Funkenflug
Funken flogen durch die Luft und Belle musste sie schnell fort pusten, damit sie nicht auf ihrem Buch landeten. Es war eine schön Geschichte über ein Mädchen, eine Fee, Dornen und ewig langen Schlaf. Sie hatte sie gefesselt. So sehr, dass sie gar nicht richtig mitbekommen hatte, wann das Feuer entzündet worden war.
Doch jetzt, als sie über den Rand ihres Buches schaute, war sie vollkommen fasziniert. Ihr sonst so langweiliges, kleines Dörfchen schien plötzlich gar nicht mehr so langweilig zu sein.
Der dicke Bäcker tanzte um das Feuer herum, der Buchhändler knapp hinterher und selbst Gaston schien sich, Maibowle in der Hand, fantastisch zu amüsieren.
Unwillkürlich begann sie zu lächeln.
So konnte es ihretwegen gerne jeden Tag auf dem Marktplatz zugehen.
Einige Kinder rannten an ihr vorbei, erpicht darauf zu sehen, was der bunt gekleidete Gaukler mit seinen farbenfrohen Bällen wohl zu tun vermochte. Sie wäre ihnen am liebsten nachgelaufen, doch eigentlich war sie für Narren schon zu alt.
Irgendwo erklang ein Tambourin und obwohl sie es nicht sehen konnte, war es ihr, als würde es den Takt der Welt angeben. Der Gaukler jonglierte in seinem Rhythmus, der Bäcker tanzte dazu, selbst Gastons Groupies schienen in seinem Takt zu seufzen.
Das Feuer knisterte und knackte und bildete zusammen mit den harten Schlägen und dem lustigen Geklingel der Schellen ein ganz eigenes Lied. Es war eine Melodie, eine Komposition aus fremdartigen Tönen, die langsam schneller und schneller wurden, bis … Bis ein Mädchen aus den Flammen brach.
Ihr Kleid war so rot wie das alles verschlingende Feuer. Ihr Haar ein dunkler Teppich aus Ebenholz. Sie lachte, laut und frei, dann wirbelte sie herum.
Eine Pirouette, noch eine – Ein Schlag mit dem Tambourin.
Belle starrte, während die Andere nur noch mehr in Fahrt zu kommen schien. Sie hüpfte um das Feuer als hätte sie nie etwas anderes getan, als wäre sie ein Teil der Flammen. Hier ein ausgestrecktes Bein, da ein lasziver Blick, dort eine anmutig gehobene Schulter.
Schwarze Locken fielen ihr ins Gesicht, doch das störte die Besitzerin nicht. Ein Sprung, ein Spagat. Gebräunte Haut blitzte Belle entgegen, bevor sie in den Weiten des roten Kleides verschwand.
Eine weitere Drehung, dann stand sie plötzlich vor ihr. Eine warme Hand legte sich auf ihre. Oder legte sie sich eher auf ihr Buch? Belle wusste es nicht. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie schnappte nach Luft. Dabei war es das andere Mädchen, das eigentlich außer Atem hätte sein sollen.
Schüchtern blickte Belle auf, streifte mit Blicken ihren roten, vollen Mund und versank schließlich in faszinierend grünen Augen. Ihre dunklen Locken rochen nach Rauch, ihre Kleidung nach etwas, was sie nicht einzuordnen wusste. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihre faszinierend schönen Lippen. Wenn sie gemerkt hatte, dass Belle sie anstarrte, zeigte sie es nicht.
„Du musst vorsichtiger sein“, warnte sie sie, die Stimme rauchig und warm, „Das Feuer schlägt viele Funken hier. Es ist sehr leicht sich zu verbrennen.“
Belle nickte, nicht ahnend, dass es nicht ihr Buch war, von dem das andere Mädchen sprach und nicht sehend, dass an einem der langen Tische bei der Bowle längst ein Funke entzündet war.
