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Echo

von

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8

VIII|
 

Die Nachmittagssonne stand inzwischen hoch am blauen, wolkenlosen Himmel und ein leichte, warme Brise fuhr durch das endlose Meer an hohen Grashalmen, das sich bis zum Horizont hin erstreckte. Die Halme wogten im Wind wie sanfte Wellen.
 

Fai humpelte auf seinen Stock gestützt an Kurogane vorbei und versuchte verbissen den pochenden Schmerz in seinem Bein zu ignorieren, während er sich die Worte des Ninjas durch den Kopf gehen ließ. Wie leicht es doch sein würde ihnen Glauben zu schenken, sie über sich hinweg waschen zu lassen, um alle Schuldgefühle, jeden einzelnen Fehler den er gemacht hatte, hinfort zu schwemmen. Welch eine Erleichterung es sein würde, die Verantwortung von sich zu stoßen, die Last von seinen Schultern zu nehmen und ein Leben frei vom Gewicht seiner Vergangenheit führen zu können.
 

Aber nein, das los zulassen woran er sein Leben lang geglaubt und wonach er gelebt hatte, war nicht leicht. Wenn er jemals beschließen sollte es zu versuchen, würde es wahrscheinlich das Schwierigste sein, das er jemals in seinem Leben getan hatte, sofern es ihm denn überhaupt gelingen mochte. Seine Wünsche wogen schwer auf seinen Schultern, doch es war eine Last, die er sich selbst aufgebürdet hatte.
 

Fai machte einen weiteren Schritt und hielt dann plötzlich in der Bewegung inne. Etwas lag direkt vor ihm, er konnte es spüren. Er konnte die Magie spüren, die es verbarg. Als Kurogane zu ihm aufschloss und mit einem fragenden Seitenblick an ihm vorbei gehen wollte, streckte Fai den Arm aus um ihn aufzuhalten.
 

„Halt, geh nicht weiter,“ warnte Fai ohne den Blick von dem zu nehmen, das vor ihnen lag. Kurogane blieb neben ihm stehen und Fai konnte dem verwunderten, argwöhnischen Ausdruck in seinem Gesicht entnehmen, dass der Ninja nichts bemerkt hatte. Fai jedoch ließ sich nicht beirren, und streckte den Arm gerade vor sich aus, als wolle er die Luft berühren. „Da ist eine Barriere, ich kann sie spüren.“
 

„Ich sehe nichts,“ erwiderte Kurogane skeptisch und betrachtete die weiten Wiesen, die vor ihnen lagen und sich unter dem wolkenlosen blauen Himmel bis zum Horizont hin erstreckten. Fai schüttelte den Kopf.
 

„Natürlich nicht. Sie ist magisch, man kann sie nicht sehen, nur spüren.“ Fai legte die langen, schlanken Finger flach auf die unsichtbare Wand. Seine Fingerspitzen versanken darin und lösten kleine Wellenbewegungen aus, die sich träge wie auf einer Wasserfläche ausbreiteten. „Man kann hindurch gehen,“ stellte Fai verwundert fest. „Es ist nur eine optische Barriere.“
 

„Na dann!“ Ehe Fai ihn aufhalten konnte, ging Kurogane mit energischen Schritten und einem zornigen Ausdruck im Gesicht an ihm vorbei und trat durch die Barriere, die sich wabernd hinter ihm schloss. Fai schüttelte fassungslos den Kopf. Scheinbar hatte Kurogane das Limit seiner Geduld erreicht was diese seltsame Welt betraf. Ein Gedanke nagte an Fai, eine Idee oder eine Erinnerung, er konnte es nicht genau sagen, aber die Magie dieser Barriere kam ihm entfernt vertraut vor, er konnte es nur nicht genau einordnen und ihm blieb keine Zeit darüber nachzudenken. Er musste Kurogane folgen.
 

Fai durchbrach die Barriere und stand zu seiner Verwunderung an der gleichen Stelle wie zuvor. Es war dieselbe Wiese, er konnte sogar ihre Spuren im Gras hinter ihnen sehen. Doch vor ihnen lag nun nicht mehr ein ewiges Meer an grünem Gras, das bis zum Horizont hin reichte, sondern ein Dorf. Eine Ansammlung verlassener, halb verfallener Hütten, und ein schattiger Laubwald. Kuroganes grimmig verzerrter Gesichtsausdruck bestätigte Fais eigene Vermutung: Es war dasselbe Dorf, das sie am Morgen verlassen hatten.
 

„Das kann ja wohl verdammt nochmal nicht wahr sein,“ knurrte Kurogane und stapfte wütend auf die Ruinen zu. Fai folgte ihm nur Sekunden später nachdenklich. Da war etwas im hintersten Winkel seines Kopfes, das ihm keine Ruhe lassen wollte. Ein Gedanke oder eine Erinnerung, die er nicht zu fassen bekam. Es hatte mit der Barriere zu tun, mit der Magie, die sie erschaffen hatte. Etwas daran kam ihm sehr bekannt vor, doch er wusste nicht recht, was es war.
 

„Das muss ein Traum sein, ein verdammter Albtraum,“ brummte Kurogane leise vor sich hin, als Fai ihn schließlich wieder eingeholt hatte. Sie hatten die Hütten beinahe erreicht, da blieb Fai mit einem Mal wie erstarrt stehen. Kurogane ging noch ein paar Schritte weiter, bemerkte dann, dass Fai ihm nicht mehr folgte und drehte sich schließlich irritiert zu seinem Reisegefährten um. Sein Blick wirkte deutlich gereizt und stellte eine stumme Frage: Was ist jetzt schon wieder?
 

„Du hast recht, das ist ein Albtraum,“ erwiderte Fai langsam, während seine Augen starr auf einen Punkt in der Ferne fixiert waren, während es in seinem Kopf arbeitete. Kuroganes Blick verfinsterte sich, als ihm klar wurde, dass Fais Äußerung kein Stück weit zur Besserung oder Klärung ihrer Situation beitrug.
 

„Muss mein persönlicher Albtraum sein,“ knurrte er verstimmt. „Ich und der irre Magier alleine in dieser Welt mit einem verfluchten Dorf.“ Fai löste sich aus seinen Gedanken.
 

„Das ist ein Albtraum!“ rief er und seine Miene hellte sich langsam auf, während ihn Kurogane zunehmend anstarrte, als hätte er den Verstand verloren. „Ich habe so etwas schon einmal gesehen. Wir sind in einem Alptraum gefangen.“ Er sah Kurogane mit einem Grinsen an. „Überleg doch mal, eine komplett menschenleere Welt, das verlassene Dorf, die Kreaturen, meine Verletzung, die nicht besser wird und die Illusion gestern Nacht! Das sind alles Erlebnisse wie man sie in einem Albtraum hat.“ Kurogane zog nachdenklich die Stirn in Falten. Vielleicht war der Magier doch nicht ganz irre.
 

„Das würde zu meinem Erlebnis im Wald passen,“ überlegte er langsam.
 

„Im Wald?“ Fai sah ihn fragend und ein wenig überrascht an. „Davon hast du mir gar nichts erzählt.“
 

„Ach ja?“ erwiderte Kurogane ironisch und bedachte ihn mit einem beinahe herausfordernden Blick. „Wie sich das wohl anfühlt?“ Fai starrte einen Augenblick lang wortlos zurück, ehe Kurogane erneut das Wort ergriff. „Und wie kommen wir jetzt hier raus?“
 

„Ich habe keine Ahnung.“ Fai zuckte mit den Schultern, während er sich mit beiden Händen auf seinen Stock stützte. „Die Barriere, durch die wir gegangen sind funktioniert wie ein magischer Spiegel, sie wirft alles zurück, das hineingeht. Es ist eine Magie, die Albträume in Gefäßen bannt, zum Beispiel in nach innen verspiegelten Glaskugeln. So können die Alpträume nicht nach außen gelangen. Wir müssen in einer davon gelandet sein.“
 

„Und wie zerstören wir das Ding?“
 

„Die Barriere ist magisch, du kannst sie nicht einfach mit deinem Schwert zerschlagen.“
 

„Dann benutz deine verdammte Magie um uns hier herauszuholen!“ Fai konnte deutliche sehen, dass Kurogane allmählich die Geduld mit ihm verlor. Und wer konnte es ihm verübeln?
 

„Ich kann nicht,“ erwiderte er dennoch starr und sah zur Seite, woraufhin sich Kuroganes Blick erneut verfinsterte.
 

„Ich glaube dir kein Wort.“ Die Ehrlichkeit mit der Kurogane diese Worte sprach, traf Fai wie ein Schlag ins Gesicht. Es war nicht so, dass er nicht gewusst hatte, dass Kurogane ihm nicht glaubte, oder dass er keinen guten Grund dazu hatte, dennoch schmerzte es, die Worte ausgesprochen zu hören. Ein tiefer, dumpfer Schmerz.
 

„Du verstehst das nicht,“ setzte Fai zu seiner Verteidigung an, wurde jedoch sogleich unterbrochen.
 

„Nein, natürlich nicht!“ fuhr ihm Kurogane zornig dazwischen. „Du erklärst es ja auch nicht! Du kannst den ganzen Tag lang reden ohne auch nur ein Wort dabei zu sagen!“ Fai schüttelte langsam den Kopf. Wie sollte er erklären was er in all der langen Zeit, die er nun gelebt hatte, immer und immer wieder ums neue auf schmerzhafte Weise gelernt hatte?
 

„Meine Magie hat noch niemals irgendwen gerettet,“ erwiderte er schließlich matt. „Vor allem nicht mich selbst!“
 

„Du hast uns in Recort gerettet,“ warf Kurogane ein. Die Augen hatte er verengt und mit scharfem Blick auf Fai fixiert.
 

„Und wo hat uns das hingebracht?“ Fai hob hilflos beide Arme und deutete vage auf ihre Umgebung.
 

„Tu das nicht,“ warnte Kurogane drohend und Fai sah ihn fragend an. „Gib dir nicht selbst die Schuld an allem was schief geht.“ Fai bedachte ihn mit einem langen, undeutbaren Blick, ehe er schließlich den Arm vor sich ausstreckte und begann Runen in die Luft zu malen, wobei er sich einmal um sich selbst drehte. Er war diese Diskussion so leid. Seine Finger zogen schimmernde Spuren, während er den Zauber wob. Doch etwas stimmte nicht, denn die Runen verschwanden eine nach der anderen nachdem er sie vollendet hatte. Der Zauber fiel in sich zusammen.
 

„Es funktioniert nicht,“ bemerkte Fai schließlich resigniert und gab auf. „Natürlich nicht, weil es keine echte Magie ist, sondern nur geträumt. Genau wie dein Schwert.“ Er konnte mit dieser Magie ein Feuer entzünden und er hätte wohl auch die Kreaturen bekämpfen können, denn all das war eben so unecht wie die Magie selbst, doch er konnte damit nicht den Bannzauber aufheben. Dementsprechend würden auch keine Portalmagie funktionieren. Fai zog nachdenklich die Stirn in Falten. Wenn er richtig lag und sie tatsächlich in einem Bannzauber gelandet waren, was ihm sehr wahrscheinlich erschien obwohl er noch niemals davon gehört hatte, dass es möglich war, dann wollte er nicht wissen, was als nächstes auf sie lauerte.
 

„Und was machen wir jetzt?“ Kurogane stemmte sein Schwert in den Boden und sah sich finster um. Fai zuckte die Schultern.
 

„Ich denke, wir müssen einfach nur aufwachen.“ Kurogane wandte sich nun erneut zu ihm um und blickte Fai irritiert an.
 

„Ach wirklich,“ bemerkte er sarkastisch. „Und wie genau stellen wir das an?“
 

„Wie wacht man aus einem Alptraum auf?“ überlegte Fai leise und dachte nach. Normalerweise konnte man sich dazu zwingen aufzuwachen, wenn man wusste, dass man träumte. Doch das funktionierte nicht. Fai legte den Kopf schief und ließ seinen Blick über den Horizont wandern, dem die Sonne langsam entgegen sank. Wann erwachte man aus Alpträumen? Fais Augen weiteten sich ein wenig in Erstaunen, als ihm schließlich die Erkenntnis kam. Es gab nur eine Möglichkeit. Ehe Fai es sich anders überlegen oder zu lange darüber nachdenken konnte, wandte er sich zu Kurogane um und sagte mit fester Stimme:
 

„Bring mich um.“
 

„Gibst du etwa schon auf?“ Kurogane hob eine Augenbraue und der Sarkasmus in seiner Stimme war kaum zu überhören. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm klar wurde, dass Fai seine Aufforderung ernst gemeint hatte. Er ballte die Faust um den Griff seines Schwertes. „Bist du verrückt geworden?“
 

„Nein, vertrau mir,“ erwiderte Fai und seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Lächeln, als ihm die Ironie seiner Worte bewusst wurde. „Man wacht immer aus einem Albtraum auf, wenn man stirbt.“ Kurogane schüttelte langsam den Kopf.
 

„Du bist verrückt geworden.“ Als ihm allmählich bewusst wurde, dass Fai tatsächlich von seiner Theorie überzeugt war und nicht nachgeben würde, zog der große Ninja die Stirn in Falten und musterte seinen Reisegefährten misstrauisch. „Warum bringst du nicht mich um?“ Fai starrte mit festem Blick zurück.
 

„Das kann ich nicht,“ gestand er schließlich. „Nicht einmal wenn ich wollte. Mir ist klar geworden, dass es Wünsche gibt, die nicht in Erfüllung gehen können.“ War es nicht eben das, was er auf dieser Reise gelernt hatte? Dass die Erfüllung seines Wunsches unmöglich war? Wenn dem wirklich so war, dann gab es keinen Grund für Fai Kurogane entgegenzutreten, ihn zu töten. Und selbst wenn es möglich gewesen wäre, war der Preis vielleicht zu hoch. „Du wirst nicht durch meine Hand sterben.“
 

„Und was dann?“
 

„Dann werde ich den Bannzauber lösen und dich befreien oder du tötest dich selbst und wachst ebenfalls auf.“ Fai musste unwillkürlich lächeln, als er seinen eigenen Worten lauschte. Kurogane würde ihm niemals glauben.
 

Er hatte es nicht gewusst, damals als er beschlossen hatte niemals wieder Magie zu wirken. Weil er geglaubt hatte, dass seine Magie mit einem Fluch behaftet war, der alle Menschen um ihn herum ins Unglück stürzte und in den Wahnsinn trieb. Aber wem hatte er etwas vormachen wollen? Er hatte immer gewusst, dass er den Drang seine magischen Kräfte zu nutzen nicht ewig würde unterdrücken können. Irgendwo tief vergraben, hatte er immer gewusst, dass der Punkt kommen würde, an dem er sich entscheiden musste ein Opfer zu bringen. Doch als es schließlich so weit gewesen war, war er nicht dazu bereit gewesen, er war nicht bereit gewesen andere unter seiner Entscheidung leiden zu lassen. Niemals wieder sollte ein anderer unter seinen Entscheidungen leiden müssen. Niemals wieder. Doch seine Entscheidung hatte dazu geführt, dass sein Kartenhaus aus Lügen zu wackeln begann. Es war von Beginn an niemals sonderlich stabil gewesen, doch nun drohte es ganz in sich zusammenzufallen. Er war gehasst, verbannt, verflucht, gerettet und benutzt worden. Und er war noch immer ein Werkzeug, eine Spielfigur auf dem Brett.
 

Doch all das war ihm egal gewesen, solange er immer noch am Leben war, lebendig gehalten durch sein Wunsch. Aber nein, es war nicht mehr nur ein Wunsch, nicht wahr? Doch seine Wünsche hatten niemals irgendwem geholfen, zuallerletzt ihm selbst. Seine Wünsche hatten immer nur Leid über jene Menschen gebracht, die ihm nahe gestanden hatten. Er hatte immer gewusst, dass es besser gewesen wäre, wenn er an jenem Tag gestorben wäre, gemeinsam mit Fai, doch sein Wunsch zu leben war immer stärker gewesen als die Vernunft. Dumm. Wie dumm er doch gewesen war. Fai hingegen war klug genug gewesen eine andere Wahl zu treffen. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was geschehen wäre, wenn er dieselbe Wahl getroffen hätte wie sein Bruder.
 

Er hatte sich so sehr in seinen Lügen verstrickt, dass es ihm schwerfiel sich zu bewegen. Er trug das Grinsen auf seinen Lippen wie einen Schild gegen Fragen und Argwohn und den Witz auf der Zunge gegen Misstrauen. Doch all seine Mühen hatten nur das Gegenteil bewirkt. Kurogane hatte ihm immer misstraut und es würde auch jetzt nicht anders sein.
 

Doch Kurogane hob sein Schwert und zog die Klinge blank, dann betrachtete er das blitzende Metall zögernd.
 

„Was hast du schlimmes getan, dass du glaubst Tausende auf dem Gewissen zu haben?“ fragte er schließlich an Fai gewandt, der wiederum die Schultern hob.
 

„Ich wurde geboren und wollte leben.“
 

Es ging zu schnell. Fais Augen weiteten sich in Erstaunen, als er mit einem Mal den Schmerz in seiner Brust spürte, wo die Klinge ihn durchbohrt hatte. Es ging zu schnell, als dass er hätte schreien können.
 

„Das ist kein Verbrechen,“ hörte er Kuroganes leise Stimme sagen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zurück und es tut mir so leid, dass es so ewig lange gedauert hat dieses Kapitel fertig zu stellen. Es ist alles andere als perfekt und ausgereift, aber da ich momentan so viel zu tun habe, wollte ich euch das Ende nicht länger vorenthalten! Ich werde es wahrscheinlich ein wenig aufarbeiten, wenn wieder mehr Zeit ist, aber am Inhalt wird sich nichts ändern. Komplett anzeigen

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Von:  Lady_Ocean
2015-09-07T05:51:28+00:00 07.09.2015 07:51
*g* Kuroganes "erst handeln, dann denken"-Mentalität. Total typisch, wie er ohne weiteres einfach durch die Barriere gegangen ist, obwohl Fye ihn offensichtlich davon abhalten wollte. Na ja, in solchen Situationen hatte er sich bisher immer auf seine Kraft und Erfahrung als Krieger verlassen können. Da war es auch egal, ob auf der anderen Seite Gefahren lauern könnten.

Wenn ich mir die gesamte Entwicklung der FF so ansehe, ist es erstaunlich, wie sich Fyes und Kuroganes Verhalten gegenüber einander geändert hat. Während es zu Beginn noch von so vielen Lügen und Misstrauen geprägt gewesen war, ist Fye in so vielen Punkten offener und ehrlicher geworden und Kurogane zeigt deutlich mehr Vertrauen, teilweise geradezu Verständnis. Kuroganes Reaktion auf Fyes Aussage, dass seine Magie allen nur Unheil bringe ("Gib dir nicht selbst die Schuld an allem was schief geht.") unterstreicht das sehr eindrucksvoll. Spätestens seit ihrer Unterhaltung über Tod und Schuld ist Kurogane klar, wie viel Verantwortung Fye sich aufbürdet und dass vieles davon aus seiner Sicht ungerechtfertigt ist. - Um mal ein Beispiel zu nennen, was mir jetzt gerade ganz konkret auffällt. Mit allem, was sie in den vergangenen Tagen erlebt haben, wirkt diese Veränderung zwischen ihnen sehr natürlich. Gleichzeitig ist es längst keine abgeschlossene Entwicklung. Fye hält nach wie vor den Kern seiner Vergangenheit versteckt und Kurogane ist misstrauisch bis genervt von Fyes Ideen und Vorschlägen, weiß nie wirklich, ob das, was Fye sagt, ernst gemeint oder wieder nur irgendein Witz ist. Da ist dir eine sehr gute Balance gelungen, finde ich. Sie passt zum weiteren Verlauf von Tsubasa Reservoir Chronicle, passt zu Fyes und Kuroganes Charakteren und gibt ihnen Tiefe. Außerdem macht es nicht alle ihre Handlungen vorhersehbar oder leicht nachvollziehbar. Ich denke beispielsweise immer noch darüber nach, was genau Fye wohl gefühlt und gedacht hat, als er zu Kurogane meinte, dass er ihn nicht töten könnte, nicht einmal, wenn er es wollte. Warum er das mit den Wünschen gleichsetzt, die nicht in Erfüllung gehen können. Und woran genau er wohl dachte, als er über seinen Wunsch, die Entscheidung, nie wieder Magie zu benutzen, und das Erbringen von Opfern nachgedacht hat. Er denkt an Recort zurück, wo er dieses Tabu, das er sich selbst auferlegt hat, bricht. Und dass damit die heile Welt, die er allen vorgemacht hatte, zu bröckeln begonnen hatte, seine Lügen offengelegt hat. Doch so ganz kann ich die Metaphern dennoch nicht greifen.
Interessant ist auch, dass Kurogane zum Schluss noch einmal das Gespräch vom Vortag aufgreift und nach dem Grund für Fyes Schuldgefühle fragt. Dass er ausgerechnet diesen Zeitpunkt für seine Frage gewählt hat, hat schon etwas Besonderes. Er kommt Fyes Bitte, ihn zu töten, zwar nach, aber im Grunde zweifelt er doch daran, dass das die Lösung für ihr Problem ist. Vielleicht schwankt er irgendwo zwischen Angst, dass der Magier selbst nicht weiß, was er da tut, Misstrauen, dass er ihn absichtlich in die Irre leitet, um sich aus dem Leben zu stehlen, und Vertrauen (in Outo hatten sie schon einmal ähnliche Erfahrungen mit einer Traumwelt gemacht). Die Gefahr, dass Kurogane danach keine Chance mehr bekommen könnte, eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, war also durchaus hoch. Und selbst wenn sie, so wie Fye es plante, auf diese Art aus der Albtraumwelt entkamen, würden sie danach ja mit Sakura und Shaolan weiterreisen und vielleicht keine Gelegenheit mehr bekommen, das Gespräch noch einmal aufzugreifen. Vor den beiden würde Fye sich garantiert so verhalten, als hätte es die unerwarteten Zwischenfälle in diesem Albtraum nie gegeben. So oder so war es also Kuroganes letzte Chance, vielleicht noch eine ehrliche Antwort von Fye zu bekommen. Und vielleicht stand Fye seinem Vorhaben mit ähnlich gemischten Gefühlen gegenüber, dass er Kurogane so direkt und schnörkellos geantwortet hat.


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