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Der Pfad des blutroten Teufels

von

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Im Tod miteinander verbunden


 

An jenem Tag, den dem Tag als der Teufel seinen Gott tötete, entschied sich das Schicksal einer Reihe von Menschen.

Dreizehn Menschen starben innerhalb von ein paar wenigen Wochen.

Alles begann mit ‚Zero‘ Johan Andersen, der Geliebte des Teufels, welcher die Hülle eines Gottes hinterließ als er starb.

Der erste Tod erfolgte mit dem ersten Opfer, ‚Nicolas‘ der ein gottesfürchtiger Mann war. Ihm wurde die Milz entfernt nachdem er starb.

Das zweite Opfer hieß Lucas, welcher ein heroischer Narr war. Er gab seine Gallenblase nachdem er starb.

Julius war das dritte Opfer und einfach nur seinem Unglück entgegen gelaufen. Die Lunge schnitt der Teufel ihm hinaus nachdem er seinen letzten Atemzug getan hatte.

Claus nannte man den vierten Toten, welcher ein großer Fan des Teufels war. Nachdem er seinen letzten Atemzug getan hatte, gab er seine Leber.

Der fünfte hieß Scott und er bemerkte gar nicht, wie ihm das Leben entwich. Er gab seine Bauchspeicheldrüse.

Die Nummer sechs hieß Arthur und war ein moderner Realist. Ihm wurden die Nieren entfernt.

Der siebte war Marcus, der junge Feigling der um sein Leben bettelte. Ihm wurde die Urinblase entnommen.

Die Nummer acht, der junge Kaius hatte sich auf den ersten Blick in den Teufel verliebt und gab seinen Dünndarm für ihn.

Das neunte Opfer nannte sich Christopher und litt unter leichten Depressionen. Nachdem er starb, gab er seinen Dickdarm.

Der zehnte war Richard, der stets auf Reisen war. Ihm wurde der Magen entnommen nachdem er für immer eingeschlafen war.

Ronald war der elfte und stets ängstlich einer schlimmen Krankheit zu erliegen. Als er starb gab er seine Hoden.

Die Nummer zwölf war Hans C. Walker. Ein exzentrischer Junge, welcher sich freiwillig für den Gott opferte. Nachdem er starb wurde ihm das Herz entrissen.

In dem Moment als der Teufel die zwölf Opfer brachte, aktivierte er gleichzeitig ‚Kettenmaterial‘, eine Fallenkarte welche den Gott des Teufels wieder ins Leben zurückrief.

Auf diese Weise wurde ein Gott zum Teufel und der Teufel wurde zu einem närrischen Mädchen.

Und damit schlief der Tod im Inneren des Teufels.
 

Leben begann sich wieder in dem lange toten Körper zu regen und langsam öffnete er seine Augen einen Spalt weit. Die Augenlider waren ihm so schwer, wo sie so lange aufeinander lagen. Vor langer Zeit waren seine Augen blind geworden und jetzt da er sie endlich wieder öffnete, vernebelte sich seine Sicht durch Feuchtigkeit, die in ihnen aufstieg.

Bumm… bumm… bumm. Ein sanfter, gleichmäßiger Rhythmus regierte seinen Körper. Bumm… bumm… bumm. Ungeachtet der langen Zeit des Stillstands klopfte sein Herz und pumpte Blut durch seinen gesamten Körper. Bumm… bumm… bumm. Unaufhörlich heulte das Herz in seiner eigenen Sprache. Das Herz des zwölften Opfers, Hans Christian Walkers heulte weiter.

„Juudai…“, flüsterte die etwas heisere Stimme des Blauhaarigen. Ihm kam es vor, als sei es ein Tag wie jeder andere auch. Einer der gewöhnlichen Tage, bevor Johan gestorben war, als sie noch gemeinsam in seinem Haus in Norwegen gelebt hatten. Er bekam den Eindruck wieder an den Tag zurückversetzt zu sein, als sie gemeinsam ihr Leben miteinander teilten und den warmen Frühling begrüßten, während die beiden auf der Terrasse frühstückten. Neben ihm war Juudai und neben Juudai befand sich Johan. Damals, als sie glücklich waren. Doch die Erinnerung an vergangene Tage entsprach nichts weiter als einer Illusion.

„Dummkopf… du hast schon wieder verschlafen“, entgegnete Juudai.

„Das stimmt nicht, ich war beinahe zehn Jahre lang wach…“, meinte Johan. Er stellte fest, dass er seinen Körper ungewöhnlich leicht und fließend bewegen konnte. Als wäre er die ganzen Jahre lang am Leben gewesen. Wärme durchflutete selbst seine Finger und holten ihm die Körpertemperatur eines gesunden Menschen zurück.

„Also ist Hans gestorben?“, wollte Johan nun wissen.

„Ja. Seine Hülle ist bis auf das Herz unversehrt. Nur sein Herz schlägt nun in deiner Brust, Johan. Er war ein guter Junge. Ein bemitleidenswerter, aber dennoch ein guter Junge“, antwortete Juudai ihm.

„Er hat mich Engel genannt, weißt du? Ich schätze ich war vielmehr ein Todesengel für ihn“, meinte der Blauhaarige ein wenig betrübt, doch seine Stimme entblößte tiefe Dankbarkeit. Mit Johan, der ‚Zero‘ gab es dreizehn Tote. Dreizehn leben waren miteinander in einem einzigen Körper verbunden. Johans Lippen formten sich zu einem bitteren Lächeln. Dreizehn, diese Zahl war in der Tat ein merkwürdiger Zufall. Für ihn als Europäer bedeutete sie nichts Gutes, im Fall das man abergläubisch war. Außerdem war der ‚Tod‘ die dreinzehnte Karte in jedem Tarotkartendeck. Johan spielte in der Tat die Rolle eines Todesengels. ‚Das haben wir ja toll hinbekommen‘, ging es Johan kurz durch den Kopf, doch es war nicht mehr zu ändern und so tat er den Gedanken mit einem leichten Seufzen wieder ab.

Der Junge erhob sich und schloss den Anderen, seinen besten Freund und Geliebten in seine Arme. Der Teufel, der die Hauptstadt Englands in Angst und Schrecken versetzt hatte, derjenige, den man als Serienmörder über alles fürchtete, war nun wieder mit Johan vereint. Hätte man die beiden in diesem Moment beobachtet, dann bekam man den Eindruck das Wiedersehen mit einem lange vermissten und über alles geliebten Kind mitzuerleben. Schon immer war Juudai von eher kleiner, schmächtiger Stattur gewesen und nun, da er sich in Johans Armen befand, wirkte er beinahe zerbrechlich. Yuuki Juudai, der sich selbst eingeredet hatte, dass die ganze Welt sich gegen ihn gerichtet hatte, war nun endlich an seinem Ziel angelangt.

„Johan… sag mir ehrlich… verfluchst du mich jetzt, weil ich dich zurückgeholt habe? Schimpfst du mich jetzt aus, weil ich dich wieder auferstehen ließ? Sag, wirst du mich jetzt auch einen Teufel nennen?“, fragte die leicht nuschelnde, gleichzeitig bebende Stimme in einem verunsicherten Ton, „Ich meine… wenn dem so ist, dann… war es mir das trotzdem wert.“ Juudai nahm seinen ganzen Mut zusammen um angeberisch zu klingen. Nur Johan kannte diesen zerbrechlichen Brünetten gut genug um zu wissen, dass er eigentlich ein paar aufmunternde Worte hören wollte. Nur Johan wusste, dass Juudai nicht wirklich stark war.

„Danke, dass du so lange um mich gekämpft hast. Ich weiß, dass es schlimm und schrecklich für dich war. Ich weiß wie einsam du warst, Juudai. Aber… jetzt ist alles gut, hörst du? Du bist nicht mehr allein“, entgegnete Johan leise, während er ihm durch das zerzauste Haar streichelte.

„Johan?“

„Ich weiß von allem, was du in diesen zehn Jahren erlebt hast“, erklärte er und aus diesem Grund schon wollte er nicht mit Juudai schimpfen. Johan wollte seinen Freund viel mehr versichern, dass er bei ihm war und ihm nichts übelnahm. Johan wusste, dass er Juudai damit verhätschelte und schon immer schwach gegenüber seines Freundes. Er verwöhnte ihn viel zu gern.

„Johan… Johan… Oh Johan! Oh Mann… ich.. ich bin so glücklich, mir wär’s egal wenn ich auf der Stelle sterben würde“, meinte Juudai während er sich an Johans Brust drückte.

„Ich auch…“, gab Johan lächelnd zu.

„Ich hatte einen langen Traum, Johan. Ich habe davon geträumt, dass du immer bei mir warst und mich die ganze Zeit beobachtetest. Ich habe mich darüber gefreut, dass du bei mir warst aber… Nun… nun frage ich mich ob die letzten Jahre nicht alle nur ein böser Traum war. Das du gestorben warst… dass mich alle einen Teufel nannten und ich einen Menschen nach dem anderen tötete und solch eine schreckliche Gestalt annahm… Ich… ich hatte solche Angst als du nicht mehr bei mir warst, Johan“, sprudelte es aus dem Brünetten hervor, währen Johan dessen mit Blut besprenkelten Haar sanft mit der bloßen Hand durchkämmte. „Ich weiß dass du daran beinahe zerbrochen bist. Die Angst hat auf dich gelauert wie ein Untier in der Tiefe. Ich weiß wie sehr sie dich vom Rest der Welt isoliert hat“, meinte Johan leise. Er spürte wie dieser schwache Junge an seiner Brust weinte. Obwohl er in der ganzen Stadt gefürchtet wurde, ließ er nun seinen Tränen freien Lauf wobei er sein Gesicht versteckte. Johan spürte lediglich die heißen Tränen durch seine Kleidung dringen.

Juudai hatte keine einzige Träne vergossen, seit dem Tag als Johan starb.

„Ich weiß das alles, weil ich immer an deiner Seite war.“

„Wie?“, die rehbraunen Augen schauten erstaunt zu Johan hinauf.

„Ich weiß, dass dir jeden Tag zum Weinen zumute war, aber dass du nie eine Träne vergossen hast. Das alles und noch viel mehr weiß ich, Juudai“, fügte der Blauhaarige hinzu. In diesem Moment fand Johan, dass Juudai das schmalste Wesen auf der ganzen Welt war. Dieser Junge, den man früher einen großen Helden genannt hatte und nun als grausamen Teufel verfluchte. Dieser unglaublich zerbrechliche Junge bedachte Johan nun mit einem verwirrten Blick. Johan aber schenkte ihm ein leichtes, warmes Lächeln welches ihn gänzlich mit Freude durchflutete.

„Ah, ich verstehe…“, murmelte Juudai und seufze auf. Johan verstand Juudai stets. Es gab niemanden, der ihn besser kannte, „Johan… ich glaube ich habe es jetzt endlich begriffen. Wie ich für immer mit dir zusammen sein kann. Ich hätte die eine Sache einfach aufgeben müssen… Die eine Sache, die ich nicht aufgeben wollte. Doch vielleicht wäre es das gewesen, dass ich unbedingt hätte vergessen sollen. Ein Teufel kann nun mal nicht auf normale Weise ein Kind bekommen, hab ich Recht?“, kam es nun einsichtig von Juudai. Johan nickte und antwortete mit leiser Stimme: „Ich denke schon.“

Der junge Hans hatte ihn kurz vor seinem Tod gefragt, ob er sich ein Kind gewünscht habe. Die Antwort, welche der Teufel ihm gegeben hatte war jedoch nicht vollständig. Es stimmte, dass ein Teufel kein klares Geschlecht besaß und beliebig zwischen den beiden Merkmalen, mit denen die durchschnittliche Zahl der Menschen geboren wurde, zu wechseln vermochte. Auf der ganzen Welt gab es Geschichten darüber, dass eine Jungfrau von einem Incubus geschwängert wurde oder eine Succubus den Samen eines jungen Mannes entnahm. Solche Erzählungen wanderten durch die ganze Welt. Sie hatten viele Gemeinsamkeiten, vor allem da es sich ausschließlich um Fälle handelte in denen ein sterblicher Mensch und ein übernatürliches Wesen in diesem Akt verwickelt waren. Es existierten keine Geschichten über zwei Teufel, die Kinder miteinander bekamen. Es ließ sich nur vermuten, dass es einen Zusammenhang mit dem Schicksal eines Teufels hatte, denn seine Existenz beschränkte sich darauf die Menschen zu verführen und in Sünde zu stürzen.

Juudai hätte von dem menschlichen Johan schwanger werden können. Nun da Johan ein gefallener Engel und selbst einem Teufel entsprach, gab es wohl keine Möglichkeit mehr. Dies konnte Juudai nun endlich verstehen und einsehen.

„Sicherlich war dieser Weg von Anfang an der falsche und ich hätte einfach nur Mensch bleiben müssen. Die zwölf Menschenopfer für Kettenmaterial sind bestimmt auch unnötig, habe ich Recht? Eigentlich ist das so einfach zu verstehen…“, die tränenschwere Stimme Juudais wurde nur durch seine herunterfallenden Tränen unterstützt und noch undeutlicher. Johan wischte sie ihm vorsichtig mit der Handfläche von den Wangen.

Sie waren angenehm warm.

Der blut- und tränenlose ‚Pfad des blutroten Teufels‘ und auch die grausame Dämonin ‚die Hexe Medea‘ war ganz anders als dieser Junge hier vor ihm. Selbst ‚Mad Scarlett‘ entsprach nur einem emotional instabilen Menschen.

„Was habe ich nur getan?“, fragte sich Juudai ohne eigentlich eine Antwort zu erwarten.

„Du bist eben doch ein unglaublich törichter Narr“, entgegnete Johan. Juudai nickte, wobei seine Stimme den Anflug eines Lachens andeutete: „Tja, ich war schon immer ein Narr und aus Narren werden eben törichte Narren.“

„Scheint so. Deshalb passt du auch zu mir. Auch wenn wir die schlimmsten Dinge zuließen, ich liebe, Juudai“, gestand Johan ohne zu Zögern.

Juudai hob sein tränenüberflutetes Gesicht und sah die große Karte Kettenmaterial an. Die Fallenkarte, mit der man gegen die Ketten des von Göttern auferlegten Schicksals zu rebellieren vermochte. Mit ihrer Hilfe war es ihm sogar möglich diese Welt in Schutt und Asche zu legen. Richtig angewendet ermöglichte sie es ihm auch, Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.

„Kettenmaterial…“, murmelte Juudai schließlich.

„…Wirst du sie jetzt zerstören?“

„Nein“, entgegnete Juudai nur. Er betrachtete die noch immer kontinuierlich rotierende Karte und nahm sie noch einmal in seine Hände um ihren Text zu überprüfen: „Wenn diese Karte mit der Absicht aktiviert wird um eine Polimerisation zu vollziehen, ist es möglich das Fusionsmaterial von der Hand, vom Feld oder vom Deck auszuwählen und vom Spiel auszuschließen. Das fusionsbeschworene Monster kann nicht im selben Zug angreifen, in dem diese Karte aktiviert wurde und das fusionsbeschworene Monster wird am Ende des Zuges zerstört.“

Kettenmaterial konnte in Kombination mit Superpolimerisation so gut wie alles herbeirufen, doch das hieß nicht, das sie die Lösung für alles war. Am Ende ließ sich der Nachteil der Zersötung nicht aufheben. Juudai lächelte bitter. Eigentlich war es genau diese Kombination, welche Yuberu vor vielen Jahren verwendete. Dieses Monster wollte zwei Welten miteinander verschmelzen, aber am Ende wäre das Ganze vernichtet worden. In Juudais Falle aber, hatte er mit dem Zusatz gerechnet, dass Johan durch den Effekt einer Karte nicht zerstört werden konnte. Auch der Körper eines Teufels zerbarst nicht durch einen einfachen Karteneffekt.

Allerdings…

War die Ausschließung aus dem Spiel immer noch möglich.

„Als Opfergabe geben wir unsere Seelen. Meine eigene und deine, Johan… Das wird gehen, glaube ich. Ich will keine neue Welt erschaffen und ich möchte auch keine Welt vernichten und ich möchte auch kein Gott werden. Mein Wunsch ist erfüllt worden. Deshalb…“, Juudai unterbrach sich selbst, denn er bemerkte, dass Johan die Sache genauso sah und so sprach er weiter, „Dann ist es wohl auch in Ordnung einfach so zu sterben. Auch wenn es egoistisch ist.“

Johan stimmte dem zu und brachte Juudai mit einem Kuss zum Schweigen. Ein Lichtstrahl fiel in das Nest des Teufels um das Paar zu erleuchten. Es war nicht das Licht der Sonne, sondern die Reaktion des Rituals, welches ein blasses doch gleichzeitig so schönes Leuchten erzeugte. Die beiden jungen Männer fühlten ihren gegenseitigen Atem. Sie beide wünschten sich von ganzem Herzen gemeinsam zu sterben. Sie hielten einander so fest, dass sie ihre Wärme spüren konnten. Wenn das Sterben so war, dann fühlte es sich wie das Beste an.

Die Worte des jungen Hans klangen in ihren Ohren. ‚Wir werden uns wahrscheinlich eher wiedersehen, als uns lieb ist.‘ So war es wohl. Juudai sah nach draußen um den schwächer werdenden Mond zu entdecken, welcher der Sonne platzmachte um ihr die Chance zu geben den Horizont hinaufzuklettern. Juudai war sich sicher, dass die Polizeibeamten, die er zuvor in einen tiefen Schlaf versetzt hatte in wenigen Stunden aufwachten und einen Bericht zu erstatten hatten.

„Hans, wenn der Morgen anbricht werden wir…“

Die beiden jungen Männer schlossen ihre Augen währen Kettenmaterial und Superplimerisation weiter leuchteten und schließlich ihren Effekt in Kraft setzten. Der Pfad des blutroten Teufels kam an das Ende seines Ziegelsteinweges. So einfach und so unbeschwert ging er seinem Ende entgegen. Die beiden Männer lächelten friedlich und taten ihren letzen Atemzug.

In der Morgendämmerung an diesem Tag, war ein gigantischer Regenbogen über dem Haupt der Londons zu sehen, obwohl es gar nicht geregnet hatte. Dieser Regenbogen schmückte den Himmel über Englands Hauptstadt für mehrere Stunden bevor er nur sachte wieder verschwand, als hätte es ihn nie gegeben.

Die Bevölkerung in England wurde nicht durch den ungewöhnlichen Regenbogen in Aufruhr versetzt, sondern durch eine einzige Nachrichtenmeldung, die durch das ganze Land umherging. Der tyrannische Serienmörder war tot aufgefunden worden und in genau in dem Moment, als der Nachrichtensprecher die Neuigkeiten zum ersten Mal ausgesprochen hatte, verschwand auch der Regenbogen.
 

Die Bevölkerung in London mochte feiern und über den Tod des grausamen Mörders frohlocken, wie es wollte. Es gab eine Handvoll Menschen, deren Arbeit jetzt begann. In einem der Nebengelasse des Scotland Yard ließ Edo sich erschöpft nieder und ließ sich und seinem Assistenten Shou einen Tee ins Büro kommen. Während Shou betrübt auf den Tisch niederblickte, wirkte Edo gereizt: „Hat dieser Bastard es schon wieder geschafft. Stirbt einfach so weg, ohne seine gerechte Strafe zu erlangen. Immer wieder das Gleiche mit ihm. Jetzt haben wir zwar die Leiche des Verbrechers, aber der Fall hat immer noch so viele Ungereimtheiten und Dinge, die geklärt werden müssen. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit.“

Shou nickte und nahm den Tee entgegen. Der freundliche Duft von Earl Gray und Zitrone stieg ihm in die Nase und die Wärme des Getränks schmeichelte seinem unruhigen Herzen.

„Das ist bestimmt ganz schön viel Papierarbeit für dich, oder Edo? Du hast dir eine Pause verdient“, meinte der Blauhaarige und nahm einen kleinen Stück, „Aber bitte rede nicht so über ihn, ich weiß ja, dass ich ganz schön naiv bin, aber trotzdem… fluch woanders über ihn.“

„Glaub bloß nicht, dass du der einzige bist, der durch Juudais Tod Schaden genommen hat. Es berührt mich auch…“, entgegnete Edo, der dennoch gehofft hatte, dass es für seinen alten Bekannten noch eine Chance gab.

„Natürlich nicht, ich meine… Aniki war doch irgendwie noch… na ja irgendwie jedenfalls Aniki“, behauptete Shou. Edo streckte sich kurz und knetete sich kurz die steifen Schultern. „Wie dem auch sei, es gibt viele Leute hier in dieser Stadt, die recht erleichtert aufatmen weil der schreckliche Serienmörder ‚der Pfad des blutroten Teufels‘…nein, dass Yuuki Juudai jetzt tot ist“, meinte er, wobei sich seine blauen Augen mit Shous grauen trafen. Sobald er ausgesprochen hatte, kam ihm ein: „Ach sei doch Still Edo, was willst du eigentlich wirklich hier?“

Edo grinste, es war selten, dass man so eine Reaktion aus Shou herauskitzeln konnte. Er überreichte ihm schweigend eine dicke Akte, aus der sogar ein paar Blätter herausquollen und ihr somit den Eindruck eines ungeordneten Chaos verlieh. Shou nahm sie ebenso scheigend entgegen, wobei er den Aktendeckel öffnete und verwirrt fragte: „Was soll das sein!? Sind das die Ergebnisse der Autopsie?“

„Ganz genau. Und sie bringt eine Nachgeschichte mit sich, die man der Öffentlichkeit nicht einfach so berichten kann. Das ist wirklich eine sehr… wie soll ich das ausdrücken…“, Edo legte eine künstlerische Pause ein um die richtigen Worte zu finden, „…delikate Angelegenheit. Ich war dabei als sie Johans und Juudais Leichen untersucht haben. Ich sage dir, Shou, in dieser Akte steht absolut alles. Jede auch noch so unerfreuliche Einzelheit, wie viel Geld sie mir für die Arbeit geboten haben bis hin zur Identität der Leichen und die DNS-Abgleichungen. Alles wurde hier festgehalten von dem Moment an, als einer der Pathologen das Skalpell in die Hand nahm bis sie die Todesursachen herausfinden wollten. Ich war dabei, deshalb kann ich beurteilen wie genau diese Aufzeichnungen sind, Shou. Das Ergebnis siehst du ganz am Ende. Ich verspreche dir, dass es einen bitteren Nachgeschmack beibehält. Selbst ich muss an dem Gedanken daran noch würgen…“, erklärte Edo.

„Würgen!? Was hast du denn da erlebt, dass es dich so mitnimmt?!“, wollte Shou stirnrunzelnd wissen während er weiter in der schweren Akte blätterte. Johan war wohl der erste, den man untersucht hatte. Äußerlich zusehen waren keinerlei Schäden oder andere Merkmale. Als sei er einfach eingeschlafen und in den Tod gesegelt. Als man seinen Körper allerdings öffnete, fand man ein groteskes Gewirr von Eingeweiden und anderen Innereien. Shou entgleisten jegliche Gesichtszüge als er die Fotos sah.

„Der Pathologe kam mit dem Verdacht, dass diese Organe die dort kreuz und quer herumlagen, wie in einer Wurst vielleicht zu den zwölf Toten gehören. Sie waren alle mit den Organen und Innereien von ‚Johan Andersen‘ verknüpft und so… Zugegeben allein schon der Gedanke ist ziemlich krank, aber letztendlich wurde jedes Organ mit der DNS von Johan und den zwölf Opfern verglichen. Wahrscheinlich kam ihm der Gedanke, weil man Hans C. Walker ohne sein Herz auffand. Schließlich ergaben die Untersuchungen tatsächlich, dass es sich um Hans‘ Herz handelte. Bei diesem Anblick wurde mir schon anders…“, erklärte Edo, wobei seine Stimme verdeutlichte, dass er große Probleme damit hatte einen weiteren Würgereiz zu unterdrücken, „Vor allem fand ich merkwürdig, dass man Juudai und Johan in einer Unterkunft fand, die sie früher während ihrer Laufbahn bei der Pro-League manchmal gemietet haben… Das ist alles wirklich bizarr.“

„N-nicht nur bizarr…“, stammelte Shou, der sichtlich beeindruckt von den ganzen Bildern und Informationen war, „Bei uns in Japan gab es mal einen Horroroman mit dem Titel ‚die menschliche Wurst‘, aber das war wenigstens eine fiktive Geschichte. Es gibt auch zahlreiche Videospiele bei denen man wirklich ekelhafte Dinge zu sehen bekommt, aber das hier ist doch die Realität!?“

„Wohl wahr, aber das kommt eben davon, wenn man ein uraltes Spiel in die moderne Zeit einführt und nicht mit den Konsequenzen eines zerstörten Geistes rechnet…“, meinte Edo, während er beobachtete wie sein Assistent eine Seiten nach der nächsten umblätterte. Die folgenden fünf oder sechs Seiten handelten über jedes noch so kleine Detail von Johans Körper. Schließlich gelangte Shou zur ersten Seite, die den Körper seines besten Freundes genauestens unter die Lupe nahm. Den Inhalt empfand Shou bereits von der ersten Zeile an sehr anstößlich und brachte ihn dazu hörbar nach Luft zu schnappen.

Hermaphroditismus.

Die Untersuchungsergebnisse besagten, dass bei Juudai beide Geschlechter vollständig ausgebildet waren. Er war tatsächlich zweigeschlechtlich gewesen und diesen Fakt gab man ganz nonchalant in dieser Akte preis.

„D-das habe nicht mal ich gewusst…“, flüsterte Shou schockiert aus.

„Und das war noch nicht alles, Shou. Es gibt noch ein Detail, wo mir dann wirklich das Kotzen kam…“, fügte Edo hinzu, „Ehrlich gesagt kann ich Johans Vorlieben nicht so leicht nachvollziehen… aber es kann ja nicht jeder einen guten Geschmack haben.“

„Dieser verdammte Norweger! Wegen ihm ist Aniki durchgedreht! Er ist ihm bis in eine andere Dimension gefolgt nur um ihn zu retten und dann hat er sich auch noch von diesem…Yuberu… Ich könnte so… Er ist zwar schon tot, aber von mir aus könnte er gleich noch mal sterben!“, brach es wütend aus dem Blauhaarigen hervor.

„Shou, hör zu!“

„Nein, verstehst du nicht Edo, dieser verdammte Kerl hat meinen Aniki in den Dreck gezogen und das werde ich ihm nicht verzeihen!“, wütete Shou weiter. Edo sah ein, dass es nichts brachte Shou zu beruhigen. Er beruhigte sich vermutlich nicht mehr von allein und außerdem erschien es ihm sowieso am besten, wenn Shou es mit eigenen Augen las anstatt es selbst zu erzählen. Die wirklich pikanten Details hatten ihn schließlich zum Erbrechen gebracht und Edo garantierte für nichts.

Der Inhalt des Berichts war schockierend und lange nicht so leicht zu verstehen, wie Johans. Es hieß, man habe den Uterus in Juudais Körper nur aus reiner Routine geöffnet, doch in diesem schlief eine beträchtliche Ungewöhnlichkeit. Als man die Gebärmutter entfernte und aufschnitt, entdeckte man etwas darin, das man herausziehen konnte. An dieser Stelle nun vergaß Shou seinen gesamten Zorn wieder und geriet ins Stottern.

„E-Edo! Hier steht ‚Fötus‘ geschrieben! Hier steht tatsächlich, dass Juudai einen Fötus in sich trug, aber das kann doch nicht wahr sein, oder? Ich meine, sieh dir doch genau an, was hier steht! Obwohl sich im Körperinneren ein Baby befand, wuchsen ihm Haare und es öffnete die Augen?“, kam es verstört aus ihm heraus. Edo nickte bedächtig, der Erinnerung an das Ereignis jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken: „Glaub mir, das war auch zu viel für mich. Das Kind hätte mindestens sieben Monate in der Entwicklung stecken müssen um Augen überhaupt auszubilden… Das Fruchtwasser klebte natürlich noch an ihm, aber man konnte trotzdem die Haarfarbe erkennen. Es war dasselbe türkisblau, welches Johan besaß und auch die Augen glichen Smaragden. Ich stand neben dem total paralysierten Pathologen, der dem Kind in die Augen sah und es war, als hob es seinen Kopf und sah uns direkt an. Für uns war es so, als konnten wir seine weinende Stimme in unseren Herzen vernehmen. Ein lautes, verzweifeltes Babyschreien und es fragte mit der Stimme seines Herzens ‚Sind Mama und Papa tot?‘ und dann verstarb es wohl gänzlich.

Glaub mir, es war wie in einem Horrorfilm.“

Die Fotos, die man von dem toten Fötus gemacht hatte, waren den Dokumenten selbstverständlich beigefügt. Gleich darauf begann der Pathologe auch das Kind zu obduzieren. Wenn es nicht in diesen Akten festgehalten worden wäre, dann hätte Shou sich sicherlich geweigert an diese Details zu glauben. Den Zellen, die aus der Haut dieses Fötus entnommen wurden ließen darauf schließen, dass es bereits zehn Jahre in seiner Entwicklung steckte. Edo lag mit seiner Einschätzung ganz richtig. All dies glich einem einzigen Horrorfilm. Shou versuchte sich nicht vor Unbehagen zu schütteln.

„Das ist wie in diesen japanischen Geisterfilmen, wenn eine Frau so wirklich wütend wird. Juudais Verhalten überstieg natürlich selbst diese Horrorfilme… Aber wenn dich das alles schon beunruhigt, dann lass mich dir das krönende Ende erzählen. Unglaublicher Weise bestand das Erbgut des Kindes zu Hundertprozent aus Johans Erbmaterial. Normalerweise ist jeder Mensch eine Kombination aus den Genen der Mutter und des Vaters. Damit hätte man davon ausgehen müssen, dass Fünfzigprozent des Erbgutes von Juudai kämen, der ja immerhin die Mutter war. Aber da lagen wir falsch. Dieser Fötus war kein gewöhnliches Kind. Es war eine reine, exakte Kopie von Johan Andersen“, fügte Edo hinzu und brachte Shou dazu sich doch vor Grusel zu schütteln.

„Schluss damit, Edo, ich habe genug gehört… und ehrlich gesagt, ist mir jetzt schlecht.“

Shou wollte diesem verdammten Norweger nichts verzeihen, zumindest murmelte er so etwas, als er im Begriff war das Büro zu verlassen. Edo folgte ihm und brachte ihm wenigsten zu einem Bad, denn sein Assistent sah wirklich sehr mitgenommen aus. Die beiden entschieden sich dafür, die Akten unveröffentlicht niederzulegen. All diese unverständlichen, verwirrenden und vor allem ekelhaften Details konnte man der Öffentlichkeit nicht zumuten. Shou und Edo setzten sich also in den folgenden Tagen zusammen um Akten er erstellen, die der allgemeinen Öffentlichkeit eine glaubhafte Schilderung der Ereignisse präsentierte.
 

Auf diese Weise entstand eine Version der sich zugetragenen Ereignisse, die man mit weltlichen Erklärungen erläutern konnte. Der berüchtigte Serienmörder ‚der Pfad des blutroten Teufels‘ veränderte sich mit der Zeit und verwandelte sich in eine Großstadtlegende, die man sich nachts am Lagerfeuer zuflüsterte. ‚Es heißt, der Pfad des blutroten Teufels‘ mordete zwölf Menschen um seinen wiederauferstandenen Geliebten in die Ewigkeit zu folgen‘, hieß es. Scotland Yard sah sich dazu gezwungen diese Geschichten so in den Umlauf zu bringen um die wahren Begebenheiten zu verschleiern.

Doch die Zeit stand nicht still und die Menschen redeten lang und mit großem Enthusiasmus. Somit gingen auch die Legenden von Mund zu Mund und nahem andere Formen an, sie entwickelten sich unkontrolliert weiter. Aus einer Großstadtlegende wurde ein Großstadtmythos geschaffen, bis sie letztendlich aus den Köpfen der Menschen verschwand und geriet schließlich in Vergessenheit. Somit war der Teufel nur noch als längst vergangener Okkultismus beim Scotland Yard bekannt und die Vertuschung war damit perfekt.
 


 

Ende.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Leser!
Vielen Dank, dass ihr euch ‚Den Pfad des blutroten Teufels‘ bis zum Ende durchgelesen habt. Ich weiß, dass viele Dinge unverständlich sind und vieles im Dunkeln liegt und ein Mysterium bleibt. Ich kenne zwar meine Ideen und Gedanken, aber ich möchte sie euch auch an dieser Stelle nicht verraten. Jeder soll sich selbst einen Reim darauf machen.
Diese Geschichte ist ehrlich gesagt durch ein Experiment entstanden. Ich wollte unbedingt mal etwas anderes ausprobieren und habe mich von anderen Autoren wie Suzuki Kouji inspirieren lassen. Außerdem befinde ich mich wieder in einer neuen GX-Fangirl-Phase (oh Gott, wie schlimm das klingt :P) und wollte unbedingt wieder etwas mit Spiritshipping schreiben. Ich gebe zu, dass diese hier im großen Kontrast zu meinen vielen anderen Spiritshipping Fanfictions von früher steht, aber das wollte ich auch. Der Gedanke hinter dieser Thematik war die Auswirkungen der Liebe – oder Verliebtheit. Es ist schließlich kein Geheimnis mehr, dass menschliche Verliebtheit eigentlich eine Anomalie die chemischen Substanzen im Gehirn ist und damit, wenn man es so betrachtet einer Krankheit ähnelt. Also wollte ich die feine Grenze zwischen Liebe, Wahnsinn und Besessenheit aufzeigen. Ob mir das nun gut gelungen ist oder nicht, weiß ich nicht. Wenigstens weiß ich, dass ich einige von euch doch einen schweren Klumpen in den Magen legen konnte. Hat aber auch Spaß gemacht ekelige Dinge zu schreiben xD
Wie dem auch sei, liebe Leser, das hier wird auch nicht die letzte Geschichte sein und erstrecht nicht die letzte für das Spiritshipping. Ich habe bereits eine etwas längere Geschichte im Kopf, die davon handeln wird was wohl geschehen wäre, wenn Saiou nicht besiegt worden wäre. Also, es wird sogar dort Spiritshipping geben und vieles anderes auch. Aber, es gibt etwas, das ich euch gern bekanntgeben möchte… ich habe mich dazu entschlossen, zwei oder drei alte Geschichten wieder aufzunehmen und zu Ende zu schreiben. Diese zwei sind „Buschwindröschen“, welche ich mit einer „Re!“-Version neu beginnen möchte, denn die Geschichte hat sich auch ein wenig in meinem Kopf verändert, so dass es sich nicht mehr um ein reines Royalshipping handelt. Die andere Geschichte ist „Another Precious Rainbow“. Ja, ihr habt richtig gehört ;) Ich bin mir noch nicht sicher, wann genau die Bearbeitung und Fertigstellung beginnen kann, aber ich werde es tun. Die dritte Geschichte, die ich vielleicht beenden werde ist „You are (not) alone“, dazu werde ich einen neuen Titel haben (eigentlich nur der Deutsche – Du bist (nicht) allein“) und sämtliche OCs die mir vor einiger Zeit geliehen wurden, werde ich durch meine eigenen, nun passenderen OCs ersetzen.
Bevor ich mich aber meinen Remakes widme, werde ich einem ganz neuen Projekt meine Aufmerksamkeit widmen. Dieses wird teilweise etwas kompliziert, aber Spiritshipping wird ein großer Bestandteil auch dort werden.
Ich hoffe, dass ein paar von euch auch in meine neuen Fanfics reinliest und ganz viel Spaß damit haben wird. Vielen Dank an alle, die ‚Den Pfad des blutroten Teufels‘ gelesen haben, die diese Geschichte auf die Favoritenliste genommen, kommentiert und empfohlen haben.

Bis zur nächsten Geschichte,
liebe Grüße von Ruki (Miburou).
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