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The Dollhouse

von

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Outro


 

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Warum mir ausgerechnet jetzt einfiel, dass Juan meine männliche Seite bisher nie hatte kennenlernen dürfen, konnte ich mir selbst nicht so recht beantworten. Doch genau das war es, was mir durch den Kopf ging. Die Pornoindustrie, das war die Welt meiner femininen Facette, und in dieser hatte meine männliche keinen Platz gehabt. Das war in Ordnung gewesen, sogar von mir erwünscht, allerdings dachte ich, dass es nun auch keine Rolle mehr spielte, wenn sich die beiden Welten, in denen ich ein paar Wochen lang gelebt hatte, endgültig vermischten. Sie waren ohnehin längst aufeinandergeprallt, mit solch einer unangenehmen Heftigkeit, dass ich geglaubt hatte, nun alles verloren zu haben, an dem mein Herz und nicht mein Trieb hing. Ich wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, um das zu retten, was mir lieb und teuer war. Ich musste einen Schlussstrich ziehen. Das Ultimatum hatten sie mir gestellt. Und ich wollte ihnen beweisen, dass es mir ernst war. Auch wenn es mir wirklich nicht leicht fiel.

 

Alles hatte in Juans Büro begonnen, und alles sollte dort enden. Schweren Herzens und mit einem flauen Gefühl im Magen, wusste ich doch nicht, wie seine Reaktion auf meine Nachricht ausfallen würde, fuhr ich bis in den vierzehnten Stock und lief anschließend den Gang bis ganz nach hinten. Dieses Mal klapperten meine Absätze nicht auf dem gebohnerten Parkett, trug ich doch anstelle meiner High Heels lediglich ein paar ausgelatschte Chucks, kombiniert mit einer schlichten, schwarzen Jeans und einem unserer Bandshirts. Dieses sollte ein Zeichen darstellen. Als Zeichen für das, wofür sich mein Herz entschieden hatte. Mein Herz und mein Verstand.

Zaghaft pochte ich an die Tür, und genau wie beim ersten Mal dauerte es nicht lange, bis Juan vor mir stand und mich erstaunt musterte. Ob er mich erkannte? Oder ob ich mich besser vorstellte?

"Devin", sagte er nach ein paar Sekunden des stummen Anstarrens und zerstreute somit meine Fragen. "Du siehst ganz anders aus als Mann..."

"Ich muss mit dir reden", drängte ich nervös und ballte meine schwitzigen Hände zu Fäusten. Wieder trafen fragende Blicke auf meine angespannten, bis Juan mich schließlich mit einer Geste hineinbat.

 

"Was gibts?", fragte er, nachdem wir vis-à-vis Platz genommen hatten.

Verhalten räusperte er sich. Wahrscheinlich ahnte er, dass ich keine guten Nachrichten zu überbringen hatte. Keine guten für ihn, aber genauso wenig für mich.

"Ich..." Meine Zunge fühlte sich schwer und trocken an, genau wie meine Kehle, aus der nur mühsam Worte kriechen wollten. Das hier, das kostete mich meine ganze Kraft, doch es half nichts. Es würde mir besser gehen, wenn es endlich raus war, redete ich mir ein. Obwohl ich wusste, dass das nur teilweise der Wahrheit entsprechen würde.

Entschlossen hob ich den Kopf und blickte Juan direkt an.

"Ich möchte kündigen."

"Ach, Devin..."

Ich hätte mit vielen Reaktionen gerechnet, doch keinesfalls damit, dass er nur ein tiefes Seufzen für mich übrig hatte. Insgeheim hatte ich auf einen überraschten Gesichtsausdruck gehofft und darauf, dass er mich anflehte, meinen Job nicht aufzugeben.

Angespannt fuhr er sich durch das Haar und schaute die Tischplatte an, als würde sie sämtliche Antworten auf alle Fragen dieser Welt bereithalten. Dann blickte er mich abrupt an.

"Ich hatte mir schon fast so etwas gedacht", gab er leise zu. "Ich hatte es mir schon fast gedacht..."

Ich ging nicht auf seine Worte ein.

"Es geht einfach nicht, ich kann kein Erotikdarsteller sein", erklärte ich und kam nicht umhin, mich aufgrund des Gesagten ganz schrecklich zu fühlen. Denn ich wollte ein Erotikdarsteller sein. Etwas zu wollen, es aber nicht zu können, das zählte zu den grausamsten Dingen, die überhaupt existierten.

Tief atmete ich durch und nickte so dezent, dass Juan es wahrscheinlich nicht hatte sehen können.

"Unsere Band hat so viele junge Anhänger, Mädchen im Teenageralter. Es würde nicht lange dauern, bis ans Licht kommen würde, was ich neben der Band treibe. Klar, einige von ihnen würden meine Filme sicher lieben, genauso, wie sie meine Fotos lieben und von mir schwärmen, dass ich ein gutaussehender Typ und gleichzeitig ein bildhübsches Mädchen bin."

"Da haben sie recht", warf Juan mit tiefer Stimme ein, doch ich fuhr ungerührt fort.

"Du würdest eine Menge Umsatz mit mir erzielen, aber ich habe Verantwortungen", versuchte ich ihm begreiflich zu machen. "Es ist im Grunde schon zu viel, dass Schwanzbilder von mir im Internet herumgeistern, für jeden zugänglich. Aber das kann ich nicht mehr rückgängig machen, genau so wenig wie die bereits gedrehten und veröffentlichten Filme. Doch in Zukunft möchte ich Vorsicht walten lassen. Denn ansonsten...bin ich meinen Platz in der Band los."

Unwillkürlich musste ich daran denken, wie meine Freunde um mich herumgesessen hatten, mit ernsten Mienen, um mir diese Konsequenz zu unterbreiten. Juan mochte Ricky nichts von meiner Anstellung bei ihm verraten haben, doch unser Gitarrist war nicht blöd. Er hatte sich für den Internetauftritt des Dollhouse interessiert und mich prompt in einem der Filme entdeckt. Vielleicht hatte er sich darauf tatsächlich einen runtergeholt, aber was zählte das jetzt noch? Er wollte genau wie die anderen keinen Pornostar in ihrer Mitte dulden. Wir standen in der Öffentlichkeit, und auch wenn wir keine Boygroup waren, so musste man es mit der Schädigung seines Images doch nicht komplett übertreiben.

 

"Das versteh ich", nickte Juan und presste die Lippen fest aufeinander. Es schmerzte ihm genauso wie mir, dieses Gespräch zu führen. Schließlich war ich doch sein Prinzesschen, eines seiner liebsten Häschen. Wir harmonierten im Bett, und wir kamen auch menschlich super miteinander aus. Und nun sollten wir getrennte Wege gehen...

"Da ist noch was", setzte ich an, nervös am leicht ausgedrieselten Saum meines Shirts nestelnd. "Ich habe jemanden kennengelernt."

"Du hast dich verliebt."

"Nein", wiegelte ich ab, spürte aber, dass dies nicht das korrekte Wort war. "Ja. Vielleicht. Ein tolles Mädchen, intelligent und hübsch. Wenn sie aber erfährt, dass ich Pornos drehe..."

"...dann kannst du sie vergessen", ergänzte Juan, und ich nickte schweren Herzens.

Schweigen breitete sich zwischen uns aus, wahrlich kein angenehmer Zustand. Ich musste ihn beenden, genau, wie ich unsere Zusammenarbeit beenden musste, hatte ich doch keine andere Wahl...

"Lass mich die Kündigung unterschreiben", verlangte ich kläglich, so kleinlaut, wie Juan mich noch nie erlebt hatte. Er kannte mich als selbstbewusstes, freches Mädchen, doch nun wusste er, dass das nicht mein ganzes Ich darstellte. "Bitte..."

Wieder seufzte er, doch wenig später sah ich, wie er mir ein Blatt Papier und einen Stift zuschob, noch immer wortlos. Und auch ich griff stumm zu den beiden Utensilien, überflog den Text, ohne ihn überhaupt wahrzunehmen. Unsicher setzte ich den Stift auf der leeren Zeile an, die meine Unterschrift tragen sollte.

Ich wollte das nicht...

Gnadenlos legte ich den Schalter in meinem Kopf um, der sich dagegen sträubte, das Ganze fix zu machen. Ich dachte an Kylies Lächeln, an das Gefühl, auf der Bühne zu stehen und in die strahlenden Gesichter der Fans zu sehen. Und dann wusste ich, dass es das sein sollte, wofür ich leben wollte.

 

Langsam nahm Juan das Kündigungsschreiben an sich, studierte es eine Weile, bis er es in seiner Mappe abheftete.

"Gut, ich werd dann mal...", kündigte ich an und erhob mich zögerlich, doch da unterbrach Juan mit seiner geruhsamen Stimme meine Aufbruchsstimmung.

"Auf Wiedersehen, Devin", sagte er, während wir uns fest anblickten und mir wahrhaftig Tränen in die Augen schossen. Mir war, als suchte er noch nach den richtigen Worten, bis er sie schließlich fand. "Eines möchte ich dir gern noch sagen: Wann immer dein inneren Mädchen danach verlangt, ausgelebt und begehrt zu werden...ruf mich an. Tag und Nacht."

Der Tränensee in meinen Augen schwappte über, so wie er mir diese Tür öffnete. Aber er sollte augenblicklich versiegen, als Juan noch einmal den Faden ergriff.

Behutsam streichelte er mir mit den Fingerknöcheln über die Wange, nachdem er sich von seinem Stuhl erhoben hatte und schließlich vor mir stand, ganz nah. Dass ich weinte, konnte ich nun nicht mehr verstecken. Ich weinte nicht wegen meines Ausstiegs aus der Pornoindustrie. Ich weinte genau aus dem Grund, den Juan eben angeschnitten hatte - weil ich nur in diesem Milieu jemanden gefunden hatte, der mein inneres Mädchen genauso schätzte, wie es es brauchte. Mein männliches Ich war drauf und dran, tiefe Liebe zu erfahren, doch was war mit meinem weiblichen? Würde es irgendwann auch jemanden finden, der es liebte?

 

"Schenk mir noch einen Dreh, meine bezaubernde Schönheit", flüsterte Juan vorsichtig. "Einen letzten. Einen, der nur uns gehört."

Unaufhörlich rannen Tränen über meine Wangen, doch ich nickte mit zusammengepressten Lippen und geschlossenen Augen.

Dem Licht zuliebe. Dem Licht in meinem Herzen.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Is halt nicht sooo happy. Aber schön. <3 Und ich vermute stark, dass die beiden sich irgendwann wiedersehen werden. Denn manche Dinge kann man sich nicht verbieten. Einfach, weil sie zu sehr ein Teil von einem selbst sind... Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Karma
2014-09-21T19:34:06+00:00 21.09.2014 21:34
♥~
Es sind zwar keine pinken Glitzerherzchen und eigentlich muss ich mir hier gerade ziemlich das Heulen verkneifen, aber ich kann Devin verstehen. Und ich hoffe irgendwie, dass Kylie mit seiner weiblichen Seite klarkommt und dass sie ihn bzw. sie nicht nur so lieben kann, wie er/sie nun mal ist, sondern dass sie beiden Seiten auch erlaubt, ausgelebt zu werden - nicht nur im Bezug auf Make-up und Klamotten, sondern auch im Bezug auf Sex. Ich werd mir jetzt jedenfalls einfach denken, dass das klappt, weil mein Herzchen ein Happ-End braucht, damit ich nicht heute Abend doch noch einen Heulflash kriege und morgen auf der Arbeit wegen roter Augen in Erklärungsnot gerate.
^^°

Freu mich auf jeden Fall jetzt schon darauf, demnächst an anderer Stelle hoffentlich wieder von Dir zu lesen.
^____^


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