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Min eryd ar i aearon

New fate
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Halli hallo!
Vielen Dank, dass ihr reinschaut! Puh, dieses Update hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert! Irgendwie ist mir diese Zwischensequenz super schwer gefallen, vielleicht, weil ich eigentlich lieber über die wichtigen Sachen schreiben will ;) Naja, ich bin diesmal nicht so ganz zufrieden, aber ich hoffe, es gefällt euch!
Viel Spaß beim Lesen und bis bald! Komplett anzeigen

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dim | Trübsinn

Ein außenstehender Beobachter würde eine wirklich seltsame Reisegruppe sehen. Die kleine Reiterschar bahnte sich ihren Weg durch das schroffe Gelände der Bergausläufer des Eisengebirges. Der Weg, der von diesem Zwergenreich bis zum Erebor führte, war gut befestigt, doch gingen von den Steilhängen der Felswände immer wieder Steinlawinen ab, die auch die Straße nicht verschonten. Zum Glück versperrte kein großer Brocken den Weg, weswegen sie nur auf kleinere Stolpersteine achten mussten. Das Seltsamste an der Gruppe waren natürlich die Reiter. Für sich alleine wirkte keiner von ihnen besonders auffällig, doch zusammen boten sie ein nicht alltägliches Bild. Eine Person, die in der Mitte ritt, war sehr groß und auch ihr edles Pferd hatte ein beachtliches Stockmaß. Sie war umringt von kleineren Gestalten auf gedrungenen, robusten Ponys, allesamt in leichte Rüstung gehüllt und ebenfalls leicht bewaffnet. Vor ihr ritten ein paar Zwerge in edler Kleidung, hinter ihr waren noch ein paar Gestalten, die weder Rüstung noch Waffen trugen.
 

Es war um die Mittagszeit, denn die Sonne stand hoch am Himmel, da machten sie eine Rast. Mittlerweile hatten sie das Flachland erreicht, sodass die Eisenberge zu einer kleinen Erhebung am Horizont geschrumpft waren. Alle stiegen von ihren Reittieren und eine kleine Gruppe der Wachen baute einen einfachen Pavillon aus Eisenstangen und leichtem Stoff auf, der sie vor der Hitze schützen sollte. Für ihren Rastplatz hatten sie eine Wiese auserkoren, die von ein paar Bäumen flankiert wurden und die deshalb auch ein wenig Sichtschutz boten – wenn ihnen überhaupt jemand mit seinen Blicken gefolgt war. Dort konnten auch die Pferde grasen und sich ein wenig erholen. Auch Briuwen saß ab und sie sah wie Róia, das Zwergenmädchen, sofort zu ihr kam.
 

„Bitte gebt mir euren Mantel, ich hoffe, es war Euch damit nicht zu warm“, sagte sie, ohne die Elbin dabei anzusehen. Briuwen war es schon zu Anfang ihrer Reise seltsam vorgekommen, dass sie Zwergin mitkommen sollte, doch so langsam beschlich sie eine Ahnung.
 

„Nein, es war bisher recht angenehm. Aber wenn mir zu warm gewesen wäre, hätte ich den Mantel schon selber ausgezogen“, antwortete sie, während sie den dicken Stoff von ihren Schultern streifte und Róia überreichte. Als diese nach dem Kleidungsstück greifen und es an sich nehmen wollte, ließ Briuwen aber nicht los, sodass die Zwergin überrascht aufblickte. Der Elbin fiel sofort das Traurige in ihrem Blick auf und dass sie Angst hatte, etwas falsch gemacht zu haben.
 

„Bitte sag mir, Róia, warum bist auch Du auf der Reise mit dabei?“, fragte sie und ließ den Mantel schließlich los. Die Angesprochene nahm ihn schnell an sich und faltete ihn langsam und sorgfältig zusammen, als ob sie einen Grund brauchte, sich anderweitig zu beschäftigen. Die Frage schien sie noch mehr zu betrüben.
 

„Nun, das-“, begann sie, doch als ein paar Wachen zu den beiden Frauen kamen und sie zum fertig aufgestellten Pavillon führen wollten, musste sie innehalten. Das großzügige Zelt mit hohem Dach war wirklich zu einer kleinen, gemütlichen Oase geworden. In einer aus herumliegenden Steinen aufgeschichteten Feuerstelle war bereits ein Feuer entzündet worden und die rundherum ausgelegten Sitzkissen luden dazu ein sich zu setzen. Ein Zwerg, der aussah wie ein Koch, bereitete eilig eine Mahlzeit vor. Briuwen wunderte sich, wie schnell die Zwerge es geschafft hatten, das alles zu koordinieren und zu bauen. Vielleicht waren sie darin geübt, denn sie begleiteten sich auch den König oder andere Würdenträger, wenn sie reisten. Denn auch jetzt waren wichtige Personen unter ihnen: Darin, der Hauptmann der Wache, war ein Enkel von König Dáin – zwar kein direkter Thronfolger, denn er war der Sohn von einer von Dáins Töchtern – und Kíli, der Neffe von König Thorin und Zweiter in der Thronfolge. Und dies bedurfte natürlich besonderer Sicherheitsvorkehrungen, egal, ob man die Situation als harmlos oder gefährlich einstufte.
 

„Setzt Euch, Briuwen. Möchtet Ihr etwas trinken?“, fragte Róia aufmerksam und wich der Elbin kaum von der Seite. Fast kam Briuwen sich ebenfalls wie eine Edelfrau vor, so zuvorkommend wurde sie von dem Zwergenmädchen behandelt, doch sie wusste natürlich, dass es eigentlich ganz anders war. Sie war im Moment eine Gefangene und ob sich so schnell etwas an ihrer Situation ändern wollte, war dahingestellt. Jedenfalls nahm sie Platz und nickte auf die Frage. Eigentlich wollte sie sich nicht bemuttern lassen, denn es gab dafür keinen Grund, doch bevor sie sich korrigieren und Róia zurückrufen konnte, trafen ihre Augen die von Kíli, der sich gegenüber von ihr, auf der anderen Seite der Feuerstelle niedergelassen hatte. Seit dem gestrigen Abend hatten sie kein Wort mehr miteinander geredet. Bisher gab es auch keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Doch der determinierte Ausdruck in seinem Blick ließ sie innerlich erschaudern. An was dachte er? Was hatte er im Sinn? Er schien nicht böse auf sie zu sein, weil sie ihn ignorierte. Das verwirrte die Elbin, doch sie wurde wieder abgelenkt, als Róia zurückkehrte und ihr einen Becher mit Wasser reichte. Innerlich dankbar über die Zerstreuung nickte sie ihr erneut zu.
 

„Vielen Dank, aber Du musst mich nicht bedienen. Bist Du nur deswegen hier?“, griff sie ihre Frage von vorhin auf und lieferte gleich ihre konkrete Annahme, damit die Zwergin nicht wieder ausweichen konnte. Und genau damit schien sie ins Schwarze getroffen zu haben. Róia ließ sich auch auf ein Kissen neben Briuwen nieder und faltete die Hände in ihrem Schoß.
 

„Meisterin Gléda hat mich damit beauftragt, um Euer Wohl zu sorgen. Sie sagte, dass Ihr jemanden braucht, der Euch in der Gruppe von Männern beisteht“, erklärte sie schließlich und das brachte Briuwen zum Lachen. Gerade hatte sie noch gedacht, dass sie nichts würde aufheitern können, doch ein einfacher Satz vollbrachte dies mit Leichtigkeit. Róias erschrockenes Gesicht sagte ihr, dass auch sie nicht gedacht hatte, damit etwas Witziges zu sagen. Wohlmöglich dachte sie eher, etwas falsch gemacht zu haben.
 

„Ich habe schon gegen eine Horde Orks gekämpft, deshalb traue ich mir auch zu, mich unter ein paar Zwergen zu behaupten. Aber es ist sehr nett, dass ihr euch alle um mich kümmert“, meinte die Elbin und lächelte dem Zwergenmädchen dankbar zu. Sie meinte es ehrlich, denn das Gefühl, dass sich jemand um sie bemühte, tat ihr einfach gut. Zwar schien dies Róia noch ein wenig mehr zu irritieren, doch gleichzeitig entspannte sie sich auch etwas mehr.
 

„Es tut mir Leid, dass ich damals zu Euch gesagt habe, ich würde mir eine Elbin ganz anders vorstellen. Ich habe nicht bedacht, was Ihr alles erlebt habt. Doch jetzt weiß ich, dass die alten Geschichten wahr sind“, sagte sie kleinlaut und blinzelte verlegen in Briuwens Richtung. Das Gespräch heiterte sie irgendwie auf. Es handelte sich nicht um politische Verhandlungen, um ernsthafte Themen und böse Worte. Diese Dinge hatte Briuwen in den letzten Tagen zu genüge gehört.
 

„Mache Dir keine Gedanken darüber. Du schienst bisher noch keine Elben gesehen zu haben, nicht wahr?“, wollte sie im Gegenzug wissen und bemerkte, wie Róia tief errötete. Die Antwort darauf schien ihr unangenehm zu sein.
 

„Nun, ich… Ehrlich gesagt, ich habe die Eisenberge bis heute noch nie verlassen. Ihr seid die erste Elbin, der ich begegnen durfte“, kam es leise von ihr und plötzlich verstand Briuwen alles, das seltsame Verhalten des Zwergenmädchens und ihre Schüchternheit. Wenn es ihre erste Reise war, die sie von Zuhause wegführte, dann war es kein Wunder, dass sie nervös war und sich unwohl fühlte. Bisher hatte sie die Sicherheit ihrer vertrauten Umgebung genossen und musste plötzlich an so einer wichtigen Unternehmung teilnehmen. Und als Briuwen zusätzlich noch klar wurde, dass Róia wohl höchstens 50 Jahre alt war, was in Zwergenjahren wohl gerade einem frühen Jugendalter entsprach, fühlte sie noch mehr mit ihr mit, da diese Zeit für einen Elben kaum mehr als ein Wimpernschlag war. Für das Zwergenmädchen musste sie einem Methusalem gleichkommen, deshalb war die Situation noch viel seltsamer für sie.
 

„Dann hoffe ich, dass ich deine Erwartungen nicht enttäuschen werde“, entgegnete Briuwen leichthin, um Róia wieder etwas aufzumuntern. Das kleine Lächeln und die großen Augen, die daraufhin Róias Gesicht zierten, ließen Briuwen für einen Moment vergessen, durch welche Umstände sie hier war und wohin ihre Reise sie noch führen sollte. Der laue Wind und der Geruch der ersten Frühlingsblüten, die sachte Wärme der Sonnenstrahlen und des Gezwitscher von Vögeln, die Gesellschaft der jungen Zwergen Róia, dies alles erschuf eine perfekte und doch zerbrechliche Illusion von Frieden und Glück.
 

Doch die Ruhe dauerte nicht ewig. Sie bekamen vom Koch eine einfache Mahlzeit aus gebratenem Fleisch und über dem Feuer geröstetem Brot serviert und es war keine Zeit, es sich ausgiebig schmecken zu lassen. Die Teller wurden zwar nicht hastig, aber zügig geleert und noch bevor die Letzten aufgegessen hatten, wurde schon wieder gepackt. Darin, der beim Mittagessen kurz vergessen zu haben schien, dass er sich auf einer wichtigen Mission befand, lief nun wieder unruhig auf und ab und koordinierte die Wachen. Die Ponys wurden wieder von der Weide geholt, Kochgeschirr, Besteck, Teller und Becher, Verpflegung und Sitzkissen wurden gepackt und die Spuren ihres Aufenthalts beseitigt. Schließlich wurde auch der Pavillon abgebaut, sodass kaum mehr sichtbar war, dass hier jemals jemand gewesen war.
 

Kein Wunder, dass sie in Eile waren. Von den Eisenbergen erreichte man den Erebor in etwa vier Tagesreisen zu Pferd, lange genug, wenn man bedachte, dass sie nicht nur zum Spaß unterwegs waren und Gefahren auf sie lauern konnten. Da es zwischen den beiden Königreichen einen regen Handelsverkehr gab, war die Strecke für reisende Zwerge auch entsprechend präpariert. Jeden Tag hatten sie immer ein besonderes Ziel, welches sie erreichen mussten, egal ob es schon dunkel wurde, oder nicht. Denn auf freiem Feld wollte niemand kampieren, weshalb sie die Höhlen und Unterschlupfe nutzten, die extra dafür auserkoren worden waren und eine sichere Herberge boten.
 

Generell verlief die Reise ereignislos - zum Glück. Wären sie von Orks angegriffen worden, hätte Briuwen nicht gewusst, auf welcher Seite sie hätte stehen sollen: Auf der Seite der Zwerge, um sie zu beschützen, denn eigentlich hatten sie sie gut behandelt, oder auf ihrer eigenen Seite, um das Chaos eines Kampfes zu nutzen und zu fliehen. Sie würde sich dann aber alleine bis nach Dorwinion durchschlagen müssen - ob das jedoch gut gehen würde? Sie und ihre Kameraden hatten auch gedacht, dass der Handelsweg bis zu den Eisenbergen sicher wäre, doch sie hatten sich verschätzt. Briuwen empfand ein gewisses Maß an Scham, dass sie in den letzten Tagen kaum einen Gedanken an ihre Kameraden verschwendet hatte. Ursprünglich war sie mit drei anderen Elben unterwegs gewesen. Sie und ein weiteres Mitglied der Garde von Ilanin hatten die Aufgabe gehabt, zwei Kaufleute auf der Handelsroute zu begleiten und zu beschützen. Was das letztere anging, hatte Briuwen auf ganzer Linie versagt. Darüber hinaus hatte sie den Toten nicht einmal gedacht - doch warum hätte sie auch den Tod Anderer beklagen sollen, da sie doch selber hatte befürchten müssen, ihr eigenes Leben zu verlieren?
 

Die Reise zum Erebor war für die Elbin größtenteils geprägt von Selbstreflexion und Leere. Einerseits konnte sie nicht aufhören, über ihre Situation nachzudenken, andererseits führten ihre Überlegungen immer wieder ins Nichts, weil sie natürlich nicht voraussehen konnte, was wirklich geschehen würde. Alles was sie tun konnte, war nach vorne zu blicken und die Landschaft zu betrachten. Róia, das Zwergenmädchen, war die einzige Person, mit der Briuwen redete, denn auch sonst schien die Stimmung angespannt zu sein. Als am Nachmittag des dritten Tages ihrer Reise der Einsame Berg am Horizont auftauchte, würde die Elbin für einen Moment von dem dringenden Bedürfnis zur Flucht erfasst. Dieser Gipfel, die schneebedeckte Spitze, die wie ein Mahnmahl mitten im flachen Land thronte, hatte erst etwas sehr Bedrohliches an sich.
 

Das ebene Gelände erlaubte auch einen weitläufigen Blick über die gesamte Landschaft und versetzte Briuwen in ein widersinniges Staunen. Denn das was sie sah, erinnerte sie ein wenig an ihre Heimat. Zu den Füßen des Erebor lag ein großer See, tiefblau und spiegelglatt, und auch eine prunkvolle Stadt war zu erkennen. Der Vergleich mit Dorwinion und dem See von Rhûn, der an seinem Ostufer ebenfalls von Bergen gesäumt wurde, fiel da nicht schwer, mit dem Unterschied, dass sich der See von Rhûn so weit wie ein Meer erstreckte. Doch Briuwen wollte nicht so sehr darüber nachdenken, denn ihr Zuhause war nicht hier, sondern weit, weit entfernt, und es tat weh, nicht zu wissen, ob sie je wieder dorthin zurückkehren würde.
 

Die Sonne hatten ihren Höchststand des vierten Tages bereits verlassen, da begegnete die Reisegruppe einer Delegation von Zwergen, die in kostbare Rüstungen gehüllt waren. Zweifelsohne handelte es sich dabei um Abgesandte vom erebor. Anscheinend hatten sie bereits auf ihre Ankunft gewartet. Darin, der Anführer ihrer Gemeinschaft, schien darüber nicht sehr erfreut zu sein, doch er fügte sich wortlos, als ein augenscheinlich ranghoher Soldat den Oberbefehl an sich nahm und die anderen Wachen einen abschirmenden Ring um die Gruppe aus den Eisenbergen bildete. Briuwen spürte die Anspannung, die da plötzlich aufkeimte, denn eine freundliche Begrüßung unter Verbündeten sah anders aus.
 

Plötzlich war auch ganz deutlich, dass sie sich wieder in einem von Zwergen bewohnten Gebiet befanden. Die nun erneut aufsteigenden Wege waren befestigt, die Felsen waren teilweise kunstvoll behauen und Gelände und Balustraden, die die Straße sicherten, stammten von begabten Handwerkern. Unter anderen Umständen hätte die Elbin das alles vielleicht bewundert, doch nun klammerte sie sich lediglich an die Mähne ihres Pferdes Gwaloth, dessen Wärme sie von einem ganzheitlichen Schaudern bewahrte. Denn da war es, das große Tor, der Eingang zum Erebor, den Einsamen Berg und mächtigen Königreich. Ein nur flüchtiger Blick sagte Briuwen, dass das Portal zwar eher klein war, jedoch riesig wirkte, weil es in eine mächtige Fassade eingebettet war und somit einen furchteinflößenden und fast bedrohlichen Eindruck erweckte. Auch die beiden Statuen, die die Pforte flankierten, waren durch ihre riesigen Ausmaße und grimmigen Gesichtsausdrücke sehr einschüchternd. Potentielle Feinde sollten wohl allein durch den Anblick abgeschreckt waren. Bei Briuwen war das gelungen, nur konnte sie nicht entkommen.
 

„Fürchtet Euch nicht“, sagte Roía, die an der Seite der Elbin ritt, doch ihre Augen waren groß, ängstlich und sie klang selber auch nicht sehr überzeugt. Briuwen wusste, dass die Zwergin es nur gut meinte, doch es vermittelte ihr keinen Trost, schon gar nicht hier, von Angesicht zu Angesicht mit diesem Schicksalsort. Und schließlich, nach der langen, monotonen Reise, ging alles sehr schnell.
 

Sie ritten über eine flach ansteigende Rampe hinauf zum Eingangstor und wurde hindurchgeschleust, ohne stehen bleiben zu müssen. In der dahinter folgenden Halle, die groß, weitläufig und durch die zahlreichen Fenster des Portals hell erleuchtet war. Obwohl Briuwen dachte, alle Zwergenreiche mussten gleich aussehen, gab es hier einen gravierenden Unterschied: Gold. Alles war voller Gold. Die Wände und Säulen, der Fußboden, selbst Zinnen und Erker waren mit Einlegearbeiten verziert oder gar vergoldet. Ein kostbarer Schein und ein immerwährendes Funkeln durchzogen jeden nur ersichtlichen Winkel der großen Halle. Und es schien auch kaum massive Mauern zu geben. Stattdessen durchzogen mächtige Säulen, Brücken und beinahe frei schwebende Stege und Treppen den unendlich wirkenden Raum. Nicht nur für die Elbin schien der Anblick überraschend und fesselnd zu sein, auch die Zwerge aus den Eisenbergen, deren Heim nur geschmückt wurde durch den Schmuck, den talentierte Bildhauer in den blanken Felsen schlugen, waren erfüllt von großem Staunen.
 

"Vorwärts, Ihr werdet bereits erwartet", grollte einer der Soldaten vom Erebor und kaum dass Briuwen sich umdrehen konnte, wurden sie bereits getrennt. Die Wachen aus den Eisenbergen, der Koch und Róia, deren Gesichtsausdruck gleichzeitig Unbehagen und Verzückung zeigte, wurden seitlich weggeführt. Zurück blieben Kíli, Darin und Briuwen. Die Elbin wurde grob aufgefordert, von ihrem Pferd zu steigen, welches ebenfalls sofort weggebracht wurde. Es blieb ihr kaum Zeit, den Gedanken zu formen, sich darüber zu echauffieren, da spürte sie schon die Speerspitzen in ihrem Rücken, Waffen, mit denen man sie in Schach halten wollte und als sie nach unten blickte, begegnete sie den Augen der Zwerge, die sie mit ihren Lanzen bedrohten. Es waren andere Blicke, so sehr anders, als jene, die ihr in den Eisenbergen begegnet waren. Briuwen schauderte. Sie spürte deutlich die Ablehnung und das Verachten, die sie ihr entgegenbrachten. Natürlich, sie befand sich hier unter dem Einsamen Berge. Die hiesigen Zwerge hatten noch nie auch nur ein Fünkchen Toleranz gegenüber den Elben gefühlt, nach alldem, was in der Vergangenheit zwischen den beiden Völkern geschehen war. Und der jetzige Herrscher dieses Reiches würde wohl auch nie etwas daran ändern wollen.
 

Briuwen hob erneut den Kopf, diesmal in aufsässiger Absicht. Sie straffte ihre Schultern und versuchte, jegliche Emotionen aus ihren Gesichtszügen zu verbannen, denn sie stellte sich darauf ein, nicht nur das pflichtbewusste Misstrauen wie das von Darin zu spüren zu bekommen. Da sah sie, wie Kíli sich zu ihr umdrehte und ihr zuzwinkerte. Ihr Atem stockte kurz, denn seine Geste verwunderte sie zutiefst. Was wollte er ihr damit sagen? Jedenfalls munterte es sie nicht auf, sondern betrübte sie noch mehr, weswegen sie die Augen abwandte, um ihre mühsam aufgebaute Fassade aufrechterhalten zu können. Und so erblickte sie es auch. Schon aus der Ferne konnte sie ein Leuchten erkennen, einen noch winzigen Schein, so hell und schillernd, wie sie es noch nie gesehen hatte. Je näher sie kamen, desto deutlicher wurde es, und auch die Umrisse eines mächtigen Throns kamen zum Vorschein. Es dauerte nicht lange, da erreichten sie einen Ort, der nach oben und unten und zu den Seiten so weit und unendlich groß anmutete, dass die Begriffe 'Raum' oder 'Halle' ihm nicht gleich kamen. Eine Plattform beherbergte den Thron, der an einer gewaltigen, von der sonst freitragenden Decke bis zur schwarzen Tiefe reichenden Säule angebracht war. Dort saß ein Zwerg in einer nachtblauen Robe und einem schweren schwarzen Mantel, geschmückt mit goldenen Borten und kostbarem Pelz. Er hatte eine edle Krone auf seinem von schwarzen Haaren eingerahmten Haupt und sein Blick und sein Mund, verborgen unter einem halblangen schwarzen Bart waren grimmig. Das alles erkannte Briuwen nur am Rande, denn sie war wie gefesselt von dem Anblick des funkelnden Steines, der über dem Herrschersitz angebracht war und dessen Schönheit alles überstrahlte. Und wenn es das Letzte war, was sie jemals in diesem Leben sehen sollte, dann würde die Erinnerung an das reine Licht ihr Leid mildern.
 

„Onkel Thorin“, rief Kíli und ging mit schnellen Schritten voraus zum Thron. Ja, dort saß er, der König des Einsamen Berges und seine Augen strahlten bitterböse Ernsthaftigkeit aus. Er sah zu seinem Neffen, als dieser näher kam und eine kurze Verbeugung machte, so, als wäre ihm diese Begrüßung schon in Fleisch und Blut übergegangen.
 

„Hör mich an, ich muss mit Dir reden, Onkel Thorin“, sagte er zwar bittend, aber bestimmt. Seine Stimme war laut und schien den ganzen Raum zu füllen. So, wie er zu Thorin ging, schien er fest entschlossen zu sein, irgendetwas zu tun. Die Augen des Königs lagen vor einen Moment auf dem jüngeren Zwerg, doch dieser konnte die Aufmerksamkeit seines Onkels nicht lange bei sich behalten.
 

„Wachen, bringt ihn weg“, sprach Thorin und sofort waren ein paar Leibgarden zur Stelle, die Kíli links und rechts am Arm fassten. Briuwen konnte sehen, wie entsetzt Kíli seinen Onkel ansah.
 

„Thorin, Du wirst mich auf der Stelle frei lassen! Hast Du gehört, ich will mit dir reden!“, brüllte er beinahe. Man sah ihm nur allzu deutlich an, wie wütend er war und dass er seinen Zorn kaum zügeln konnte, darüber, wie sein Onkel mit ihm umsprang. Doch es ließ den König unbeeindruckt.
 

„Deine Mutter Dís wartet bereits auf dich. Wir werden uns später unterhalten“, waren seine endgültigen Worte, die er mit einer schroffen Handbewegung unterstrich, woraufhin die Wachen Kíli wegbrachten, der sich vergeblich jedoch zu wehren versuchte. Auf Briuwens Armen breitete sich eine fast schmerzhafte Gänsehaut aus, denn Thorins Stimme war so tief und ruhig und zugleich berechnend, dass es ihr noch schwerfiel, ebenfalls besonnen zu bleiben.
 

„Und nun zu Euch, Elbin“, sagte Thorin und als Briuwen heiß und kalt gleichzeitig wurde, wünschte sie sich, niemals in diese Situation geraten zu sein. Nur der Blick auf den außergewöhnlichen Edelstein über dem Thron gab ihre seltsamerweise die Kraft, still zu bleiben und dadurch zu verhindern, von den Waffen der sie umgebenden Wachen aufgespießt zu werden, und der Dinge zu harren, die da noch kommen würden.



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