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Crystal of the Dark

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Ich entshculdige mich für die Verspätung des Kapitels aber irgendwie war ich nur noch arbeiten und hab gar nicht bemerkt, dass eine weitere Woche ins Land geflossen ist -.-' Das ist total an mir vorbei gegangen...
Ich werde mich bemühen, meinen 1-Wochen-Rhythmus beizubehalten.

Viel Spaß mit dem nächsten Kapitel :)

Eure Kikono-chan Komplett anzeigen

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Schmerz

Kapitel 7: Schmerz
 

Schneller, als ich denken kann, habe ich mir meine Jacke übergeworfen, meinen Schlüssel geschnappt und die Wohnung verlassen.

Was ist nur in ihn gefahren?

Warum ist er plötzlich so kühl und abweisend?

Es ist doch nicht meine Schuld, dass er sich wie ein Teenager verhält, nur weil er nicht über die Geschehnisse der Vergangenheit reden kann. Anscheinend ist ihm seine Eismagie zu Kopf gestiegen oder er hat sie sich zu sehr zu Herzen genommen - haha, jetzt mache ich schon Wortwitze. Warum nehme ich mir seine Reaktion eigentlich so sehr zu Herzen?
 

Mitten im Park, der sich direkt hinter unserem Haus befindet, mache ich kurz Halt und richte meinen Blick gen Himmel. Seit unserer ersten Begegnung vor über einem Monat, habe ich eine unerklärliche Sympathie für den blauhaarigen, jungen Mann entwickelt. Und in den letzten 24 Stunden ist diese exponentiell gewachsen.

Packe ich meine Emotionen gerade in mathematische Formeln? Oh Gott, ich muss mich echt dringend ablenken!

Kopfschüttelnd setze ich meinen Weg fort zum östlichen Ausgang des Parks. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung zu Tara Taminos Tanzstudio, meinem ganz persönlichen Rückzugsort. Früher bin ich oft hier gewesen aber seit Beginn meines Studiums sind meine Besuche rar geworden. Dabei mag ich kaum etwas so sehr, wie zu tanzen.
 

Etwas schüchtern betrete ich die große Halle und erblicke in der hintersten Ecke Tara Tamino. Doch noch mache ich nicht auf mich aufmerksam, denn sie ist nicht allein. Ihr Tanzpartner Jee ist gerade dabei, sie im Takt der Musik herumzuwirbeln und gebannt verfolge ich die geschmeidigen Bewegungen der beiden, die so harmonisch und sinnlich sind, wie man es nur bei professionellen Tanzpaaren sehen kann. Ich staune immer wieder, wie perfekt die Zwei zusammen agieren.

Jee ist nur knapp einen Kopf größer als Tara, braungebrannt mit strahlend grünen Augen und kurzen, schwarzen Haaren, die teils an seiner Stirn kleben. Das und die Tatsache, dass sein Hemd mittlerweile mehr offen als zugeknöpft ist, weist eindeutig darauf hin, dass sie schon seit mehreren Stunden üben. Auch an Tara geht so etwas nicht spurlos vorbei. Sie trägt nur noch ein bauchfreies Top, wodurch man ihre verschwitzte Haut umso besser im Licht der Neonlampen glitzern sehen kann, und auch ihr kleben vereinzelte Strähnen ihrer langen braunen Locken im Gesicht, obwohl sie diese zu einem Zopf zurück gebunden hat.
 

Das Musikstück endet und schwer atmend lachen die Beiden sich an.

"Das war spitze, danke Jee."

Lächelnd nickt er ihr zu und reicht ihr eines der beiden zuvor bereit gelegten Handtücher. "Manchmal frage ich mich, warum du uns so hart trainieren lässt, Tara. Von perfekt gibt es keine Steigerung." Lachend schlägt sie mit dem Handtuch nach ihm und erst jetzt bemerkt sie mich.

"Oh, Aki. Was treibt dich denn hier her? Solltest du nicht in der Uni sitzen und fleißig lernen? Es stehen doch bald Prüfungen an."

Ich rolle mit den Augen. "Es stehen IMMER Prüfungen an. Hi erstmal." Wir umarmen uns herzlich zur Begrüßung.

"Ich brauche einfach eine Pause. Muss den Kopf dringend frei kriegen. Ist Tommas auch da?" Ich schiele zu einer Tür, die diesen Raum von einem weiteren abgrenzt. Dahinter befindet sich eine ähnlich große Halle. Tommas, ein Junge in meinem Alter, ist so etwas wie mein Trainingspartner. Von allen Tanzpartnern, die ich bisher gehabt habe, harmoniert er am besten mit mir.

Wie auf's Stichwort öffnet sich die Tür und ein zerstreut wirkender Blondschopf tritt in die Halle. "Tara, kannst du mir helfen? Ich komm mit der Choreo einfach nicht weiter, es ist zum Kotzen. Ohne Aki komm ich echt nur halb so gut voran und..." er blinzelt zwei Mal und starrt fassungslos über Taras Schulter zu mir. Dann verziehen seine Mundwinkel sich zu einem gigantischen Grinsen und seine azurblauen Augen strahlen mir regelrecht entgegen.

"Aki! Hey, Kleines. Was machst du denn hier? Ist das schön, dich zu sehen!" In seiner überschwänglichen Freude hebt er mich hoch und vollführt einige Drehungen mit mir, während ich mich völlig überrumpelt einfach nur an ihm festkralle.

"Tommas, halt, nicht so stürmisch." kichere ich. Ich habe fast vergessen, wie sehr mir diese Menschen hier am Herzen liegen. Tara und Tommas sind für mich von Anfang an so etwas wie ältere Geschwister gewesen. Umgekehrt sehen sie mich auch als ihre kleine Schwester an. Entsprechend wenig verwunderlich ist diese herzliche Begrüßung.

"Du kommst wie gerufen, ehrlich. Ich hoffe, du hast Lust und Zeit zum Tanzen?" Voller Vorfreude strahlt er mich an.

"Genau dazu bin ich hergekommen. Ich ziehe mich nur eben um." Damit flitze ich durch die Halle. Im hinteren Teil befindet sich, etwas versteckt, eine weitere Tür, die zu den Umkleiden führt. Hier habe ich immer Sachen für's Training gebunkert. Meine Hose und mein Oberteil fliegen achtlos in meinen Spind und werden durch eine schwarze Leggins und ein bauchfreies, eng anliegendes weißes Top ersetzt.
 

Kaum angekommen in der zweiten Halle, hebt Tommas mich hoch, dreht sich einmal schwungvoll mit mir, um mich abzusetzen und mich eine weitere Drehung vollführen zu lassen. Nur einen Wimpernschlag später zieht er mich in Tanzpose und dirigiert mich in den Takt für einen Mambo. Musik spielt keine. Wozu auch? Wir haben unsere ganz eigene Melodie im Ohr, zu der wir uns bewegen. Das ist schon immer so gewesen.
 

"Ich staune immer wieder. Du warst nun so lange nicht hier aber du hast nicht einen Schritt vergessen." Grinst der Blondschopf, lässt mich erneut eine Drehung vollführen, bevor er mich wieder an sich heran zieht.

"Ach komm, es waren nur zwei Monate. Auch wenn sie mir wie eine Ewigkeit vorgekommen sind..."

"Sag ich ja. Warum schmeißt du dein blödes Studium nicht und steigst endlich bei uns ein? Du hast so viel Potenzial als Tänzerin. Außerdem wäre Tara begeistert, wenn du die Tanzschule weiterführen würdest." Hoffnungsvoll sieht er mich an, doch ich seufze nur. Wie oft haben wir dieses Gespräch in den letzten zwei Jahren nun schon geführt? 100 Mal? 200 Mal?

"Tommas..." fange ich leidig an. Wir haben in unseren Tanzschritten inne gehalten.

"Ich weiß schon. Dir bedeutet dein Studium einfach zu viel. Aber ich sehe doch, wie sehr du das Tanzen liebst, wie glücklich es dich macht. Wirf das nicht einfach hin."

"Das tue ich doch auch gar nicht. Aber es ist nur ein Hobby. Ich könnte mir niemals vorstellen, Profitänzerin oder Tanzlehrerin zu werden."

"Das sagst du jedes Mal." Er lacht leise, lehnt seine Stirn gegen meine und sieht mir tief in die Augen.

"Warum fragst du mich dann immer wieder?"

Seine Finger streichen über meine Arme. Normalerweise macht mir das nichts aus, aber jetzt gerade hat sich irgendetwas verändert. Seine Haltung ist eindeutig angespannter, als sie es eben noch beim Tanzen gewesen ist.

"Weil wir uns verändert haben, Aki. Wir sind keine Kinder mehr. So langsam sollten wir auch an unsere Zukunft denken, Pläne schmieden..." Seine Finger streifen mein Kinn, Nervosität breitet sich in mir aus. Mir gefällt ganz und gar nicht, in welche Richtung dieses Gespräch geht.

"Tommas, lass das bitte." Ich greife nach seinen Händen und drücke sie zur Seite, entferne mich dabei einige Schritte von ihm. Allmählich wird mir seine Nähe unangenehm.

"Willst du mir erzählen, du fühlst nicht das Gleiche wie ich?" startet er einen erneuten Versuch. Abwehrend hebe ich meine Arme, als er seine Hand nach mir ausstreckt.

"Du warst für mich immer wie ein großer Bruder, ein Beschützer, ein guter Freund. Nicht mehr und nicht weniger. Und daran wird sich auch nie etwas ändern."

"Woher willst du das wissen? Gib mir wenigstens eine Chance!"

"Nein!" Mit Nachdruck hebe ich mahnend meinen Zeigefinger und verlasse schnellen Schrittes die Halle, vorbei an einer verdutzt drein blickenden Tara, zurück in die Umkleidekabine, und knalle erst einmal meine Spindtür derart kraftvoll zu, dass sie sofort wieder auffliegt.

"Verdammt!" brülle ich das wehrlose Metallgebilde an und trete einmal dagegen, dass es scheppert. Warum hat der Idiot auch alles kaputt machen müssen?
 

Tränen bahnen sich ihren Weg über meine Wangen und zuckend gleite ich an meinem verbeulten Spind hinab auf den Boden. Ich habe doch nur kurz in meine heile Welt flüchten wollen. Fernab von Dämonen, dem blauhaarigen Magier und anderen übernatürlichen Katastrophen. Und ausgerechnet heute kommt Tommas mir mit so einer stümperhaften Liebeserklärung daher.

Ob das daran liegt, was Ian zuvor gesagt hat? Aber kann etwas, das eigentlich nur für die Untere Welt von Bedeutung ist, auch hier in der Irdischen Welt Konsequenzen haben?
 

Meine Nägel bohren sich in meine Oberarme und zu den heißen Tränen der Verzweiflung kommt nun auch noch mein kochendes Blut. Meine aufgewühlten Emotionen müssen mein Dämonenblut anstacheln. Ich muss nach Hause und zwar so schnell wie nur möglich!

Zitternd erhebe ich mich, stopfe meine Sachen in einen Beutel, der sich mit unzähligen anderen in meinem Spind tummelt, werfe mir meine Jacke über, ohne mich umzuziehen und eile aus dem Tanzstudio. Ich beschließe, mich nicht noch einmal umzudrehen, ignoriere Taras Fragen und Tommas' verzweifelte Rufe und laufe einfach so schnell ich kann zurück zu meiner Wohnung.
 

Auf dem Weg durch den Park scheint sich zumindest mein Blut wieder etwas zu beruhigen. Ein kurzer Blick über meine Schulter garantiert mir, allein zu sein und nicht verfolgt zu werden. Es ist weise gewesen, einige Schleichpfade fernab der Hauptwege zu nehmen. Somit habe ich einen Augenblick für mich.
 

Natürlich wäre es schön, wenn ich endlich jemanden an meiner Seite hätte. Jemanden, der immer für mich da ist. Jemanden, dem ich voll und ganz vertrauen kann. Jemanden, der mich nicht für das verurteilt, was ich jetzt bin, und mich so nimmt, wie ich bin. Aber Liebe ist mit einem Mal etwas derart Großes für mich geworden, dass ich nicht eben einfach so testen kann, ob Tommas und ich eine Zukunft gehabt hätten. Würde dieser Test scheitern, wäre ich auf ewig allein. Spätestens aber in etwa 60 Jahren, wenn er alt und gebrechlich und sein sterbliches Leben sich dem Ende entgegen neigen würde, ich aber um keinen Tag gealtert wäre.

Habe ich mich deswegen nie verliebt? Weil mein Innersten bereits gewusst hat, was ich wirklich bin. Ein unsterbliches Leben und die Liebe eines Sterblichen sind eben nicht füreinander gemacht. Ein bitteres Lächeln huscht über meine Lippen. Wie ätzend kann dieser Tag eigentlich noch werden?
 

Als ich endlich den Park verlasse und auf das Wohnhaus zusteuere, in dem ich seit fast drei Jahren mit Rhea zusammen lebe, überkommt mich ein mulmiges Gefühl, gepaart mit einer unschönen Vorahnung.

Mulmig ist mir hauptsächlich deswegen, weil ich nicht weiß, wie mein Mentor derzeit auf mich zu sprechen ist und ich einen erneuten Konflikt gern vermeiden möchte.

Das ungute Gefühl überkommt mich dadurch in Bezug auf meine beste Freundin - sie darf ja gar nichts von meinem neuen Ich wissen!

Und nicht nur das. Wahrscheinlich werden unsere Wege sich nun für immer trennen.

Diese Erkenntnis trifft mich härter, als jeder Schlag. Rhea ist mir immer eine gute Freundin gewesen. Sie ist eine Seele von Mensch, zwar sehr temperamentvoll und sie trägt ihr Herz auf der Zunge aber sie ist immer - wirklich immer! - für mich da gewesen, wenn ich Hilfe gebraucht habe. Was soll ich denn jetzt ohne sie machen?
 

Wieder den Tränen nahe, starre ich hinauf zu unserer Wohnung. Wie konnte es passieren, dass mein Leben plötzlich derart kompliziert geworden ist?

Völlig unerwartet streift eine mächtige Aura mein Bewusstsein und ich zucke zusammen.

"Aki? Wo warst du so lange? Ich hab dir doch gesagt, du sollst in der Nähe bleiben!" Diese Stimme würde ich unter tausenden wiedererkennen! Ian. Aber wieso kann ich seine Stimme in meinem Kopf hören, ihn aber nirgends sehen?

"Mentale Kommunikation. Das wirst du auch noch lernen müsse,n aber nicht jetzt. Deine kleine Freundin hat sich vorhin bei dir gemeldet und sich für 17 Uhr angekündigt. Sie wird herkommen." Warte - was? Rhea kommt her? Wie spät ist es denn jetzt?

"16:55 Uhr. Lass sie auf keinen Fall in die Wohnung! Ich habe dein Chaos noch nicht vollständig beseitigen können. Aber versuche dieses Mal bitte trotzdem in der Nähe zu bleiben. Du hast selbst gemerkt, was für eine Wirkung du mittlerweile auf Männer hast. Das wird kein Einzelfall bleiben." Wütend fixiere ich mein Zimmerfenster. Ich wette, er steht direkt dahinter! Was heißt hier bitteschön mein Chaos? Er ist doch Schuld daran gewesen, dass ich die Beherrschung verloren habe. Und wie kann er es nur wagen, mir derart nach zu spionieren?!

"Ich habe doch gesagt, ich passe auf dich auf. Wäre der Typ handgreiflich geworden, hätte ich eingegriffen." Zufrieden und gnädiger stimmt diese Antwort mich nicht gerade aber ich weiß, dass sie ehrlich ist. Also werde ich mich wohl damit zufrieden geben müssen.
 

"AAAAAkiiiiiiiii!" dringt es fröhlich an mein Ohr. Ich fahre panisch herum und blicke auf die gegenüberliegende Straßenseite. Verflucht - seit wann ist Rhea denn bitteschön so pünktlich? Ich bin seelisch und moralisch noch gar nicht darauf eingestellt, mich jetzt schon mit ihr zu unterhalten. Geschweige denn, mich der Tatsache zu stellen, sie für immer aus meinem Leben ausschließen zu müssen.

Zügig und voller Elan überquert sie die Straße und zieht mich direkt in eine Umarmung. Etwas widerwillig lege ich meine Arme um ihren zierlichen Körper.

"Es ist so schrecklich langweilig ohne dich in der Uni. Geht es dir schon wieder besser? Du kannst doch bei den Temperaturen nicht nur in Leggins durch die Gegend laufen. Mensch, Aki, was machst du nur?" plappert sie einfach drauf los, und ich muss hart mit mir kämpfen, nicht einfach in Tränen auszubrechen. Schon wieder.

Vorsichtig schiebe ich sie etwas von mir weg, lächle sie traurig an. "Rhea, ich muss mit dir reden."

"Jederzeit. Was ist denn passiert? Du guckst so ernst." Forschend blickt sie mich an, doch ich schüttel nur mit dem Kopf.

"Nicht hier." Ich deute stattdessen auf ein kleines Café zwei Blocks weiter.
 

Wir haben einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke besetzt und etwas zu trinken bestellt. Schweigend starre ich auf meine Hände, die zusammengefaltet vor mir auf dem Tisch liegen. Auch als die Kellnerin unsere Getränke hingestellt hat, schaffe ich es einfach nicht, das Wort zu ergreifen. Während der gesamten Zeit spüre ich deutlich, wie meine beste Freundin mich eingehend mustert.

Wie soll ich ihr nur etwas erklären, was ich nicht erklären darf? Lustlos nippe ich an meiner heißen Schokolade. Ich weiß, dass ich sie unter keinen Umständen belügen will, aber vollkommen ehrlich sein, kann ich auch nicht. Also bleibt mir nur übrig, alles so zu verpacken, dass sie nichts hinterfragen wird.

"Rhea?" versuche ich mit halblauter Stimme anzusetzen. Natürlich sieht sie mir sofort in die Augen, versucht in mir zu lesen, was mich so aufwühlt.

"Du weißt, dass ich immer für dich da bin, Aki." Aufmunternd lächelt sie mich an, und kurz huscht auch ein Lächeln über meine Lippen.

"So wie du das sagst, klingt es, als hätte ich etwas ausgefressen."

"Hast du nicht?" Etwas verblüfft legt sie ihren Kopf schief, schaut mich aus ihren rehbraunen Augen an und beugt sich leicht in meine Richtung.

Ruhig schüttel ich den Kopf, ein mildes Lächeln auf meinen Lippen. "Nein."

"Was bedrückt dich dann?"

"Das ist kompliziert." Das ist es wirklich. Überlegend falte ich meine Hände vor meinem Gesicht zusammen und lehne meine Stirn leicht dagegen.

"Ist es wegen Tommas?" schießt sie einfach ins Blaue und überrascht fahre ich wieder hoch.

"Wie kommst du jetzt darauf?"

"Du hast die Klamotten an, die du sonst nur zum Tanzen trägst. Du warst also bei Tara. Und so zerstreut, wie du wirkst, würde ich tippen, unser lieber Blondschopf hat endlich seinen Mut zusammen genommen und dir seine Gefühle gestanden."

"Du wusstest davon?" fahre ich sie harsch an.

"Natürlich. Du etwa nicht? Das war sowas von offensichtlich, dass er auf dich steht." Seufzend lässt sie sich in ihren Stuhl zurückfallen. "Aber wie ich dich kenne, hast du ihm eine Abfuhr verpasst. Man, Aki, so wirst du noch als alte Jungfer sterben." mault sie weiter.

Ich muss mich sehr beherrschen, jetzt nicht an ihre Gurgel zu springen oder anderweitig die Kontrolle zu verlieren. Mein Blut beginnt gerade wieder, gefährlich zu brodeln. Bitte nicht. Nicht jetzt. Nicht hier. Und schon gar nicht vor Rhea!

Also atme ich tief ein und wieder aus, versuche, meinen Herzschlag zu kontrollieren und wieder herunter zu fahren. "Vergiss es, Rhea. Er ist nicht der Richtige."

"Und woher willst du das wissen, wenn du es nicht einmal versuchst?"

"Vertrau mir einfach. Ich weiß es eben."

"Also ist er gar nicht der wirkliche Grund, warum du mit mir reden wolltest?"

"Nein." Und dann kehrt wieder Stille ein zwischen uns.

Genervt greift die Schwarzhaarige nach ihrer Kaffeetasse und starrt mürrisch in die schwarze Plörre.

"Ich werde die Stadt verlassen müssen." eröffne ich ihr dann nach einigen weiteren schweigsamen Minuten. Rhea fällt fast die Tasse aus der Hand.

"Wieso? Was hast du angestellt? Du kannst mich hier doch nicht allein lassen!"

"Es ist wegen etwas, das mit meiner Vergangenheit zu tun hat. Und meiner Zukunft. Ich habe gestern etwas über mich erfahren, das mich zu diesem Schritt zwingt." Nicht die ganze Wahrheit aber auch keine Lüge.

"Ok." kommt es langsam von meiner besten Freundin, bevor sie sich mit einem verschwörerischen Grinsen zu mir vorbeugt. "Wann hauen wir ab?"

Jetzt bin ich diejenige, die völlig verdattert guckt. Hat sie gerade "wir" gesagt?

"Ich hab sowieso keine Lust mehr auf dieses ätzende Studium. Lass uns unsere Sachen packen und abhauen. Wir gehen zusammen auf Reisen, erkunden die Welt und ergründen nebenbei alle Geheimnisse, die dich betreffen." Sie ist Feuer und Flamme, völlig überzeugt davon, dass wir das gemeinsam durchziehen werden.

"Das geht doch nicht, Rhea. Was ist mit deiner Zukunft? Deiner Familie? Du kannst doch nicht einfach alles stehen und liegen lassen."

"Ich bin erwachsen. Ich kann tun und lassen, was mir beliebt. Ich hab genug Geld auf die Seite gelegt, dass es für eine Weile reichen sollte, und ansonsten können wir ja nebenbei ein bisschen jobben, um wieder an Kohle zu kommen. Das wird ein riesiges Abenteuer!"

"Du stellst dir das viel zu einfach vor. Die Welt ist doch kein Spielplatz!"

Sie wischt meinen Einwurf mit einer Handbewegung weg und grinst einfach nur breit. "Du weißt besser als jede andere, dass ich mich sehr wohl wehren kann. Ich bin nicht so nett, wie ich aussehe. Außerdem wären wir doch nicht allein. Wir bleiben zusammen. Ich lasse dich nicht im Stich!"

Fast steckt sie mich mit ihrer Euphorie an und lässt mich völlig meine verzwickte Lage vergessen. Aber eben nur fast. Traurig senke ich den Kopf. "Es geht nicht."

Sie greift nach meinen Händen, lächelt mich aufmunternd an. "Mach dir nicht so viele Gedanken, Kleines. Ich bin bei dir. Gemeinsam schaffen wir alles."

Ihre Worte rühren mich beinahe zu Tränen. Ich entziehe ihr meine Hände wieder, verstecke sie unter dem Tisch in meinem Schoß. "Ich muss das alleine machen." flüstere ich kaum hörbar.

"Du musst gar nichts alleine machen! Wir sind doch beste Freundinnen."

"Versteh mich doch, Rhea! Da, wo ich hingehe, kann ich dich nicht mitnehmen. Ich weiß ja selbst nicht, was mich erwartet. Ich will dich nicht unnötig in Gefahr bringen. Ich kann... ich DARF dich da nicht mit reinziehen. Es tut mir Leid." Meine Hände krallen sich in den dünnen Stoff meiner Leggins. Hoffentlich hab ich eben nicht zu viel verraten. Aber es stimmt ja. Ich würde sie nur in Gefahr bringen, wenn ich sie weiterhin in meiner Nähe dulden würde. Ein resigniertes Seufzen lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Gesprächspartnerin.

"Aber du... du lässt doch ab und an von dir hören, oder?" Ihre Niedergeschlagenheit ist deutlich aus ihrer Stimme zu hören.

"Ich... ich werde es versuchen."

"Aki, du kannst jederzeit zu mir kommen, hörst du. Egal wann. Ich werde immer für dich da sein. Wir werden immer beste Freundinnen bleiben."

Und dann bricht der Staudamm doch. Ich springe auf, falle Rhea regelrecht um den Hals und drücke sie fest an mich, lasse meinen Tränen freien Lauf. "Immer." schluchze ich und "Danke."

Sie hält mich einfach nur fest, streicht mir sanft über den Kopf, beruhigt damit unwissentlich mein Dämonenblut, den Wolf in mir, der am liebsten gerade das gesamte Café auseinander nehmen würde. Sowie alles andere, was mich zu diesem schweren Schritt zwingt.
 

Etwa eine Stunde später stehe ich vor meiner Wohnungstür. Allein. Meinen Schlüssel halte ich zwar in der Hand, bin aber nicht bereit, ihn zu benutzen. Ich kann das einfach nicht. Ich schaffe das nicht allein. Ich will Rhea nicht zurücklassen. Auch wenn mir der Rest der Welt gerade irgendwie gestohlen bleiben kann, aber nicht meine beste Freundin. Ich will nicht in einer Welt leben, in der es sie nicht gibt.

Leise wird die Tür geöffnet und schwingt nach innen auf. Noch immer stehe ich wie zur Salzsäule erstarrt einfach nur da, schaffe es gerade so, meinen Kopf anzuheben und in Ians Gesicht zu blicken, dessen Züge derartig viel Verständnis zeigen, dass ich mich am liebsten bei ihm ausheulen würde. Doch ich senke nur meinen Kopf wieder, schlurfe wortlos an ihm vorbei und in mein Zimmer.
 

Es ist längst dunkel geworden und ich liege zusammengekauert auf meinem Bett. Die Energie, die mich letzte Nacht noch immer weiter angetrieben hat, scheint sich zusammen mit meinen Tränen davon gestohlen zu haben.

Leise tritt Ian zu mir. Dass ich ihn dennoch hören kann, bestätigt mir nur, was ich bereits geahnt habe: Ich bin nicht mehr in meiner menschlichen Gestalt. Seine Hand streichelt über meinen Kopf, krault mir die Ohren.

"Du warst heute sehr tapfer, Aki." meint er im Flüsterton. Ich schließe nur meine Augen. Eigentlich ist er gerade eines der letzten Lebewesen, die ich sehen will. Aber leider ist er derzeit der Einzige, der mich so sehen darf.

"Das mit deiner Freundin tut mir Leid. Ich weiß, wie es ist, wenn man einen geliebten Menschen zurücklassen muss."

Nun doch wieder etwas neugieriger, öffne ich meine Augen und sehe ihn an.

"Ich habe vor mehr als 800 Jahren auch meine damalige Familie und meine Freunde verloren. Als mir von meinem Mentor eröffnet wurde, was ich bin und wo mein eigentlicher Platz ist, war ich anfangs genauso verwirrt wie du. Allerdings hat er mir nicht die Zeit gelassen, mich zu verabschieden, sondern mich noch in der selben Nacht mitgenommen. Als ich dann 50 Jahre später endlich selbst in der Lage war, mich zwischen den Welten zu bewegen, gab es mein Heimatdorf nicht mehr. Ich weiß bis heute nicht, was aus den Menschen geworden ist, die mir so viel bedeutet haben. Oder aus dem Mädchen, das ich damals so sehr geliebt habe..."

Ich drehe meinen Kopf etwas, lege ihn auf seinem Oberschenkel ab. Irgendwie überkommt mich gerade das Gefühl, ihn umarmen zu wollen, ihm Trost zu spenden. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er das nicht will. Also zeige ich ihm mit dieser kleinen Geste mein Verständnis.

Sanft lächelt er mich an. "Ist schon gut, Aki. Es ist lange her. Vergiss einfach, was ich eben gesagt habe."

Ich schließe einfach nur wieder meine Augen. Nein, vergessen kann ich es nicht. Denn es hat mir mehr als deutlich gezeigt, dass hinter dieser Fassade sehr wohl ein menschliches Herz schlägt. Ein Herz, das noch immer trauert und das einmal geliebt hat. Ich weiß nicht, wie das ist. Denn ich habe nie jemanden wirklich geliebt. Aber wenn mich der Verlust meiner besten Freundin schon derart schmerzt, wie viel größer muss der Schmerz dann erst sein, den er verspürt?

"Hör schon auf darüber nachzugrübeln." Er schiebt mich wieder von sich und steht auf. "Vielleicht ist es besser, wenn wir heute Nacht hier bleiben. Wir brechen dafür morgen zeitig auf. Versuch zu schlafen."

Kaum hat er die Tür hinter mir zugezogen, dämmere ich auch schon weg. Dieser Tag ist mehr als nur anstrengend für mich gewesen.



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