester wieder an. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Das einzige, was Deidara wirklich konnte hier in der Menschenwelt und wofür er Anerkennung erhalten würde. Sein künstlerisches Talent. Es würde sicherlich nicht einfach werden, in der Welt der Kunst Aufmerksamkeit zu erregen. Deidara erhielt noch Zeit, sich an die Menschenwelt zu gewöhnen und Gaara konnte ihn begleiten, sollte eine Galerie wirklich Interesse zeigen. Andererseits war zu viel Aufmerksamkeit für den Blonden schädlich. Wenn nun herauskam, was er wirklich war? Er musste mit Deidara darüber reden.

„Meinst du?“, gab Gaara skeptisch zurück.

Sie nickte. „Ich kann zwei oder drei seiner Zeichnungen mitnehmen und Orochimaru-sensei zeigen. Er ist Kunstsammler und kennt sich aus.“ Orochimaru war der Oberarzt in der Klinik, in welcher Temari ihr Praktikum durchführte, wenn er sich richtig erinnerte.

An sich dürfte es kein Problem sein, wenn ihr Sensei ein paar Bilder von Deidara zu Gesicht bekam. Doch das wollte er nicht über den Kopf des Ningyo hinweg entscheiden. „Wenn Deidara damit einverstanden ist.“ Schließlich redeten sie hier über seine Zukunft.

Sie nickte. „Wäre besser für ihn.“ Die Warnung hinter den Worten verstand Gaara. „Lass mich das allein mit ihm klären.“
 

Gaara saß mit dem Blonden am Strand. Die kleinen Wellen rollten über den feuchten Sand in wenigen Metern Entfernung. Das gleichmäßige Rauschen beruhigte ihn allmählich wieder. „Was ist, hm?“, fragte Deidara. Der Ningyo war nicht einfältig. Es wunderte ihn nicht, dass ihm die Veränderung aufgefallen war.

„Temari will, dass du deinen Beitrag leistest, wenn du weiter hier wohnst“, erklärte er leise. Deidara legte den Kopf schief. „Beitrag?“

„Man zahlt dafür, an einem Ort wohnen zu können.“ Entweder monatlich, weil es eine Mietwohnung war, oder man kaufte ein Haus. Von den kleinen Ausgaben, die monatlich hinzukamen, wollte er jetzt nicht anfangen. Das wäre zu umständlich. Deidara sollte das Wesentliche verstehen.

„Was zahlst du, hm?“, fragte Deidara.

„Das Haus gehört meinem Vater. Er zahlt für mich. Dafür studiere ich.“ Nachdenklich knabberte Deidara auf seiner Unterlippe herum. Nach kurzer Zeit erhob er seine Stimme. „Ich gehöre nicht zur Familie. Also muss ich zahlen, hm?“

Gaara nickte. „So in etwa.“

Der Blonde rieb sich über das Kinn. „Ich kann jagen, hm“, erklärte er und grinste. „Du musst keinen Fisch kaufen.“ Ein kleines Schmunzeln umspielte Gaaras Lippen. „Das reicht leider nicht. Und das kannst du auch nur machen, wenn niemand hier ist.“

Enttäuscht blinzelte der Blonde. „Reicht nicht? Aber… was dann, hm?“ Ratlos wartete Deidara auf eine Antwort.

„Deine Bilder… wir könnten versuchen, sie zu verkaufen.“

Interesse blitzte in dem sichtbaren Auge auf. „Und das reicht dann, hm?“ Gaara zuckte mit den Schultern. „Irgendwann vielleicht. Aber es gibt da einen Haken.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Je beliebter deine Bilder werden, desto mehr Menschen werden dich kennen.“

Deidaras Augenbrauen zogen sich zusammen. „Oh.“ Der Ningyo sah auf das Meer hinaus. Einige Minuten herrschte Stille zwischen ihnen. Gaara wusste nicht, ob das wirklich eine gute Idee war. Aber Deidara hatte so vielleicht eher die Möglichkeit, sich künstlerisch auszuleben. Vielleicht tat es ihm ja sogar gut?

„Ich kann bei dir wohnen, wenn Menschen meine Bilder kaufen?“, fragte Deidara. Gaara nickte bestätigend. „Wenn du auf diese Weise Geld verdienen möchtest.“ Sie würden sicherlich auch irgendwie eine andere Lösung finden. „Wenn ich mich wie ein Mensch verhalte, bemerkt niemand, was ich wirklich bin, hm?“ Und wieder stimmte der Rotschopf zu. „Aber da müssen wir noch etwas dran arbeiten“, gab er zu bedenken. „Und ich darf nicht nass werden… wie groß ist Risiko, bei Bilder verkaufen nass zu werden, hm?“

Gaara überlegte kurz. Ein Restrisiko gab es immer. Ein Regenguss könnte die Illusion auffliegen lassen. Deidara musste immer auf das Wetter achten und einen Regenschirm bei sich tragen. Aber ansonsten war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, nass zu werden, wenn er seine Bilder verkaufte. „Sehr gering“, beantwortete er also die Frage. Über den Regen hatten sie bereits gesprochen.

Seinen Fragen zufolge schien Deidara ernsthaft darüber nachzudenken. „Temari hat einen Lehrer, der kennt sich mit Bildern aus. Ist es in Ordnung für dich, wenn sie ihm deine Bilder zeigt?“ Die Meinung eines Kunstkenners wäre praktisch.

„Hilft mir das, hm?“

Gaara zuckte mit den Schultern. „Vielleicht.“ Mit Sicherheit konnte er das nicht sagen. Aber ein Versuch war es wert.

Deidara grinste. „Okay. Ich will es probieren. Ich möchte weiter bei dir wohnen, hm.“ Gaara hob eine Hand und strich durch das blonde Haar. „Bist du sicher?“, fragte er. Zugegeben, er hatte Angst um seinen Freund. Wenn nun doch etwas geschah? Deidara kannte die Gefahr allerdings selbst und er machte sich auch Gedanken um seine Tarnung. Wenn sie gemeinsam auf alles achteten, sollte es gut gehen.

„Hm“, gab Deidara bekräftigend von sich. Gaaras Hand rutschte in seinen Nacken. Sanft zog er ihn näher. Die Augen schließend lehnte er seine Stirn gegen die des Ningyo. Dann würden sie es versuchen. Unwohl fühlte Gaara sich dennoch. Deidara tat so viel, um bei ihm zu sein. Er ließ fast jeden Tag die unangenehme Transformation über sich ergehen. Er lernte seine Sprache und seine Kultur. Aber was konnte er für den Blonden tun? Bereits an den wenigen Wörtern, die Deidara ihm vorgesagt hatte, war er gescheitert. Sein Leben unter Wasser kannte er kaum und er konnte ihm momentan nicht einmal in diese Welt folgen, weil er jämmerlich ertrinken würde. Irgendwann brauchte er für seinen späteren Beruf ohnehin einen Tauchschein. Darum sollte er sich allmählich kümmern. Vielleicht konnte er während seines Praktikums bei dem Akajima Marine Science Laboratory das Tauchen lernen. Außerdem konnte er Deidara nach seinem natürlichen Leben fragen, das wollte er auch tun in einem geeigneten Moment. Und er wollte ihn beschützen. Niemand sollte erfahren, wer Deidara wirklich war.

„Wir brauchen einen Nachnamen für dich“, hauchte er. Sie würden für Deidara ein zweites Leben zusammenbasteln, was nicht zwingend geheim gehalten werden musste.

„Manche Ningyo haben auch einen Nachnamen, hm.“ Als Gaara seine Augen öffnete, hatte er das Gefühl, direkt ins Meer zu blicken, so nah schwebten die azurblauen Augen vor ihm. „Hast du einen?“ Seine Stimme hielt er nun gesenkt, wollte er die besondere Atmosphäre nicht zerstören.

„Nein.“

Verlangen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Ungeduld

Deidara traute seinen Augen nicht. Eigentlich wollte er wie üblich nach dem Frühstück eine Runde tauchen gehen, während Gaara sich seinem Studium zuwandte. Aber daraus wurde wohl erst mal nichts. Er sprang von der Veranda. Unter seinen Füßen kitzelte das Gras, welches nach einigen Metern weichem Sand Platz machte.

Akatsuki. Und zwar komplett. Hier am Strand. Die anderen Ningyo hatten sich aus dem Meer geschoben und ließen sich nun von der Sonne trocknen. Wäre der Besuch nicht derart überraschend, wäre ihr Anblick amüsant. In einer unregelmäßigen Reihe lagen sie im Sand, als wären sie an Land gespült worden.

„Deidara, was hast du denn für ein komisches Teil da?“ Hidan hatte sich auf den Bauch gerollt, das Kinn auf seine Unterarme gelegt und wippte mit der silbernen Schwanzflosse in der Luft. Wie so oft hielt er sich nicht mit einer Begrüßung auf, sondern zeigte sofort auf den Rock, den Deidara erst am Strand auszog. Normalerweise. Denn jetzt hatte er augenscheinlich ein anderes Problem. Hidan wurde vorerst ignoriert. Er näherte sich Yahiko, da dieser als Anführer hierfür verantwortlich sein musste.

Soweit das in ihrer jeweiligen Position ging, begrüßten die anderen Ningyo ihn. Knapp erwiderte Deidara die Geste, legte seine linke Hand auf die Brust und neigte den Kopf. Allerdings war etwas anderes gerade wichtiger. Genervt hockte er sich vor den Orangehaarigen und sah ihn auffordernd an. „Ich hoffe für dich, dass du eine verdammt gute Erklärung hast, hm“, sagte Deidara, benutzte automatisch ihre Sprache.

Nebenbei hörte er Hidan maulen, weil er ihn ignorierte. Glücklicherweise kümmerte Kakuzu sich darum. Mit Nichtigkeiten konnte man sich später beschäftigen.

Stoisch erwiderten die grauen Augen seinen Blick. „Da du jetzt schon eine Weile bei deinem Menschen wohnst, wird es langsam Zeit, dass du uns mehr von ihrer Welt zeigst.“

Deidaras Augen verengten sich zu Schlitzen. „Er heißt Gaara“, brummte der Blonde. Wenn Yahiko über Gaara sprach, nannte er ihn immer nur seinen Menschen. Das mochte er nicht, weil der Rotschopf ihm sehr viel bedeutete. Und er war wenig gewillt, Akatsuki hier am Strand herumlaufen zu lassen. „Wieso zeigt ihr euch plötzlich, hm?“, bohrte er weiter. Anscheinend hatten sie ihn beobachtet, denn ansonsten wüssten sie noch nicht, dass er hier lebte. Die nächste Tag- und Nachtgleiche war erst in ein paar Wochen.

Konan mischte sich nun ein, wollte die angespannte Situation etwas entschärfen. „Gaara weiß seit Jahren von uns. Bisher ist dir auch nichts passiert. Du lebst jetzt sogar hier. Und du bist der einzige, der sich mit der Welt der Menschen einigermaßen auskennt. Wen könnten wir sonst fragen, außer dir?“ Sie lächelte. Deidara seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Laufen hatte er ihnen bereits beigebracht. Und nun sollte schon der Rest folgen? Er verstand selbst vieles noch nicht von der Sprache und den Gepflogenheiten. Skeptisch wanderte sein Blick über die Ningyo. Jetzt sollte er dem Haufen das alles beibringen? Wie stellten sich die das vor? Gaara ließ sie sicher nicht auch noch in dem Haus seines Vaters wohnen.

Eine Bewegung am Rande seines Sichtfeldes verleitete ihn dazu, Hidan wieder zu beachten. Der Silberhaarige robbte näher. „Was soll das, Hidan?“, hakte er nach. „Ich will wissen, was du da hast“, erwiderte dieser. Kaum hatte Hidan ihn erreicht, griff er nach dem Saum seines Rockes und betatschte den Stoff. Deidara verdrehte die Augen. Dann schlug er ihm auf die Finger. „Das ist ein Rock. Damit bedecken Menschen ihren Körper, hm.“

Verständnislos sah Hidan zu ihm auf. „Wozu denn?“ Deidara schnaufte. Nein, er hatte jetzt keine Lust, ihm das zu erklären. So recht verstand er es ja selbst nicht, warum das nötig war.

Kakuzu zog Hidan an seiner Schwanzflosse zurück und das lautstarke Gezeter setzte an, welches ihnen so vertraut war wie das Meer. Leider war es jemand anderem nicht vertraut. Denn nur wenige Augenblicke später hörte Deidara Schritte näherkommen. Er sah über die Schulter. Gaara. Leise seufzte er und erhob sich. Wie sollte er das jetzt am besten erklären?

Ein paar Schritte kam Deidara ihm entgegen, da der Rotschopf auf Abstand blieb. Vermutlich war das nur natürlich, er kannte die Ningyo nicht. „Deidara“, begann er, während sein Blick über die anderen glitt. „Was soll das hier? Wer sind die?“ Der Blonde war sich sicher, dass Gaara nichts gegen die Ningyo an sich hatte, sondern sich an ihrer allgemeinen Anwesenheit hier in seinem Territorium störte. Er sah das ähnlich.

„Das ist Akatsuki, hm“, erklärte er Gaara und fuhr sich genervt durch das Haar. Mit gerunzelter Stirn sah der Rotschopf ihn an. „Die Gruppe, von der ich erzählt habe. Die, die Menschen kennen lernen wollen, hm.“ Ein verstehendes Nicken folgte. Nachdenklich wanderte der Blick aus den jadefarbenen Augen über die Ningyo. „Sie wollen die Menschenwelt kennen lernen?“

Deidaras Hand glitt in seinen Nacken und rieb über die Haut. „Genau, hm.“ Kurz nahm Gaara den Himmel in den Fokus. Vermutlich machte er sich Gedanken, dass er hier sieben nackte Ningyo auf seinem Grundstück hatte, sobald sie trocken waren. Menschen trugen ja fast immer Kleidung.

„Ich kann ihr Anliegen verstehen. Aber sie können hier nicht ein und ausgehen. Wenn du bei mir wohnst, ist das was anderes. Du bist mein Partner. Das sind Fremde.“ Deidara war Gaaras Ansicht bewusst. Selbst unter Ningyo war es üblich, nicht jeden in seine Höhle zu lassen. Das Reich des anderen wurde geachtet. Außerdem konnte er gar nicht alle zugleich lehren, wie die Menschenwelt funktionierte. Und mit Hidan wollte er sich wirklich nicht herumschlagen.

Deidara stapfte wieder zu Yahiko und Konan zurück, kniete sich zu ihnen. „Hört mal. Der Strand hier und das Haus sind vergleichbar mit einer unserer Höhlen. Es gehört Gaaras Familie. Ihr könnt nicht einfach aufkreuzen und erwarten, dass Gaara euch erlaubt, hier rumzulaufen, hm“, erklärte er in ihrer Sprache.

Für einen Augenblick weiteten sich Yahikos Augen. „Der Strand auch?“ Deidara nickte. Er hatte sich anfangs auch darüber gewundert, als Gaara ihm davon erzählt hatte, dass auch der Boden bei Menschen Privateigentum sein konnte und nicht nur das Haus.

Konan ergriff nun wieder das Wort. „Yahiko, wieso warten wir nicht noch die paar Wochen bis zur nächsten Tag- und Nachtgleiche und besprechen dann zusammen, wie wir weiter vorgehen. Mit Deidara.“ Die Idee fand der Blonde gut. So hätte es von Anfang an sein sollen. Aber wie hätten sie wissen sollen, dass sie eigentlich nicht auf den Strand durften? Er hatte ja noch keine Gelegenheit gehabt, ihnen von den menschlichen Besonderheiten zu erzählen, seit er hier wohnte.

„Das wäre besser, bevor ihr hier Chaos anrichtet, hm“, brummte Deidara. Ein vielsagender Seitenblick richtete sich auf Hidan, der ihm die Zunge rausstreckte. Itachi schob sich langsam zurück ins Meer. Wie so oft handelte der Schwarzhaarige einfach, anstatt sich mit vielen Worten aufzuhalten. Sein Gefährte folgte ihm.

„Müssen wir wirklich schon wieder gehen? Wozu waren wir dann verdammt noch mal hier?“, maulte Hidan und wurde von Kakuzu sogleich zurecht gewiesen. „Sei still.“ Obwohl der silberne Ningyo ein paar Jahre älter war als Deidara, benahm er sich meist wie ein rebellisches Kind.

Yahiko gab schließlich nach. „Gut. Dann klären wir das zur Tag- und Nachtgleiche.“ Erleichterung überkam Deidara, während sich die Ningyo verabschiedeten und ins Meer zurückzogen. Zuerst konnte man noch ihre Schimmer unter der Wasseroberfläche sehen, doch Zusehens verblassten selbige bis nur noch das Glitzern der Wellen blieb.

Gaara trat neben ihn. Deidara hob seinen Kopf in den Nacken und sah zu ihm hoch. „Erst mal kommen sie nicht wieder“, erklärte er in der Sprache der Menschen. „Aber sie werden nicht locker lassen. Zur…“ Deidara brach ab. Wie übersetzte er Tag- und Nachtgleiche. „Wenn Tag und Nacht gleich lang sind, treffen wir uns. Und reden darüber, hm.“

Der Blonde stemmte sich hoch.

„Dann trefft ihr euch zwei Mal im Jahr?“, hakte Gaara nach. Anscheinend wusste er von der Tag- und Nachtgleiche. „Ja. Dort tauschen wir alles aus, was wir erfahren. Und machen Pläne… was wir machen, hm.“

Gaaras Blick huschte zu den Spuren, welche die Ningyo im Sand hinterlassen hatten. Sie erinnerten an die Spuren von Robben. „Versteh das nicht falsch. Ich habe nichts gegen Ningyo, aber ich kenne sie nicht. Und ich lasse Fremde nicht einfach auf unser Grundstück.“

Er nickte. „Ningyo lassen auch keine Fremden in ihre Höhle. Ich habe Yahiko und Konan erklärt, dass der Strand hier auch … deiner Familie gehört, nicht nur das Haus, hm.“ Wie genau er den anderen also die Menschenwelt näherbringen wollte, ohne anschauliche Beispiele, wusste er noch nicht. Aber das würde sich während des Treffens sicherlich klären.

„Yahiko? Konan?“ Fragend sah Gaara ihn an. „Yahiko ist der mit den orangenen Schuppen. Er ist Anführer. Konan ist seine Partnerin, hm.“ Der Wind frischte auf und wehte Deidara ein paar Strähnen ins Gesicht. Nachlässig strich er selbige über seine Schulter zurück.

„Sagst du mir, was ihr besprochen habt?“ Obwohl er sich vorstellen konnte, dass den anderen das nicht ganz recht war, stimmte er zu. Immerhin war Gaara nun direkt involviert. Es wäre unfair, ihn im Ungewissen zu lassen.

Allmählich wollte er sein eigentliches Vorhaben, selbst ins Wasser zu gehen, umsetzen. Der Blonde schob seine Hände unter seinen Gürtel mit dem Dolch, um den Rock abzustreifen. Auf die leichte Röte in Gaaras Gesicht reagierte er mit einem Schmunzeln. Er mochte das, wenn sein Gefährte so reagierte. Deidara trat dicht an ihn heran und vereinte ihre Lippen zu einem intensiven Kuss. „Bis später, hm“, hauchte er gegen die weichen Lippen. Mit einem letzten frechen Grinsen auf den Lippen wandte er sich ab und schritt ins Wasser. Kaum berührte das angenehme Nass seine Haut, bildeten sich die Schuppen aus und sein Körper veränderte sich. Deidara ließ sich komplett ins Wasser fallen. Seine Schwanzflosse konnte sich nur richtig ausbilden, wenn sein gesamter Unterleib nass war. Ansonsten stagnierte die Verwandlung und das war noch viel unangenehmer als die Schmerzen, die er bei einer vollständigen Wandlung über sich ergehen ließ.
 

Die wenigen Wochen bis zur Tag- und Nachtgleiche vergingen schnell. Fast etwas zu schnell nach Deidaras Ansicht. Ungern verließ er Gaara, obwohl es nur ein paar Tage waren. Er traf sich in letzter Zeit öfter mit diesem Naruto und dessen Freunden. Der Blonde hatte Interesse an Gaara, das war einfach nicht zu übersehen gewesen. Deidara konnte nur hoffen, dass er seinem Rotschopf noch nicht zu nahe gekommen war. Aber Gaara hätte ihm das doch erzählt, oder?

Irgendwann wollte er ihn auch mitnehmen. Aber erst, wenn er vertraut genug mit der menschlichen Welt war. Gaara erzählte ihm so vieles, von einem Club mit lauter Musik und bunten Lichtern. Ob diese Lichter wie die Sterne waren, nur in verschiedenen Farben? Ab und an zeigte er ihm Orte, wo er sich mit den anderen getroffen hatte. In einem Café waren sie schon gewesen und in einem Imbiss.

Letztens hatte Gaara am Abend in ein Glas Saft etwas Rum gemischt. Alkohol hieß das Zeug, welches dieses herrliche Gefühl hervorrief, als würde man ganz leicht sein und dahintreiben. Anfangs war der Eigengeschmack merkwürdig gewesen, doch auch irgendwie lecker.

Der Rotschopf hatte ihm erklärt, dass man nicht zu viel von dem Alkohol trinken durfte, weil man im schlimmsten Fall an einer Vergiftung sterben konnte. Aber etwas davon war anregend… jedenfalls war der Sex anschließend wahnsinnig heiß gewesen.

Deidaras Aufmerksamkeit richtete sich auf den Abgrund, der sich unter ihm auftat. Wie jedes Mal zuvor schwamm er ungern hinab und war froh, die Kerbe im Fels zu erreichen. Sollte er sich wundern, dass alle anderen bereits da waren? Meist waren Kakuzu und Hidan die letzten.

Die Begrüßung folgte. Anscheinend wollte Yahiko keine Zeit vergeuden, denn er kam sofort auf das Thema zu sprechen, welches sie vor ein paar Wochen aufgeschoben hatten. „Wir brauchen eine Vorgehensweise. Deidara ist der einzige, der uns die Menschenwelt zeigen kann. Aber auf diesem Strand dürfen wir nicht einfach bleiben.“

Hidan verschränkte lässig seine Arme hinter dem Kopf. „Ist doch einfach. Wir treffen uns woanders mit ihm.“ Ausnahmsweise war sein Einwand sogar brauchbar. „Das war zu intelligent für dich, hm“, stichelte Deidara amüsiert. Empört blies der Silberhaarige die Wangen auf. „Halt die Fresse! Bist ja nur neidisch, weil du nicht drauf gekommen bist!“

Der Blonde lachte. Sicherlich war er nicht neidisch auf Hidan.

„Bleibt beim Thema“, erklang Konans ruhige Stimme und der Ernst hielt wieder Einzug.

Alle Augen richteten sich auf Itachi, als dieser sich zu Wort meldete, war es selten, dass dieser sich äußerte. „Es wäre besser, wenn nur einer oder zwei von uns sich mit Deidara treffen. An Land sind wir gefährdeter, auch wenn wir inzwischen laufen können. Auf die Art können wir das Wissen innerhalb von Akatsuki verbreiten.“

Deidara gefiel diese Idee. Ganz Akatsuki war anstrengend. Wenn er sich nur auf ein oder zwei von ihnen konzentrieren musste und ihnen erklärte, was er erfahren hatte, brachte es mehr. Zwei oder drei Ningyo fielen am Strand weniger auf. Und diejenigen konnten das Wissen dann weiterreichen. Außerdem war es unter diesen Umständen vielleicht doch möglich, ihnen ein Haus von innen zu zeigen, sollte Gaara sich mit den Ausgewählten anfreunden. Über Nacht blieben sie definitiv nicht, aber ein Besuch am Tag war vielleicht kein Problem.

„Je nach dem, auf wen die Wahl fällt und wenn derjenige sich mit Gaara anfreundet, lässt er ihn vielleicht in sein Haus, hm.“

Daran bestand natürlich allgemeines Interesse. „Also fällt Hidan raus“, kommentierte Kisame grinsend. „Wieso, hä?“ Auffordernd sah der Silberhaarige zu Kisame. Kakuzu antwortete für Itachis Gefährten. „Weil du nur Ärger machst.“

Das aufkommende Schimpfen wurde im Keim erstickt, um sich auf das Wichtige zu fokussieren.

„Ich möchte das übernehmen“, erklärte Konan. Hidan grummelte mit verschränkten Armen vor sich hin. Niemand sonst meldete Interesse an. Deidara konnte sich vorstellen, dass Itachi und Kisame wenig sympathisch wirkten. Itachi redete kaum, machte einen unnahbaren Eindruck. Und Kisames große und kräftige Gestalt wirkte eher bedrohlich. Ähnlich war es bei Kakuzus Narben übersäten Körper. Zetsu hielt sich allgemein lieber im Wasser auf. Er lauschte den Informationen, hatte aber wenig Interesse, an Land zu gehen. Dafür sammelte er in ihrer Welt alles Brauchbare.

In Yahikos Mimik zeigte sich Skepsis. Seine Gefährtin in eine fremde Welt gehen zu lassen, beunruhigte ihn offensichtlich. „Ich werde dich begleiten.“ Doch Konan schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, lass mich das alleine machen.“

Deidara wettete, dass Yahiko immer in der Nähe sein würde. Die Welt der Menschen war unbekanntes Gebiet für Ningyo. Daher stuften sie es gefährlicher ein als ihre eigene Welt, in der sie gejagt wurden. Doch mit den Jägern waren sie vertraut und wussten mit ihnen umzugehen. Was sie außerhalb des Wassers erwartete, war unbekannt.

Deidara freute sich allerdings. Konan war seiner Meinung nach die beste Wahl. Sie war einfühlend und intelligent. Sie würde schnell begreifen, was er ihr erzählte. Und mit ein bisschen Glück mochte Gaara sie. „Ich denke, Konan wäre am besten geeignet, hm.“

Einige Augenblicke herrschte angespanntes Schweigen. Yahiko hatte das letzte Wort. Dieser ließ sich mit seiner Entscheidung etwas Zeit. Aber schließlich stimmte er zu. „Dann wirst du Konan alles beibringen, was du weißt.“ Er wandte sich direkt an seine Gefährtin. „Und du gibst das Wissen an uns weiter.“

Die Blauhaarige nickte.

„Also begleiten wir dich.“ Yahiko sah zu Deidara.

Überraschung erfasste ihn. Das war ihm nicht recht. „Wartet. Lasst mir etwas Zeit, das mit Gaara abzustimmen, hm.“

Ein skeptischer Blick aus Yahikos grauen Augen traf ihn. „Wie viel Zeit brauchst du?“, fragte er.

„Gebt mir eine Woche, hm.“ Das sollte reichen, hoffte Deidara zumindest.

Party

Gaara erhob sich schwerfällig und schlug schwankend den Weg zur Toilette ein. Dort angelangt atmete er tief durch. Die geschlossene Tür dämpfte die Geräusche aus dem Wohnzimmer. Narutos Stimme hörte er selbst durch das Holz klar heraus.

Die Eltern des Blonden waren auf einer Messe und über Nacht nicht Daheim. Naruto nutzte diese seltene Gelegenheit, eine kleine Party für seine Freunde zu veranstalten. Es freute Gaara, eingeladen worden zu sein. Allmählich gewöhnte er sich daran, Freunde zu haben und sich mit ihnen zu treffen. Es fühlte sich toll an, dazu zu gehören.

Meist trafen sie sich in dem Club, in dem er die Clique kennen gelernt hatte. Einmal hatten sie sich einen Film im Kino angeschaut. Der einzige Saal fasste maximal hundert Personen. Aber für die Insel war dies ausreichend. Und letztens waren sie zusammen am Oststrand baden gegangen.

Hinatas zurückhaltende Art empfand Gaara angenehm. Er konnte sich sehr gut mit ihr unterhalten. Mit ihrem Cousin Neji hatte er bisher kaum etwas zu tun, beanspruchte meistens Tenten dessen Aufmerksamkeit. Naruto und Lee waren wie immer wissbegierig und bisweilen erdrückend mit ihrem Tatendrang. Shikamaru machte weiterhin seltsame Andeutungen in Bezug auf Naruto. Chôji, Shikamarus bester Freund, schien generell wenig Interesse an zwischenmenschlichen Kontakten zu haben, war aber dennoch oft dabei. Sakura und Ino empfand der Rotschopf als anstrengend. Immer wieder stellten sie Fragen, mit denen sie Gaara aus dem Konzept brachten. Gaara mochte aber nicht alles von seiner Privatsphäre preisgeben und dazu gehörte auch, ob er eine Beziehung hatte. Inzwischen stellten die Mädchen wilde Spekulationen an.

Als Kind hatte er sich immer Freunde gewünscht, mit denen er spielen konnte. Jetzt, wo er erwachsen war, wurde dieser Wunsch wahr. Dabei hatte Gaara angenommen, er würde eher Freunde finden als einen Partner. Könnte Deidara doch nur auch hier sein. Aber das war noch zu riskant.

Mit unsicheren Schritten wankte der Rotschopf zur Toilette, um sich zu erleichtern. Seine Gedanken waren ungewöhnlich schwer. Wie Nebelschleier waberten sie in seinem Kopf umher, vermischten sich zu einem unsinnigen Brei und zerrissen dann.

Nachdem er die Spülung betätigt hatte, starrte er fasziniert in die Schüssel hinab. Ein winziger Strudel aus Wasser kreiste darin. Zu schnell endete das Spektakel und Gaara torkelte zum Waschbecken. Belebend umspülte das Wasser seine Hände. Er ließ das kühle Nass in seine hohlen Innenflächen laufen. Das Wasser klatschte Gaara sich ins Gesicht. Keuchend schüttelte er sich. Das kalte Wasser lichtete die Nebelschwaden in seinem Kopf etwas.

Schwerfällig kehrte Gaara ins Wohnzimmer zurück. Ausgelassene Stimmung schwappte ihm entgegen. Er warf sich auf die Couch. Seufzend lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Allmählich wurde er müde. Gaara sollte sich auf den Heimweg machen. Aber er konnte nicht mehr selbst fahren. So betrunken würde er seine geliebte Honda in den nächsten Straßengraben steuern.

Ob einer der anderen ihn nach Hause fahren konnte? Mühsam zwängte er seine Augen ein Stück auf. Sein Blick schweifte über die Gesichter. Nein. Niemand war mehr nüchtern. Würde er den Weg nach Hause laufen können? Bestimmt.

An der Lehne zog er sich hoch. Müde schleppte Gaara sich zur Tür. Der Boden wankte unter ihm wie ein Schiff bei starkem Seegang. Eilig hielt er sich am Türrahmen fest.

„Gaara, wo willste hin?“, lallte Narutos Stimme hinter ihm.

„Nach Hause“, brachte er matt über die Lippen.

„Du bist völlig betrunken. So kannst du nicht fahren.“ Shikamarus Stimme war ziemlich klar, obwohl er nicht weniger getrunken hatte als er.

„Isch laufe.“

Raunen ging durch das Wohnzimmer. „Du schaffsd es nich mal bis sur Dür“, widersprach Naruto. Zwei Hände legten sich auf seine Schultern und schoben ihn zurück zur Couch. Wie war Naruto so schnell hinter ihn gekommen? Der Blonde drückte Gaara hinab und sah ihn eindringlich an. „Kannsd hier schlafen.“ Narutos typisches Grinsen zierte sein Gesicht.

Gaara sollte hier schlafen? Dann musste er aber Deidara Bescheid sagen. Dieser machte sich sonst Sorgen. „Isch muss... anrufen“, murmelte er träge. In seiner Hosentasche suchte er nach seinem Handy, aber er fand es nicht. „Wo is...?“ Er wollte erneut aufstehen. Seine Tasche stand im Flur. Dort war sicher sein Handy. Naruto hielt ihn fest. „Sis alles okay“, beschwor der Blonde ihn.

Aber Gaara musste doch seinen Freund informieren, damit dieser wusste, dass er über Nacht nicht nach Hause kam.

Wieso war die Couch eigentlich so bequem? Und so weich? Versonnen strichen seine Finger über die Armlehne. Er wollte die Augen offen halten, doch sie fielen einfach zu und wollten sich nicht mehr öffnen lassen. Gaara war so unendlich müde...
 

Weiche Lippen drückten sich sanft gegen seine eigenen. Gaara seufzte leise. Er liebte es, wenn Deidara ihn auf diese Weise weckte. Langsam reagierte der Rotschopf auf den Kuss. Wenn nur das nervige Pochen hinter seiner Stirn und das schwere Gefühl in seinem Körper nicht wäre. Seine Hand schien mindestens zehn Kilo zu wiegen, als er sie hob und in dem langen Haar seines Liebsten versenkte.

Suchend tasteten Gaaras Finger durch das Haar. Wo waren die vom Schlaf wirren Strähnen, in denen er sich verfing?

Verwirrt öffnete Gaara die Augen. Zwei blaue Augen schwebten direkt über ihm. Kurzes, blondes Haar umrahmte ein rundliches Gesicht. Naruto. Er küsste Naruto! Die Erkenntnis glich einem Sprung ins kalte Wasser von einer hohen Klippe. Gaara stieß den Blonden reflexartig von sich und stemmte sich hoch. Das Pochen in seinem Kopf schwoll zu einem wütenden Schmerz an. Keuchend hielt er inne.

„Was... sollte das?“

Gaaras Stimme verlor durch den Kopfschmerz an Nachdruck. Zwischen zusammengekniffenen Lidern sah er zu Naruto. Dieser saß mit einem bedröppelten Gesichtsausdruck auf dem Boden neben der Couch.

Allmählich nahm Gaara seine Umgebung wahr. Er war nicht Zuhause. Natürlich nicht, er hatte auf der Party getrunken und war nicht mehr in der Lage gewesen, zu fahren. Und dann war er müde geworden. Jetzt saß er auf der Couch, immer noch im Wohnzimmer. Nichts hatte sich verändert. Selbst das Licht war an, welches den Rotschimmer auf Narutos Wangen enthüllte.

„Ich hab dich geküsst.“

Gaara runzelte die Stirn. Das wusste er doch. Er hatte immer noch das Gefühl, die fremden Lippen auf seinen zu spüren. Wieso hatte Naruto ihn einfach im Schlaf geküsst?

„Wieso?“ Seine Zunge war ungewohnt träge. Selbst kurze Sätze erschienen ihm beschwerlich.

Naruto blinzelte. „Is das nich offensichtlich? Ich steh auf dich.“

Gaara blinzelte. All die kuriosen Andeutungen Shikamarus rauschten in einem Schwarm durch seinen Geist. Die Zeit dehnte sich wie ein Gummiband, welches zwischen zwei Fingern straff gespannt wurde. Der Rotschopf starrte unentwegt in die blauen Augen. Dieses Blau war anders als Deidaras. Matter. Die Augen seines Freundes strahlten, als breche sich das Licht in azurblauen Diamanten. Wenn er in Deidaras Augen sah, hatte er das Gefühl, einzutauchen wie in das Meer.

Das Gummiband schnappte zusammen. Gaara zuckte. Fest presste er die Augen zusammen, um wieder in der Gegenwart anzukommen. Das waren nicht Deidaras Augen.

Gaara sollte sich geschmeichelt fühlen. Er hätte niemals gedacht, dass ein Mensch an ihm Interesse zeigen konnte. Doch jetzt, da tatsächlich ein Mensch ihm seine Zuneigung gestand, durchpflügte Unbehagen seinen Geist.

„Ich... hab einen Freund.“

Das Geständnis kam brüchig über Gaaras Lippen.

Ungläubig weiteten sich Narutos Augen. „Das hasde doch jetz erfunden! Das glaub ich dir nich.“ Schnaufend verschränkte der Blonde die Arme vor der Brust.

Hastig schüttelte Gaara den Kopf. Aufflammender Schmerz gebot ihm sofort Einhalt.

„Warum sollte ich lügen?“, murmelte er und rieb über die Schläfen, in der Hoffnung, der Kopfschmerz würde zurückgehen.

„Du hast ihn schon mal gesehen. Deidara, beim einkaufen. Lange, blonde Haare. Spricht schlecht japanisch...“

Naruto riss seine Augen so weit auf, dass er glaubte, sie fielen jeden Moment aus seinen Höhlen und kullerten über den Fußboden. „Echt jetz? Der is wirklich dein Freund? Wieso hast du nie was gesagt? Ich hab mir Hoffnungen gemacht!“ Wieder schnaufte Naruto.

Sein Kumpel ließ ihm keine Zeit zu antworten.

„Wieso hast du ihn nie mitgebracht? Ich hab ihn hier noch nie gesehen. Er kommt nicht von der Insel. Is er mit dir hergezogen? Studiert er auch? Wie konntest du das nicht sagen? Du machst einem einfach Hoffnung. Das ist voll fies.“ Mürrisch verzog der Blonde das Gesicht und sackte in sich zusammen.

Obwohl sie sich seit Monaten kannten, kam Gaara immer noch nicht bei den schnellen Emotionswechseln hinterher. War Naruto jetzt aufgebracht, neugierig oder doch traurig? Vielleicht alles zusammen?

„Tut mir Leid“, nuschelte Gaara. Die Situation war sehr unangenehm. Er wollte gern ausweichen. Unstet wanderte sein Blick im Raum umher, bis er am Fenster hängen blieb. Hinter der Scheibe erkannte er die Büsche, die das Grundstück umgaben. Fahles Zwielicht ließ erste Farben des nahenden Tages erkennen.

Es war bereits früher Morgen. Einem Stromschlag gleich traf Gaara die Erkenntnis. „Deidara.“ Er hatte seinen Freund die Nacht über allein gelassen, ohne ihm Bescheid zu sagen. „Ich muss los.“ Eilig stemmte Gaara sich von der Couch. Er wankte der Tür entgegen, das Schwindelgefühl und den Schmerz hinter der Stirn ignorierend. Sicherlich machte Deidara sich Sorgen um ihn. Sein Freund war kein Mensch. Wer wusste, wie ein Meerwesen wie Deidara reagierte, wenn sein Partner viel länger wegblieb als verabredet? Vielleicht glaubte er, ihm sei etwas passiert oder er wäre angegriffen worden.

Im Flur fummelte er das Handy aus seiner Tasche und rief Deidara an. Gleichmütig tutete es. Sein Freund nahm den Hörer nicht ab.

„Warum biste denn so? Dein Freund wird doch wohl ne Nacht ohne dich auskommen“, maulte Naruto.

Gaara legte auf und blickte zurück. Der Blonde lehnte sich schwer gegen den Türrahmen zum Wohnzimmer. Mühsam schob Gaara sich die Tasche über die Schulter. „Ich hab ihm versprochen, heim zu kommen. Und ich konnte ihn nicht anrufen. Er macht sich sicher Sorgen.“

Der Rotschopf drückte die Klinke der Eingangstür runter. „Wir sehen uns.“ Entschlossen trat er ins Freie.

Herausforderung

Zügig lief der Ningyô am Straßenrand entlang, Richtung Dorf. Gras kitzelte seine Füße. Gaara war am vergangenen Abend nicht zurückgekehrt. Auf dessen Wort war Verlass. Es musste etwas passiert sein.

Das kuriose Gerät, das Gaara Telefon nannte und das einem half, miteinander zu sprechen, obwohl man weit voneinander entfernt war, hatte ihm nicht geholfen. Mit Beginn des nächsten Morgens hatte Deidara sich entschieden, seinen Gefährten zu suchen.

Der Weg zum Dorf war Deidara vertraut. Gaara hatte ihm erzählt, dass Naruto eine Feier veranstaltete. Wo die blonde Quasselstrippe wohnte, fand er schon heraus. Hoffentlich war Gaara in keinen Hinterhalt oder Unfall geraten. Sein Liebster mochte ihm versichert haben, dass die Menschenwelt weniger gefährlich war als die Welt im Wasser, aber davon überzeugte er sich selbst.

Aufmerksam streifte Deidaras Blick über die Umgebung, in der Hoffnung, zwischen den Kiefern einen Hinweis auf Gaaras Verbleib zu finden. Die Vögel zwitscherten in den Ästen, ein Eichhörnchen war bei seinem Anblick erschrocken den nächststehenden Baumstamm hinauf geflohen. Eine kleine Herde Rehe graste in einiger Entfernung. Argwöhnisch hoben sie die Köpfe und beäugten den Blonden.

Wann er wohl den ersten Menschen traf, den er nach Gaara fragen konnte? Auf dieser Straße hatte Deidara nur ein Mal ein Auto gesehen. In der Gegend wohnten sehr wenige Menschen. Grundsätzlich gefiel das Deidara, weil er mit seinem Gefährten ungestört war.

Eine Bewegung weiter vorn zog die Aufmerksamkeit des Blonden an. Die Fahrbahn bog um einen Hügel und gab nur langsam den Blick auf ein menschliches Fortbewegungsmittel frei.

Deidara kniff die Augen zusammen. Nein, das war kein Auto, sondern ein Motorrad. Jemand schob es. Er erkannte rotes Haar. Sein Herz hüpfte vor Erleichterung. Der Ningyô rannte los, seinem Gefährten entgegen. „Gaara!“, rief er befreit.

Der Rotschopf hielt an. In den jadefarbenen Augen spiegelte sich Überraschung und dieselbe Erleichterung, die er empfand.

„Deidara, was machst...“

Der Blonde schloss Gaara fest in die Arme. Sein Gesicht schmiegte er gegen das strubbelige Haar. Tief atmete er den vertrauten Duft seines Gefährten ein. Fremde Gerüchte hafteten an ihm.

„...du hier auf der Straße?“, beendete Gaara den angefangenen Satz.

Deidara zog sich weit genug zurück, um Gaara anzusehen. Die Hände legte er locker in dessen Taille. Dunkle Schatten umgaben die hellen Augen. Gaaras Stimme war leise und schwankte leicht. Er schien erschöpft.

„Ich habe Sorgen gemacht. Du bist nicht gekommen, hm“, erklärte Deidara. „Was ist passiert?“

Mit der freien Hand, mit der Gaara nicht seine Honda festhielt, strich er über Deidaras Unterarm.

„Ich habe zu viel Alkohol getrunken und konnte nicht mehr anrufen. Es tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast.“

Prüfend glitt Deidaras Blick an Gaara hinab und zurück zum Gesicht. „Dir geht es nicht gut“, kommentierte er. Das sah und hörte er. „Was ist passiert?“ Irgendetwas war doch geschehen.

„Ich habe Kopfschmerzen. Das kommt vom Alkohol.“ Irritiert blinzelte Deidara. „Alkohol löst das aus? Ich dachte, der entspannt, hm.“

Bestätigend neigte Gaara den Kopf. „Bis zu einem gewissen Grad. Dann schadet er. Gestern war es etwas zu viel.“

Eindringlich schaute Deidara seinem Liebsten in die Augen. „Das ist alles, hm?“

Gaara brummte zustimmend. Nachdenklich sah der Blonde zu dem Motorrad. Es knatterte fürchterlich laut, wenn Gaara damit fuhr. Bei Kopfschmerzen war dieses Geräusch sicher unerträglich. Darum schob er die Honda.

„Gehen wir heim. Und du ruhst dich aus, hm.“

Deidara hauchte seinem Liebsten einen Kuss auf die Lippen, dann griff er entschlossen nach dem Motorrad. „Ich schiebe“, erklärte er.
 

„Ich werde töten, hm!“ Aufgebracht stromerte Deidara im Wohnzimmer auf und ab. Gaara hockte am Tisch. Mit den Fingern umklammerte er die Teeschale. Bis eben hatte er auf die Flüssigkeit hinabgeschaut. Jetzt ruckte sein Kopf hoch. Die jadefarbenen Augen weiteten sich entsetzt.

„Du kannst Naruto doch nicht töten! Er wusste nichts von uns und er dachte, ich wäre Single. Er hat es nicht in böser Absicht getan. Ich habe ihn klar abgewiesen. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Der beschwörende Tonfall drang nicht zu ihm durch.

Deidara blieb vor dem flachen Tisch stehen. Die Hände ballte er zu Fäusten. „Du verstehst nicht.“ Der Ningyô war sich die meiste Zeit bewusst, dass Menschen anders waren als Seinesgleichen. Doch Narutos Handlung griff ihn direkt an.

„Er hat mich herausgefordert, hm!“

Deidara sank auf die Knie und stemmte die Arme auf dem Tisch ab, beugte sich zu seinem Liebsten vor. „Wir sind Gefährten. Naruto hat dich geküsst. Das ist Herausforderung. Er zweifelt uns an. Er will dich stehlen und er hält sich für stark, hm.“

Gaara runzelte die Stirn.

„Herausforderung? Du willst gegen Naruto kämpfen?“

Bestätigend nickte Deidara.

„Das kannst du nicht!“ Fassungslos brodelte Gaaras Stimme. „Er hat dich nicht herausgefordert. Wir Menschen kennen eure Regeln gar nicht. Ich hab dir doch erklärt, dass Naruto nichts von uns wusste. Sonst hätte er mich nie geküsst.“

Schnaubend setzte Deidara sich auf das Sitzkissen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und? Was soll ich machen? Nichts? Er wird es wieder versuchen. Ich habe gesehen. Seine Augen, hm.“ Deidaras Finger deuteten auf seine Augen. „Es ist da drin. Er will dich, hm.“ Er erinnerte sich an den Tag, an dem sie Naruto im Einkaufsladen getroffen hatten, als wäre es gestern. Dieses Strahlen bei Gaaras Anblick. Nein. Der Blonde war sich sicher. Naruto war in Gaara verliebt und wollte dessen Gefährte werden. Das ließ Deidara nicht zu. Er würde sich nicht zum Gespött machen und verdrängen lassen. Verlor er Gaara, dann war er ein miserabler Gefährte.

„Der Kuss... ist Beleidigung für mich, hm“, fügte er leiser hinzu.

Verwirrung flutete die jadefarbenen Augen. „Wieso ist der Kuss eine Beleidigung?“

Deidara biss sich auf die Unterlippe. „Er denkt, ich bin schlechter Gefährte. Er denkt, er ist besser für dich, hm.“

Erstaunt blinzelte Gaara. „Oh.“

Nach einigen Herzschlägen zeigte sich ein sanftes Lächeln auf Gaaras Lippen. Er hob eine Hand. Zärtlich strichen die Finger über Deidaras Wange. Er schmiegte sich gegen die warme Handinnenfläche. Deidara wollte Gaara nicht verlieren.

„Was er denkt, kann uns egal sein. Es ist doch nur wichtig, was wir denken. Und ich denke, dass du der richtige Gefährte für mich bist.“ Wie seichte Wellen brandeten die Worte Gaaras an das Ufer seines Verstandes. Sie spülten jeden Gedanken an Naruto beiseite.

Deidaras Hand vergrub sich in Gaaras Nacken und zog ihn zu sich heran. Ein leidenschaftlicher Kuss vereinte ihre Lippen. Für seinen Gefährten beschloss er darauf verzichten, Naruto zu töten. Aber nur, weil die Quasselstrippe ein Mensch war. Nur dieses eine Mal. Er würde Naruto veranschaulichen, dass Gaara ihm gehörte und er es nie wieder wagen sollte, ihm zu nahe zu kommen.

Als sie sich voneinander lösten, versank Deidara einmal mehr in den jadefarbenen Augen, die so herrlich glänzten wie zwei grüne Perlen.

„Deidara...“ Einem zaghaften Windhauch gleich huschte sein Name über Gaaras feucht glänzende Lippen. Dessen Wangen schimmerten in verführerischem Rot. Deidara liebte diesen Anblick. „Nimm mich.“

Der Ningyô blinzelte. „Hochnehmen? Warum? Willst du ins Bett, hm?“ Ging es ihm wegen des Alkohols schlechter? Dabei schien sich sein Zustand gebessert zu haben. Seit er den Tee getrunken hatte, wirkte er nicht mehr so bleich.

Ein Schmunzeln verhakte sich in Gaaras Mundwinkeln. „Das ist eine Ausdrucksweise für Sex... wenn man unten liegen will.“

Deidaras Herz stimmte einen hastigen Takt an. Jetzt verstand er. Bisher hatte er den passiven Part übernommen. Es war in Ordnung, es gefiel ihm. Wie sich die andere Position anfühlte, fragte er sich hin und wieder, aber Gaara hatte ihm keinerlei Zeichen gegeben, dass er mal tauschen wollte. Bis eben.

„Gern“, flüsterte Deidara mit einem dunklen Unterton.
 

Überwältigung erfasste Deidara. Sein Gefährte hatte ihm erklärt, was ein Club war, doch auf das hier war er nicht vorbereitet gewesen. Laute Musik pulsierte bis tief in den Boden hinein. Die Vibrationen drangen von den Füßen aus in ihn ein. Zuckende Lichter rissen die Augenblicke auseinander und fügten sie zu einem gestückelten Bild zusammen. Es roch nach abgestandener Luft, künstlichen Gerüchen, die Gaara als Parfum oder Deo bezeichnete und schwitzenden Körpern.

Wo er hinsah, waren Menschen wie ein wabernder Algenteppich. Sie quetschten sich um Tische und zappelten auf einer Fläche. Tanzen hatte Gaara diese Bewegungen genannt.

Sein Herz pochte hektisch in der Brust. Unruhe wallte in ihm auf. Nie zuvor war er in einem derart vollgestopften Raum gewesen. Immer wieder berührte er unweigerlich andere Gäste. Den Überblick hatte er längst verloren. Dicht hielt er sich bei Gaara, umfasste dessen Hand. Zwischen all den Menschen wollte er seinen Gefährten nicht verlieren.

Gaara neigte sich zu ihm. „Wenn es dir zu viel wird, sag Bescheid. Dann gehen wir.“ Es fiel ihm schwer, Gaaras Stimme trotz des rhythmischen Dröhnens zu verstehen. Der Blonde nickte.

Er folgte Gaara zu einem der Tische. Kaum standen sie davor, richteten sich alle Augen auf sie. Grußworte flogen von der Musik halb zerfetzt zu ihnen. Zwischen den Gesichtern erkannte Deidara Narutos Gesichtszüge. Der Ningyô senkte angriffslustig den Kopf, hielt den Blick drohend auf den anderen gerichtet.

Gaara zog an Deidaras Arm. Der Blickkontakt brach. Er gab nach und setzte sich neben den Rotschopf. Kurz betrachtete Deidara Gaaras Hals. Ein zufriedenes Lächeln hob seine Mundwinkel. Die Knutschflecken waren ein eindeutiges Zeichen. Gaara gehörte ihm.

Sein Gefährte stellte ihn vor und nannte ihm die Namen der anderen. Die meisten davon kannte er aus den Erzählungen Gaaras. Aber er fiel ihm schwer, sich die richtigen Gesichter einzuprägen. War der mit den kurzen, dunklen Haaren Shikamaru oder doch Lee?

Naruto stemmte sich hoch und lehnte sich über den Tisch. Aus zusammengekniffenen Augen musterte er Deidara. „Du bist echt Gaaras Freund?“

Inzwischen verstand Deidara die Quasselstrippe besser. Ihm zuzuhören war trotzdem anstrengend. Aus den Augenwinkeln bemerkte er den rastlosen Blick, der zwischen ihm und Naruto hin und her huschte.

Langsam erhob Deidara sich, beugte sich dem lästigen Menschen entgegen. Ihre Gesichter waren nur eine Handbreit voneinander entfernt. „Problem, hm?“, fragte er herausfordernd.

Naruto verzog die Lippen. „Kontrollierst du ihn?“

Deidaras rechte Augenbraue wanderte steil in die Höhe. „Wie du kommst darauf?“ Das war die dämlichste Frage, die er je gehört hatte.

„Ganz einfach. Bei der Party wollte er dich unbedingt anrufen, obwohl er nicht mal mehr stehen konnte. Und am nächsten Morgen ist er panisch losgerannt. Du kontrollierst ihn doch, echt jetzt!“

Verächtlich schnaubte Deidara. Seine Hand zuckte vor und packte Naruto grob am Kragen. „Du hast meinen Gefährten geküsst“, knurrte der Ningyô. „Ich sollten dich töten, hm!“ Ein unheilvoller Klang schwang in den Worten mit.

Gaara griff in Deidaras Arm und zog daran. „Deidara, wir hatten das doch geklärt.“ Er hörte den bittenden Unterton. Seine Finger krallten sich fester in Narutos Oberteil. Ja, er hatte seinem Gefährten versprochen, Naruto nicht zu töten und auf die Beleidigung nicht zu reagieren. Aber ihn vor sich zu sehen, ließ den Wunsch, ihm das Knochenmesser ins Gesicht zu rammen, erstarken.

„Regt euch ab. Naruto, sieh’s ein, Gaara erwidert deine Gefühle nicht. Deidara, wenn du so weitermachst, fliegst du hier raus. Wir sind hier, um uns zu amüsieren. Also tun wir das. Ich geb einen aus.“

Deidaras Blick zuckte kurz zu demjenigen, der die Worte unterbrochen hatte. Schwarze Haare waren zu einem zerzausten Zopf zusammengefasst. Er verstand nicht gänzlich, was der Schwarzhaarige meinte. Dafür hallte Gaaras Bitte klar in seinem Kopf.

Mit einem genervten Schnaufen stieß er Naruto zurück und ließ sich auf den Sitzplatz sinken. Neben sich hörte er Gaara erleichtert aufatmen. Ein dicker junger Mann, der bisher Chips knabbernd zur Linken des Strubbelzopfes gesessen hatte, erhob sich ebenfalls. „Ich komm mit, meine Chips sind alle.“

Die Menschenmasse verschluckte die beiden schnell. Derweil fing der Bursche mit den kurzen, schwarzen Haaren an, eifrig über Motorräder zu sprechen. Schlagartig kam Deidara Narutos Sprechweise gar nicht so lästig vor, denn die Stimme des Schwarzhaarigen überschlug sich regelrecht vor Begeisterung.

Gaaras Hand legte sich unter dem Tisch auf seinen Oberschenkel. Die leichten, kreisförmigen Bewegungen des Daumens beruhigten angenehm. Es war Gaara wichtig, dass er mit dessen Freunden auskam. Solange Naruto nie wieder versuchte, seinen Gefährten zu küssen oder gar mehr, hielt er sich zurück. Für Gaara. Aber Naruto würde niemals ein Freund werden. Die Quasselstrippe hatte ihn auf tiefster Ebene beleidigt.

Der Dicke tauchte mit einer neuen Tüte Chips in der Hand und dem Strubbelzopf zwischen den Gästen auf. Eine Kellnerin begleitete sie. In den Händen trug sie ein beladenes Tablett. Vor jedem stellte sie ein Glas mit einer abenteuerlich aussehenden Flüssigkeit ab. Eisstückchen schwammen darin. Und anderes, das er nicht zuordnen konnte.

Gaara beugte sich zu ihm. „Das ist ein Cocktail. Da ist Alkohol drin“, sprach er leise. Warmer Atem streifte Deidaras Ohr. Ein wohliges Kribbeln huschte seine Ohrmuschel entlang. Verstehend nickte er. Sein Blick fiel auf Naruto, der ihn mürrisch anblickte. Überlegen grinste der Ningyô. Er registrierte die Eifersucht in Narutos Augen. Ihm wurde bewusst, dass Gaara ihm niemals auf diese intime Art ins Ohr flüstern würde.

Deidara kostete von dem Cocktail. Der Geschmack war seltsam, aber faszinierend. Fruchtig und erfrischend. Eine anregende Wärme breitete sich in seinem Bauch aus. Deidara nahm einen weiteren, beherzten Schluck von dem kuriosen Getränk. Dann griff er nach Gaaras Hand und zog ihn vom Sitzplatz hoch. „Lass uns tanzen, hm“, schlug er beschwingt vor. Er wollte dieses rhythmische Zappeln ausprobieren. Oft genug hatte er die Menschen dabei beobachtet, im Fernsehen.

Kurz blickte Deidara über die Schulter zum Tisch zurück. Triumphierend grinste er Naruto zu. Seine Hand glitt Gaaras Rücken hinab zu der schmalen Hüfte und blieb dort liegen. Gaara war sein Gefährte.

Vernissage

Aus dem Meer brach ein blaugeschuppter Drache. Der Unterleib verschmolz noch mit den Fluten, während sich die gewaltigen Flügel majestätisch über den Schaumkronen ausbreiteten. Unzählige Wassertropfen spritzten empor.

Beim Anblick des Gemäldes meinte Gaara, das Rauschen des Wassers und das Brüllen des Drachen zu hören, so lebendig ließen die kräftige Farbgebung und die Pinselführung das Ölgemälde wirken. Dabei hatte er Deidara nur die wichtigsten Farben kaufen können. Die Palette an Zwischentönen mischte der Blonde selbst. Einmal mehr war er beeindruckt von dem Talent des Ningyô. Seine Bilder verdienten die Aufmerksamkeit, die sie heute Abend erhielten.

Dank der Empfehlung von Temaris Oberarzt Orochimaru hatte die Kunstgalerie in Naha einem unbekannten Künstler die Chance gegeben, drei Gemälde zu dem neuen Thema zu präsentieren. Der Einladung zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung folgend, hatten sie eine Fähre zur Hauptinsel Okinawas genommen.

Deidaras Darstellungen lockten viele kunstbegeisterte Gäste an. Der blaugeschuppte Drache, der schwarze Vogeldämon auf dem Felsen und der kleine Baumgeist, der sich zwischen den sattgrünen Blättern in den Ästen verbarg, waren nicht nur eindrucksvoll dargestellt, sie spiegelten die Thematik perfekt wieder. Mythen Japans.

Doch am meisten gefiel Gaara das Gemälde, welches Deidara geheim hielt. Es zeigte einen Ningyô mit flammenden Schuppen und kurzem, rotem Haar. Er hieß Sasori. Aus der Vergangenheit des Blonden wusste Gaara, dass dieser ihn nach dem Tod der Eltern bei sich aufgenommen hatte. Gaara fand es erstaunlich, wie elegant und zierlich der rote Ningyô auf dem Bild wirkte, aber gleichzeitig erschien der Blick aus den braunen Augen und seine Körperhaltung unnachgiebig und hart. Das Gemälde bot einen winzigen Einblick in Deidaras Welt. Gaara verstand, warum Deidara es nicht der menschlichen Öffentlichkeit zeigte. Die Darstellung eines Meerwesens hielten alle gewiss für eine fantasievolle Interpretation eines Mythos. Aber sein Liebster wollte keinen Beweis ihrer Existenz den Menschen vorführen.

Manchmal philosophierten sie darüber, ob auch andere Wesen existierten, wie die Dämonen oder Baumgeister. Seit Deidara in der Lage war, japanisch zu lesen, las er viele Geschichten und Legenden. Und er zeichnete all diese beschriebenen Wesen aus den Erzählungen. Man könnte annehmen, er wolle sie zum Leben erwecken. Zumindest auf der Leinwand.

„Und jetzt kann ich ganz normal bei dir wohnen? Deine Schwester wird nichts sagen, hm?“ Hoffnungsvoll sah sein Freund ihn an.

So wie Deidara darüber sprach, klang Geld verdienen und Miete zahlen unkompliziert. Wäre es nur so einfach. Künstler am Anfang ihrer Karriere konnten ihre Werke nicht zu hohen Preisen vermarkten. Erst mit großem Bekanntheitsgrad stieg der Lohn für Deidaras Bilder. „Wenn du genug Bilder verkaufst.“

Der Blonde lächelte glücklich. In diesem Moment kam er Gaara fast wie ein Junge vor, der die Welt erkundete.

Ein großgewachsener Herr näherte sich. Schwarzes Haar floss über die Schultern und ließ seine blasse Haut unnatürlich bleich erscheinen. „Mangetsu Deidara?“ Die tiefe Stimme war auffallend rau.

Der Ningyô wandte sich dem Mann zu. „Ja?“

„Ich freue mich, Sie endlich persönlich kennen zu lernen. Ihre Arbeiten sind außergewöhnlich. Sie werden bestimmt ein erstklassiger Künstler.“ Der Schwarzhaarige neigte wohlwollend den Kopf. „Ich bin Dr. Orochimaru.“

Gaara musterte den Mann vom Scheitel bis zu den polierten Schuhen. Das war also Temaris Oberarzt. Ihm hatte Deidara die Aufnahme seiner Gemälde in diese Ausstellung zu verdanken. Orochimarus Empfehlungsschreiben hatte Deidara ein Tor in die Welt der Künste geöffnet. Und doch waberte ein ungutes Gefühl wie Bodennebel in Gaara. Die einschmeichelnde Stimme hieß ihn, achtsam zu sein.

Deidara verbeugte sich, wie Gaara es ihm beigebracht hatte. „Vielen Dank für Ihre Empfehlung. Sie hat mir sehr geholfen, hm.“

Der Rotschopf war zufrieden. Deidara konnte sich inzwischen recht unauffällig in der Gesellschaft bewegen. Er hatte die Verhaltensregeln gelernt, die Aussprache war fast fehlerfrei. Und selbst mit dem japanischen Nachnamen fiel er nicht nennenswert auf, da viele Künstler einen Künstlernamen führten.

Gaara nahm Deidara seit der ersten Begegnung im Club vor einem halben Jahr regelmäßig mit zu seinen Freunden. Die zwanglosen Treffen halfen ihm, sich in die Menschengesellschaft integrieren. Mit den meisten verstand der Blonde sich. Nur gegenüber Naruto verhielt er sich weiter mit offen getragenem Argwohn. Sein Kumpel versuchte nicht mehr, ihm näher zu kommen. Deidara beharrte stur darauf, dass Naruto ihn als Gefährten wollte. In den letzten Monaten hatte der Rotschopf auf Anzeichen geachtet. Und die heimlichen Blicke Narutos fielen ihm mittlerweile auf. Wie hatte er die so lange übersehen können?

Die aufgebrachte Stimme Deidaras lenkte Gaaras Aufmerksamkeit wieder auf seinen Freund. Der Blonde schob Orochimarus Arm von der Schulter und wich einen Schritt von ihm zurück. „Das ist zu nah, hm.“ Gaara erkannte in dem azurblauen Auge die unausgesprochene Warnung.

Er wusste, dass Deidara unter der Kleidung ein Taschenmesser bei sich trug. Es beruhigte ihn, bewaffnet zu sein. Gaara gefiel das nicht. Er hatte ihm eingeschärft, dass er das Messer nur zur Selbstverteidigung im Notfall einsetzen durfte, weil er sonst Probleme mit dem Gesetz der Menschen bekam. Zumindest hatte er ihn davon abgehalten, seine Knochenmesser mit sich herum zu schleppen, wenn sie unterwegs waren. Fand man ein normales Messer bei Deidara, fiel es nicht so auf wie ein selbstgebasteltes Messer aus Tierknochen.

Gaara trat an Deidaras Seite. Der glühende Blick aus den unnatürlich gelblich wirkenden Augen von Dr. Orochimaru ließ ihn innerlich schaudern. Der Kerl war gruselig. Wie er Deidara ansah. Mit einem solchen Ausdruck in den Augen gierte ein ausgehungerter Löwe nach einer saftigen Antilopenkeule. Die schmalen Lippen Orochimarus formten sich zu einem Lächeln. Sie sollten aufpassen. Temaris Oberarzt kam ihm wie eine Schlange vor, der seine Beute auserkoren hatte und auf den richtigen Moment wartete, die Giftzähne in den Hals zu rammen.

Eine ältere Dame trat zu ihnen und die angespannte Atmosphäre löste sich auf. Sie stellte sich als Jounalistin einer Kunstzeitung vor. Freundlich bat die Frau Deidara um ein kurzes Interview und ein Foto mit Deidara vor einem seiner Bilder. Gaara folgte Deidara in geringem Abstand. Er war froh, sich von dem seltsamen Arzt zu entfernen.

Nachdem die Journalistin die Antworten auf ihre Fragen erhalten hatte, zog sie ihrer Wege zum nächsten Künstler. Lange allein blieben sie an diesem Abend nicht. Tröpfelndem Wasser gleich kamen immer neue Gesprächspartner, die sich mit Deidara unterhalten wollten. Mal war es ein Kunstliebhaber, mal ein Kunstlehrer, mal ein Journalist. Gaara hielt sich unaufdringlich in Deidaras Nähe auf. Der Ningyô hatte ihn darum gebeten, weil er sich dann in der ungewohnten Situation sicherer fühlte. Gaara beobachtete er ihn und musste lächeln. Diedara strahlte seine Leidenschaft zur Kunst mit jeder Faser aus, wenn er darüber sprach. Und auf der Vernissage waren alle an Kunst interessiert. Es gab hier viele Menschen, mit denen er sich über diese Passion austauschen konnte.

Gaara lehnte sich locker gegen die Bar, die man im Hauptraum aufgebaut war. Zwei junge Männer, vermutlich Studenten, kümmerten sich um die Getränkewünsche der Besucher. Immer wieder kamen Frauen in blumigen Kleidern zur Theke und füllten ihre Tabletts mit kleinen Snacks auf, die sie den Gästen anboten.

Deidara beendete sein Gespräch mit einem Kunststudenten und trat zu ihm. „Ich gehe kurz auf die Toilette, hm.“

„Weißt du, wo sie ist?“

Deidara nickte und schritt zielstrebig durch den Durchgang in den nächsten Raum, wo er ihn aus den Augen verlor.

Am Rand seines Blickfeldes erschien ein hochgewachsener Mann mit bleicher Haut. Ein kalter Schauer erfasste Gaara. Dr. Orochimaru trat neben ihn an die Bar und bestellte zwei Getränke. Tief atmete er durch. Temari hatte zwar angedeutet, dass ihr Oberarzt ein wenig eigen war, aber der Schwarzhaarige war ihm absolut zuwider und er konnte nicht einmal genau sagen, warum. Da war nur dieser glühende Blick, mit dem er Deidara bedacht hatte, und der unangenehm schmeichelnde Unterton. Er ermahnte sich innerlich zur Ruhe. Manche Kunstliebhaber waren kauzig. Womöglich war der Mann wie ein Fangirl, das ihren Star anhimmelte. Es bestand kein Grund zur Sorge. Der Schwarzhaarige nahm die bestellten Drinks entgegen und verschwand wieder in der Menge.

Erst jetzt gelang es Gaara, sich zu beruhigen. Der Oberarzt wirkte schlichtweg unheimlich. Von einem bizarren Gast sollte er sich nicht den Abend verderben lassen. Deidara schien gute Chancen zu haben, sich in der Kunstszene zu etablieren. Still hatte er den Gesprächen gelauscht. Die Menschen waren angetan von Deidaras Gemälden, von der Genauigkeit und der Lebendigkeit der Pinselstriche. Wenn eine Kunstzeitung über ihn berichtete, würde ihm dies weitere Türen öffnen. Leider kannte Gaara sich mit der Kunst nicht aus. Er konnte Deidara lediglich zur Seite stehen und darauf achten, dass niemand sein Geheimnis herausfand.

Gaaras Blick huschte zur Uhr. Deidara war jetzt schon eine Viertelstunde auf Toilette. So lang war die Schlange an der Männertoilette doch sicher nicht. Vermutlich hatte ihn jemand auf dem Weg angesprochen.

Eine weitere viertel Stunde verging und Deidara war immer noch nicht zu ihm zurückgekehrt. Gaara beschloss, nachzusehen. Er bahnte sich den Weg zu den Sanitäranlagen. Vor den Kabinen rief er nach seinem Freund, aber niemand reagierte. Nahe der Toilette fragte Gaara ein paar andere Gäste, ob sie zufällig Deidara gesehen hatten. Sie verneinten alle, bis endlich die Journalistin von vorhin nickte. „Er ist mit dem Kunstsammler, Dr. Orochimaru, Richtung Foyer gegangen.“

Gaara runzelte die Stirn. Wieso sollte Deidara mit dem Mann mitgehen, ohne ihm Bescheid zu geben? Der Rotschopf nahm den Weg zum Eingang. In der großen Halle fand er seinen Liebsten nicht. Nach kurzem Überlegen trat er durch die doppelflüglige Glastür. Es war längst dunkel. Der kleine Vorplatz der Galerie wurde von Laternen beleuchtet. Einige Gäste standen in lockeren Gruppen beisammen. Manche rauchten, andere hielten ein Glas in der Hand. Aber Deidara oder den Oberarzt sah er nirgendwo.

Unruhe flutete ihn. Deidara besaß kein Handy. Er konnte ja gerade mal mit dem Festnetztelefon umgehen. Das Thema Mobiltelefon war eines der nächsten Themen in der langen Liste an menschlichen Banalitäten. Wie sollte er ihn denn finden? Gaara ging zurück ins Gebäude und durchsuchte jeden Raum der Vernissage, falls Deidara wieder hineingegangen war. Aber er war nirgendwo und niemand hatte ihn gesehen. Gezwungenermaßen gestand Gaara sich ein, dass er nicht mehr in der Ausstellung war.

Warum sollte Deidara mit Dr. Orochimaru mitgehen? Das ergab keinen Sinn. Und wo waren sie hingegangen? Verzweifelt begann Gaara, jede Straße nahe der Galerie abzusuchen. Er rief nach Deidara, in der Hoffnung, er antwortete ihm. Es blieb still. Ab und an kam ein nächtlicher Passant die Fußweg entlang. Von denen hatte auch niemand einen jungen, blonden Mann gesehen.

Immer weiter lief Gaara. Seine Füße schmerzten zunehmend. Allmählich wurde seine Stimme rau vom Rufen. Es kratzte unangenehm im Hals. Sein Körper war müde. Gaara ignorierte all diese Beschwerden. Irgendetwas war passiert, da war er sich sicher. Deidara steckte in Schwierigkeiten und er war nicht da, um ihm zu helfen.

Die Häuserfronten taten sich vor ihm auf und gaben den Blick auf den Hafen frei. Wie viele Kilometer war er in dieser Nacht gelaufen? Kleine Wellen reflektierten die ersten, scheuen Sonnenstrahlen des nächsten Morgens. Erschöpft hockte Gaara sich an den Pier. Resigniert seufzte er. Wo war Deidara nur hin? Hatte jemand herausgefunden, dass er ein Ningyô war? Sperrte man ihn jetzt wie ein Forschungsobjekt in irgendein geheimes Labor? Wie sollte er ihn nur finden? Würde er seinen Liebsten je wiedersehen?

Sein zielloser Blick verfing sich an einer Jacke, die nahe der Bootsanlegestelle im Hafenbecken trieb. Je länger er darauf starrte, desto bekannter kam sie ihm vor. Dunkelrote Streifen verzierten die Ärmelrücken. Eine unsichtbare Hand schloss sich fest um sein Herz und schien es zerquetschen zu wollen wie eine überreife Pflaume.

Das war Deidaras Jacke. Wie war sie dorthin gelangt? Hatte Deidara sich ins Meer zurückgezogen? Oder war er geflohen?

Langsam erhob Gaara sich. Entschlossen ballte er die Hände zu Fäusten. Er musste seinen Freund wiederfinden. Egal wie!

Auf der Suche

„Finde bitte unauffällig heraus, was Orochimaru mit Deidara gemacht hat.“ Gaaras Finger drücken fest den Telefonhörer in seiner Hand. Ungeduldig knibbelte er am Saum des beigefarbenen T-Shirts. Temari benötigte ihm zu viel Zeit für eine Antwort.

„Was soll er denn gemacht haben?“, fragte sie verständnislos.

Frustriert schnaufte Gaara. „Das will ich ja wissen!“ Eine Erklärung bezüglich der Bitte gab er Temari nicht. Den Hörer knallte er auf die Telefonstation. Selbst wenn er wollte, seiner Schwester konnte er die Wahrheit nicht sagen.

Deidara war ein Ningyô. Der Weg zur Polizei war ihm versperrt, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Bei den Menschen hatte Deidara niemals existiert. Die Ordnungshüter um Hilfe zu bitten, würde Fragen aufwerfen. Diese Art der Aufmerksamkeit durfte er nicht auf Deidara lenken. Und sollte jemand ihn enttarnt und in ein Forschungsinstitut verfrachtet haben, könnte ihm die Polizei nicht helfen.

Mit einem derben Fluch auf den Lippen stapfte Gaara in sein Zimmer. Aus dem Wandschrank nahm er seinen Taucheranzug und das Sauerstoffgerät. Seit wenigen Wochen war er im Besitz eines Tauchscheines, den er für sein Praktikum benötigte. Diese Tatsache war ein Segen. Er gab sich zumindest der Illusion hin, im Meer nach Deidara effektiv suchen zu können.

Gaara wechselte die legere Kleidung gegen den Tauchanzug. Die zwei Sauerstoffflaschen schnallte er sorgsam auf dem Rücken fest. Taucherbrille und Schwimmflossen nahm er in die Hand. Der Rotschopf verließ das Haus. Seine Füße trugen ihn zielstrebig über den Sand zum Wasser. Ein paar Schritte watete er in die Brandung. Dann zog er die Flossen an und setzte die Tauchmaske auf. Langsam stakste er weiter ins Meer, bis die Taucherflossen kaum noch Boden berührten. Gaara schob sich das Mundstück zwischen die Zähne. Er regulierte den Atemregler und tauchte unter. Ein kurzer Blick auf die Messgeräte verriet ihm, dass alles einwandfrei funktionierte.

Zügig brachten die gleichmäßigen Beinbewegungen ihn voran. Nur langsam bewegte Gaara sich in die Tiefe, um seinen Körper an den erhöhten Druck zu gewöhnen. Ab und an stellte er den Regler neu.

Aus Sicherheitsgründen sollten Taucher nicht allein unterwegs sein, aber auf dieses Gebot nahm Gaara keine Rücksicht. Dafür achtete er penibel darauf, sich nicht in Gefahr zu bringen. Ertrank er aufgrund eines Fehlers, den er hätte verhindern können, würde er Deidara nie wieder sehen.

Um ihn herum erstreckte sich die blaue Welt des Wassers. Die Stille hatte er immer als angenehm entspannend empfunden. Doch jetzt umgab sie ihn mahnend. Er war hier nur ein Gast, der sich nicht tief vorwagen durfte.

Erinnerungen flammten in Gaaras Geist auf, wie er zusammen mit Deidara dessen Lebensraum erkundet hatte. Geschmeidig wie ein Rochen schwamm der Ningyô. Und er war schnell wie eine Katze an Land.

Gegen den Blonden war er unter der Wasseroberfläche ein strampelndes Kleinkind. Nicht einmal atmen gelang ihm ohne Geräte. Überdies reichte sein Sauerstoff nicht ewig. Durchschnittlich gerechnet standen ihm circa 90 Minuten zur Verfügung. Jedoch durfte er dann nicht tief tauchen. Je weiter hinab er sich ins Meer begab, desto kürzer wurde die Zeit, die er in Deidaras Welt verbringen konnte.

Gaara wollte nicht zugeben, dass es sinnlos war, Deidara im Wasser zu suchen. Er musste etwas tun, um nicht durchzudrehen.

An Land fühlte er sich genauso nutzlos. Seine Suche nach Deidara verlief ziellos, weil er keinen Schimmer hatte, wo er anfing. Geheime Forschungsinstitute waren nicht auf Karten verzeichnet oder mit Google zu finden. Gaara hockte am Fuße eines gewaltig Berges voller utopischer Auswege. Je mehr Tage vergingen, in denen Deidara verschwunden blieb, desto höher türmte sich diese unumstößliche Tatsache vor ihm auf.

Ein Blick auf die Messgeräte verdeutlichtem ihm, umzukehren. Sein Sauerstoff war nahezu aufgebraucht. Den Rest benötigte für den Rückweg und zum langsamen Auftauchen.
 

Dumpf drang eine weibliche Stimme durch das Holz. Gaara sah von seinen Studienmaterialien auf. Der Postbote klingelte. Ob eine der Mädchen aus der Clique ihn spontan besuchte?

Der Rotschopf erhob sich und trat in den kleinen Flur. Nachdem er die Tür geöffnet hatte, blinzelte er in einer Mischung aus Überraschung und peinlicher Berührung. Vor ihm standen zwei nahezu nackte Menschen. Blaues Haar reichte der Frau bis auf die Schultern. Ein Geflecht aus Seetang bedeckte ihre Brust. An ihrer Seite verharrte ein Mann mit orangefarbenem Haar und farblos erscheinenden Augen. Beide trugen geflochtene Gürtel, in denen ähnliche Knochenmesser steckten wie die, die er von Deidara kannte. Gaara zwang sich, den Blick wieder auf Augenhöhe zu richten. Er wollte nicht unhöflich starren. Die unangekündigten Gäste legten die rechte Hand auf die Brust und neigten den Kopf zur Begrüßung.

Gaara war klar, wen er vor sich hatte. Ningyô. Konan hatte er schon ein paar Mal getroffen, um sich kennen zu lernen. Aber bisher hatte er sie nie in ihrer menschlichen Gestalt gesehen.

Der Orangehaarige schien der Anführer von Akatsuki zu sein. Einmal war die Gruppe an den Strand gekommen. Der Gedanke an die Meerwesen, die in einer Reihe zum Trocken im Sand gelegen hatten, war amüsierte ihn heute noch. Mit dem Orangehaarigen hatte Deidara gesprochen, ehe Akatsuki sich ins Meer zurückgezogen hatte.

Hoffnung machte sich in Gaara breit. Die beiden wussten vermutlich etwas über Deidara. „Hallo.“ Die Begrüßung kam verspätet. „Habt ihr Deidara gesehen?“ Die Frage platzte aus ihm heraus, bevor die Ningyô eine Chance hatten, den Mund zu öffnen.

„Deidara... nicht kommen“, brachte Konan in holprigem Japan hervor. Sie hob die linke Hand und knickte Daumen und kleinen Finger ab. „Drei Treffen... Deidara nicht kommen. Wir fragen, ob du wissen?“

Der Blonde hatte sich regelmäßig mit der Ningyô getroffen, um ihnen von der Menschenwelt zu berichten und ihr die Sprache beizubringen. Wenn Deidara nicht mehr zu den Verabredungen erschien, war er entweder doch nicht im Meer oder unauffindbar.

Schwer seufzte Gaara und bat Konan und ihren Begleiter hinein. Am Tisch setzte er sich und schob die Bücher beiseite. „Setzt euch bitte.“

Konan ließ sich am Tisch nieder. Der Orangehaarige ahmte sie nach.

„Das ist Yahiko.“ Die Blauhaarige musste seinen musternden Blick bemerkt haben. Den Namen konnte Gaara zuordnen. Er wusste von Deidara, dass Yahiko der Anführer der Ningyôbande war.

„Deidara ist verschwunden. Er hat seine Bilder vor Menschen gezeigt und dann war er plötzlich weg.“ Gaara benutzte absichtlich simple Worte, wie er es anfangs bei Deidara getan hatte. Hoffentlich verstand Konan schon genug.

„Deidara ist ...weg?“, hakte sie nach. Gaara nickte. Die Blauhaarige wandte sich in dieser seltsam schrillen Sprache der Ningyô an Yahiko. Wahrscheinlich übersetzte sie. Ein kurzes Gespräch zwischen den beiden entstand.

„Wo du Deidara... sehen?“, fragte Konan den Rotschopf.

Gaara überlegte, wie sie die Frage genau meinte. Wollte sie erfahren, wo er Deidara zuletzt gesehen hatte? Das erschien ihm zumindest sinnvoll.

„In Naha. Auf einer Insel nicht weit von hier.“

Fragend weiteten sich ihre orangegelben Augen. „Insel?“

Gaara streckte den Arm in die Richtung, in der die Hauptinsel von Okinawa lag. „Das große Land.“ Nach einer kurzen Pause fügte er an: „Vielleicht ist Deidara ins Meer zurück. Ich habe seine Jacke im Wasser treiben sehen.“

„Jacke?“ Wieder dieser verständnislose Blick.

Gaara fühlte sich unweigerlich an die Zeit erinnert, in der er sich nur mühevoll mit Deidara hatte verständigen können. Der Rotschopf erhob sich und holte aus dem Flur ein Anschauungsbeispiel. „Jacke“, erklärte er und zeigte sie Konan.

„Jacke... im Wasser?“

Gaara nickte. Erneut sprach sie mit ihrem Begleiter. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und die Stimme erhielt einen vorwurfsvollen Unterton. Oder täuschte Gaara sich? Yahiko schine nicht zu gefallen, was Konan ihm berichtete.

Sie wandte sich wieder an ihn. „Wir suchen im Meer“, erklärte sie. Mit dem Finger zeigte sie auf Gaara. „Du suchen Land.“ Die Ningyô erhoben sich. Hastig stand Gaara auf. Er wollte nicht auf Augenhöhe mit der unbedeckten Lendengegend der Meerwesen sein. „Wir kommen und sagen, ...Deidara finden, Deidara nicht finden.“

Der Rotschopf nickte. „Danke.“ Er war so froh, dass Konan und Yahiko ihn besucht hatten. Diese konnten das Meer weitaus besser nach Deidara durchsuchen. Sicher kannten sie die Stellen, wo der Blonde sich gern aufhielt. Gaara würde sich auf die Suche an Land konzentrieren.
 

Ungeduldig tippten Temaris Finger auf die hölzerne Tischplatte. „Ich will endlich wissen, was los ist.“ Auffordernd sah sie Gaara an. Der Rotschopf schnaubte ungehalten.

Seine Schwester war ohne Ankündigung nach Aka geflogen und verlangte eine Erklärung für die letzten Anrufe. Wenn es doch nur möglich wäre, eine für sie glaubhafte Begründung zu finden.

„Das ist kompliziert.“

Eine blonde Augenbraue wanderte in die Höhe. „Dann erklär es mir.“

Unter dem Tisch vergruben sich Gaaras Finger in der halblangen Hose. „Das geht nicht.“

Unterdrückter Zorn strahlte in den Augen seiner älteren Schwester. „Du rufst mich ständig an und willst wissen, was Dr. Orochimaru mit Deidara gemacht hat, aber kannst mir nicht erklären, warum du das unbedingt wissen willst?“

Ausgesprochen klang die Zusammenfassung von Gaaras Situation seltsam und konfus. Aber es war die Wahrheit. Abgehackt nickte er.

Temari schüttelte mit dem Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Mit ihrem Blick fixierte sie Gaara. „Zu deiner Info. Mein Oberarzt hat sich mit Deidara unterhalten. Mehr nicht. Also? Was ist los? Was soll er mit Deidara gemacht haben?“ Sie sah sich suchend um. „Wo ist er überhaupt?“

Dr. Orochimaru hatte Temari gesagt, er habe nur mit Deidara geplaudert? Wie könnte er diese Aussage glauben. „Das ist eine Lüge“, knurrte Gaara.

„Wieso sollte er lügen?“

Bevor Gaara sich stoppen konnte, schäumte die Wahrheit ungezügelt auf. „Er wurde mit Deidara gesehen. Seit der Vernissage ist er verschwunden!“ Ruhelos fuhr er sich durch das kurze, rote Haar. Er hatte das Gefühl, langsam durchzudrehen. Jede Nacht lag er wach und grübelte, wo Deidara war und ob es ihm gut ging. Die Ningyô hatten ihn bislang auch nicht gefunden.

„Verschwunden?“, fragte Temari überrascht nach. Gaara nickte.

„Dann musst du die Polizei verständigen.“

Ein Kopfschütteln war die Antwort. An der gerunzelten Stirn und dem verständnislosen Ausdruck in Temaris Augen konnte er ablesen, dass sie seine Reaktion einmal mehr nicht nachvollzog.

„Wieso willst du die Polizei nicht um Hilfe bitten?“ Ihr Blick verfinsterte sich. „Hat Deidara was verbrochen? Ich fand eure ganze Geschichte sowieso merkwürdig. Los, raus mit der Sprache. Was hat er getan?“

Wütend sprang Gaara auf. „Er hat nichts getan!“

„Wieso dann keine Polizei?“ Temaris Stimme wurde durchdringender. Sie wollte unbedingt eine Antwort auf diese Frage. Und so ätzend es war, Gaara verstand seine Schwester sogar ein bisschen.

„Weil ich ihn selbst finden muss!“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wie willst du das anstellen?“

Ratlos zuckte Gaara mit den Schultern. „Ich schaue die Nachrichten durch. Ich suche ihn auf der Insel...“ Bei dem Gedanken an die eigenmächtige und erfolglose Fahndung ließ er traurig den Kopf sinken.

Langsam erhob sich seine Schwester und trat zu ihm. Eine Hand legte sie behutsam auf Gaaras Schulter. „Ein Mensch kann doch nicht einfach spurlos verschwinden“, sagte sie sanfter.

In Gaara hebelten diese Worte die bisher mühsam gezügelte Zurückhaltung aus. Ruckartig fuhr er zu ihr herum. „Deidara ist kein Mensch!“ Ihm wurde erst klar, was er getan hatte, nachdem der Satz über seine Lippen gestoßen war.

Temari blinzelte. „Was?“, hakte sie skeptisch nach.

Er löste sich von ihr. Jetzt war es raus. Gaara konnte sich nicht mehr zurückhalten. Der Wolkenkratzer an Sorgen in seinem Inneren stürzte ein. Mutlos schlurfte er in sein Zimmer und nahm aus dem Wandschrank die verhangene Leinwand heraus. Zurück im Wohnzimmer zog er das Stofftuch herunter.

„Deidara ist kein Mensch“, wiederholte er leiser.

Temari betrachtete das Gemälde von Sasori einige Herzschläge. Dann wanderte ihr Blick zu ihm hoch. „Du willst mir sagen, dass Deidara eine Meerjungfrau ist?“

„Ningyô“, verbesserte Gaara.

„Du bist verrückt.“

Minimal zuckte Gaara unter der trockenen Aussage. Sie erinnerte ihn unangenehm an ihren Onkel Yashamaru. Er hatte den Tod seiner Schwester niemals verwunden. Yashamaru gab ihm die Schuld an ihrem Tod. Sein Onkel hatte ein Messer nach ihm geworfen. Es war reines Glück gewesen, dass der Griff Gaaras Stirn getroffen hatte und nicht die Klinge. Glücklicherweise hatte das Kindermädchen Yashamaru aufgehalten, bevor mehr passiert war. Die Folge dieser Straftat war eine Einweisung in die Psychiatrie. Seitdem hatte die Familie jeglichen Kontakt abgebrochen.

Gaaras Blick richtete sich starr auf das Bild in seinen Händen. Mit dem Daumen strich der Rotschopf liebevoll über den Rand des Gemäldes. Glatte Stellen wurden von rauen Öltupfern abgelöst. Er war nicht verrückt wie Yashamaru.

„Du bist Deidara doch auch begegnet. Er ist keine Einbildung. Du hast sein Knochenmesser gesehen. Ich kenne seine wahre Gestalt.“ Gaara sprach leise, mehr zu sich selbst. „Er hat mich aus dem Strudel damals gefischt. Ein Mensch wäre dazu nicht in der Lage gewesen. Ohne ihn wäre ich ertrunken.“

Deidara hatte ihm das Leben gerettet. Sie hatten schon so vieles gemeinsam erlebt. Und jetzt, wo dieser dringend Hilfe brauchte, war er nicht bei ihm.

„Du... glaubst das wirklich“, stellte seine Schwester verblüfft fest.

Gaara sah auf. „Es ist wahr.“

Schwer ausatmend ließ sie sich auf das Sitzkissen fallen. „Das muss ich erst mal verarbeiten.“

Der Rotschopf bückte sich nach dem Tuch und verhängte das Gemälde wieder, damit es nicht einstaubte. Die Leinwand stellte er gegen die Wand. Er kam zum Tisch zurück und setzte sich. „Davon darf niemand erfahren. Niemand.“ Beschwörend sah Gaara seine Schwester an.

„Ja, schon klar“, meinte sie. Ihr Blick wirkte nachdenklich. Vermutlich entschied sie gerade innerlich, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Gaara war es aktuell egal, ob sie nur schwieg, damit kein Mensch zu der Überzeugung kam, er habe eine Meise.

Nach ein paar angespannten Minuten regte sie sich wieder. Temari beugte sich vor. „Okay, pass auf, Gaara. Ich helfe dir suchen und sobald wir Deidara gefunden haben, dann will ich die ganze Geschichte und dieses Mal keine Lügen.“

Erleichtert atmete Gaara aus. Es tat gut, Unterstützung zu erhalten. Gaara war nicht mehr allein mit dem Haufen an Sorgen. Selbst wenn er dafür die Wahrheit an seine Schwester preisgab. Jedoch eines musste noch geklärt werden. „Versprich mir, dass du niemanden verraten wirst, was wir dir dann erzählen. Für jeden anderen gilt das, was wir dir damals erzählt haben.“

Temari presste kurz die Kiefer aufeinander, nickte aber. „Gut, ich verspreche es.“

Rückkehr

Grässliche Kopfschmerzen stießen Deidara in den Wachzustand. Gequält stöhnte er. Seine Glieder wogen so schwer wie Baumstämme. Auf der Brust schien ein Stein zu liegen. Ein flaues Gefühl rumorte in Deidaras Magen. Schwerfällig hob er die Augenlider. Grelles Licht stach wie Speere in seinen Kopf. Fest schloss der Blonde die Lider. Schneidend atmete er aus. Den neuen Versuch unternahm er behutsam. Allmählich gewöhnten sich die Augen an die Helligkeit.

Deidara stemmte sich mühsam in eine sitzende Position. Der Untergrund war weich. Er lag auf einem Bett. Flink huschte sein Blick umher und erfasste seine Umgebung. Er war in einem schlichten Zimmer. Blaue Gardinen mit einem Wellenmuster versperrten die Sicht hinaus. Ihm gegenüber stand eine weiße Kommode. Darüber war ein Fernseher an die Wand montiert. In der Ecke neben der hölzernen Tür luden ein runder Tisch mit zwei Stühlen zum Verweilen. Die milchige Glastür ließ einen weiteren Raum vermuten.

Der Ningyô hatte keine Ahnung, wie er hierher gekommen war. Angestrengt suchte er in seinen Erinnerungen. Dr. Orochimaru hatte ihn auf dem Rückweg zu Gaara abgefangen und sich für sein aufdringliches Verhalten entschuldigt. Deidara war ein Glas Champagner in die Hand gedrückt worden, als Wiedergutmachung. Eine ungefähr handgroße Muschelschale voll dieses perligen Getränkes vertrug sein Körper ohne Probleme, daher hatte er es angenommen. Ein paar Minuten vergingen mit einer oberflächlichen Unterhaltung über die anderen ausgestellten Kunstwerke. Dann war ihm speiübel geworden. Der Schwarzhaarige hatte einen kurzen Abstecher an die frische Abendluft vorgeschlagen. Ein Raum mit so vielen Menschen konnte schon mal zu Übelkeit führen. Auf dem Vorplatz der Galerie endete Deidaras Erinnerung.

Er musste herausfinden, wo er war und was in der Zeit geschehen war, an die er sich nicht erinnerte. Und er brauchte ein Telefon oder Handy, um seinen Gefährten anzurufen.

Entschlossen schob Deidara die Beine über die Bettkante. Kaum erhob er sich, schlotterten sie wie ein nasses Tuch im Sturm. Unweigerlich sackte er zurück auf die Matratze. Verwirrt starrte der Ningyô auf seine Schenkel. Dieses Gefühl im Unterleib. Es war ihm vertraut. Nur nach ausgiebigem Sex empfand er die Beanspruchung auf jene spezielle Art.

Erinnerungsfetzen fluteten das Bewusstsein des Blonden. Die bleiche Fratze Orochimarus über ihm. Schlangenartige Augen, die auf ihn hinab starrten wie auf eine kostbare Beute. Dessen Erektion tief in ihm. Das lähmende Gefühl.

Deidara würgte. Reflexartig beugte er sich vor und erbrach den Mageninhalt. Der bittere Geschmack von Galle setzte sich auf der Zunge fest. Zitternd verharrte der Ningyô. Das lange Haar rutschte über seine Schultern und schützte sein Gesicht wie ein Vorhang dünner Drahtalgen. Eng schlang er die Arme um sich. Abgehackt japste Deidara nach Luft.

Jetzt ergab alles Sinn. Kunstsammler. Die Aufdringlichkeit. Der Blick eines Jägers auf der Pirsch, der sich des Sieges sicher war. Der Mistkerl begeisterte sich zuerst für den Künstler, an zweiter Stelle folgten die Gemälde. Er war die Beute, das Kunstobjekt, das der Mann zu seiner Sammlung hinzugefügt hatte.

Orochimaru hatte sein Ziel erreicht. In hilflosem Zorn krallten sich Deidaras Hände in den Stoff der luftigen Jacke. Warum war er nicht nackt? Es bestand kein Grund, nach diesem Triumph dem reizlos gewordenen Objekt die Sachen wieder anzuziehen.

Erneut stieg Übelkeit in Deidara auf. Aber sein Magen war leer. Nur ein trockenes Würgen verließ die Kehle des Blonden. Orochimaru war in seinem Körper gewesen. Der Gedanke war absolut scheußlich. Deidara schlug die Stirn gegen die Knie, wieder und wieder. Das konnte nicht wahr sein. Diese Bilder im Kopf waren nur ein böser Traum. Die Empfindsamkeit tief im Inneren zertrampelte jeden Versuch, die Wahrheit zu verleugnen. Er fühlte sich schmutzig.

Deidara musste fliehen. Weg vom Land und ins Meer. Dort war er sicher vor dem schmierigen Monster. Verbissen drückte er sich erneut vom Bett hoch. Seine Beine zitterten unverändert, aber sie hielten sein Gewicht. Klapprig arbeitete er sich zur Holztür und den Flur entlang. Möbel und Wände dienten als Stütze. Niemand begegnete ihm. Deidara zog das Messer aus der Jackentasche. Glatt schmiegte sich das kalte Metall in die Handfläche. Der Glanz der Klinge gab ihm eine Vision von Schutz.

Der Gang führte ihn zu einem quadratischen Treppenhaus. Den Fahrstuhl ignorierte er. Allein der Gedanke daran, in einem winzigen Raum ohne Fluchtmöglichkeit eingepfercht zu sein, löste eine Welle der Angst in ihm aus. Schleppend überwand er die Stufen hinab bis zum Fuß der Treppe. Er erreichte den Eingangsbereich. Hinter einem Tresen saß eine alte Frau. Die grauen Haare waren zu einem strengen Zopf gebunden. Sie bemerkte ihn und stand auf. Besorgt musterten die kleinen Augen ihn. „Geht es Ihnen besser?“, fragte sie freundlich.

„Was?“ Deidara war verwirrt.

„Wissen sie nicht mehr? Ihr Begleiter hat Sie hergebracht und ein Zimmer gemietet. Sie haben zu viel getrunken. Er ist Stunden bei Ihnen geblieben, um auf Sie aufzupassen. So ein höflicher Mann.“ Sie seufzte angetan. „Er hat mich gebeten, ab und an nach Ihnen zu sehen.“

Deidara klappte der Unterkiefer runter. Diese Dreistigkeit war unerhört. Keine Reaktion war angemessen, seine Erschütterung auszudrücken. Den Mund schloss er wieder.

„Ist alles in Ordnung? Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?“

„Nein!“ Die alte Frau zuckte unter dem scharfen Tonfall zusammen. Deidara hob das Messer auf Brusthöhe. Mit einem erschrockenen Quietschen schlug sie sich die Hände vor den Mund. Angsterfüllt starrte sie ihn an.

Langsam schob sich der Ningyô weiter, ließ die Frau nicht aus den Augen. An der Eingangstür angelangt, zog er diese einen Spalt breit auf. Er spähte hinaus. Nächtliche Stille und angenehme Dunkelheit begrüßten ihn. Einen letzten Blick warf er zu der Alten, dann zwängte er sich durch die Tür und schlug sie hinter sich zu. Hastig stolperte Deidara durch die Straßen, nah an den Hauswänden entlang. Immer wieder war er gezwungen, sich am Mauerwerk abzustützen. Mehrfach suchte er zu spät Halt und fiel auf die Knie. Jeder Aufprall hallte donnernd in seinem Kopf. Der Blonde befürchtete, dass er aufplatzte wie eine Melone.

Ein flüchtiger Wind trieb den Geruch von Salzwasser zu ihm. Das Meer. Er wandte sich um und folgte der Sicherheit versprechenden Spur. Ein paar Straßen weiter öffneten sich die Häuserschluchten. Deidara taumelte auf einen betonierten Platz. Leises Plätschern von kleinen Wellen umtanzte seine Ohren. Boote und Schiffe waren an den Anlegestellen vertäut. Ein Hafen.

Der Ningyô zwang sich, zu rennen. Nur wenige Meter trennten ihn von der vertrauten Heimat. Die Arme riss er nach vorn. Mit letzter Kraft sprang er vom Pier. Deidara durchbrach die Wasseroberfläche. Er hatte den Eindruck, ein Hai packe ihn im Nacken und schleuderte ihn herum. Aus seiner Kehle löste sich ein Schrei. Das Messer entglitt Deidaras Fingern.

Die Transformation setzte ein. Hose und Schuhe zerrissen unter der Wandlung. Bevor die Nähte nachgaben, bereitete der Druck ihm weitere Schmerzen. Benommen trieb Deidara im Hafenbecken. Das rasende Pochen im Kopf und der Schwanzflosse ebbte nur langsam ab. Wie heilende Salbe umhüllte ihn das kühle Wasser. Hier war er sicher.

Allmählich wurde sein Geist wieder klar. Der Ningyô schlüpfte aus der Jacke und dem Shirt. Mit kraftlosen Bewegungen brachte er sich ins offene Meer. Schnell kam er nicht voran. Deidara war unendlich erschöpft. Sein Körper schmerzte. Aber der Gedanke an diesen schrecklichen Mann trieb ihn an. In seinem Kopf existierte nur ein Impuls. Weit weg von allem, so weit weg wie möglich.
 

Deidara streifte durch das Riff. Auf dem Weg nirgendwohin hatte er es entdeckt. Gemächlich schwamm er durch die Felsformation. Hier wuchsen Korallen, die er nie zuvor gesehen hatte. Rosafarbene Geflechte, die den Büschen an Land ähnelten. Doch sie trugen keine Blätter und erschienen in einer gedrungenen Gestalt. Kleine Fische verbargen sich zwischen den Korallen, auf der Hut vor möglichen Fressfeinden. Für ihn waren diese winzigen Tierchen höchstens ein Appetithappen.

Die Erkundung unbekannter Gebiete lenkte Deidara ab, von der Vernissage, von den Albträumen, von der Hilflosigkeit, der Wut und der Angst. Selbst das Meer, seine Heimat, konnte ihm nicht länger dasselbe Selbstvertrauen geben wie früher. Aus der Felsspalte nahe Aka hatte der Ningyô die versteckten Waffen geholt. An dem neuen Gürtel aus Seetang hing neben den kleineren Knochenmessern die große Säge eines Sägefisches. Die Schuppen der gefangenen Fische wurden zur Grundlage der Panzerung, die mittlerweile seinen Oberkörper verdeckte. Die Waffen und der Panzer gaben ihm ein Gefühl von Schutz und Kontrolle.

Deidara hielt sich nie lange an einem Ort auf. Logisch betrachtet war es unmöglich, dass Orochimaru ihn im Meer fand. Und trotzdem ergriff ihn unbeherrschbare Nervosität, wenn er sich mehrere Tage in demselben Gebiet aufhielt.

Ein Schwarm roter Fische kreuzte Deidaras Weg. Rasch schwammen sie zwischen den Felsformationen hindurch und verschwanden in kleinen Höhlen. Die Farbe erinnerte ihn unweigerlich an die Haare seines Gefährten.

Deidara war sich sicher, dass Gaara sich um ihn sorgte. Ohne ein Wort war er verschwunden. Der Rotschopf suchte ihn gewiss. Aber ins Meer konnte er dem Ningyô nicht folgen. Die Reichweite der Sauerstoffflaschen schränkte ihn extrem ein. Ein Mensch war nicht für das Leben unter Wasser geschaffen.

Immer wieder flackerte der Wunsch in seinem Geist, zu Gaara zurückzukehren, ihn in die Arme zu nehmen. Doch die Angst scheuchte ihn erbarmungslos weiter.

Wie würde der Rotschopf reagieren, wenn er von Orochimarus Jagd erfuhr? Deidara war zur Beute geworden, unfähig, sich gegen einen Menschen zu wehren. Er fühlte sich beschmutzt. Unwürdig, weiterhin Gaaras Gefährte zu sein. Es kam ihm wie Betrug vor.

Welche Falle hatte er nur übersehen? Deidara hätte sich Orochimaru nie freiwillig hingegeben. Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er sich, dass in dem Champagner etwas verborgen war. Auch unter Ningyô existierten gefährliche Substanzen, mitunter höchst originelle. Sasori war ein Meister dieser Kreationen gewesen. Warum sollten die Menschen nicht ebenfalls über ein ausgefeiltes Repertoire an solchen Giften verfügen. Hätte er das Glas doch nur nicht angenommen.

Das Wissen um die Vergiftung half nur geringfügig, die Angst zu verdrängen. Frustriert peitschte Deidaras Flosse durch das Wasser, trieb ihn schneller voran. Er ertrug den Gedanken nicht, willenlose Beute zu sein. Deidara war ein fähiger Kämpfer. Von seinem Lehrmeister Sasori hatte er eine Reihe teilweise hinterhältiger Kampftechniken gelernt. Ohne diese Tricks wäre sein Leben schon mehrfach von den Jägern der Ningyôdörfer beendet worden. Er hätte in der Lage sein müssen, dem Mistkerl den Schwanz abzuschneiden.

Deidara war sich sicher, dass Orochimaru nicht zum ersten Mal einen Künstler geschändet hatte. Dafür war die Vorgehensweise sogenannten Arztes zu durchdacht. Zuerst das Gift im Getränk. Er spielte den besorgten Begleiter, der ein Hotelzimmer anmietete. Vor den Hotelbesitzern behauptete der Mann, er kümmere sich nur um einen Bekannten. Die Vorbereitung war gewissenhaft, um keine Verletzungen zu hinterlassen. Nach dem einseitigen Sex entfernte er jede Spur und legte seiner Beute die Kleider wieder an. Die Substanz löschte die Erinnerungen. Es blieben nur ein paar Fetzen zurück, die sich schwer einordnen ließen.

Anfangs hatte Deidara befürchtet, Orochimaru habe sein Geheimnis herausgefunden. In diesem Fall wäre er aber garantiert nicht allein in einem Hotelzimmer aufgewacht. Der Mann hatte keine Ahnung vom wahren Wesen des Blonden. Ein kümmerlicher Trost zwischen den Bruchstücken seines Selbst.

Der Ningyô verließ die Felsformation mit den buschförmigen Korallen und deren bunten Bewohnern. Gedankenverloren streifte er mit den Fingern den sandigen Boden.

„Deidara-chan!“, rief eine vertraute Stimme. Kaum drehte Deidara sich um, prallte der silberne Ningyô stürmisch gegen ihn. Kräftige Arme pressten ihn an den anderen Körper. Erinnerungsfetzen blitzten auf, wie Orochimaru ihn hinab drückte. Grauen stieg in ihm auf. Blind schlug der Blonde seine harten Nägel in alles, was er erreichte. Mit einem empörten Schmerzenslaut zog Hidan sich zurück. Ein paar heftige Flossenschläge brachten Abstand zwischen ihn und den Ningyô.

Sein Herz gab den hektischen Takt nur widerwillig auf. Es gab keinen Grund zur Panik. Das waren Hidan und Kakuzu. Der braune Ningyô näherte sich langsam und blieb in angemessener Entfernung.

„Was soll denn die Scheiße?“ Hidan betrachtete missmutig seine zerkratzten Arme. Den Kopf bog er nach hinten, um die tiefen Kratzer am Rücken zu sehen, gab dann aber auf. Aus den Wunden sickerte Blut. In kleinen Wölkchen schwebte es um Hidan.

„Erschreck mich nicht so, hm.“ Deidaras Stimme bebte.

Kakuzus Augenbraue hob sich. „Seit wann bist du so schreckhaft?“ Die grünen Augen musterten den Schuppenpanzer. „Und was soll der Panzer?“

Deidara hatte sich aus dem Ningyôterritorium um Okinawa entfernt, um allein zu sein. Warum begegnete er ausgerechnet hier, so weit weg von ihrem Gebiet, Mitgliedern von Akatsuki?

Der silberne Ningyô hob den Arm zum Mund und leckte über die Schnitte. „Alter, das tut echt weh.“ Deidara ignorierte Hidans Maulerei. Sein Blick lag misstrauisch auf Kakuzu, der näher schwamm. In zwei Schwanzflossen Entfernung verharrte er. „Wir suchen dich seit Wochen. Was ist los?“

Fest presste Deidara die Zähne aufeinander. Er wollte seine Schwäche und Machtlosigkeit nicht preisgeben. „Ich erkunde die Welt, hm.“

Kakuzus Lider verengten sich. „Den Mist glaub ich dir nicht. Wir wissen, dass du mit Gaara unterwegs warst und dann verschwunden bist.“

Woher wussten sie das? Seine Augen spiegelten den Gedanken offenbar, denn Kakuzu gab ihm die passende Antwort. „Du hast die Treffen mit Konan verpasst. Sie und Yahiko waren bei Gaara.“

Hidan schwamm wieder heran, dieses Mal vorsichtiger. „Also, was ist passiert? Oder muss ichs aus dir rausprügeln, Deidara-chan?“

Reflexartig schlossen sich Deidaras Finger um den Griff der Säge. „Versuchs doch, hm!“

Kakuzu packte Hidans Schulter. „Keine Prügelei.“

Hidan verdrehte die Augen und murrte genervt.

Grüne Iriden fixierten Deidara. Seine Muskeln spannten sich. Keiner von Akatsuki würde ein Wort aus ihm herauskriegen. Damit musste er allein fertig werden.

Wie lange sie sich anstarrten, konnte der Blonde nicht sagen. Letztendlich seufzte Kakuzu. „Dann schweig halt, mir doch egal.“

Deidara erlaubte sich, aufzuatmen. Langsam löste er seine Hand von der Knochensäge.

„Mach von mir aus, was du willst. Aber hör mit dieser sinnlosen Flucht auf. Die führt zu nichts.“
 

Deidara ließ sein Versteck zwischen den Felsen am Rande der Bucht hinter sich und schwamm dem Strand entgegen. Die Finger der linken Hand umschlossen krampfhaft die Muschelhälfte, die an der Kette um seinen Hals hing.

Seit Stunden saß Gaara auf einer Decke im Sand, umgeben von Büchern. Ab und an hob er den Kopf und sah aufs Meer hinaus. Der Ningyô erkannte, dass Gaara auf seine Rückkehr hoffte. Der Blonde war sich nicht sicher, wie lange er sich zurückgezogen hatte. Definitiv waren Wochen vergangen.

Kakuzu behielt Recht. Er war geflüchtet, vor allem. Das war ihm erst klar geworden, nachdem der Ältere ihm die Beobachtung entgegen geschmettert hatte. Die Angst saß tief. Aber eine sachte Stimme in ihm wurde zunehmend eindringlicher. Er vermisste die Zeit mit seinem Gefährten. Dessen vertrauten Duft. Die Unterhaltungen. Das gemeinsame Schwimmen und Kochen. Das Schimmern in den jadefarbenen Augen, wenn Gaara ein neues Bild bewunderte. Doch was würde geschehen, erfuhr der Rotschopf die Wahrheit? Er wollte ihn nicht verlieren.

Gaara sah in Deidaras Richtung, erst geistesabwesend, dann weiteten sich seine Augen. Das Buch ließ er fallen. Im nächsten Moment sprang er auf. „Deidara!“

Das Shirt und die knielange Hose ignorierend, eilte Gaara ihm entgegen. Deidaras Ohren zuckten. Die gleichmäßigen Flossenschläge erstarben. Unweigerlich erinnerte ihn die unbedachte Bewegung an Hidans plötzliche Umarmung. Sein Herz machte einen hektischen Satz. Das Meer reichte Gaara bis zur Hüfte. Er war fast bei ihm und streckte die Arme nach ihm aus.

Mit einem kräftigen Rudern der Flosse wich Deidara zur Seite aus. Wasser spritzte. Für einen Moment tauchte er komplett unter, dann reckte er den Kopf wieder in die Luft. „Nicht näher“, brachte er hastig hervor. Seine Finger gruben sich zitternd in den Sand. Das Bedürfnis, zu den Waffen zu greifen, flutete ihn. Das vor ihm war sein Gefährte. Er war doch der Letzte, der ihm schaden würde. Und trotzdem war das Gefühl überwältigend.

Verwirrt hielt Gaara inne. „Deidara, ich bin so froh! Ich hab dich vermisst.“ Das Lächeln auf Gaaras Lippen wühlte ihn auf. Ob der Rotschopf immer noch erfreut über seinen Anblick war, wenn er wusste, was passiert war? Angst verbiss sich in ihm wie ein Schwarm hungriger Flohkrebse. Dem Ningyô gelang es nicht, die eigene Sehnsucht nach dem Gefährten zu zeigen, wie dieser es verdiente.

„Ich... hab dich auch ...vermisst, hm“, brachte Deidara hervor. Die perlenartigen Augen blieben auf ihn gerichtet. Der Blonde senkte den Blick. So genau gemustert zu werden, war ihm unangenehm. Er hatte das Gefühl, Gaara könne in ihn sehen und den Schlick von Ängsten durchbohren.

„Deidara, setzen wir uns an den Strand?“

Den Ningyô beruhigte es, dass Gaara nicht sofort fragte, was passiert war. Sein Gefährte war nicht einfältig. Ihm war unzweifelhaft längst klar, dass er nicht grundlos verschwunden war.

Langsam neigte Deidara den Kopf. Neben Gaara schwomm er zum Ufer. Den Abstand zu ihm behielt er bei. Die letzten Meter schob der Blonde sich den Sand hinauf und setzte sich.

Gaara ließ sich unweit von ihm nieder. Bedächtig hob er die Hand, Deidaras Gesicht entgegen. Automatisch löste die Geste seinen Abwehrinstinkt aus. Er schlug sie weg. Nur einen Herzschlag später bereute Deidara. Er wollte Gaara nicht weh tun. „Entschuldige, ich wollte das nicht, hm“, brachte er hastig hervor. Tief atmete er durch. „Bitte fass mich erst mal nicht an.“ Er hoffte, dass Gaara den Wunsch respektierte.

Die Hand zog sein Gefährte zurück. Er antwortete nicht gleich. Dafür sah er den Blonden mit diesem grübelnden Blick an, den er aus den Jahren ihrer Annäherung kannte. Gaara versuchte herauszufinden, was dahinter steckte. Aber er nickte. „Okay.“

Die Arme legte Gaara auf den Knien ab. „Ich hab mir große Sorgen gemacht. Du warst wochenlang verschwunden... was hat Orochimaru getan?“

Bei der Nennung des Namens sprangen die Erinnerungen an wie der Fernseher, nachdem man den Einschaltknopf betätigt hatte. Deidaras Muskeln verkrampften sich. Die Finger gruben sich in den warmen Sand. Hart hämmerte sein Herz gegen die Rippen.

Stur sah Deidara zu den Wellen, die den Strand hinauf rollten, bis sie zu Schaumkronen aufsprangen und versickerten. Er schluckte. Das war der Moment, vor dem er sich fürchtete. Aber wenn er wieder ins Meer flüchtete, verlor er seinen Gefährten endgültig. Aktuell bestand noch Hoffnung, oder? Er wollte mit Gaara zusammen sein.

„Er hat mir... ein Glas Champagner angeboten. Irgendwas... muss da drin gewesen sein. Ich kann mich an die... Stunden danach kaum erinnern, hm.“ Die Worte gaben sich alle Mühe, in Deidaras Kehle stecken zu bleiben. Aber er hatte es geschafft, sie hörbar zu formen.

Gaara atmete scharf ein. „KO-Tropfen.“

Unwissend zuckte Deidara mit den Schultern. Er kannte sich mit den Giften der Menschen nicht aus.

„Die eine Journalistin, die dich interviewt hat, meinte, du bist mit Orochimaru ins Foyer gegangen. Jetzt ergibt das Sinn. Das Zeug macht einen willenlos und hinterher fehlen oft Erinnerungen.“

Deidara biss sich auf die Unterlippe. „Passt“, murmelte er rau.

„An was kannst du dich erinnern?“ Gaaras Stimme war sanft. Doch die Erwähnung reichte aus, um sofort wieder die Bilder vor Augen zu haben. Zerfetzte Ansammlungen, die ihm seine Machtlosigkeit aufzwangen und seine Schwäche vorführten. Deidara wandte sein Gesicht vollständig von Gaara ab. Sein Körper war so angespannt, dass die Haarspitzen zitterten. Ein dicker Kloß steckte im Hals. Der Ningyô brachte nicht ein weiteres Wort über die Lippen.

„Er hat dich vergewaltigt.“

Es dauerte ein paar Momente, bis ihm klar wurde, dass Gaara keine Frage gestellt hatte. Doch den Begriff kannte er nicht. Inzwischen verstand er fast alles und trotzdem tauchte gelegentlich ein Ausdruck auf, den er nicht zuordnen konnte.

„Was?“, fragte Deidara brüchig.

„Er hat dich zum Sex gezwungen, gegen deinen Willen.“

Der Blonde blinzelte. Sein Kopf ruckte herum. Da war kein Ekel oder Wut in Gaaras Gesichtszügen. Nur Trauer schimmerte in den jadefarbenen Augen.

„Woher... weißt du, hm?“, fragte er konfus.

Der Rotschopf hielt seinen Blick gefangen. „Dein Verhalten ist eindeutig. Du hast Angst vor Berührung. Er hat dir KO-Tropfen untergemischt. Das macht man, um das Opfer willenlos zu machen. Als Arzt verdient er genug. Er muss nicht klauen. Und sonst benutzt man KO-Tropfen dazu, jemanden zu vergewaltigen.“

Deidara ertrug den Blickkontakt nicht mehr und senkte den Kopf. Er wollte nicht das armselige Opfer sein. Hilflose Wut gärte in ihm, aber er fand keinen Kanal, sie auszuleben. Orochimaru zu suchen und umzubringen, war eine verlockende Idee. Gleichzeitig schwärte lähmende Angst tief in ihm. Alles könnte sich wiederholen.

„Es tut mir so leid, Deidara. Ich hätte das mit meiner Schwester anders regeln müssen. Hätte sie die Bilder diesem Arschloch nicht gezeigt, hätte er dir das nicht angetan.“ Gaaras Stimme bebte. Zögerlich sah der Blonde auf. Tränen rollten über die Wangen seines Gefährten. Er weinte seinetwegen? Dabei hatte er doch überhaupt keinen Grund dazu.

„Warum... weinst du, hm?“

Gaara schniefte. „Dir ist so was schlimmes passiert... weil ich nicht aufgepasst habe.“

Da war nicht ein Funke Abscheu. Vielmehr gab Gaara sich die Schuld an dem Geschehenen.

Zurückhaltend hob Deidara die Hand. Für mehrere Herzschläge schwebten die Finger nahe vor Gaaras Gesicht. Dann überwand er sich und wischte die Tränen fort. Hoffnung keimte in ihm, dass ihre Beziehung nicht verloren war.

„Du... liebst mich noch, hm?“, fragte der Ningyô leise. Der Rhythmus seines Herzens stolperte beklommen. Er hatte Angst vor der Antwort.

„Natürlich liebe ich dich und ich werde dich auch weiterhin lieben.“ Obwohl Gaaras Stimme schlingerte, hörte Deidara die Entschlossenheit hinter den Worten.

Erleichterung schwappte wie eine große Welle durch seinen Körper. „Wirklich, hm?“ Er brauchte die Bestätigung.

„Ja.“ Keine Unsicherheit war an Gaaras Bekräftigung zu erkennen.

Ein vorsichtiges Lächeln stahl sich auf Deidaras Lippen. Ein kurzes Beben erfasste ihn, dieses Mal nicht vor Angst, sondern vor Glück.

„Darf ich... deine Hand nehmen?“, fragte Gaara.

Deidara sah hinab auf die rechte Hand. Sie war halb im Sand vergraben. Er konnte es zumindest versuchen. Auf die Berührung war er vorbereitet und sie war harmlos. Langsam befreite er sie von den feinen Sandkörnern. Sanft nahm Gaara sie. Zärtlich umschlossen die Finger seine Hand. Im ersten Moment kämpfte sich der Fluchtinstinkt ins Bewusstsein, aber Deidara rang ihn mit allem nieder, was ihm zur Verfügung stand. Er wollte Gaara kein weiteres Mal schlagen. Sein Gefährte zeigte so viel Verständnis für ihn und liebte ihn immer noch. Es war das Mindeste, dass er die Stärke aufbrachte, erneut Berührungen zuzulassen.

Der Ningyô betrachtete die Bücher auf der Decke in wenigen Metern Entfernung. „Was macht dein Studium, hm?“ Deidara brauchte eine Ablenkung. Es wurde Zeit, dass er die grässlichen Erinnerungen wieder wegsperrte.

Gaaras Aufmerksamkeit ließ sich von seinen Worten leiten. „Die Prüfungen stehen bald an. Ich lerne gerade dafür. Und nach den Prüfungen kann ich ein Praktikum in dem Institut für Meeresbiologie machen.“

Die Prüfungszeit war nah. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass eine Menge Zeit vergangen war. Die Vernissage hatte am Anfang des Semesters stattgefunden.

Deidara erinnerte sich daran, wie gern Gaara ein Praktikum in diesem Institut absolvieren wollte. Daher freute er sich für ihn, dass er endlich den ersehnten Platz bekommen hatte. „Das ist schön, hm.“

Die Freude hielt nicht an. „Entschuldige, dass ich so lange weg war, hm.“ Die Ablenkung verwischte wie ein Bild, gemalt in wasserdurchtränkten Sand.

„Schon gut“, hauchte Gaara.

Ein neuer Gedanke schoss Deidara durch den Kopf. Nervös rieb er die Fingerkuppen gegeneinander. „Wie geht es jetzt weiter, hm?“

Leicht drückte Gaara seine Hand, achtete darauf, die dünnen Häute zwischen den Fingern nicht zu quetschen.

„Wir machen es wie früher. Wir bleiben unter uns. Du musst dich nicht mehr unter Menschen begeben.“

Das klang herrlich. Deidara sah zum Horizont. Meer und Himmel trafen sich, verschmolzen miteinander. Man konnte unmöglich genau erkennen, wo das Wasser aufhörte und die Himmelskugel anfing. Zwei wurden zu einem, obwohl sie so unterschiedliche Welten vertraten. Es war wie mit ihm und Gaara. Sie kamen aus ungleichen Lebensräumen und führten trotzdem eine Beziehung.

Aber durfte Deidara weiterhin bei seinem Gefährten wohnen? Wegen der seltsamen Regeln der Menschen musste er doch die Gemälde verkaufen, damit er im Haus von Gaaras Familie willkommen war.

„Was ist mit Temari, hm?“

„Mach dir um meine Schwester keine Sorgen.“ Nach einer kurzen Pause sprach Gaara weiter. „Aber da gibt es etwas, was ich dir gestehen muss.“ Er klang zögerlich.

Fragend sah Deidara den Rotschopf an.

„Die Sorgen um dich haben mich fertig gemacht. Ich hab ihr aus Versehen gesagt, was du bist.“

Azurblaue Augen weiteten sich erschüttert. Temari wusste von Seinesgleichen?

„Sie hat versprochen, niemanden etwas zu erzählen“, versicherte Gaara unverzüglich. „Dafür hab ich ihr aber zusichern müssen, dass wir sie nicht mehr anlügen.“ Ein Seufzen huschte über die Lippen seines Liebsten.

Misstrauisch zogen sich Deidaras Augenbrauen zusammen. „Du traust deiner Schwester, hm?“

Sein Gefährte nickte.

„Was machen wir, wenn sie doch etwas erzählt, hm?“ Würden andere Menschen Temari Glauben schenken? Dann waren alle Ningyô in Gefahr, seinetwegen.

„Das kann ja wohl nicht wahr sein.“

Ein Schock durchzuckte Deidara. Gaara und er fuhren herum. Sofort griff er nach der Säge, bereit, sich zu verteidigen. Er war restlos mit sich selbst und Gaara beschäftigt gewesen, dass er gar nicht wie sonst auf ihre Umgebung geachtet hatte. Temari stand hinter ihnen und stemmte sauer die Hände in die Hüften.

„Ich suche stundenlang die Insel ab nach einer Spur von Deidara, damit du für deine Prüfung lernen kannst. Und da sitzt du hier und turtelst mit deinem Freund. Wann wolltest du mich anrufen, um mir zu sagen, dass ich aufhören kann, zu suchen?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ein völlig neues Projekt von mir. Ich bin gespannt, wo es mich am Ende hinführt. Und ebenso gespannt bin ich darauf, wie diese Geschichte bei euch ankommen wird :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich denke nicht, dass ich die folgenden Tage dazu komme, ein neues Kapitel zu schreiben. Also rechnet frühstens Ende nächster Woche mit was neuem ;3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich widme dieses Kapitel meiner lieben Puppenprinzessin, weil sie heute (inzwischen gestern) Geburtstag hat :) Ich hoffe, es gefällt dir ♥ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Okay, ich glaube, jetzt muss mal eine Erklärung folgen. Es war nicht geplant, dass Deidara jetzt im Rock rumläuft! Zugegeben, ich steh auf Männer im Rock, bei einigen sieht das richtig heiß aus. Aber ich wollte die Klischees mit einem weibischen Deidara nicht anfachen. Das Dumme ist nun, dass Blondie sich selbstgeständig gemacht hat. Da er als Ningyo keine Kleidung gewohnt ist, mag er selbige nicht und vor allem stört ihn der Stoff zwischen den Beinen. Das ist der einzige Grund, warum er nun einen Rock will. Ich hab ja schon erklärt, dass Deidara nicht wie wir Menschen denkt und er eben die Unterschiede der Kleidung nicht versteht. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo :3

Ich habe beschlossen, meine offenen FFs noch zu beenden, weil so viel Liebe und Recherche drin steckt, dass es traurig wäre, sie einfach so unvollendet zu belassen. Ich hoffe, ihr seid noch an der Story interessiert und wollt wissen, wie es weitergeht? :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Die FF neigt sich nun wirklich ihrem Ende. Geplant ist noch ein Kapitel und dann ist diese Geschichte abgeschlossen :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hiermit ist die FF abgeschlossen. Ich bedanke mich bei allen, die bis hierhin gelesen haben und hoffe sehr, dass ihr Freude an meiner Geschichte hattet :)
Vielleicht sieht man sich bei "Pirates of Japan" wieder. Die Story werde ich jetzt weiterführen :) Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (42)
[1] [2] [3] [4]
/ 4

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SilverFFs
2018-05-31T22:42:47+00:00 01.06.2018 00:42
Habe auf deinem Steckbrief erfahren, dass du auch auf Fanfiktion unterwegs bist :D

Ich werde dich natürlich favorisieren, und deine Story empfehlen.
Das versteht sich hoffentlich als selbstverständlich!
Danke nochmal für diese Lese-Perle!
Liebe, Liebe Grüße nochmal an dich :D
Von:  SilverFFs
2018-05-31T22:39:06+00:00 01.06.2018 00:39
Oh mein Gott.
Meine Liebe.
Ich habe vor einigen Stunden diese FanFiktion über Twitter gefunden und ich habe sie in einem Rutsch durchgelesen.
....
Ich habe mir nur für diese Story einen Account gemacht, um dir einen Kommentar schreiben zu können.
Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich diese Geschichte fasziniert und begeistert hat.
Sie war vom ersten bis zu letzten Kapitel wahres Gold!
Ich kann dir gar nicht alles beschreiben, was mir beim Lesen durch den Kopf ging.
Ich hatte so viele Emotionen.
Es war ein einziges, schönes, aber auch trauriges Märchen.
Ich hätte am liebsten noch viel mehr von Gaara und Deidara gelesen.
Vielleicht noch einen Konflikt zwischen Naruto und Deidara.
Oder die Auseinandersetzungen zwischen Gaara und Akatsuki.
Vielleicht sogar eine Passage, in der Gaara die Welt Deidaras ein wenig mehr kennen lernt.
Ich weiß, dass hier ist kein Wunschkonzert, aber falls du dich jemals dazu entschließt, eine Fortsetzung zu schreiben, bitte, bitte, bitte gib mir Bescheid! Ich muss sie lesen!
[P.S: Ich hätte es auch sehr gerne gelesen, dass Gaara Orichimaru richtig heftig die Fresse polliert!.....Entschuldige meine Ausdrucksweise....Aber diese schmierige Schlange braucht mal ganz dringend ein paar Fäuste auf der Nase, die sein Gesicht verformen! *hust*]


Meine liebe Bambusbesen.
Ich war schon lange nicht mehr so angetan von einer FanFiktion! Diese hier war der absolute Wahnsinn.
Natürlich im positiven Sinne!
[wie bereits erwähnt, du bist der einzige Grund, warum ich mich hier überhaupt registriert habe - ich nutze Animexx für sonst gar nichts. Wenn mich Twitter nicht auf deine Story aufmerksam gemacht hätte, hätte ich diese Perle niemals gefunden!]

Dein Schreibstil ist so herrlich belebend und man konnte sich die Umgebungen, Personen und Stimmungen jeweils so wunderbar vorstellen. Alles war logisch miteinander verknüpft und Deidaras Reaktionen auf die Menschenwelt waren so herrlich nachvollziebar, natürlich und niedlich.
Auch Gaaras Werdegang, in dieser Story, habe ich vollends genossen.
Er ist nach und nach 'menschlicher' geworden, wärmer und aufgeschlossener.

In meinem Kopf tun sich so viele Möglichkeiten auf, wie es nun für die beiden weitergeht <3
Das schaffen nicht viele FFs, dass sie mich mit so vielen Emotionen und Inspiration erfüllen.
Dabei stimmt es mich aber auch so traurig, dass es jetzt erst einmal vorbei ist.

Ich habe meine kompletten Aufgaben und Arbeiten für heute stehen und liegen lassen, nur um diese FF zu lesen und es war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können.
Vielen Dank dir für diese wunderschönen Kapitel.
Auch dein Lemon war herrlich einfallsreich und kein 0-8-15- Geplänkel aller 'Bums-Fallera'.
Danke dir auch dafür.

Sorry, dass ich dir hiermit einen ganzen Roman schreibe, aber ich muss mich dir einfach mitteilen.

Vielen, vielen, vielen Dank dir nochmal für diese wundervolle Story.
Ich wünschte mir, ich könnte sie komplett vergessen, nur um sie noch einmal lesen zu können xD
Tja....da muss ich mich wohl noch ein paar Jährchen gedulden, damit ich die meisten Details daraus vergesse ;)

Wie gesagt, falls du doch noch eine Fortsetzung schreiben solltest: Bitte Bitte Bitte gib mir Bescheid.
Am besten bin ich erreichbar über meinen Twitter-Account: https://twitter.com/SilverDiamondFF
oder bei FanFiktion.de unter: fanfiktion.de/u/SilverDiamond [weil ich ja auf Animexx nicht wirklich unterwegs bin ^-^]

Ich knutsch dich hiermit nochmal zum Dank für meinen versüßten Feiertag :D

Liebe Grüße,
und einen wundervolles Wochenende wünsche ich dir,
deine Silver
Von:  Amaruk
2015-11-19T15:49:27+00:00 19.11.2015 16:49
Ich finde diese FF klasse. Anfangs hat sie ja noch ein wenig an "Die kleine Meerjungfrau" erinnert, aber das hat sich schnell geändert. Ich hoffe wirklich, dass diese Pause nicht für immer ist und die Geschichte bald weiter geht. ^^
Antwort von:  Bambusbesen
19.11.2015 17:17
Vielen Dank :3 Freut mich, dass sie dir gefällt ^^ Sie wird auch definitiv noch zuende geführt, aber ich muss jetzt erst mal eine FF nach der anderen weiterschreiben, sonst verzettel ich mich zu sehr. Daher hat gerade ISdS Priorität und danach geht es hier weiter^^
Von:  Sakami-Mx
2014-11-30T09:48:49+00:00 30.11.2014 10:48
klasse kapi^^ war wieder einmal sehr spannend. freu mich schon sehr auf das nächste kapi xDD die FF ist einfach Wahnsinn :D einfach super toll^^
Von: abgemeldet
2014-11-09T15:50:57+00:00 09.11.2014 16:50
tolles kapi^^ war eine sehr gute Beschreibung xD freu mich schon voll auf das nächste kapi^^
Von:  Sakami-Mx
2014-11-05T17:10:35+00:00 05.11.2014 18:10
xD richtig klasse kapi^^ das ende war jetzt geil xDD

„Manche Ningyo haben auch einen Nachnamen, hm.“ Als Gaara seine Augen öffnete, hatte er das Gefühl, direkt ins Meer zu blicken, so nah schwebten die azurblauen Augen vor ihm. „Hast du einen?“ Seine Stimme hielt er nun gesenkt, wollte er die besondere Atmosphäre nicht zerstören.

„Nein.“

ich lach mir immer noch einen ab^^. erst so voller Hoffnung und dann einfach nein xDD. ich hoffe die ff dauert noch ein bisschen bis sie zu ende ist. ich könnte sie ewig weiterlesen

Von:  Mangrovenkrabbe
2014-11-02T18:50:30+00:00 02.11.2014 19:50
Wahhhh die Katze ist - zumindest teilweise - aus dem Sack! War ja klar, dass das irgendwann passieren musste... bin mal gespannt was das noch wird! Und ich finds sowohl amüsant als auch pragmatisch dass Deidara jetzt Röcke hat :D Sie müssen mal Urlaub in Schottland machen, so weit ich weiß trägt man traditionell doch auch nix unterm Kilt xD
Freu mich schon wenns weitergeht! :)
Von:  Sakami-Mx
2014-11-02T08:26:17+00:00 02.11.2014 09:26
Richtig geiles kapi! Ich konnte das unbehagliche Gefühl richtig miterleben XD freu nicg schon voll aufs nächste ^^
Von:  Sakami-Mx
2014-10-29T15:45:49+00:00 29.10.2014 16:45
Das ist sooo cool^^ endlich ist Klarheit zwischen den beiden xD klasse kapi
Antwort von:  Bambusbesen
30.10.2014 23:01
Dankeschön :3
Von:  Mangrovenkrabbe
2014-10-29T14:02:40+00:00 29.10.2014 15:02
Yaaaay neues Kapi!!
Mann musste ich lachen, als Deidara unbedingt den Rock anziehen wollte xD Aber verstehen tu ich ihn nicht, ich find Hosen iwie bequemer :D Jedenfalls: Sehr schönes Kapitel, die Erkundung war echt lustig mitzuverfolgen und dass Deidara nach Narutos Auftritt erstmal Klarheit schaffen wollte zwischen ihm und Gaara fand ich richtig süß :)
Schreib bald weiter! ^-^
Antwort von:  Bambusbesen
30.10.2014 23:01
Ich kann das gut verstehen, ich steh auf Männer in Röcken, wenn es ihnen stehtXD Aber naja, Deidara versteht halt die Kultur nicht und Röcke haben keinen Stoff zw. den Beinen und im Schrit, kann nichts reiben ;3
Und es freut mich, dass es dir gefällt :3 Viel Spaß mit dem neuen Kapitel :§


Zurück