Die Mauer
Der Tag war schwül. Sie war den ganzen Tag durch die Stadt gelaufen. Ziellos. Ratlos. Einkaufen gewesen. Sie hatte ihr knappes Kleid angezogen. Es schien ihr, als ob jeder verschwitzte, ekelige und hormongesteuerter Kerl ihr hinter
herschauen würde. Der heiße Tag, die immer schwüler werdende Luft. Irgend-
wann setzte sie sich vor ein kleines lauschiges Eiscafe am Markt. Im Schatten!
Endlich! Nach einem kühlen Glas Wasser ging es ihr wieder etwas besser.
Auf einmal fühlte sie, das sie jemand anstarrt wurde. Doch anders als vorher. Sie suchte und fand das Paar Augen, welches sie fixierte. Sie, die Augen, gehörten einem großen, schlanken, brünetten jungen Mann, der lässig an der alten Stadtmauer gelehnt stand. Etwas in ihrer Magengegend begann zu brennen wie Zunder und sie versuchte sich von dem Blick zu lösen. Diese wahnsinnig
machenden grünbraunen Augen! Es war einfach unmöglich! Die Sonne verschwand hinter einem Berg voll Wolken. Der Junge nahm die Hände aus den
Taschen. Seine Kleidung war für den heutigen Stil fast konservativ, doch sie
möchte Jungs mit einem eigenen Stil. Als sie dann
merkte wie er langsam auf sie zulief, schaute sie sofort verlegen auf ihr
Glas. Der konnte ja nicht sie meinen. So was meinte doch nie sie! Sie wusste
das er vor ihr stand bevor er sein Hi hauchen konnte und wie selbstverständlich
neben ihr Platz nahm. Ihr war es peinlich und lange Zeit schwiegen sie sich
einfach an. Irgendwann beugte er sich vor und das obwohl es nun wirklich heute
sehr ruhig in der Stadt war. "Weißt du eigentlich wie schön du bist?!" Seine
Stimme neben ihrem Ohr. Sie sah ihn entgeistert an und schüttelte stumm mit
dem Kopf . Nein, das wusste sie wirklich nicht. Es war das erste Mal das ihr
das irgendjemand sagte. Ihr wurde schlagartig klar, das er doch sie meinen musste. Er nahm eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und im gleichen Augenblick zuckte der erste Blitz durch die Luft. Ihre Gesichter waren für eine Sekunde hell erleuchtet. Nur eine Sekunde. Er zog sie an sich und küsste sie. Es war als wäre irgendetwas passiert und sie nicht nur Fremde. Als der Donner durch den Himmel donnerte, zog sie sich sofort zurück. Panik packte sie. Was tat sie da?! Schnell und ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen packte sie ihr Zeug zusammen. Sie rannte über den Marktplatz. Was tat sie da? Eiskalter Wind durchstieß sie und dann begann es aus dem Himmel zu gießen. Ein Platz-
regen. Ein Wolkenbruch. Endlich erreichte sie eine kleine Seitenstrasse, an
der die Stadtmauer entlang lief. Es war dunkel. Egal, es war trocken und sie
alleine. Ihr Kleid war inzwischen restlos durchnässt, durchsichtig. Sie nahm
sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Sie atmete durch, versuchte sich
zu beruhigen. Dann griff eine Hand nach ihrem Arm. Er! Sie zuckte zusammen. Die Angst machte sich wieder in ihr breit. Doch dann wieder die
Stimme neben ihrem Ohr. "Hast du Angst vor mir?!" fragte er fast tonlos.
Sie drückte ihren Kopf gegen die Mauer. Erhoffte sich Kühlung, die nicht eintreten wollte. Man hat keine Wahl und wenn, ist man nicht bereit
sie zu treffen. Sie war ihm immer noch eine Antwort schuldig. Sie drehte
sich abrupt um. Auch er war total durchnässt, die Haare hangen in sein
Gesicht und seine Augen waren schwarz. Sie wirkten wenigstens so. Seine
Unterlippe zitterte und ein Tropfen fiel von einer Haarsträhne, lief über seine
Stirn über der Nase und rollte über seine Lippen. Was für Lippen! Sie strich
Ihm eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Er schloss kurz die Augen.
Noch ein Blitz! "Vielleicht hab ich Angst vor mir selbst." Er nickte zu-
stimmend. Auch wohl nicht so cool wie gedacht, wie?! Und dann war es
so als würden alle Dämme auf einmal überlaufen. Sie presste sich an ihn
und küsste ihn. Nach kurzem Verblüffen erwiderte er die Küsse. Und von
dort an küsste sie jede Stelle die sie so erreichen konnte. Irgendwann wanderte
seine Hand über ihren Hals zu ihren Brüsten, die sich unter dem durchsichtigen
Kleid eindeutig abzeichneten. Als er sie das erste Mal berührte war es ihr so als ob sie in der nächste Sekunde explodieren würde. Er liebkoste diese eine gewisse Zeit und streifte dann vorsichtig die Träger des Kleides mit den beiden Zeigefingern herunter. Was war mit den Passanten? Sie blickte sich um. Keiner zu sehen. Als ob er ihre Gedanken lesen könnte meinte er. "Die sind alle zuhause und lieben sich. " Seine Stimme machte sie glücklich. Seine Hände wanderten von den Brüsten zu ihren Hüften.
Sie bekam weiche Knie. Was könnte er noch so alles mit ihr machen, wenn sie
auf eine solche kleine Bewegung schon so reagierte? Langsam schob er sie in
Richtung Mauer und presste sie dagegen. Wieder diese Stimme am Ohr.
"Kennst du das, wenn man unbedingt mit jemanden schlafen will und nicht
mehr weiß das er sonst tun soll?!" Auf der einen Seite war sie geschockt über diese Äußerung, auf der anderen Seite wusste sie ganz genau was er meinte. Das schockte sie noch mehr. "Ja." Sie drückte ihren Kopf auf seine Schulter. Sie war warm. Lebendig. "Ich will.. ich will mit dir schlafen." Das erste Mal in der ganzen Zeit, das er keinen klaren Satz äußern konnte. Sie zuckte zusammen als er langsam mit dem rechten Handrücken vorsichtig über ihren Hals strich.
Wollte sie? Sie kannte ihn nicht und selbst das widerstrebte ihr. Langsam ließ sie sich in seine Arme gleiten und schloss die Augen. Einmal frei sein um das zu tun. Sie gab sich ihm hin. " Bleib für immer bei mir, Liebste." Hauchte er ihr ins Ohr. Es war unbeschreiblich. Der Regen, die Mauer, einfach alles drehte sich in ihrem Kopf.
"Geht es Ihnen gut?" fragte sie eine älterer Dame und half ihr hoch. Langsam öffnete sie die Augen. Die Sonne blitze sie böse an. "Hat es denn gerade nicht noch geregnet?" fragte sie schlaftrunken und blickte sich um, doch sie konnte nirgendwo eine Pfütze entdecken. "Ich hab hier vor dem Gewitter Schutz gesucht." Die ältere Frau schaute sie besorgt von oben bis unten an. "Das muss die Hitze gewesen sein." Das Mädchen sah sich um. "Er ist auch verschwunden." "Wer?" wollte die ältere Dame wissen. Das Mädchen lehnte sich gegen die Wand. "Ein Junge, längere braune Haare, sehr hübsch. Seine Klamotten wirkten etwas altmodisch. Na ja, ich konnte noch nie einen Mann lange an mich binden." Die ältere Frau starrte sie entsetzt an.
"Länger als du denkst Kind! Hier gab es mal einen jungen Mann, der hier oft oben saß, als ich noch ein Kind war. Er redete immer wirres Zeug von seiner Liebsten, die zu ihm kommen würde. Nach einem schweren Gewitter fand man ihn dann tot auf. Man vermutete, das er von der glitschigen Mauer abgerutscht sei."