Prolog
Verzerrte bunte Flecken tanzten vor ihren schmerzenden Augen und zwangen sie immer wieder zum Blinzeln. Etwas Dunkles, Schweres lag in der Luft und nahm ihr fast alle Sinne. Überall um sie herum herrschte eine gespenstische Dunkelheit. Eine eisige Schwärze, die nur hin und wieder von blassen Schemen und hellen Flecken unterbrochen wurde, die jedoch keine Form zu besitzen schienen.
Merkwürdige, dumpfe Geräusche mischten sich unter die wabernden Schatten. Klackern und Klopfen. Und so etwas wie ein hohes Zischen, ein Kreischen. Immer wieder. Es kam aus allen Richtungen gleichzeitig und dröhnte unangenehm in ihrem Kopf.
Ein muffiger Geruch lag in der Luft. Es kam ihr vor, als gäbe es überhaupt keinen Sauerstoff an diesem Ort; als müsste sie ersticken. Ihr Atem ging flach, ihre Lunge verkrampfte mit jedem verzweifelten Atemzug. Hunderte verschiedene Düfte und Gerüche schienen ihre Sinne komplett zu vernebeln. Doch trotz der Vielfalt gelang es ihr einfach nicht auch nur einen von ihnen irgendetwas Bekanntem zuzuordnen.
Ihr Körper war so seltsam schwer. Kaum ein Muskel reagierte auf ihre Befehle. Sie wollte sich umsehen, begreifen, was gerade um sie herum passierte und wo sie eigentlich war, doch sie konnte sich keinen Millimeter bewegen. Alles war so träge, so gefühllos.
Nur ein stechender Schmerz, der pulsierend durch ihren Körper jagte, drang bis in ihr Bewusstsein vor und sie spürte etwas Heißes auf ihrem Rücken. Wie eine Flamme, die sich sekündlich über sie ergoss. Sie wollte schreien, den Schmerz beenden, doch alles an ihr war so unangenehm taub. Selbst die Gedanken schienen so zäh in ihr zu fließen, dass sie nie irgendwo ankamen.
Immer wieder versuchte sie ihren Kopf zu heben, der ihr plötzlich viel zu schwer für ihren zierlichen Körper erschien. Sie wusste nicht, ob sie saß, stand oder vielleicht sogar lag. Alles um sie herum war in unerreichbare Ferne gerückt und ihr Gehirn weigerte sich, aus dem Ganzen schlau zu werden.
Schatten krochen durch die Schwärze und irgendwie glaubte sie, Gestalten darin erkennen zu können. Erneut hob sie ihren Kopf und blinzelte solange, bis der seltsame Schleier in ihrem Blick größtenteils vertrieben war.
Seltsame Wesen, vermummt in schwarzen Mänteln, ihre Gesichter von weit heruntergezogenen Kapuzen verdeckt, stoben völlig lautlos an ihr vorbei. Ihre Körper schienen sich dabei kaum zu bewegen. Es war fast so, als würden sie über den Boden schweben und diesen überhaupt nicht berühren. Doch das war einfach unmöglich …
Immer wieder stöhnte sie auf, wenn eine neue Woge des Schmerzes ihren Rücken herunter floss und die Hitze in ihrem Inneren weiter anschwoll. Doch trotz des Feuers in ihr drin, überzog eine eisige Gänsehaut jeden Winkel ihres Körpers.
Sie wollte sich umdrehen, endlich alles beenden, doch etwas hielt sie am Arm fest. Kalter Schweiß, der von ihrer Stirn perlte, geriet in ihre Augen und ließ die Schemen erneut vor ihr verschwimmen.
Mit letzter Kraft drehte sie ihren Kopf zur Seite und bemerkte die spitzen Finger, die sich wie Schlangen um ihren Oberarm schlossen. Doch … es waren keine Finger. Wie die übergroßen Krallen eines Vogels hielten die schwarzen, knochigen Gliedmaßen sie mit aller Kraft an Ort und Stelle. Die scharfen, schuppigen Spitzen bohrten sich schmerzhaft in ihre Haut und hinterließen dort dunkle Striemen. Ein einzelner Blutstropfen schälte sich aus einer aufgekratzten Stelle.
Und sie hörte die zweifellose Gewissheit in ihrem Kopf, dass es keine Möglichkeit gab, diesem Wahnsinn zu entkommen.
Ein letzter Schrei entwich ihrer Kehle, als sie plötzlich jegliche Verbindung zu ihrem Körper verlor und die Dunkelheit sich erdrückend über sie legte.
Dann war alles ruhig.