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Der Ruf

von

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2. Fragen

Mittlerweile war es dunkel. Eine größere Öllampe spendete gerade so viel Licht, um die Kammer spärlich auszuleuchten. Das Zimmer war voller Dinge, die sich über die Jahre angesammelt haben. Dabei schien keines dieser Sachen einen genauen Platz zu besitzen. Schulbücher lagen verstreut, links in der Ecke befand sich ein Haufen mit diversen Kleidungsstücken und die Schranktür daneben stand einen Spalt weit auf, aus welchem ebenso Pullover quollen. 

 

Knarzend schob sich die breite Holztür auf. Eine erschrockene Frauenstimme quiekte. "Ron! Hier sieht es aus, wie nach einem Einbruch! Und was soll das werden?“. Hermine zeigte auf einen Schokoladenfrosch. Fast wäre sie auf diesem ausgerutscht, weswegen sich der panische Laut aus ihrer Kehle gelöst hatte. Ronald Weasley ging unbeeindruckt an seiner Freundin vorbei und hob den Frosch auf. "Den hab` ich schon gesucht! Keine Panik, die hüpfen nur einmal“, grinste Ron und biss in ein Schokoladenbein. "Ron! Du bist furchtbar!“, entrüstete sich die Brünette. "Das Genie findet sich erst im Chaos zurecht“, nuschelte Angesprochener mit vollem Mund und wedelte ein paar Kleinigkeiten von seinem Bett. "Das nennst Du aufräumen? Und überhaupt geht das Sprichwort ganz anders“, Hermine trat nun doch in das Dachgeschosszimmer und ließ sich neben Harry und Ginny nieder. Die beiden hatten sich an dem streitenden Liebespärchen vorbei gedrückt und nun auf dem großen, rötlich-gemusterten Teppich Platz gefunden. 

 

Harry rieb sich die Schläfe, er hatte Kopfschmerzen bekommen. Die Trauerfeierlichkeit nahm nach Malfoys auftauchen ein rasches Ende. George war allem Anschein nach gegangen, als der seltsame Besucher ins Rampenlicht trat. Nachdem die Gäste dann ihre Meinungen über Draco Malfoy ausgiebig diskutierten, hatte Arthur beschlossen alle nach Hause zu schicken. Im Fuchsbau angekommen, vermied jeder über die eben geschehenen Vorkommnisse zu sprechen. An der großen, individuellen Tafel in der vollgestellten Küche hatten sich alle zusammengefunden und begannen mit der Kaffeezeit. Mollys Kuchen stellte sich als Seelenbalsam heraus, weswegen sich zögerlich die Stimmung am Tisch erhellte. Wann Harrys Kopfschmerzen genau eintraten konnte er nicht sagen. Wahrscheinlich nachdem dritten Becher Ginepro, den Molly nach dem Kuchen auftischte. Dieser Wacholderlikör war ihre Spezialität und schmeckte einfach fantastisch. Gerade dies war das gefährliche an Mollys Trunk. In netter Gesprächsatmosphäre konnte schnell eine Flasche geleert werden. Als betrunken würde sich Harry nicht beschreiben - eher benebelt. Doch die ausgelassene Stimmung seiner beiden, besten Freunde, konnte er gerade nicht ertragen. 

 

Ginny schenkte ihrem Bruder deswegen einen säuerlichen Blick. Natürlich hatte sie Harrys genervte Körperhaltung wiedermal richtig interpretiert. Ron und Hermine sahen sich an, mussten kurz auflachen und wandten sich sogleich mit einem entschuldigenden Blick zu dem zweiten Pärchen im Raum. So schlimm der Krieg auch gewesen ist, sie haben das Leben dadurch wertschätzen gelernt. 

 

Ron setzte sich seiner Schwester gegenüber. Auch er hatte einen, oder vielleicht zwei, Becher Wacholderlikör getrunken und endlich konnte er aussprechen, was ihm die ganze Zeit auf der Seele brannte. Denn jetzt waren sie unter sich. "Was zum Kuckuck wollte Malfoy bei uns?“. In seinen Augen glitzerte zutiefst Abscheu. "Ich meine, dem wird nicht plötzlich die Barmherzigkeit gepackt haben!“. Die Freunde tauschten zustimmende Blicke aus. Keiner konnte sich dieses Verhalten erklären. Gerade Draco Malfoy, der Spaß darin fand, andere Hexen und Zauberer als minderwertig zu degradieren, sollte aus freien Stücken zu einer Weasley Zusammenkunft kommen? 

 

"Der hat was geplant!“, verkündete Ron etwas lauter. Nun mischte sich ein belustigter Blick von Hermines Seite ein "Und was soll er geplant haben Ron?“. Der Rotschopf zog die Stirn in Falten, dann erhellte sich sein Blick und die Augen glitzerten aufgeregt. "Der Brief! Der ist bestimmt verflucht, so wie bei der Halskette und Katie Bell damals!“. 

 

Harry überlegte, was Malfoy davon haben sollte, die Weasleys mit einem Fluch zu belegen und schüttelte schlussendlich den Kopf. Seine Stimme klang etwas träger, dem Alkohol geschuldet, aber trotzdem verständlich. "Das ergibt keinen Sinn. Malfoy ist mit einem blauen Auge aus seiner Todesser-Verhandlung gekommen. Das Ministerium wird ihn beobachten. Er ist nicht dumm! Eine so offensichtliche Strafhandlung - vor den Augen mehrerer Ministeriumsbeamte - würde ihm keine Punkte bringen.“ 

 

Ginny und Hermine nickten zustimmend und sie konnten Ron´s Ideen förmlich fliegen sehen. "Wenn er leichtsinnig geworden ist?“, gab Ron seine Gedanken preis, "Sein Vater wurde weggesperrt, vielleicht will er meinen Dad mit nem Imperio dazu bringen, Malfoy Senior aus Askaban zu holen!“. 

 

Schnell nahm sich Hermine diesem Thema an. "Das überschreitet die Kompetenzen deines Vaters, er käme nicht einmal unter einem Imperiusfluch an Lucius Malfoy heran. Harry hat recht, Draco ist nicht dumm und viel zu feige, so einen Plan überhaupt ansatzweise zu denken.“. Ein verbittertes Knurren entfloh Ron´s Kehle und er verschränkte die Arme. "Trotzdem! Ich sag euch, der plant was. Ich brauch diesen Brief!“. Die Entschlossenheit sprudelte aus jeder Faser seines Körpers. Seine Freunde wussten, Ron würde heute keine Ruhe geben, bevor sie nicht den Brief geöffnet hatten. 

 

Also bildeten sie zwei Gruppen. Ginny blieb mit Ron im Zimmer, während Hermine und Harry sich in die Wohnküche schleichen wollten. Dieses kleine Abenteuer versetzte die Freunde fast wieder in ihr erstes Jahr auf Hogwarts. In der Nacht durch Gänge schleichen und sich keiner all zu großen Gefahr bewusst sein, war nach allen Ereignissen eine Abwechslung. Zwar hatte Ron protestiert, immerhin war es seine Idee, da wollte er den Wisch auch besorgen. Aber er war zu aufgebracht. Die Mission wäre mit Ron von Mr. und Mrs. Weasley nicht unbemerkt geblieben und unangenehmen Fragen hätten sie sich stellen müssen. Also passte Ginny auf ihren Bruder auf und Hermines Augen glitten über den Stapel Trauerbekundungen. Harry hatte neben ihr keine Lust eine gefühlte Ewigkeit die Briefe auszukundschaften. Er musste handeln. Zügig wühlte er sich durch den Papierberg und hielt wenig  später einen kleinen Umschlag in der Hand. Es stand kein Name auf dem Umschlag, aber der Schwarzhaarige war sich sehr sicher, dieser Brief stamme aus dem Hause Malfoy. Der Umschlag fühlte sich seidiger und dennoch stabiler an, als die anderen Papiere. Ebenso besaß der Brief Kein Normformat. Etwas kleiner war jener. An der linken Seite befanden sich zwei silberne Streifen. Im Kerzenschein glitzerten sie edel. Harrys Brust schwellte an, als Hermine einen lobenden Blick zu ihm warf. Ohne Alkoholeinfluss wäre es bestimmt nicht so lustig, dachte sich der Kriegsheld und grinste, wie ein Bub. 

 

Nachdem die beiden mit dem Brief in der Hand in Ron´s Zimmer traten, forderte dieser das Papier sofort ein. Ehrfürchtig betrachtete er sich den Gegenstand in seiner Hand, bevor er zu Hermine theatralisch meinte. "Wenn ich verflucht werde, Schatz versprich mir, erzieh unsere Kinder zu großen Zauberern!“. Die Brünette verpasste ihm einen Stoß in die Seite. "Spinner! Wir haben noch keine Kinder und außerdem wirst du schon nicht verflucht.“. Im letzteren Punkt war sich Ron nicht sicher, aber langsam drehte er den Brief in seiner Hand und löste die Ecke, welche nur in den Umschlag gesteckt wurde. 

 

"Ein Brief, auf welchem sich ein Fluch befindet, wäre bestimmt besser verschlossen.“, neckte Hermine. Doch Ron ließ sich dadurch nicht stören. Er kniff die Augen zusammen und zog mit einer fließenden Bewegung den Pergamentbogen aus dem Umschlag. Danach starrte Ron auf das Papier. 

 

Als er nach einer kurzen Ewigkeit nichts sagte, wurden Harry und auch die beiden Hexen leicht nervös. "Und? Was schreibt er?“ Hermines Stimme klang vorsichtig und dennoch schwang eine gewisse Neugierde in ihr. Der rote Schopf wandte sich nur genervt von dem Papier ab. "Nichts!“, stöhnte Ron, "Der Geizhals hat nicht mal nen paar Galleonen rausgerückt!“. Er warf sich auf den Rücken und starrte an den Holzbalken seiner Zimmerdecke. 

 

Verwundert ergriff nun Harry das Pergament. Es fühlte sich genau so fein und teuer an, wie der Umschlag zuvor. An der Seite war eine Rose eingraviert und mit feinen silbernen Strichen ergab sich ein Schriftzug, den Harry laut vorlas.  "Der Tod ist wie ein Horizont - nichts anderes, als die Grenze unserer Wahrnehmung. Während wir um jemanden trauern, freuen sich andere, ihn hinter der Grenze wieder zu sehen.“ 

 

Ron setzte sich auf. "Wie poetisch!“, spie er sarkastisch aus, "Was will ein Todesser schon von Trauer wissen!“. Harry starrte auf diese Zeilen, als wäre ein Geheimnis in ihnen verborgen. Er ignorierte die Wortwechsel seiner Freunde. So schlecht fand er die Worte nun auch nicht. Sicher, sie waren schlicht und unpersönlich, aber passend. Was sollte Malfoy auch für große Worte schreiben. Harry empfand sogar die Worte als tröstend. Aus Malfoys Feder hätte er solche optimistischen Worte nicht erwartet. Obwohl - optimistisch war nicht treffend. Der Spruch nahm mehr die Ehrfurcht und die Angst vor dem Tod. Weshalb erschien dem Helden der Zaubererschaft gerade jetzt wieder der Blick des Blonden vor seinem inneren Augapfel, bevor jener disapparierte? 

 

Der Schwarzhaarige konnte das mulmige Gefühl nicht beschreiben. In diesem Blick lag etwas bedrückendes? Hätte er Malfoy nicht sofort wegschicken sollen, sondern ihn fragen, was er eigentlich wollte? Harry schüttelte den Kopf. So ein quatsch! Was sollte dieser denn wollen? Warum sollte er Harry dies erzählen! Auf einer Trauerzeremonie. Sein Auftauchen war geschmacklos. 

 

Ginny nahm Harry das Pergament aus der Hand. "So wie du hier drauf starrst, scheint der Brief ja doch mit einem Zauber belegt“, scherzte sie und schob den Bogen fein säuberlich zurück in den Umschlag. "Wir sollten allmählich schlafen.“, ergänzte sie dann, "Es war ein langer Tag.“. 

 

Einvernehmliches Nicken und ein herzhaftes Gähnen Seitens Ron, schienen ihr Antwort genug und die beiden Mädchen verließen das Zimmer. Zwar war Ron mit Hermine zusammen und er mit Ginny, dennoch, im Fuchsbau war die Schlafaufteilung klar definiert. Hermine in Ginnys Zimmer und er bei Ron. Jedoch war Harry heute über einen Männerabend nicht so erfreut. Ginny hatte recht. Es war ein langer Tag gewesen und er war erschöpft. Sein Freund gähnte zwar, wollte aber nicht vom Thema Malfoy ablassen. Zum Ärger Harrys. 

 

"Eh Harry, psst, konntest du eine Botschaft aus dem Brief erkennen?“, hakte jener nach. Doch er schüttelte nur den Kopf und baute sich seinen Schlafplatz. Ron philosophierte stattdessen weiter. "Ich nämlich auch nicht! Der ist gut; oder vielleicht auch schlecht, wenn wir seine Botschaft nicht entziffern können“. Die Kopfschmerzen, welche Harry zuvor plagten, wurden prägnanter und er fuhr seinen besten Freund etwas lauter an, als beabsichtigt, "Du erzählst Müll. Schon mal dran gedacht, dass er einfach nur sein Beileid aussprechen wollte?“. 

 

"Es ist Malfoy!“, quietschte Ron, "Er ist ein Todesser!“.

"Er war ein Todesser, Ron“, gab Harry genervt zurück und verkroch sich unter einer etwas älteren, aber gemütlichen Decke, "und nicht mal ein guter“.

 

Der entrüstete Schnaufer entging ihm nicht, dennoch entschied er sich nichts mehr zu argumentieren. Ron löschte säuerlich das Licht, kurz danach erklang das Rascheln einer Decke und ein entschlossenes Brummen. "Todesser fristen nicht ihr Dasein, Harry, und erst recht kein Malfoy!“.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Annemi91
2016-04-19T19:16:37+00:00 19.04.2016 21:16
Guten Abend, und schon bin ich wieder da. :P
Auch wenn in dem Kapitel nicht all zu viel passiert ist, hat es mir dennoch gefallen. Zu lesen was in dem Trauerschreiben von Draco stand - und es war ein großartiger Spruch - fand ich toll. Zuerst dachte ich, er hätte so'ne klassische Karte geschickt, wie wir sie alle kennen, aber es hätte nicht zu ihm gepasst.
Das Ron so schlecht auf Draco zu sprechen ist, ist natürlich nachvollziehbar, aber es ist auch schlüssig, das Harry ihn, auf seine Art und Weise, verteidigt. Harry versucht oft irgendwas Gutes in Menschen oder Situationen zu sehen. Was ich damit sagen will ist, das du die einzelnen Charaktere sehr glaubwürdig darstellst. Gefällt mir! Ich persönlich finde es immer ganz schlimm, wenn Ginny als nervende "Trulla" dargestellt wird, Draco als totales Weichei oder Harry als dummer und naiver Typ.

Ich kann mich nur wiederholen: dein Schreibstil ist toll. Man kann dem Geschriebenen gut folgen. Mach weiter so! :)

LG
Antwort von:  Bamby
24.04.2016 16:11
Du bist ja schnell *-*
ja, das Trauerschreiben auszuarbeiten hat länger gedauert, als man denken mag. Umso mehr freue ich mich, dass es passend rüber kommt. Die Charaktere sind auch eine kleine Herausforderung. Mir gefällt es nicht, wenn sie zu sehr verfälscht werden. Gleichzeitig besteht immer die Gefahr, dass sie eine Art Eigenleben entwickeln und dann doch andere Richtungen einschlagen. Ich hoffe, ich bekomme sie weiterhin halbwegs authentisch hin.
Dankeschön für deine aufbauenden Worte, da schreibt sich die Story gleich viel leichter :D

Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag,
Bamby <3


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