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Rude Birds

Forschungstagebücher
von

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Eintrag von Hazel Freebird; 3. Tag des 9. Zyklus im 87. Jahr

3. Tag des 9. Zyklus im 87. Jahr
 

Nachdem die Luft die letzten Tage so schwer wurde, dass sie einem schier die Luft abdrückte, fiel heute der erste Regen. Es sind nur wenige Tropfen, verglichen mit dem, was noch auf uns zukommt. Zukommen wird.

Ich kann aus der Ferne Die Zelle sehen. So nennen wir den Sturm, der auf uns zukommt. Die Regenzeit besteht hier nicht aus vielen Regengüssen, sondern aus einer riesigen Sturmzelle. Wenn ich so darüber nachdenke, glaube ich nicht, dass diese einfach so entsteht. Es wäre gut möglich, dass sie, wie die Rude Birds, einer festen Route folgt und so jedes Jahr den Regen bringt. Aber bei allen Göttern, es ist ein echtes Monster!

Ich kann mir gut vorstellen, dass niemand Die Zelle erforschen möchte, weil sie außer dem Regen noch etwas bringt: den Tod.
 

Dabei untertreibe ich noch.

Ich bin sicher, dass- wer auch immer dieses Tagebuch findet und liest- bereits einen heftigen Sturm erlebt hat. Einen, der Bäume umknickt, sie entwurzelt, dessen Blitze den Himmel erhellen und den Boden ein gutes Stück in Glas verwandelt. Einen, dessen Ausläufer schon schlimm genug sind.
 

Wenn du, lieber Leser dieses Tagesbuches denkst, solche Stürme wären schlimm, stell dir all diese Stürme vor, die du erlebt hast, von denen du gehört hast, von denen du hören wirst. Von denen deine Vorfahren und deine Kindes-Kinder hören werden und die sie selbst erlebt haben. Stell dir alle diese Stürme in deiner Geschichtsschreibung vor, wie sie zu einem einzigen werden. Zu einem riesigen, schwarzen, pulsierenden Monster, dass du am Horizont kommen siehst. Das dort wie ein gefräßiges Ungeheuer lauert und doch jeden Tag einen Stück näher kommt. Dessen Blitze mehrere hundert Ma'an in den Boden eindringen und diesen in flüssiges Gestein verwandeln. Dessen Stürme Felsen in Bewegung bringen können. Dessen Regentropfen die Größe von Kühen haben. Und dessen Hagelkörner Felsen zerschmettern können.

Ein Sturm, der so furchterregend ist, dass jeder, der seinen Verstand behalten möchte, seine Augen aus der Himmelsrichtung abwendet, aus der er kommt.
 

Jeder, außer mir.

Ich bin nicht verrückt. Oder furchtlos. Er jagt mir eine Scheißangst ein. Jede Faser in mir möchte in die Alte Dame springen und von hier zurück in die Sterne fliehen. Doch die Alte Dame fliegt nicht mehr, und der Sturm verschwindet nicht, wenn man ihn ignoriert.

Im Gegenteil: es macht ihn gefährlicher.
 

Was, wenn er direkt auf uns zurast?

Ein Blitz, und wir sind alle vaporisiert. Einige Dutzend Regentropfen und unsere Siedlung ist überschwemmt. Einige Hagelbrocken und der schützende Felsen ist nur noch ein Haufen Sand. Der Sturm würde uns zerdrücken. Dieses Monster müssen wir meiden. Unter allen Umständen. Die Alte Dame kann nicht mehr in die Sterne fliegen, aber doch zumindest uns alle außer Reichweite bringen! Deswegen sitze ich seit dem ersten Regel auf den auf das Skelett heruntermontierten Windflügler und mache Aufzeichnungen anhand seiner Position. Mit der Nadel als y-Achse und Mittelpunkt eines Koordinatensystems und dem Horizont als x-Achse trage ich die Position anhand des Abstands dieses Monsters zur Nadel ein.
 

Solange er nicht zu sehen ist, sondern nur der mächtige Amboss Die Zelle, befindet sich seine Position im Plus-Bereich der Y-Achse. Ist er vollständig am Horizont zu sehen, kommt er näher und ich trage seine Position in den Minusbereich ein.

Je nach Position von der Nadel- also dem Nullpunkt meines gedachten Koordinatensystems her gesehen, gibt es einen Eintrag in plus- also rechts der Nadel- oder Minus. Das wäre dann Links davon.
 

Die Seile, welche über unsere Siedlung gespannt werden, nutze ich als Abstandsmesser für die X-Achse. Bei der Y-Achse muss ich raten. Da jede kleine Abweichung eine Abweichung von vielen Kura'ama sein kann, hüpfe ich praktisch zwischen allen Windflüglern hin und her, schätze, messe, berechne. Die Menschen unter mir laufen aufgeregt wie Ameisen hin und her, treffen letzte Vorkehrungen. Die Plane werden gespannt und mit den Auffangrohren verbunden. Die Baumeister laufen hastig den Damm rauf und runter, prüfen jeden kleinen Fleck auf Risse. Alle sind nervös.
 

Nur ich sitze praktisch jeden Tag, jede Nacht, auf einen der Flügler und starre zum Horizont. Die Beobachtungen meiner letzten Jahre zeigen, dass der Sturm eine Route am Horizont hat. Er kommt uns manchmal beängstigend nahe, glaube ich ich, aber er ist noch nie über einen bestimmten Punkt gereist.

Falls jemand diesen Eintrag liest, irgendwann, irgendwer, hier meine Empfehlung: es ist absolut ÜBERLEBENSWICHTIG, Die Zelle zu beobachten! Falls dein Schiff noch existiert, beobachte dieses Monster aus dem All heraus. Verfolge seine Route. Jede Abweichung in den atmosphärischen Strömungen bedeutet eine Veränderung im Verhalten des Biests. Alles auf diesem Planeten wird von den Strömungen beeinflusst: Dieses Monster und jede noch so kleine Lebensform auf diesen Planeten.
 

Dieses....Ding, Unbekannter, bringt das Leben und den Tod gleichermaßen. Wären wir ein primitives Volk: das wären die Götter, welche unsere Welt formten. Genauso wie die Sonne.
 

Nachtrag: 3. Tag des 9. Zyklus im 87. Jahr
 

Während ich diesen Eintrag so lese, fällt mir auf, dass ich ihn unbewusst in Kir'haya geschrieben habe. In unserer Grammatik ist Kir'haya eine Form des Schreibens, in dem alle Zeiten gleich sind. Laut der Hiji hatte das Freie Volk ein anderes Verständnis von Zeit. Wir nutzen es, wenn wir ausdrücken möchten, dass Gegenwart und Vergangenheit zeitgleich geschehen. So, wie ein Tagebucheintrag, der vergangenes beschreibt, was noch im Gange ist. Was jetzt, im Moment, die Gedanken des Sprechenden oder Schreibenden beeinflusst.
 

Manchmal wird die Zukunft ebenfalls Teil des Augenblicks. Mi-Kir'haya ist es, wenn sich durch die Geschichte Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. Wir nutzen das Wort auch, um einen Moment völliger Klarheit auszudrücken, wenn Ereignisse einem Ablauf folgen, der wie einer seltsamen Logik folgt. Falls ich in Zukunft in dieses Muster zurückfalle, ist es entweder unsere spezielle Grammatik – oder ich erkenne ein Muster in Dingen über die Grenzen der Zeit hinweg.

Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich ein Rude Bird und in der Lage, über den Horizont zu sehen. Dann kann ich Die Zelle beobachten und mich und alle anderen von ihr fern halten.
 

Im Moment kann ich nicht mehr tun, als den Verlauf für die nächsten Monate zu beobachten und mich mit Yare abzuwechseln. Und im Moment hält dieses Monster seine Route der letzten Jahre grob bei. Ich glaube, er kam uns direkt im 23. Zyklus gefährlich nah. Ich habe einige Ideen, wieso die Die Zelle so zuverlässig ist. Sollte sie tatsächlich einer festgesetzten Route folgen, wäre wir alle hier wesentlich ruhiger. Dann müssen wir uns nur darum kümmern, Daten aus Abweichungen auszuwerten und aus diesen dann die Ursachen für diese zu bestimmen.

Einfach nur mit der Alten Dame zu fliehen, wenn dieser Sturm uns zu nah kommt, genügt nicht. Wir brauchen Vorräte, einen Unterschlupf, die Technologie und mehr! Vor allem brauchen wir mehr Wissenschaftler!
 

Es ist immer gut, wenn nichts passiert. Aber ich mache diese Arbeit ja nicht nur, weil nichts passiert, sondern um frühzeitig etwas unternehmen zu können, falls etwas passiert. Und es muss auch jemanden geben, der weiß, wie diese Dinge funktionieren und sie nachbauen kann, für den Fall, dass wir tatsächlich fliehen müssen.
 

Die Aufzeichnungen aus dem 23.Zyklus sind nicht verschlossen, aber jede Form von Forschung und Daten wird von der Hiji gesammelt, verwaltet und archiviert. Selbst, wenn sie sie mir bereitwillig gibt, wird es lange dauern, die zu finden. Und während der Regenzeit ist es eine schlechte Idee, diese Rollen aus gewachsten Papier hervorzuholen. Das Wachs auf dem Papier soll die Feuchtigkeit fernhalten. Vielleicht tut es das auch. Aber offen gestanden ist in den nächsten Tage und Wochen mit einer Luftfeuchtigkeit zu rechnen, die alles durchdringt. Es ist einfach ein widerliches Gefühl, wenn der Regen in der Luft hängt wie ein schwerer Dunst, große Tropfen zu Boden prasseln und absolut alles nass wird, selbst die Luft, die man atmet. Es ist schwer zu erklären, so etwas muss man selbst erleben.

Jedenfalls ist es bedauerlich, dass in der Zeit, in der für mich die meiste Zeit für meine eigentliche Arbeit wäre, ich diese nicht nutzen kann. Es wäre dennoch schön, könnte ich diese irgendwie in irgendeinem trockenen Ort lesen, oder zumindest kopieren.
 

Wenn ich die Aufzeichnungen aus diesem Jahr lesen könnte.....



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