Zum Inhalt der Seite

This Is Called Love

Kurzgeschichten Sammlung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Flower Boy

„Hey, Christian!ˮ Aufgeregt kommt meine Kollegin zu mir und hockt sich neben mich. „Rate mal wer wieder da ist?ˮ

„Wer?ˮ, frage ich genervt, weil ich echt keinen bock habe ihr dummes Ratespiel mitzumachen.

„Dein Lieblingskunde.ˮ Sie grinst breit und deutet in den Vorderraum.

„Wohl eher unser Stammkunde.ˮ

„Ich frage mich wirklich für wen er die Blumen jeden Tag kauft?ˮ, grübelt Julia und stützt ihr Kinn auf die Hand, während sie neben mir hocken bleibt. Ich seufze. „Kannst du das nicht übernehmen? Du siehst doch, dass ich gerade dabei bin die Clivien umzutopfen.ˮ

„Würde ich ja gerne, aber er hat nach dir gefragt.ˮ Julia zieht einen Schmollmund.

„Frag ihn doch einfach mal warum er ständig die Blumen kauft?ˮ

„Was? Das sagt sich so leicht!ˮ Empört boxt Julia mir gegen die Schulter. „Hast du ihn dir mal richtig angesehen? Er ist ein echter Hingucker! Ich kriege kein Wort heraus, wenn er mir gegenüber steht. Was für eine Schande.ˮ Sie seufzt wehleidig. „Würde er nur nicht immer so griesgrämig durch die Weltgeschichte spazieren, dann könnte er wirklich jede Frau haben.ˮ

„Vielleicht macht er das mit Absicht? Damit er vor all den Frauen seine Ruhe hat?ˮ, erwidere ich belustigt.

„Als eine Art Schutzschild?ˮ

„Klar, warum nicht?ˮ

„Jetzt geh schon rüber. Er ist schon ganz ungeduldig. Ich mache das hier fertig.ˮ

„Okay.ˮ Ich gebe mich geschlagen, wische mir die verdreckten Hände an der Schürze ab, so dass die Erde daran hängen bleibt und gehe nach vorne in den Verkaufsraum.

Da steht er und sieht mir aufmerksam entgegen. Er ist einen Kopf größer als ich. Bestimmt um die 1,80 Meter. Mindestens. Er trägt wie üblich einen schwarzen Anzug. Ob er direkt von der Arbeit hierher kommt?

Hinter der schneidigen Brille verstecken sich stechend grüne Augen. Seine Haare sind hellbraun und kurzgeschnitten. Keine Haarsträhne liegt an der falschen Stelle. Wie immer sieht er perfekt geschniegelt aus. Würde mich nicht wundern, wenn er sogar zur Maniküre geht.

Ich stemme meine Hände auf den Tresen. „Guten Tag. Das Übliche?ˮ, frage ich ihn monoton.

Seine Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammen gepresst als er zustimmend nickt.

„Einen Moment bitte.ˮ Julia hat Recht. Mich würde auch mal interessieren wieso er immer die gleichen Blumen kauft. Wieso er jeden Tag herkommt? Für wen sind diese Blumen?

Ich gehe nach vorne und hocke mich direkt vor das große Fenster zur Straße hin. „Sieht so aus als wären keine mehr da...ˮ, murmele ich und schiebe ein paar Blumentöpfe zur Seite. „Wie wäre es stattdessen mit der Crossandra?ˮ Als ich mich umdrehe erschrecke ich, weil er auf einmal so dicht hinter mir steht. Sieht so aus als würde seine Miene noch eine Spur grimmiger aussehen, wenn das überhaupt geht.

Ich ziehe den Topf in der die lachsfarbene Pflanze mit den dunkelgrünen Blättern steckt hervor. „Sie blüht von Frühjahr bis Herbst. Allerdings sollte sie an warmen bis feuchten Plätzen stehen, da sie recht anfällig für Schädlinge ist. Am besten nicht unter 18° C. In Wohnräumen oder im Badezimmer wäre es am geeignetsten.ˮ

„Hm...ˮ Er wirkt wenig begeistert.

„Ich bestelle Ihre Blumen gleich damit wir sie wieder auf Vorrat haben.ˮ

„Okay.ˮ

„Prima.ˮ Lächelnd erhebe ich mich mit dem Topf und gehe an die Kasse. Ich stecke die Pflanze in eine Tüte und nenne den Preis. Er schiebt mir einen Schein zu und als ich ihm das Wechselgeld gebe, berühren sich unsere Hände. Seltsam, ich hätte nicht gedacht, dass er solche warmen Hände hat. Bei einem Mann wie ihm würde man im ersten Moment nicht einmal denken, dass er Blumen mag.

Als er den Laden verlässt sehe ich ihm nachdenklich hinterher.
 

***
 

„Huch! Haben Sie mich erschreckt!ˮ Mein Herz klopft heftig in meiner Brust. Ich hocke hinten im Lager bei den Pflanzen und bin dabei einige von vertrockneten Blättern zu befreien. „Wie lange stehen Sie schon dort?ˮ

„Nicht sehr lange.ˮ

„Einen Moment, bitte. Ich kümmere mich sofort um Sie.ˮ

„Es eilt nicht.ˮ

Mein Blick bleibt auf ihm hängen. Er ist heute später hier. Kurz vor Ladenschluss. Ich habe mich schon gewundert wo er bleibt.

„Ihre Blumen sind leider noch nicht eingetroffen. Sie werden aber im Verlauf der Woche ankommen.ˮ Ich lächele ihm kurz zu, ehe ich noch ein paar Blätter im Müllbeutel verschwinden lasse.

„Danke.ˮ Er räuspert sich.

„Alles okay? Werden Sie krank?ˮ, frage ich ihn verwundert. Als ich mich umdrehe sieht er mich überrascht an. Doch dann verdunkelt sich seine Miene schlagartig. „Möglich. Ich habe ein leichtes Kratzen im Hals.ˮ

„Ah, verstehe. Ich habe ein paar Salbei Bonbons in meiner Tasche.ˮ Ich gehe zu meinem Spind und bin doch ein wenig nervös. Normalerweise verirrt sich kaum ein Kunde in den Lagerraum. Ich öffne den Spind und wühle in meiner Tasche. Endlich fündig geworden gebe ich dem Mann eine handvoll der Bonbons.

„Danke.ˮ Ein kaum merkliches Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. Oder irre ich mich?

„Ähm, soll ich Ihnen eine neue Pflanze heraussuchen? Kommen Sie mit der Crossandra klar?ˮ

„Ja, ich habe sie im Badezimmer stehen.ˮ

„Schön.ˮ Ich lächele zufrieden. „Heute sind ein paar Venusfliegenfallen eingetroffen. Die können Sie gut im Schlafzimmer aufstellen. Gerade in der Sommerzeit wird man so ein paar lästige Fliegen los.ˮ Er folgt mir in den Verkaufsraum. Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass es langsam Abend wird. Der Himmel verdunkelt sich. Der Laden wirkt schummrig.

„Geben Sie mir zwei.ˮ

Ich nicke und bringe die Pflanzen zur Kasse. Als ich kurz aufsehe lutscht er an einem der Bonbons.

„Ähm...ˮ Ich atme tief durch und nehme all meinen Mut zusammen. „Darf ich Sie etwas fragen?ˮ

Er hebt den Blick und sieht mir direkt in die Augen. Unwillkürlich kommt mir der Gedanke, dass die grimmige Miene nun mal sein Gesicht ist. Er kann nicht anders gucken. Nervös lecke ich mir über die trockenen Lippen. „Sie kaufen jeden Tag dieselben Blumen hier und ich wollte Sie einfach mal fragen für wen die sind. Für Ihre Frau? Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen zu nahe trete.ˮ

Für einen Moment überkommt mich das mulmige Gefühl als hätte ich nicht fragen sollen.

Er weicht meinem Blick aus und wirkt verärgert. Ich habe es doch gewusst. Ich hätte ihn nicht fragen sollen. Es ist ihm zu persönlich.

„Ich möchte darauf nicht antworten.ˮ

„Verstehe. Tut mir leid.ˮ Hastig berechne ich die Pflanzen, kassiere das Geld und reiche ihm die Tüte. „Auf Wiedersehen.ˮ

Er nickt flüchtig und verlässt den Laden. Seufzend stütze ich mich auf den Tresen und vergrabe mein Gesicht in den Händen. In was für ein Fettnäpfchen bin ich da nur wieder getreten?
 

***
 

„Nächste Woche ist Valentinstag. Was schenkst du mir?ˮ, fragt Julia grinsend. Ich ziehe eine Schnute. „Frag deinen Freund. Wieso soll ich dir etwas schenken?ˮ

„Och man...ˮ Julia zieht eine Grimasse und streckt mir die Zunge heraus. „Ich werde so gerne beschenkt.ˮ

„Wie wäre es mit einer Blattlaus?ˮ, frage ich sie neckend.

„Igitt! Du bist so eklig!ˮ, meint Julia und schubst mich leicht, so dass ich mich am Regal abstützen muss. Ich lache und klatsche in die Hände. „Du hast es so gewollt. Du bekommst eine ganze Ladung Blattläuse auf Schokolade serviert. Gourmets würden das bestimmt als Delikatesse durchgehen lassen!ˮ

„Bah~! Du bist echt widerlich! Wehe du machst das wirklich!ˮ

Ich strecke ihr die Zunge aus, woraufhin Julia mir spielerisch gegen die Brust boxt.

„Ähem!ˮ Jemand räuspert sich.

„Guten Tag!ˮ Ich lächele und gehe an die Kasse. Irgendwie sieht er heute mitgenommen aus. „Ist es besser geworden?ˮ

„Was?ˮ, fragt er krächzend und mit heiserer Stimme.

„Okay, hat sich erledigt.ˮ Ich lächele. Salbei Bonbons sind eben kein Wundermittel gegen Erkältungen.

„Sie wirken gut gelauntˮ, meint er und reibt sich mit der Hand über den Hals.

„Wir haben nur Spaß gemacht.ˮ Verschmitzt sehe ich zu Julia. Dann kommt mir jedoch ein Gedanke. „Stimmt ja, nächste Woche ist Valentinstag. Möchten Sie da eine bestimmte Blume kaufen? Rosen gehen an dem Tag weg wie sonst was.ˮ

„Ich mag Rosen nicht.ˮ Erstaunt ziehe ich die Augenbrauen hoch. So was. Wie interessant.

„Äh... nun ja, wir haben auch noch reichlich andere Pflanzen.ˮ

„Ich weiß nicht...ˮ Er sieht schon wieder genervt aus. Weil er nicht weiß was er nehmen soll? Oder hat er niemanden, dem er an Valentinstag Blumen schenken könnte? Aber für wen kauft er dann immer die anderen Pflanzen?

Ich linse zu Julia, die noch immer schweigend beim Regal mit den Töpfen steht und schweigt. Sie starrt ziemlich auffällig zu unserem Kunden was dieser jedoch scheinbar nicht zu bemerken scheint. Stattdessen ruht sein Blick auf mir.

„Ich nehme das Übliche.ˮ

Ich nicke emsig. „Die Blumen treffen morgen ein. Ich habe schon eine E-Mail erhalten.ˮ

„Ich habe Ihnen für heute eine Amaryllis zur Seite gestellt.ˮ

„Danke.ˮ

Ich lächele und gehe nach hinten. Wieso trete ich nur immer von einem Fettnäpfchen ins Nächste? Erst gestern und heute schon wieder.

Ich greife nach dem Topf und bringe die Pflanze nach vorne. „Hier ist sie.ˮ

Er mustert sie und nickt.

„Das wäre alles? Gute Besserung.ˮ Er sieht flüchtig zu mir und verlässt den Laden.

Sofort kommt Julia auf mich zu. Sie schlittert über den glatten Boden und prallt mit der Schulter leicht gegen mich. „Sah er heute nicht umwerfend aus?ˮ, schwärmt sie.

„Meinst du?ˮ

„Kannst du ihn nicht mal fragen wie er heißt?ˮ, bettelt sie.

„Wenn du etwas mit ihm anfängst erzähle ich es deinem Freund!ˮ, drohe ich mit erhobenen Zeigefinger.

„Ach ein bisschen schmachten darf ich ja wohl! Ist ja nicht so, als würde mein Freund andere Frauen gar nicht ansehen!ˮ, meint sie schmollend.

„Du bist unverbesserlich.ˮ Seufzend gebe ich nach. „Also gut. Ich frage ihn morgen.ˮ

Freudestrahlend fällt Julia mir um den Hals. Doch so schnell wie sie das getan hat, lässt sie auch wieder los. „Herrje, schon so spät. Ich mache Schluss für heute!ˮ

„Bis nächste Woche.ˮ

Stimmt ja. Morgen ist bis 13 Uhr noch geöffnet und dann habe ich endlich mal wieder Wochenende.
 

***
 

Nach der Arbeit am Samstag laufe ich heim. Ich wohne praktisch direkt um die Ecke. Zwei Straßen weiter steht mein Wohnkomplex.

„Merkwürdig, heute war er gar nicht da...ˮ, murmele ich stirnrunzelnd beim Türaufschließen. Vielleicht ist er ja wirklich krank geworden? Gestern sah er nicht sehr fit aus.

Meine Sachen lasse ich im Flur zu Boden fallen, streife mir die Schuhe von den Füßen und lasse mich im Wohnzimmer aufs Sofa plumpsen. Ich strecke Arme und Beine weit von mir und schließe die Augen.

Nächsten Samstag ist Valentinstag. Wieso musste Julia dieses leidige Thema nur ansprechen? Während alle Verliebten diesen Tag für Liebesbeweise nutzen hänge ich nach Ladenschluss Zuhause alleine herum.

Mit den Händen reibe ich mir über die Augen und gähne herzhaft. Zum Teufel mit Valentinstag. Es ist ein ganz normaler Samstag. Mehr nicht.

Schwungvoll stehe ich auf und gehe in die angrenzende Küche um mir eine warme Mahlzeit zu kochen.
 

***
 

Am Montag kommt er erst Abends vorbei. Kurz vor Ladenschluss. Julia war ziemlich niedergeschlagen, dass sie ihn verpasst hat.

„Hallo, ich habe Sie schon vermisst!ˮ, grüße ich ihn lächelnd. Irritiert sieht er mich an.

„Ah, das war nur so dahin gesagt. Sie waren am Samstag nicht hier.ˮ

„Ja, ich war zwei Tage auf Geschäftsreise.ˮ

„Echt? Wo waren Sie?ˮ, frage ich ihn neugierig.

„In Luxemburg.ˮ

„Wow! Ist es schön dort?ˮ

„Ich habe nicht viel von der Stadt gesehen. Ich war nur wegen der Arbeit dort.ˮ

„Ach wie schade.ˮ Ich stütze mich auf den Tresen und sehe ihn bedauernd an. Seufzend lasse ich meinen Blick durch den Laden schweifen. „Ich komme hier kaum raus. Viel verdienen tue ich nicht, dabei würde ich gerne viel reisen. Jedes Mal, wenn ich neue Pflanzen aus anderen Ländern bekomme ist es als würde ich eine kleine Weltreise machen. Verstehen Sie? Ich sehe zwar nicht das Land, aber wenn ich die Pflanzen betrachte bin ich immer wieder beeindruckt was es für verschiedene Arten auf der ganzen Welt gibt.ˮ

Er nickt und es scheint als würde er sich ein wenig entspannen. Er lehnt am Tresen und lauscht meinen Erzählungen ohne das es ihn stört. Die meisten Kunden sind eher kurzangebunden. Ihn hingegen scheint es nicht zu belästigen.

„Darf ich fragen wie Sie heißen?ˮ

Er sieht mich an und wirkt erstaunt. „Mikael.ˮ

„Oh.ˮ Wow, hübscher Name.

„Oh?ˮ, fragt er.

„Na ja, ich hatte gedacht eher so etwas Alltägliches wie Daniel, Stefan oder Matthias...ˮ

Er verzieht seine Miene.

Ich beuge mich grinsend ein wenig weiter über den Tresen. „Ich heiße Christian.ˮ

Als er mich aufmerksam ansieht ziehe ich mich wieder ein Stück zurück. „Ah!ˮ Meine Hand schlägt wuchtig auf die Tischplatte. „Ihre Blumen sind ja mittlerweile angekommen! Kommen Sie mit. Sie stehen noch hinten.ˮ

Ich gehe durch die Tür und höre seine Schritte hinter mir. Auf einem Regal stehen die Neuankömmlinge. „Dacula Vampira.ˮ Lächelnd sehe ich zu ihm. Die Pflanze hat drei Blütenblätter, die aussehen wie ein Stern. Sie haben eine rötliche Punktmusterung und die Besonderheit ist, dass diese Orchiedeenart einen Duft verströmt. Hat schon etwas Vampirisches an sich, wenn Mikael sie so unwiderstehlich findet, dass er sie ständig hier kauft. Es sei denn sie gehen ihm dauernd ein und deswegen kauft er neue. Ihm? Oder einer anderen Person? Für wen auch immer sie sind.

Mikael beugt sich vor und riecht an einer Dracula-Orchidee. Er schließt seine Augen und ein flüchtiges Lächeln ziert seine Lippen. Wie gebannt sehe ich ihn an.

„Wollen Sie eine mitnehmen?ˮ, frage ich ihn.

„Ja.ˮ Er nickt und reicht mir einen der Blumentöpfe. Ich nehme diesen an mich und gerade als ich mich umdrehen will, bleibe ich mit dem Fuß an irgendetwas am Boden hängen und strauchele.

„Whoa!ˮ, entfährt es mir überrascht als ich auch schon zu Boden falle. Hastig greift Mikael nach mir, schafft es aber nicht mehr mich aufzufangen. Zusammen prallen wir auf den Boden.

„Aua...ˮ, jammere ich und greife mir an den Schädel. Mikael liegt auf mir und hebt den Kopf. Als sich unsere Blicke treffen sind wir beide unfähig auch nur ein Wort von uns zu geben. Mein Puls rast und mein Herz schlägt wie ein Presslufthammer. Was für ein Schrecken!

„Alles in Ordnung?ˮ, fragt er. Seine Stimme klingt so leise. Und er ist schwer, obwohl er recht schlank ist.

„Ich lebe noch.ˮ Schmunzelnd sehe ich zu ihm. Erleichtert rappelt er sich auf und hilft mir hoch. „Dieser verdammte Wasserschlauch! Ich habe vergessen ihn aufzurollen!ˮ, murre ich und berühre ihn mit der Fußspitze.

Mittlerweile beruhige ich mich langsam wieder von dieser Achterbahnfahrt gen Boden. Zum Glück scheint Mikael sich auch nichts getan zu haben.

„Haben Sie jetzt Feierabend?ˮ, fragt er.

Ich blicke auf als ich zurück im Verkaufsraum auf das Tastenfeld der Kasse tippe. „Ja.ˮ

„Hm...ˮ Er nimmt die Tüte entgegen.

„Ich muss noch die Abrechnung machen.ˮ

„Okay.ˮ Er sieht mich abwartend an.

Hä? Will er etwa warten? Worauf? Irritiert sehe ich kurz zu Mikael, ehe ich einen Stuhl hervorziehe und beginne die Kassenbons durchzugehen und das Geld zu zählen.

Ruhig bleibt er am Tresen stehen. Nur hin und wieder sieht er sich im Laden um. Wir schweigen, aber irgendwie ist es nicht unangenehm.

„Wäre es nicht einfacher den ganzen Schwung an Orchideen mitzunehmen, als jeden Tag hierher zu kommen? Ich meine, das ist doch ziemlich umständlich oder nicht?ˮ, frage ich Mikael abwesend.

„Der Laden liegt auf dem Weg von meiner Arbeit nach Hause.ˮ Wieder wirkt er kurzangebunden. Ob er das so meint oder weicht er mir gerade aus?

„Ist das so?ˮ, stellle ich fest und schließe die Kasse mit einem Schlüssel ab. Ich stehe auf und hole meine Sachen aus dem Spind. Als ich wieder in den Laden trete steht Mikael an der Tür. Er wartet tatsächlich auf mich.

Ich lächele, öffne die Tür und lasse ihn als erstes hinaustreten. Ich schließe den Laden ab und stehe etwas unschlüssig herum. „Tja... also...ˮ

„Hast du hunger?ˮ, fragt er. Nanu? Kein Siezen mehr? Soll mir nur recht sein. Auf Dauer ist es irgendwie nervig. Da fühlt man sich so alt. Zumindest ich.

„Ja,schon...ˮ

„Hier gibt es einen Imbiss.ˮ Er deutet hinter sich. „Ich lade dich ein.ˮ

„Danke.ˮ Lächelnd gehe ich mit ihm die Straße entlang. Ich werde echt nicht schlau aus ihm. Wieso lädt er mich jetzt zum Essen ein? Muss er nicht nach Hause? Hat er keine Frau und Kinder oder zumindest eine Freundin?

Kurz darauf sitzen wir auf einer kniehohen Betonmauer vor einem Parkplatz, der zu einem Supermarkt gehört.

„Ich bin sprachlos.ˮ

„Wieso?ˮ, fragt Mikael.

„Weil du einen Döner isst.ˮ

„Und?ˮ Verdattert sieht er mich an genau wie ich es bei ihm tue.

„Na ja, irgendwie wirkst du nicht wie der Dönertyp.ˮ

„Dönertyp?ˮ Mikael schmunzelt.

„Ich meine nur, du siehst aus als würdest du ausschließlich in teuren Restaurants essen!ˮ, versuche ich umständlich zu erklären.

Mikael wirkt sichtlich amüsiert. „Ich verdiene zwar gut, aber das wäre dann doch etwas zu teuer auf Dauer.ˮ

Ich beiße in meinen Döner mit Hühnchen und kaue andächtig. Hin und wieder fährt ein Auto auf der Straße vor uns vorbei. Es ist bereits dunkel und die vielen Straßenlichter lassen die Nacht aufleben. Nur wir beide sitzen ein wenig in der schummrigen Dunkelheit. Die nächsten Straßenlaternen stehen etwas abseits von uns.

„Danke für den Döner.ˮ Nach dem Essen verabschiede ich mich von Mikael. Er ist doch umgänglicher als ich vermutet habe. Sogar nett und wenn er lächelt...

Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich um. Ich blicke ihm nach und schüttele den Kopf. Was denke ich da nur für Unsinn? Kopfschüttelnd trete ich den Heimweg an.
 

***
 

Die nächsten Tage taucht er nicht auf. Die Arbeit im Laden ist eintönig. Hin und wieder bediene ich einige Kunden, kümmere mich um die Pflanzen und halte immer wieder Ausschau nach Mikael.

„Wenn du noch einmal seufzt ziehe ich dir den nächsten Kübel über den Kopf!ˮ, meckert Julia belustigt.

„Den kriegst du doch gar nicht hoch.ˮ

„Doch die kleinen Kübel schon!ˮ, meint sie drohend und lehnt sich neben mich auf den Tresen. „Was ist los mit dir?ˮ

„Ich habe keine Ahnung.ˮ

„Vermisst du deinen Stammkunden?ˮ, neckt sie mich.

„Ach, wo denkst du hin?!ˮ, fahre ich sie ungehalten an.

„Du wirkst als hättest du Liebeskummer oder Geldsorgen.ˮ Sie grinst breit. „Was ist es?ˮ

„Weder das eine noch das andere!ˮ, murre ich und wende mich ab.

„Du bist sauer, weil Samstag Valentinstag ist und du niemanden hast mit dem du diesen Tag verbringen kannst.ˮ

„Pff~ träum weiter!ˮ

„Du wirst es schon überleben.ˮ Julia klopft mir lachend auf den Rücken. „Frauen stehen nun mal nicht auf Floristen. Sie wollen Männer wie Mikael! Geheimnisvolle, gutaussehende Männer.ˮ

Verstimmt sehe ich sie an, als sie sich auch schon umdreht und mit der Gießkanne zu den Blumen am Fenster geht.

Mit den Fingern trommele ich auf der Tischplatte herum. Auf die andere Hand stütze ich meinen Kopf. Ob das stimmt? Bin ich vielleicht nicht mal attraktiv? Hier kommen doch ständig Frauen in den Laden. Aber wahrscheinlich nicht wegen mir. Frustriert spiele ich mit meinem Kugelschreiber.
 

***
 

Am Samstag habe ich so viel zu tun, dass ich gar nicht großartig zum Grübeln komme. Rote Rosen gehen scharenweise über die Ladentheke und wenigstens an diesem einen Tag im Jahr machen wir ein äußerst gutes Geschäft.

Um 13 Uhr kann ich dann endlich schließen und räume den Laden auf. Mit Besen und Schaufel säubere ich den Boden.

Die Türklingel macht sich bemerkbar. „Wir haben geschlossen.ˮ

„Ah... ähm...ˮ

Ich drehe mich um und sehe Mikael in der Tür stehen. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. „Du bist es!ˮ Langsam komme ich ihm entgegen. „Ich habe dich die ganze Woche nicht gesehen.ˮ

„Ich hatte ziemlich viel um die Ohren.ˮ Er bleibt in der Tür stehen und wirkt äußerst reserviert. Er hat die übliche ärgerliche Miene aufgesetzt. Was ist mit ihm los?

„Stimmt etwas nicht?ˮ, frage ich ihn stirnrunzelnd.

„Nein, nein!ˮ, meint er hastig und sieht sich um. „Bist du alleine?ˮ

Ich nicke und endlich tritt er in den Laden. „Möchtest du doch eine Rose kaufen? Wir haben noch ein paar im Lager übrig.ˮ

Er kratzt sich an der Wange und schüttelt verhalten den Kopf. Ich stütze mich auf den Besenstil und mustere ihn. Was hat er bloß?

Mikael atmet tief ein. „Okay, jetzt oder nie!ˮ

„Hä?ˮ, frage ich. Was meint er damit?

Auf einmal kommt er direkt auf mich zu und bleibt ziemlich nahe vor mir stehen. Er hat mich zurückgedrängt, so dass ich dicht vor einem Regal mit Blumensamen stehe. Irritiert sehe ich zu ihm auf. Er räuspert sich und so intensiv wie er mich ansieht fühle ich mich doch ein klein wenig unbehaglich.

„Die sind für dich!ˮ Er holt eine Tüte hervor, die er hinter seinem Rücken versteckt gehalten hat, greift hinein und reicht mir eine kleine Packung Mon Chéri.

„Ah....ˮ Mit hochgezogenen Augenbrauen nehme ich sie ihm verblüfft ab, nachdem er sie mir etwas grob in die Hände gedrückt hat. „Vielen Dank.ˮ

„Ich kann dir ja schlecht in deinem Laden eine Blume schenken.ˮ

„Hä? Was?ˮ, frage ich erstaunt.

Er räuspert sich erneut und beugt sich vor. Ich drücke mich automatisch gegen das Regal und starre ihn an. Oh mein Gott! Er küsst mich! Wieso macht er das?

Für einen kurzen Augenblick kneife ich die Augen zusammen. Seine Lippen sind weicher als sie aussehen. Der heiße Atem streift mein Gesicht und seine warme Hand ruht an meinem Hals. Die andere liegt auf meiner Schulter. Stocksteif stehe ich eingeklemmt da und spüre wie mein Herz schlägt oder ist das mein Puls? Meine Wangen sind knallrot, zumindest fühlen sie sich an als würden sie in Flammen stehen. Der Druck seiner Lippen verstärkt sich ein wenig, ehe seine Lippen sich von meinen lösen.

Ich sehe zu Mikael auf, der noch immer so emotionslos wirkt.

„Ich mag dich!ˮ, gesteht er mir und geht ein wenig auf Abstand. „Ach ja und ich bin schwul.ˮ

„Schön...ˮ, stammele ich verdattert. Hätte er mir das nicht mal früher sagen können? Mein Blick schweift unstet durch den Laden, weil ich ihm kaum ins Gesicht sehen kann. „Also... ich...ˮ

Was soll ich bloß sagen? Mein Kopf ist total leer!

„Ich muss wohl einiges erklären.ˮ Mikael steckt seine Hände in die Hosentaschen. „Ich habe dir doch erzählt, dass dein Laden auf dem Weg von meiner Arbeit zu meinem Haus liegt.ˮ

„Ja.ˮ Ich nicke und lecke mir abwesend über den Mund.

„Ich habe dich schon oft hier im Laden gesehen, aber ich hatte nicht den Mut dich anzusprechen. Als ich das erste Mal hier im Laden stand wusste ich absolut nicht was ich dir sagen soll. Das war vor zwei Monaten. Ich habe spontan eine Pflanze gekauft, die du mir ausgesucht hast.ˮ

„Die Dracula-Orchidee...ˮ, füge ich hinzu.

„Ich bin jeden Tag gekommen und konnte somit in deiner Nähe sein, aber ich habe einfach nicht den Mund aufbekommen. Mir hat einfach der Mut gefehlt. Ich wusste auch nicht ob du in festen Händen bist, aber irgendwann habe ich einem Gespräch zwischen dir und deiner Kollegin gelauscht, beziehungsweise ich habe es überhört. Als ich erfuhr, dass du Single bist bin ich weiterhin hierher gekommen. Ich wollte in deiner Nähe sein.ˮ

Wie ein Esel sehe ich Mikael an. „Du-du bist in mich verliebt?ˮ, frage ich ihn mit großen Augen.

„So ist es.ˮ

Meine Schultern sacken herunter. Deswegen kam er also jeden Tag aufs Neue in den Laden und hat immer wieder dieselben Blumen gekauft. Jetzt wird mir so einiges klar. Er ist jeden Tag in den Laden gekommen um mich zu sehen.

„Ich....ˮ, meine ich langgezogen. Was soll ich denn jetzt sagen?

„Ich kann mir denken wie du dich jetzt fühlst. Ich wollte es nur endlich loswerden, Christian. Ich werde dich nicht weiter belästigen.ˮ Er lächelt gutmütig, öffnet die Tür, doch gerade als er hinaustreten will halte ich ihn instinktiv zurück. Er sieht auf meine Hand auf seinem Arm, dann zu mir. Hastig lasse ich los.

„Du belästigst mich nicht!ˮ, erwidere ich. „Das ist echt nett von dir.ˮ Lächelnd hebe ich die Packung Pralinen.

„Dann darf ich wieder kommen?ˮ, fragt Mikael.

„Also...ˮ, druckse ich ein wenig herum. „Ich habe jetzt Feierabend. Magst du auf einen Kaffee mit zur mir kommen?ˮ Abwartend und etwas nervös sehe ich ihn an.

Erst wirkt er überrascht, doch dann glätten sich seine Gesichtszüge. Als er mir antwortet lächelt er hinreißend. „Gerne.ˮ



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  DarkDragon96
2015-05-12T01:17:44+00:00 12.05.2015 03:17
Omg mehr davon. Die beiden sind ja absolut entzückend. ;)
Antwort von:  Shunya
13.05.2015 12:03
Freut mich, aber mehr habe ich für die beiden erst mal nicht geplant. XD


Zurück