Zum Inhalt der Seite

Wohlige Nächte

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Shame

Frodo starrte bestürzt auf den großen Menschen; er schämte sich so sehr. Sam kauerte sich neben ihn und umklammerte seinen Arm fest. Er zitterte stark, und Frodo fühlte sich schlecht, weil er ihn in die Situation gebracht hatte. Sam war schon ängstlich vor den Menschen und Männern in Bree gewesen, und er hatte nur schwer Vertrauen in Aragorn gefasst, als sie ihre verzweifelte Reise nach Bruchtal angebrochen hatten. Und nun war ein Krieger Gondors wütend auf sie.
 

Merry und Pippin standen auf einem Fleck, fummelten nervös mit ihren Fingern und sahen wie kleine Hobbitkinder aus, die gerade beim Pilzeklauen erwischt worden waren.
 

„Ich habe gefragt was hier los ist!“ Boromir machte einen bedrohlichen Schritt in das Zimmer hinein, während die Hobbits zusammenzuckten und zurücktraten. „Was habt ihr in meinen Sachen zu wühlen?“
 

Frodo's Kehle schnürte sich zu. Er hatte keine Entschuldigung dafür, wie dumm er und seine Freunde sich verhalten hatten. Er brannte innerlich, weil er genau wusste, dass er vielleicht jede weitere Chance auf ein Kennenlernen mit dem Mann aus Gondor verspielt hatte. Nun war kein Zweifel offen, dass der Mann den Eindruck von Hobbits haben musste, dass sie verspielt und töricht waren, gar kindisch.
 

„Es tut uns sehr leid“, sagte Pippin mit leiser Stimme. Boromir trat voller Wut auf ihn zu; er hob die geballte Faust, und Frodo keuchte, aus Angst, der Mann würde Pippin nun für sein Benehmen schlagen. Doch stattdessen ließ er die Faust wieder sinken und schüttelte, sichtbar angewidert, seinen Kopf. Er nahm einen tiefen Atemzug und lockerte die Faust wieder. Seine Stimme, die beim Essen so schön geklungen hatte, klang nun tief und rau. Seine grauen Augen glühten wie Eisen.
 

„Ich hätte nicht gedacht, dass Halblinge so unhöflich sein können – und jetzt – raus hier, aber alle!“
 

Merry und Pippin flüchteten direkt aus dem Zimmer. Frodo fühlte sich wie angewurzelt. Er wollte etwas sagen, um diese peinliche Aktion zu entschuldigen. Ein Kloß blieb ihm im Hals stecken. Jede Chance, die er jemals mit diesem Mann gehabt hätte, war vertan.
 

Sam drängte Frodo zur Tür, den Blick huschend zu dem Mann erhoben, der immer noch wütend auf sie hinabstarrte. Frodo sah auf, und er wusste genau, dass seine Wangen rot wie Blut waren.
 

„Es tut mir so leid“, sagte er leise, bevor Boromir die Tür vor ihren Gesichtern zuknallte.
 

Frodo folgte seinen Freunden, bis sie außer Hörweite waren.
 

„Oh, Sam!“, wimmerte er erstickt, „wie konnte ich das nur tun? Ich habe mich benommen wie ein Hobbit in den Twiens. Nun wird er niemals – nun hasst er mich. Ich habe meine Chance verloren..“
 

Seine Schulter schmerzte, und es fühlte sich an, als würden kalte, grobe Finger danach greifen. Er war müde. Er wollte sich nur in sein Bett verkriechen und bis zum Rat nicht mehr herauskommen.
 

„Herr Frodo, es war nicht deine Schuld. Meiner Meinung nach war es Pippin, der mal wieder Unsinn machen wollte. Mach dir keine Sorgen. Ich helfe dir das in Ordnung zu bringen! Wenn der gute Mann hört, was du alles durchgemacht hast, lässt er so etwas Triviales nicht im Weg stehen – du wirst sehen! Jetzt lass uns ins Bett gehen, du siehst müde aus, Herr Frodo.“
 

***
 

Boromir atmete die frische Morgenluft ein. Obwohl es später Oktober war, fühlte es sich an wie ein Frühling in Minas Tirith. Der süße Duft von Lilien lag ihm in der Nase. Eine seidige, warme Brise raschelte an seiner Kleidung, die viel zu stark für Bruchtal's mildes Wetter schien. Er sah Aragorn auf einem geschnitzten Stuhl auf einem der vielen Balkons in Bruchtal sitzen. Er trank Tee, und ein zufriedenes Lächeln streifte sein Gesicht.
 

„Guten Morgen, Aragorn!“, rief Boromir und nickte. Er wollte eigentlich ein wenig spazieren gehen, um etwas zu essen aufzutreiben, aber stattdessen machte er eine Pause. Er konnte die Gedanken an den hübschen, dunkelhaarigen Hobbit nicht ablegen, den er auf dem Fest gesehen hatte, der ebenfalls zwei Nächte zuvor mit seinen kleinen Freunden in sein Zimmer eingebrochen war.
 

„Morgen, Boromir.“, Aragorn nahm einen Zug der frischen Luft. „Heute wird ein schöner Tag- wie jeder Tag in der Sonne in Bruchtal.“
 

„Das ist wahr“, antwortete Boromir und lehnte sich gegen das Gerüst des Balkons. „Sag mir, Aragorn, du bist doch mit diesen Halblingen angereist, oder?“
 

Aragorn warf ihm einen komischen, wissenden Blick zu, der ihn verwirrte.
 

„Ja, warum fragst du?“
 

„Hab mich nur gewundert. Ist es normal, dass Halblinge nichts davon wissen, dass man nicht in Sachen fremder Menschen herumwühlt?“
 

Aragorn's Lächeln verblich. „Nicht dass ich wüsste, Boromir. Eigentlich sind Hobbits Menschen gegenüber nicht so offen. Ist etwas passiert?“
 

Boromir erzählte ihm, was passiert war, als er die vier Hobbits in seinem Zimmer gefunden hatte und sie in seinen Sachen gestöbert hatten.
 

„Es ist nicht so, dass ich etwas zu verbergen hätte, Aragorn, aber es geht um das Prinzip. Ich wollte erst mit Elrond darüber sprechen, aber dann habe ich entschlossen, dass sie von mir genug Schrecken bekommen haben.“
 

„Alle vier, sagst du?“
 

„Es waren vier.“
 

„Frodo war da?“, sagte Aragorn ungläubig.
 

„Frodo?“, fragte Boromir verwirrt.
 

„Der Halbling, den ich dir beim Fest vorgestellt habe.“
 

„Ah, ja“, sagte Boromir mit einem leisen Lächeln. Er erinnerte sich, wie er daran gedacht hatte, dass der Halbling eher wie ein Elb aussah als ein Hobbit, mit seiner weichen, makellosen Haut und den großen blauen Augen. „Ja, Frodo war auch da.“
 

„Das verstehe ich nicht“, sagte Aragorn kopfschüttelnd. „Ich verstehe die zwei jüngeren Hobbits- sie sind nichts anderes als Teenager in ihrem Sinne. Und Sam würde Frodo überall hin folgen. Aber Frodo ist so ernst und intelligent – so wie sein Onkel – und er hat schon viel durchgemacht. Ich bin nur überrascht, dass er bei so einem Streich mitmacht. Eigentlich war er sehr neugierig über dich.“
 

Boromir schüttelte seinen Kopf. „Wenn es so war, dann jetzt sicher nicht mehr. Ich habe ihn gestern im Korridor gesehen. Er ist mir direkt aus dem Weg gegangen. Vielleicht habe ich ja überreagiert, als ich sie in meinem Zimmer erwischt habe. Frodo war interessiert an mir, sagst du?“
 

„Wenn ich Frodo richtig kenne“, sagte Aragorn, „dann ist er zutiefst beschämt über das, was passiert ist.“
 

Boromir spürte ein unerwartetes, warmes Kribbeln in seinem Körper, als er an Frodo's gerötetes Gesicht dachte. Er fragte sich, wie es sich anfühlte, diese Wangen zu streicheln. Er fragte sich, wie es sich anfühlen würde, sich auf Frodo's weichen, schön geschwungenen Lippen zu verlieren. Er wurde rot. Was er dachte war ärgerlich. Er war ein Krieger auf einer gefährlichen Mission. Das letzte, was er gebrauchen konnte, war, sich in einem albernen, hilflosen Hobbit zu verlieben.
 

***
 

Frodo wanderte durch die Korridore von Bruchtal und mied seine Freunde. Pippin hatte sich bereits ernsthaft bei ihm entschuldigt. Er hatte sogar versucht, ihn so gut zu trösten wie es ging.
 

„Er kann gar nicht so nett sein, wenn er dich so anschreien und dir die Tür vor der Nase zuschlagen kann.“
 

„Nein, Pippin, anders haben wir es nicht verdient.“
 

Frodo wartete in der Essenshalle, ob der Mann aus Gondor eventuell vorbeikommen würde. Dieses Mal würde er nicht weglaufen. Noch am vorherigen Tag war er in den Korridoren nahe Boromirs Zimmer gewandert, und der Mann war plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, überrascht, ihn zu sehen. Und Frodo war geflohen. Sein Herz schlug viel zu hart, um Boromir zu begegnen. Er war bitter enttäuscht über seinen Missmut gewesen, und zwar die ganze Nacht lang.
 

Boromir kam etwas später. Frodo nahm einen tiefen Atemzug und schritt mutig auf den Mann aus Gondor zu.
 

„Boromir“, sagte er sanft, doch der Mann schien ihn nicht gehört zu haben. Er räusperte sich. „Boromir!“
 

Boromir drehte sich um, überrascht, und sah zu dem Hobbit hinab. Er sagte jedoch kein einziges Wort.
 

Ich... ich wollte mich...“,Frodo sah in sein Gesicht, geprägt mit braunen Bartstoppeln, doch er sah keine Wärme darin. „Ich wollte mich für die eine Nacht entschuldigen.“
 

Boromir nickte kurz, sagte aber nichts dazu. Frodo wurde rot. Es wurde ihm unangenehm. Er wusste einfach nicht, wie er weitermachen sollte. Seine Kehle wurde trocken vor Enttäuschung.
 

„Na gut“, sagte Frodo. Er drehte sich erniedrigt um. Vielleicht hatte Pippin ja recht, und der Mann war es nicht wert, ihm hinterher zu laufen. Aber er konnte nicht so einfach loslassen. Es musste einen Grund dafür geben, dass er diese starke, heftige Anziehung ihm gegenüber empfunden hatte. Es war noch eine Chance wert. Boromir begann sich umzudrehen und wegzugehen, doch Frodo lief ihm hinterher und hielt ihn am Ärmel fest.
 

Der Mann drehte sich irritiert um. „Was ist denn?“
 

Frodo's Gesicht wurde heiß. „Ich möchte neu beginnen. Stell dir vor, du hättest mich nie in deinem Zimmer erwischt. Bitte lass es mich wiedergutmachen, Boromir. Bitte, wir könnten ein Picknick machen hinter dem Haus in den freien Feldern.. Ich.. ich möchte dich wirklich kennen lernen, mit dir sprechen.“
 

Boromir's Augen weiteten sich vor Überraschung. Seine Wangen wurden leicht rot, doch dann stieß er ein Lachen aus. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Halbling. Na dann, einen schönen Tag!“
 

Er drehte sich um und lief aus dem Raum hinaus. Frodos Wangen brannten vor Scham. Er hatte sich an Boromir geklammert, doch er wurde rücksichtslos fallen gelassen. Er wusste jetzt, dass Pippin Recht hatte. Er war kalt, und wahrscheinlich nicht in der Lage mit einem warmen, zärtlichen Hobbit wie ihm umzugehen. Das Wissen darum machte den Schmerz nicht besser. Es fühlte sich an, als würden kalte, kleine Fäuste ihn von allen Seiten einschlagen. Frodo ließ sich auf einen nahen Stuhl fallen und ließ seinen Kopf vor Verzweiflung auf die angezogenen Knie sinken.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  saspi
2016-01-25T10:00:43+00:00 25.01.2016 11:00
Huhu,
wieder ein klasse Kapitel.
Der arme Frodo,da fast er sich ans Herz und dann so was.
Bin gespannt wie es weiter geht.
Lg saspi


Zurück