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Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung.
Wilhelm Busch
(1832 - 1908), deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller
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Es schien, als würde die Welt für einige Sekunden die Luft anhalten. Noch immer schockiert und fassungslos standen Takeru und Hikari dem bedrohlichen Digimon gegenüber. Innerlich konnte es der Blonde noch immer nicht fassen, dass sie dieses Digimon auf Grund seiner bedingungslosen Gefühle seiner Freundin gegenüber gerufen hatte. Nach wie vor bereute er sein Handeln, doch Lilithmon löste bei ihm umso intensiver werden Reue aus. Innerlich machte es ihn wütend, dass er die Dunkelheit, die er so sehr verachtete, in sein Herz gelassen hatte. Jeder, der den jungen Takaishi kannte, wusste, wie sehr er doch die Dunkelheit eines jeden verachtete. Doch auch er hatte in jungen Jahren lernen müssen, dass überall, wo Schatten herrschte, auch das Licht zu finden war. Bedauerlicherweise stellte sich diesen Fakt auch in der entgegengesetzten Richtung dar.
„Oh, ihr Digiritter seid wirklich herzergreifend. Nun, das wärt ihr sicher, wenn ich sowas wie ein Herz besitzen würde…“, sprach das Digimon den Witz aus, der in keinem der Anwesenden das Bedürfnis auslöste, zu lachen. Warum auch? Im Moment saßen sie glimpflich in der Klemme. Zwar konnten die beiden jungen Digiritter hören, dass Gatomon wie auch Patamon die Gefahr verspürt hatten, jedoch keinen Zugang ins Zimmer fanden. Wenn man die Sachlage mal realistisch betrachtete, dann hatte ihr letztes Stündlein geschlagen.
Hikari konnte sich nur schwer damit abfinden, dass es nun so weit sein sollte. Vor allem aber auch, weil sie Takeru dafür nicht verantwortlich machen wollte. Er war tatsächlich einen Schritt zu weit gegangen, aber auf der anderen Seite konnte ihn Hikari sogar verstehen. Sie waren zwar noch nicht besonders lange ein Paar, aber für den nächsten Schritt hegten sie wirklich ausreichend Vertrauen in den anderen. Trotzdem war es für sie eine Herausforderung, den Schritt auch in die Tat umsetzen zu wollen. Aber die junge Frau wollte einfach nicht, dass sich ihr Freund mit einem schlechten Gewissen herumschlug. Tatsache war nun einmal, dass er einen Fehler begangen hatte. Doch Fehler begegneten einen Menschen fast täglich und es war die Kunst, mit diesen auch umgehen zu können. Vor allem aber war es einfach nur wichtig, aus ihnen zu lernen und beim nächsten Schritt zu beachten.
„Es tut mir so leid…“, hörte sie die flüsternden Worte ihres Freundes. Ihm war nicht nur die Sorge um das weitere Vorgehen anzusehen, sondern auch die tiefsitzende Reue, dich sich tief durch sein Gemüt schlang. Die Angesprochene konnte ein kleines Schmunzeln nicht vermeiden. Stattdessen nahm sie seine Hand und drückte einmal fest zu. Irgendwie glühte in ihr noch immer der Hoffnungsschimmer, dass sie eine Chance hatten, zu entkommen. Genau dieser kleine Funken der Hoffnung war es, der Takeru ein wenig lächeln ließ und ihr nickend zustimmte.
Ohje. Ihre Karten standen gänzlich schlecht. Doch genauso wie Mimi und Taichi am Mittag, weigerten sie sich dagegen, den Kampf aufgeben zu wollen. Einen Kampf, der noch nicht einmal begonnen hatte. Lilithmon verzog nur angewidert die Augen und verschränkte die verschleierten Arme vor der Brust. „Es ist beeindruckend, welche hoffnungsvolle Ausstrahlung ihr beiden habt, obwohl eure Karten gänzlich schlecht stehen.“ Das Digimon lachte amüsiert. Diesem schien es sichtlich zu gefallen, die beiden am Hagen hängen zu haben. „Du machst uns keine Angst!“, murrte Takeru und drückte einmal mehr die Hand seiner Freundin. „Oh, das war auch nicht meine Intension.“
Verwundert hob der Blonde seine Augenbrauen. Auch auf dem Gesicht von Hikari zeichnete sich die Überraschung ab. „W-Was...?“, flüsterte diese verunsichert und musterte das Digimon misstrauisch. Dieses sah die Digiritter mit einem abwertenden Blick an. „Ich bin ein Digimon mit Stolz und Macht. Mich befriedigt es nicht, solch lächerliche Wesen wie euch zu besiegen.“ Ein Grinsen zeichnete die Lippen ihres Gegenübers. „Ihr habt mir den Weg in eure Welt gewiesen. Doch wir Digimon sind nicht nur hier, um euch aus den Weg zu räumen. Wir haben einen Plan und ihr werdet – auch wenn ihr noch nicht wisst, auf welche Art und Weise – und sehr effektiv dabei helfen, diesen auch in die Tat umzusetzen. Dafür muss ich mir meine Finger nicht an euch Kanalratten schmutzig machen!“, lachte das Digimon arrogant. Hikari wurde es fast schlecht, den Ausführungen des Digimon zu folgen. In ihr machte sich das ungute Gefühl breit, dass sie einem wirklich mächtigen Wesen den Weg in ihre Welt gezeigt hatten. Es würde keine positiven Konsequenzen mit sich tragen.
Mit diesen Worten verteilte sich noch einmal die Dunkelheit um die beiden Digiritter, kurz bevor mit einem lauten Lachen das Digimon im Rauch der Finsternis verschwand. Keuchend sackte Takeru in die Knie, wo er seine Faust gegen den Boden rammte und wütend aufschrie. „Takeru-kun…“, flüsterte Hikari leise und ging neben ihn zu Boden. „Das ist alles meine Schuld…!“, flüsterte der Träger der Hoffnung verzweifelt. Sanft strich Hikari seine blonde Mähne aus seinem Gesicht und zwang ihn dabei, sie anzusehen. Mit einem schwachen Lächeln blickte sie in die kristallblauen Augen ihres Freundes. „Es tut mir so leid, Hikari-chan… ich wollte dich nicht bedrängen…Oh mein Gott… Nur weil ich so…so…ach…keine Ahnung…nur, weil ich so ein Arsch war…“, flüsterte er wirklich verzweifelt. Hikari seufze leise.
„Hör auf damit…“, hauchte sie einmal mehr. „Ja, du hast einen Fehler gemacht. Aber das macht dich menschlich. Keru-kun…ich liebe dich. Das werde ich immer tun. Doch für manche Schritte brauche ich ein bisschen mehr Zeit. Das hat übrigens nichts damit zu tun, dass ich dir nicht vertrauen würde oder ich dich weniger liebe…“ Takeru legte seine Finger an die Lippen seiner Freundin. Sofort verstummte sie. Mit gesenktem Blick begann der blonde Takaishi zu sprechen. „Ich weiß das alles. Irgendwie war ich einfach nur frustriert und habe mir seltsame Dinge ausgemalt. Ich liebe dich auch.“ Er hob den Blick an und sah er jungen Frau einfach nur die Augen. „Und ab jetzt werde ich geduldiger sein…“, hauchte er einfühlsam. Ein Kichern stiehl sich über die Lippen von Hikari. „Hihi…weiß ich doch!“
Ihre Lippen kamen sich näher, bis Takeru seine Hand in das braune Haar seiner Freundin vergrub. Doch er kam nicht dazu, ihre Lippen auch in Beschlag zu nehmen. Denn nur wenige Sekunden später wurde die Türe aufgeregt aufgeschlagen und Gatomon sowie Patamon traten ins Zimmer. „Was ist passiert?!“ Aufgeregt flatterte Patamon zu seinem Partner und musterte diesen kritisch. Auch Gatomon schritt zu Hikari, um die Pfote auf ihren Oberschenkel zu legen. „Ist bei dir alles in Ordnung? Wir haben eine dunkle Aura gespürt…?“ Hikari lächelte schwach. „Ja…Lilithmon ist uns begegnet…“, flüsterte die Braunhaarige. Patamon schwirrte verwirrt umher. „Lilithmon? Wer ist das?“ Wissend hatten sich die Augen von Gatomon geweitet. „Gatomon…weißt du mehr?“, fragte Takeru unsicher. Gatomon nickte stumm. „Lilithmon ist ein Digimon, welches zu der Vereinigung der Dämonen Lords gehört… Diese Digimon waren seit jeher in einer dunklen Welt eingesperrt… Sie nähren sich an bestimmten Empfindungen und gewinnen somit an Stärke. Wir müssen dringend die anderen warnen!“, sprach das Digimon dringlich aus.
Hikari und Takeru nickten synchron.
Sie hatten ja keine Ahnung, dass das Unglück geradewegs seinen Lauf nahm.
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„Ich kann es noch immer nicht fassen. Wie bekloppt oder blind kann man eigentlich sein? Warum habe ich es nicht vorher bemerkt!“, brodelte es aus dem Yagami wütend heraus, während er einen Stein vor sich her kickte. Agumon, welches ihm nur schwerlich folgen konnte, versuchte seinem Partner einzuholen. Das Digimon verstand nicht recht, warum Taichi so wütend war, doch es wusste, dass es an der Zeit war, für seinen Freund da zu sein. Die Geschehnisse des heutigen Tages waren viel, vor allem aber durcheinanderbringend gewesen. Zumal Agumon irgendwie das Gefühl beschlich, sein bester Freundin könnte aus irgendeinen Grund traurig sein. Als Digimon verstand es schließlich nicht, was Liebe zwischen Menschen bedeutete.
„Taichi-kun…jetzt warte doch mal. Ich komm ja gar nicht hinterher!“, murrte das Digimon verzweifelt und schien langsam aus der Puste zu kommen. Taichi verharrte in seiner Position. Ein Fehler, wie sich kurz darauf herausstellte. Denn es war nicht nur Agumon, welches ihn versucht hatte zu verfolgen. Nein, auch Mimi war dem Yagami auf schnellen Schritten hinterhergeilt, um ihn noch einholen zu können. Doch bereits im nächsten Moment musste genau diese junge Dame feststellen, dass es zu spät war, um auf die Bremse zu treten. Sie stürmte an dem orangen Digimon vorbei und direkt in Taichi, der sich geradezu Agumon hatte drehen wollen. „Aaaachhtung!!!“, rief sie noch aus, bevor sie ihm förmlich in die Arme rannte und ihn mit voller Wucht umhaute. Mit einem lauten Plumpsen landete die beiden auf dem Boden. Wobei es Taichi noch schaffte, den Sturz von Mimi abzufedern und sich nicht selbst alle Knochen zu brechen.
„Bist du wahnsinnig?“, knurrte Taichi, der sich mühselig aufrichtete, allerdings auf seinem Hintern sitzen blieb. Unschuldig wirkend blieb auch Mimi vor ihm sitzen und sah ihn mit ihren goldbraunen Augen an. „Du darfst nicht einfach so alleine weggehen!“, sprach sie direkt aus, ohne auf seine zuvor ausgesprochenen Worte einzugehen. Taichi fuhr sich durch die Haare, kurz bevor er die junge Frau, welche zwischen seinen Beinen saß, ansah. „Sei mir nicht böse, aber ich will jetzt mit niemanden darüber reden…“, flüsterte er ruhig. Mimi legte den Kopf schief. „Ich weiß. Kann ich auch verstehen. Trotzdem werd‘ ich dich nicht alleine lassen.“, erwiderte sie zaghaft. Oh Gott. Dieses Mädchen machte ihn wahnsinnig. Vor wenigen Minuten hatte er sich von Sora getrennt und hatte wirklich nicht vor, weiter darüber nachzudenken. Dann kam die junge Tachikawa, warf ihm förmlich um und brachte sein eigenes Herz laut zu schlagen. Wie machte sie das nur?
Mimi rieb sich schüchtern die Oberarme und sah zur Seite. „Es ist doch so: Wenn man verletzt ist, dann denkt man oft, dass man alleine über die ganzen Dinge nachdenken möchte. Aber Nachdenken löst die Probleme nicht, sondern macht sie meistens schlimmer. Außerdem will keiner alleine sein. Man wird nur traurig und versinkt in Selbstmitleid. Wenn man alleine ist, gibt es niemand, der einem die Hand reicht, um ihn aus dem Sumpf der Trauer zu ziehen…“, sprach die junge Frau aus. Mimi sprach aus Erfahrung. Es gab tatsächlich keinen Ort, an dem sie lieber sein wollte. Erst vor einigen Tagen hatte sie ihre Mutter beerdigt, die sie nicht mehr vermissen konnte, als sie es ohnehin schon tat. Ihr Vater hatte sich dazu entschlossen, den gemeinsamen Traum ihrer Mutter zu erfüllen und war ebenfalls auf die Reise gegangen. Zurück blieb sie. Alleine. Doch an für sich war sie gar nicht alleine. Sie hatte endlich wieder ihre Freunde in ihrem Umfeld. Eine wärmegebende, einfühlsame Umgebung, die förmlich im Chaos versank.
„Egal, was uns passiert ist, wir müssen irgendwie zusammenhalten…“, flüsterte sie. „Du kannst doch nicht von mir erwarten, dass ich mich mit den beiden an einen Tisch setze und Small Talk halte!“, fuhr Taichi sie an, so dass Mimi verletzt zurückwich. Taichi bemerkte dies sofort und fuhr sich gestresst über das Gesicht. „Entschuldige. Ich bin einfach durch den Wind…Ich wollte dich nicht so anfahren…“, erklärte er reumütig. Mimi schüttelte nur leicht den Kopf. „Ist schon okay…“
Danach richtete sich die junge Frau auf und klopfte sich den Staub von den Klamotten. Auch Koushiro gesellte sich zu den beiden anderen und sah zwischen ihnen hin und her. Er seufze, als er zu seinem Freund nach unten sah. „Ist bei euch alles okay?“, fragte der Rothaarige. Beide nickten. Mimi lächelte kurz Koushiro an, kurz bevor sie dieses wieder auf Taichi richtete. Ihre Hand streckte sich dem Rothaarigen entgegen. „Lass uns gemeinsam Eis essen gehen!“, lächelte sie ihn munter an. Argwöhnisch hob er seine Augenbrauen, bevor er seine große Hand in die zierliche Hand der Tachikawa legte. „Wie kannst du jetzt bitte an Eis denken?“, fragte er ungewöhnlich streng und ließ sich von ihr auf die Beine ziehen. Mimi zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Ich habe Hunger und Lust auf Eis. Ist das verboten?“ „Wir haben gerade die halbe Stadt verwüstet und du willst Eis essen?“, fragte nun auch Koushiro unglaubwürdig. Die Angesprochene verdrehte nur die Augen.
„Und? Was willst du jetzt machen?“, fragte sie ganz direkt. „Nach Hause gehen und versuchen, Gennai zu erreichen und nach einer Lösung für unser Problem suchen!“, entgegnete er ganz streng. „Zumal ich wirklich nicht in der Stimmung bin, mir jetzt ein Eis reinzuziehen.“, kommentierte auch Taichi das Thema. „Ich aber. Können wir nicht einfach bei einer Eisdiele vorbeigehen und Eis holen?“ „Wie kannst du jetzt an sowas denken, nachdem das alles passt ist?“, knurrte nun auch Koushiro ungeduldig. Die beiden jungen Männer konnten die Argumentationslinie der Tachikawa nicht mehr recht verstehen. Sie hatten Menschen verletzt, Gebäude waren in sich zusammengestürzt und womöglich war der ein oder andere weitaus schwerer verletzt, als sie sich das überhaupt vorstellen konnten. Taichi war von seinen besten Freunden betrogen worden und hatte durch seinen ungewollten Gefühlsausbruch Deemon ihre Welt geholt. Und alles, an das Mimi dachte, war, dass sie Lust auf ein Eis hatte. Dieses Mädchen hatte doch vollkommen den Verstand verloren.
„Man, ich versteh dich wirklich nicht… Du hast dich kein bisschen verändert…“, sprach Koushiro ruhig aus. Dieses Mädchen konnte noch immer aus all den schlimmen Dingen etwas Positives draus ziehen. Meistens war das eine Seite, die er an ihr stets schätze. Doch heute war sie gänzlich unangebracht. Allerdings weiteten sich seine Augen leicht, als er in die traurigen der Tachikawa blickte. Sie wich seinem Blick wieder aus und verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken. „Weißt du. Ich habe mich wohl verändert.“, erklang ihre Stimme. „Ich weiß, dass Schreckliches passiert ist und genauso weiß ich auch, dass ich nichts an dem Geschehenen ungeschehen machen kann.“
„Was bringt es mir also, die ganze Zeit zurückzublicken? Auf Dinge, die längst geschehen sind? Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und ich kann die Vergangenheit nicht verändern. Das Einzige, was ich machen kann, ist geradeaus zu blicken und mein Leben weiter zu leben. Meine Aufgabe ist es zu handeln und nicht in der Vergangenheit stehen zu bleiben. Deshalb möchte ich ein Eis. Unsere Gemüter müssen abkühlen, damit wir klare Gedanken fassen und rational handeln können. Und nach dem Eis möchte ich mich darum kümmern, mich um meine Freunde, die Digiwelt und unsere Welt zu kümmern.“
„Manchmal sind es die Fehler, die wir im Leben machen, die uns den rechten Weg weisen und nicht immer ist alles logisch, was logisch erscheint. Manchmal müssen wir einfach auf die Schnauze fallen, um eine Sache aus einen anderen Blickwinkel betrachten zu können.“
Nach ihren Worten setzte sich Mimi einfach in Bewegung und ließ die beiden jungen Männer für einen Moment zurück. In den letzten Monaten hatte Mimi viel nachgedacht und sich viel damit beschäftigt, was das Wort „wenn“ bedeutete. Immer wieder hatte sie vergebens nach Gründen gesucht, warum es ausgerechnet ihre Mutter hatte treffen müssen. Warum sie ausgerechnet so leiden musste und aus welchem Grund Mimi so einsam ihrer Mutter dabei zusehen musste, wie sie förmlich dahinvegetierte. Sie fragte sich auch oft selbst, warum sie nie mit ihren Freunden über die Geschehnisse gesprochen hätte. „Wenn“ sie das getan hätte – das wusste sie – dann wären sie an ihrer Seite und für sie da gewesen. Doch sie hatte eine Entscheidung getroffen und diese alleine tragen müssen. So war es schließlich mit allen Entscheidungen, die sie im Leben fielen. Eine Sache rational oder emotional zu betrachten gehörte auch zu der Vielzahl an Entscheidungen, die man im Leben fällte. Taichi hatte sich seinem Zorn und der Enttäuschung hingeben. Die Konsequenz daraus war Deemon und eine Menge Bauschutt sowie verletzte Menschen. Aber es brachte keinen von ihnen was, sich da jetzt reinzusteigen und den Kopf in den Sand zu stecken. Gemeinsam mussten sie eine Lösung finden. Sie müssten Hand in Hand gegen ihren neuen Feind angehen. So einfach war das.
„Warte Mimi-chan!“, erklang die Stimme von Palmon und Mimi verharrte in ihrer Bewegung. Ein Lächeln zierte ihre Lippen, als sie auch Taichi und Koushiro hinterher trotten sah.
Tatsächlich hatten sich die drei unterwegs ein Eis gegönnt und waren ausgelassen miteinander umgegangen. Sicher wurmte es den jungen Yagami noch immer, dass man ihn betrogen hatte. Doch auch er musste einsehen, dass Mimi mit ihren Worten recht hatte. Er musste nach vorne blicken und gemeinsam mussten sie nach einer Lösung suchen. Es war irgendwie fast wie damals. Dieses Mädchen verzauberte ihn mit ihrem Lächeln, mit ihren Worten und die ganzen negativen Gedanken waren wie weggeblasen. Manchmal war sie wirklich beeindruckend und er war wirklich froh, dass sie wieder in ihren Kreisen war. Ja, er hatte Mimi wirklich vermisst. Auch wenn es der junge Yagami nicht gerne zugab.
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Zwei Wochen später….
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In den folgenden Tagen folgte eine ernüchternde Nachricht der anderen. Von Hikari und Takeru erfuhren sie, dass auch Lilithmon den Weg in die reale Welt gefunden hatte. Dabei ließen sie aus, welche Emotion dies verursacht hatte, würde Taichi Takeru folgendermaßen nur im schlimmsten Fall eines überbraten. Gatomon berichtete ihnen von einer dunklen Vereinigung mächtiger Digimon, welche seit jeher in der schwarzen Zone der Digiwelt versiegelt waren. Sie hatten es auf eine unerklärliche Weise geschafft, aus ihrem Gefängnis zu fliehen und terrorisierten nun nicht nur die Digiwelt, sondern bedrohten auch die Welt der Menschen.
Seit den Ereignissen war es zu keinen auffälligen Zwischenfällen mehr gekommen. Weder Deemon, noch Lilithmon schienen sich zu rühren oder gegen die Digimon zu agieren. Erleichternd ereilte sie auch die Meldung, dass bei ihrem letzten Kampf keine Todesopfer hervorgegangen waren. Zwar minderte das Taichis schlechtes Gewissen nicht gänzlich, konnte aber doch eine gewisse Last diesem abnehmen. Die Acht trafen sich nun regelmäßig, um sich über mögliche Veränderungen untereinander zu erkundigen. Noch immer war die Stimmung zwischen den Digirittern angespannt. Nicht nur zwischen Sora, Yamato und Taichi, sondern auch beim Rest der Gruppe. Koushiro hatte bisher auch noch keine neuen Erkenntnisse bringen können. Mit seinem Laptop konnte er keine Verbindung zur Digiwelt, geschweige denn zu Gennai aufstellen. Ganz zu schweigen von der Problematik, dass von Daisuke und den anderen noch immer jede Spur fehlte und sie sich alle wirklich Sorgen machten.
Doch nahmen sich die jungen Erwachsenen die Worte von Mimi zu Herzen. Es brachte tatsächlich nichts, sich nur mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Also mussten sie nach vorne blicken. Mehr oder wieder standen sie erneut am Anfang. Sie konnten einfach nur abwarten und schauen, was geschah… etwas Anderes blieb ihnen gar nicht übrig.
Daher beschlossen sie auch, am folgenden Freitagabend wegzugehen. Hikari und Takeru hatten sich ausgeklinkt, weil sie den Abend gemeinsam genießen wollten, während Sora und Yamato noch immer nicht wirklich miteinander redeten und verzweifelt versuchten, wieder zu sich selbst zu finden. Wie immer war es auch Jou, der seiner Lerneinheit Vortritt gab, anstatt mit den anderen wegzugehen. Schlussendlich blieben nur Taichi, Koushiro und Mimi übrig. Natürlich wurden sie von den Digimon begleitet, welche vor dem Club Wache und sich versteckt halten würden, während sich die drei Menschen einen gemütlichen Abend gönnten.
„Ich war wirklich lange nicht mehr aus!“, flötete es fröhlich aus Mimi, die motiviert in den Club schritt und sich begeistert umsah. Die beiden jungen Männer folgten der Jüngeren. Wobei Koushiro sich sichtlich unwohl fühlte. Er war eben nicht der Typ Mensch, der gerne ausging und sich zwischen Menschenmassen hindurchdrängte.
Doch der Abend, der schnell zur Nacht wurde, entwickelte sich blendend. Zwar tranken sie nicht so ausgelassen, wie man es normalerweise tat, dafür jedoch amüsierten sie sich prächtig. Selbst Koushiro hatte es irgendwann geschafft, sich der Musik hinzugeben und einfach nur ein wenig Spaß zu haben. Es fiel der Tachikawa auch wirklich nicht schwer, ihre Begleiter gute Laune zu ermöglichen. Gemeinsam standen sie sogar auf der Tanzfläche, auf welcher sie sich der Musik hingaben.
Irgendwann war es Mimi, welche auf die Toilette musste und sich durch die Massen herausdrängte. Es war glücklicher Weise nicht besonders viel auf der Toilette, so dass sie recht flink aus der Räumlichkeit kam.
Auf dem Weg zur Tanzfläche, verharrte sie jedoch einen Moment, als sie eine Männerstimme hinter sich vernahm. In ihr drehte sich alles. „Hey Süße, suchst du jemanden?“, fragte der junge Mann und Mimi drehte sich um. Ein musternder Blick ging über seinen Körper. Er sah nicht schlecht aus, doch seine Augen verrieten ihr eindeutig, dass er mehr als sie nur kennen lernen wollte. „Tut mir leid, aber ich hab’s eilig!“, erwiderte sie daher nur forsch. Doch besonders weit kam sie nicht. Denn er griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zu sich zurück, um sie leicht an die Wand zu drücken. Tief sah er ihr in die Augen. „Du bist wirklich hübsch.“, sagte er mit einem schelmischen Grinsen. Mimi hob die Augenbraue. „Danke… aber ich muss wirklich weiter…“ gab sie mit einem gequälten Lächeln von sich. „Mensch, sei doch nicht so gemein zu mir. Wir könnten eine Menge Spaß miteinander haben!“, sprach er weiter und dachte gar nicht daran, sie loszulassen. Als er ihr auch noch über ihre Seiten strich, wurde sie wütend. „Jetzt reicht es aber. Das-!“ Doch sie stoppte in ihrer Aussage und erblickte Taichi. //Okay, das muss jetzt einfach klappen! // ermutigte sie sich innerlich. „Das sieht mein Freund gar nicht gerne!“ konterte sie nun. Nun wich auch der junge Mann ein Stück von ihr weg und sah sie unschlüssig an. „Dein Freund?“
Taichi hatte sich auf die Suche nach der jungen Frau begeben, nachdem Koushiro und er einen Moment zu lange auf sie hatten warten lassen. Da war es klar, dass sich auch die Sorge unterschlich und kurzerhand war der Brünette aufgesprungen, um schnell nach ihr zu sehen. Bei einem jungen hübschen Mädchen konnte man schließlich nie wissen. Außerdem musste man besonderes bei Mimi stets ein Auge auf sie haben und auf sie aufpassen.
Als er die junge Frau hörte, hob er einen Moment die Augenbrauen. Hatte sie ihn gerade tatsächlich als ihren Freund betitelt? Moment. Er musste sich verhört haben. Doch als er ihre Position genauer musterte, wurde ihm klar, was damit auf sich hatte. Seine Augen verengten sich ein wenig, kurz bevor er auf die beiden zuging. Bedrohlich wand er seinen Blick an den anderen Mann, der seine „Freundin“ an die Wand heftete. „Würdest du gefälligst deine Finger von meiner Freundin lassen?“, klang es wirklich ernst aus dem Mund des Yagami. Denn prinzipiell meinte er es auch so, wie er es sagte. Es widerte ihn wahrhaftig an, diese schleimigen Finger an der Tachikawa zu sehen. Weitaus mehr, als er sich eigentlich eingestehen wollte.
Doch zu seinem Glück, reagierte der Fremde sofort und schnell schlüpfte Mimi zu Taichi rüber, wo sich diese an Taichi klammerte. „Vielen Dank…“, flüsterte sie. „Gerne doch, Liebste.“, spielte er mit. Doch mit Folgenden rechnete auch sie nicht. Tatsächlich schien der Yagami einige Sekunden zu lang in die goldbraunen Augen der Tachikawa zu versinken und wenn sie gerade dabei waren? Warum auch nicht? Also legte er kurzerhand seine Lippen auf die von Mimi und verschloss diese zu einem Innigen Kuss. Augenblicklich weiteten sich die Augen der jungen Frau. Schmetterlinge flatterten in ihrem Inneren auf und ihr Herz klopfte intensiv gegen ihre Brust. Ihre Augenlider wurden immer schwer, bis sie gänzlich alles um sich herum ausblendete und sich dem Kuss hingab…
Okay. Das hier war definitiv alles, nur keine Schauspielerei. Oder er schauspielerte einfach wahnsinnig gut. Mimi spürte in ihrem ganz deutlich, dass das, was sie fühle und womöglich sogar ausstrahlte kein Spiel war. Das waren ihre wahren Gefühle. Verständlich, wenn man bedachte, dass ihr Herz schon immer für den Träger des Mutes schlug. Eine Tatsche, die sie noch nie jemanden erzählt hatte. Aber was war schon dabei? Womöglich würde sie nie wieder die Gelegenheit bekommen, diese unglaublichen Lippen auf den ihren zu spüren… Also wollte sie diesen Augenblick einfach leben, spüren und am besten nie wieder vergessen.
Was keiner von beiden merkte, war, dass sie beobachtet wurden. Kein Geringerer, als Koushiro stand nun auch im Gang und konnte dem Szenario folgen. In ihm brach eine Welt zusammen. Trauer, Schmerz und Kummer machten sich in seiner Brust breit. Wütend sah er Mimi an, - wie konnte sie ihm das nur antun? - bis sein Blick an Taichi hängen blieb. Warum er? Was hatte er, was er nicht hatte? Die ganze Zeit war es Koushiro, der für Mimi immer der beste Freund war. Immer war er für sie da gewesen, hatte ihr zugehört und ihr Ratschläge gegeben, wenn sie nicht mehr weiterwusste. Mit jedem Wimpernschlag versank er in ihren Augen und wollte nie wiederauftauchen. Und dann stand sie knutschend mit Taichi in einer komischen Bar, die er nur ihr zuliebe besuchte?
In ihm zog sich alles zusammen. Der Neid, den er auf Taichi verspürte, zog sich ins Unermessliche, bis er für einen Moment nur noch rotsah. So steuerte er geradewegs auf die Beiden zu und packte Taichi am Kragen, kurz bevor er ihn von Mimi zurückstieß. „H-Hey! Alter! Was soll das?“, wurde der Rothaarige von Taichi angefahren. Auch Mimi war schockiert. „K-Koushiro-kun?“, fragte sie verunsichert. „D-Du Mistkerl!“, rief Koushiro aufgebracht.
Er wollte gerade zu einem weiteren Schlag ausholen, als Mimi dazwischen ging. „Koushiro!!! Hör auf damit!“, bat sie den Rothaarigen. Doch ihre Augen weiteten sich, als sich hinter dem Rothaarigen eine schwarze Rauchwarte entstand. „Oh nein!! Nicht schon wieder…“, hauchte sie atemlos, kurz bevor Taichi sie am Handgelenk packte und zurückzog. „Was soll das? Glaubst du tatsächlich, ich würde ihr irgendwas tun?“, murrte nun Koushiro wütend. Erst jetzt bemerkte er die schockierten Gesichter, die sich nicht nur auf den Ausdrücken von Taichi und Mimi zeigten, sondern auch bei den restlichen Leuten. „Oh nein…“, flüsterte er selbst. Ohne hinsehen zu müssen, wusste er, dass nun er der Jenige war, der das Übel ins Haus geholt hatte. Dementsprechend war das folgende Grölen nicht unbedingt überraschend. Als er sich umdrehte, bestätigte sich sein Verdacht. Vor ihm hatte sich ein rotes, drachenähnliches Digimon manifestiert, welches die drei bedrohlich anstarrte.
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Der Neidische ist sein eigener Quälgeist. Er hat zu seinem eigenen Leid und Unglück noch den Kummer zu tragen, daß er Erfolg und Glück des anderen mit ansehen muß.
Charles Haddon Spurgeon
(1834 - 1892), englischer Theologe, Baptistenprediger