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Strangers In A Strange Land

Thor x Loki
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Erklärungen

- Jotunheimen („Heim der Riesen“) ist ein Gebirge in Norwegen Komplett anzeigen

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En

Loki stand am Fenster ihres Zimmers und sah hinaus, die Augen fest auf ihr Ziel gerichtet.

Sein ganzes Leben lang hatte er mit Verachtung auf diesen Ort herabgesehen und nach Odins Tod hatte er nicht daran geglaubt, jemals hierher zurückzukehren – noch dazu unter diesen Bedingungen. Was nur ein weiterer Beweis dafür war, wie gründlich sein Leben mittlerweile aus den Fugen geraten war.

„Hey“, hörte er eine leise, tiefe Stimme hinter sich. Er drehte sich jedoch nicht um, und im nächsten Moment schlangen sich zwei warme, starke Arme von hinten um ihn.

„Hast du überhaupt geschlafen...?“, fragte Thor, während er sein Kinn auf Lokis Schulter legte.

„Wir sind da“, entgegnete der andere jedoch nur, ohne die Frage zu beantworten.

Thor sah auf und sein Blick fiel auf den blauen, wolkenbedeckten Planeten, der langsam immer näher kam.

„Midgard“, sagte er dann, die Stimme voller Zuneigung.

Loki verdrehte die Augen.

Sein Bruder liebte diese Welt und ihre schwachen, idiotischen Bewohner auf eine Weise, die Loki nie verstehen würde. Gewiss, die Menschen waren auf ihre ganz eigene Art unterhaltsam, und es gab manche unter ihnen, die Loki für ihre Errungenschaften fast schon respektierte, auch wenn er weit davon entfernt war, sie jemals zu mögen.

Aber es war – und würde niemals – ein Ersatz für Asgard sein.

Nichts würde die goldene Stadt jemals ersetzen können.

„Was nun?“, fragte Loki nach einer Weile und drehte das Gesicht zur Seite, um seinen Bruder anzusehen.

Thor machte eine nachdenkliche Miene.

„Jetzt suchen wir uns einen Ort, an dem wir bleiben können“, sagte er dann.

Loki stieß ein leises Schnauben aus.

„Sei nicht närrisch“, erwiderte er. „Glaubst du, es gibt auch nur einen einzigen Flecken Land auf diesem Planeten, der noch nicht irgendwem gehört? Ich bin mir sicher, wo wir auch landen werden, irgendjemand wird immer etwas einzuwenden haben.“

Thor schmunzelte.

„Wie sehr du dich doch geändert hast, Loki“, sagte er und küsste den anderen auf die Wange, bevor er ihn losließ, um sich anzukleiden.

Loki runzelte die Stirn und drehte sich zu ihm herum.

„Was willst du damit sagen?“, fragte er. Er versuchte, seinen Bruder nicht allzu sehr anzustarren, während Thor seine königlichen Roben anzog. Loki hatte in den letzten Wochen ausreichend Gelegenheit gehabt, den Körper des anderen wieder kennenzulernen, aber das hieß nicht, dass er nicht in Versuchung kam hinzusehen, wann immer Thor unbekleidet war.

„Die Tatsache, dass du dir Gedanken über diese Dinge machst“, entgegnete sein Bruder schließlich, als er fertig war, und schenkte Loki ein Lächeln. „Früher hättest du dir einfach genommen, wonach es dich gelüstet hat. Heute weißt du, dass dein Handeln Konsequenzen hat.“

Loki verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wundert es dich?“, fragte er. „Du hast schließlich oft genug versucht, mir diese Lektion einzuprügeln, Bruder. In den meisten Fällen wortwörtlich.“

Thor lachte nur, der Bastard.

„Aber hat es uns nicht auch an den Punkt geführt, an dem wir jetzt sind – das erste Mal seit langem wieder vereint?“, erwiderte er.

„Du meinst an den Punkt, an dem du auf einem Auge blind bist, Odin tot, Asgard zerstört und unser Volk heimatlos?“, fragte Loki sarkastisch.

Thor trat jedoch nur schweigend auf ihn zu und nahm sein Gesicht in die Hände, um ihm einen langen, warmen Kuss zu geben, und Loki konnte nicht verhindern, dass seine Augen zufielen und ein Teil seines Widerstandes dahinschmolz.

Manipulativer Mistkerl, dachte er, doch er schaffte es nicht, wütend auf den anderen zu sein. Nicht wirklich.

„Ich sage nicht, dass es leicht war“, meinte Thor mit leiser Stimme, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. „Doch für mich war allein das hier all den Schmerz wert.“

Dann drehte er sich um und verließ den Raum.

Loki starrte ihm nach, und für einen Moment hasste er Thor ein klein wenig dafür, dass er ihn immer so sprachlos machte.
 

Ihre Wahl fiel schließlich auf Senja, eine Insel in Norwegen, die sie landschaftlich und klimatisch sehr an Asgard erinnerte.

Das Raumschiff landete im Wasser eines der Fjorde im Norden der Insel, und sobald die Asen an Land gegangen war, begannen sie auch schon unverzüglich mit der Errichtung von Unterkünften. Der Großteil der hochentwickelten Technologie Asgards war beim Untergang ihrer Welt verlorengegangen, doch die Überlebenden hatten genug davon retten können, um ihre Häuser mit einer Geschwindigkeit und Effektivität zu errichten, die den Bewohnern Midgards wie Magie erscheinen musste. Bei Sonnenuntergang hatte schließlich jede Familie ein Dach über dem Kopf, und eine rudimentäre, ringförmig angelegte Stadt thronte auf der Klippe hoch über dem Meer, in dessen Zentrum der Palast stand.

Er war nur ein schwaches Echo des Palastes in Asgard, doch Loki hatte all sein magisches Geschick und Können in die Erschaffung der hohen Hallen und weitläufigen Gärten gelegt, und als er am Abend zu Tode erschöpft neben Thor ins Bett kroch und einschlief, kaum dass sein Kopf das Kissen berührt hatte, stand ihr Zimmer dem auf dem Raumschiff in Komfort in nichts nach.

In den nächste Wochen und Monaten würde der weitere Feinschliff erfolgen, doch für den Anfang war Thor, der ebenfalls bis zum Einbruch der Dunkelheit unermüdlich beim Aufbau der Stadt geholfen hatte, mit dem Ergebnis zufrieden. Um alles Weitere würde er sich am nächsten Tag kümmern; in diesem Moment genügte es ihm völlig, sein Volk in Sicherheit zu wissen.

Und mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen legte er einen Arm um seinen Bruder und schmiegte die Wange an Lokis Schulter, bevor auch er schließlich einschlief.
 

Der Frieden hielt für genau eine Nacht an.

Als der nächste Tag anbrach, sollte sie die Realität jedoch schneller wieder einholen, als ihnen lieb war.
 

„Thor.“

Es war die Stimme der Walküre, die sie am nächsten Morgen weckte.

Sie sah kein Stück peinlich berührt aus, während sie geduldig darauf wartete, dass Thor sein Auge aufschlug – nur um hastig die Decke über sich und seinen Bruder zu werfen, die in der Nacht heruntergerutscht war.

Loki schlief noch immer tief und fest... oder tat zumindest so, um nicht an der Unterhaltung teilnehmen zu müssen, Thor war sich nicht ganz sicher.

Mit so viel Würde, wie er unbekleidet und so früh am Morgen aufbringen konnte, stemmte er sich in eine sitzende Position und sah die Walküre an. Sie hob nur vielsagend eine Augenbraue, verkniff sich aber jeden Kommentar.

„Was gibt es?“, fragte Thor.

Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter.

„Da ist jemand, der Euch sprechen will“, sagte sie. „Ein gewisser... Stark?“

Thor hörte ein leises Schnauben und als er den Blick senkte, sah er, wie Lokis Schultern vor kaum unterdrücktem Gelächter bebten. Also hatte er doch zugehört.

„Oh, wie herrlich“, murmelte Loki, bevor sich seine Augen zu schmalen, grünen Schlitzen öffneten. „Das hat uns gerade noch gefehlt.“

Thor ignorierte seinen Kommentar jedoch.

„Ich bin gleich da“, wandte er sich an die Walküre.

Sie nickte kurz und ging dann wieder hinaus.

„Er wird dich nicht bekommen, Loki“, sagte Thor leise zu seinem Bruder. „Du hast mein Wort.“

Loki stieß ein Seufzen aus, bevor er sich ebenfalls aufsetzte und mit einer Hand durch seine langen dunklen Haare kämmte.

„Oh Thor, ich bitte dich“, erwiderte er. „Ich bin nicht arrogant genug zu glauben, dass er meinetwegen gekommen ist.“

Thor runzelte die Stirn. „Warum sollte er dann hier sein?“

Loki warf ihm einen Blick zu, als konnte er schlichtweg nicht fassen, wie langsam sein Bruder manchmal war.

„Ich sagte dir bereits gestern, dass jeder Flecken Erde auf diesem Planeten schon vergeben ist“, entgegnete er dann. „Und ich garantiere dir, dass das der Grund für seinen Besuch ist. Woher soll er außerdem auch wissen, dass ich mit dir gekommen bin?“

Thor zuckte mit den Schultern. Dann weitete sich sein Auge plötzlich.

„Banner!“, stieß er hervor.

Der Hulk hatte sich von ihnen verabschiedet, kaum, dass sie in die Erdatmosphäre eingedrungen waren. Und er und Stark waren Freunde, es wäre also möglich...

Doch Loki schüttelte nur den Kopf.

„Falls die Bestie überhaupt bei klarem Bewusstsein ist, bin ich mit Sicherheit ihre letzte Sorge“, sagte er. „Du hast Banner gehört, er war seit Jahren nicht mehr auf diesem Planeten. Ich bin mir sicher, er hat einiges nachzuholen.“

In einer für diese frühen Morgenstunden unverschämt anmutigen Bewegung stand Loki dann auf und begann sich anzukleiden.

„Thor“, meinte er genervt, während der Blick seines Bruders anerkennend über seinen blassen, nackten Körper wanderte. „Jetzt komm schon. Wir sollten ihn nicht warten lassen.“

Thor hob überrascht eine Augenbraue. „‚Wir‘?“

Loki drehte sich um und schenkte ihm ein grimmiges Lächeln.

„Wir hatten uns geschworen, diese Sache gemeinsam durchzustehen“, erwiderte er. „Und wenn das bedeutet, Stark erneut in die Augen sehen zu müssen, damit unser Volk in Frieden leben kann, dann werde ich auch diese Demütigung über mich ergehen lassen.“

Thors Blick wurde weich. Wie sehr sein Bruder in den letzten Jahren doch an seinen Herausforderungen gewachsen war.

„Loki, du-“

Doch der andere unterbrach ihn, indem er an das Bett herantrat und Thor einen Finger auf die Lippen legte.

„Ich schwöre dir, wenn du noch ein weiteres Wort sagst, dann wirst du auch noch dein anderes Auge verlieren“, drohte er mit samtweicher Stimme.

Dann fuhr er damit fort, sich anzuziehen.

Thor war klug genug, seine Gedanken für sich zu behalten, während er Lokis Beispiel folgte und aufstand, um sich anzukleiden. Doch er konnte sein Lächeln dabei nicht verbergen.
 

„Ich gebe zu: von allen Umständen, unter denen wir uns hätten treffen können, ist dies mit Abstand derjenige, mit dem ich am wenigsten gerechnet hatte“, sagte Tony, als Thor mehrere Minuten später den Thronsaal betrat. „Norwegen? Ernsthaft? Ist das nicht selbst für asgardische Verhältnisse etwas klischeehaft?“

Thor grinste nur breit.

„Ich freue mich auch, dich zu sehen, Stark“, erwiderte er, bevor er auf den anderen zutrat und ihn in eine Umarmung zog, die seine metallene Rüstung gefährlich ächzen ließ.

„Die Freude ist ganz meinerseits, nehme ich an“, stieß Tony etwa atemlos hervor, als der andere ihn wieder losließ.

„Was führt dich hierher?“, fragte Thor dann und nahm auf seinem Thron Platz.

Tony lächelte kurz und sarkastisch.

„Oh, ich weiß nicht“, entgegnete er. „Das Bedürfnis, einen alten Kameraden wiederzusehen? Die malerische Landschaft? Oder vielleicht ist es auch nur die Regierung von Norwegen, die sich fragt, was zur Hölle ihr in ihrem Land zu suchen habt...?“

„Asyl“, erklärte Thor gelassen, und seine Antwort traf Tony so unvorbereitet, dass er für einen Moment innehielt.

„Ist das dein Ernst?“, fragte er dann. „Warum um alles in der Welt solltet ihr Asyl suchen? Ihr seid Götter!“

„Und auch Götter verlieren gelegentlich Kriege“, erwiderte Thor. „Asgard existiert nicht länger. Was du hier siehst, ist alles, was von unserem Volk übriggeblieben ist.“

Tony starrte ihn an. Dann schüttelte er den Kopf.

„Das erklärt so vieles“, murmelte er und ließ seinen Blick durch die leere Halle schweifen.

Natürlich wählte Loki genau diesen Moment für seinen dramatischen Auftritt.

„Wir wissen, dass Midgard Gesetze für Situationen wie die unsere hat“, sagte er, während er zwischen den Säulen hindurch auf den Thron zuschritt. „Wer politisch verfolgt wird oder heimatlos ist – was in beiden Fällen auf uns zutrifft – hat ein Anrecht auf Asyl.“

Sofort schloss sich die Maske seiner Rüstung über Tonys Gesicht und er ging in Angriffsposition, während die Blaster an seinen Händen summend zum Leben erwachten.

„Was tut er hier?“, verlangte er mit metallisch verzerrter Stimme zu wissen.

„Meinem Bruder ist es zu verdanken, dass so viele Bewohner Asgards gerettet werden konnten“, sagte Thor, der sich von Tonys Verhalten nicht beeindrucken ließ, während Loki derweil mit arrogantem Lächeln die Arme vor der Brust verschränkte. „Er kämpfte tapfer an meiner Seite, um die Zerstörung Asgards zu verhindern.“

„Tut mir leid, wenn deine Worte mich nicht sonderlich beruhigen, Thor“, erwiderte Tony angespannt, „aber er ist Loki. Er tut nichts, ohne damit ein bestimmtes Ziel zu verfolgen.“

Loki verdrehte die Augen. „Er steht neben euch und kann alles hören, was ihr sagt.“

„Verzeih mir, Bruder“, sagte Thor beschämt. „Ich wollte nicht respektlos sein.“

„Ich schon“, mischte Tony sich ein und wandte sich dann an Loki. „Ich habe keine Ahnung, was du dieses Mal vorhast, aber ich schwöre dir, wenn du auch nur daran denkst, deine Welteroberungspläne in die Tat umzusetzen, dann wird das unerfreuliche Konsequenzen für dich haben. Die Avengers sind mittlerweile um einiges zahlreicher, als sie es beim letzten Mal waren, und sie werden dich aufhalten!“

„Keine Sorge, ich werde an deine Drohung denken, wann immer ich nichts Besseres zu tun habe“, entgegnete Loki trocken.

Thor seufzte. „Loki, Manieren!“

Sein Bruder machte mit der Hand nur eine Geste, die je nach Region Asgards als Gleichgültigkeit oder als tödliche Beleidigung interpretiert werden konnte, doch er hörte auf Thor und provozierte den anderen nicht weiter.

Tony zögerte einen Moment, dann ließ er seine Hände wieder sinken und klappte das Visier seiner Maske hoch.

„Ich halte es für eine historisch schlechte Idee, ihm zu trauen“, sagte er. „Und glaub mir, ich habe viel Erfahrung mit historisch schlechten Ideen. Aber wenn du ihm tatsächlich noch eine Chance geben willst, dann respektiere ich das. Auch wenn es mir keine Freude bereitet.“

„Das war die sinnvollste Bemerkung, die du bisher von dir gegeben hast“, entgegnete Loki spöttisch. Dann wandte er sich ab. „Ich wünsche dir einen angenehmen und baldigen Rückflug, Stark.“

„Oh, ich war noch nicht fertig“, sagte Tony fröhlich.

Loki runzelte die Stirn. „Nicht?“

„Ihr erinnert euch vielleicht noch an die norwegische Regierung, die ich erwähnt habe?“, erwiderte Tony. „Wie es der Zufall so will, gibt es Asylverfahren, die jeder einzelne von euch durchlaufen muss, bevor sein Aufenthalt hier genehmigt wird. So einfach, wie ihr es euch vorstellt, funktioniert das Ganze nämlich nicht...“
 

„Ist das die irdische Hölle?“, stöhnte Loki. „Das muss die Hölle sein. Eine andere Erklärung habe ich nicht für diesen Wahnsinn.“

Thor, der in der Vergangenheit mehrmals mit der Bürokratie Midgards in Kontakt geraten war, lächelte jedoch nur. Sie saßen schon seit zwei Stunden in einem winzigen Wartezimmer, das sie sich mit einem Dutzend weiterer Menschen aus aller Welt teilten, die ihnen hin und wieder neugierige oder misstrauische Blicke zuwarfen. Thor und Loki waren die ersten ihres Volkes, die einen offiziellen Antrag auf Asyl stellen würden, und Loki bereute schon jetzt jede Sekunde seines Lebens, die er hier verbrachte.

„Ungeduldig?“, fragte Thor belustigt, als Loki nicht zum ersten Mal in den letzten zwei Stunden aufstand, um in dem kleinen Raum auf- und abzulaufen.

„Uns überhaupt warten zu lassen ist eine schlichte Beleidigung“, zischte Loki. „Uns gleichzusetzen mit diesen... diesen niederen Kreaturen!“

Er gestikulierte wild in Richtung eines älteren Ehepaars, das ihm als Antwort nur einen entrüsteten Blick zuwarf.

„Achte auf deine Worte, Bruder“, erwiderte Thor leise. „Es sind diese ‚niederen Kreaturen‘, die über dein Schicksal entscheiden werden. Und über meines.“

Loki schnaubte nur. „Wenn sie uns ablehnen, versuchen wir es einfach woanders.“

„Und wenn wir ihnen mit einem Mindestmaß an Demut und Respekt begegnen, müssen sie uns gar nicht erst ablehnen“, sagte Thor.

Die unendliche Geduld in seiner Stimme trieb Loki fast zur Weißglut, doch er gab keine Antwort, sondern warf ihm nur einen genervten Blick zu.

Ein paar Minuten später öffnete sich eine Tür im angrenzenden Korridor.

„Odinson, Thor und Odinson, Loki“, rief eine müde Stimme.

Loki hob eine Augenbraue.

„‚Loki Odinson‘?“, fragte er an seinen Bruder gewandt.

Thor schenkte ihm ein kleines Lächeln.

„Spielt es nach allem, was passiert ist, wirklich noch eine Rolle...?“, erwiderte er.

Ja, dachte Loki. Ja, das tut es.

Doch zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er nicht die Energie für diese Diskussion.

„Na schön“, sagte er stattdessen. „Dann lass uns gehen, Bruder.
 

„Geburtsort?“

„Asgard.“

„Ist das eine Stadt oder eine Region?“

„Uh... beides?“

„... Geburtsdatum?“

Thor und Loki wechselten einen Blick.

„Auf Grundlage welcher Zeitrechnung...?“, fragte Loki.
 

„Welche Sprachen beherrschen Sie?“

„Alle.“

„Wie bitte?“

„Meine Herkunft befähigt mich dazu, alle im Universum existierenden Sprachen zu verstehen. Es ist eine der besonderen Fähigkeiten meines Volkes.“

„... okay.“
 

„Familienstand?“

„Keine Eltern. Ein Adoptivbruder.“ Thor zögerte kurz. „Eine ältere Schwester.“

„Wo hält sich Ihre Schwester derzeit auf?“

„In den Trümmern Asgards, wo sie sich mit Surtur bekämpft hat. Beide dürften jetzt vermutlich Sternenstaub sein.“

„Also ist nicht mit ihrem Nachzug zu rechnen?“

„Eher nicht, nein.“
 

„Sie sagten, Sie gehören der Aristokratie an.“

„Ich bin der König meines Volkes, ja.“

„Und ist Ihre Position eher repräsentativ oder sind Sie aktiv am Regierungsgeschehen beteiligt?“

„Ich allein treffe Entscheidungen über das Schicksal der Æsir.“

„Ich verstehe. Bitte seien Sie sich darüber im Klaren, dass dies zu Interessenkonflikten mit unserer Regierung führen könnte, insbesondere mit dem norwegischen Königshaus.“

„Oh, keine Sorge, ich will keinen Streit mit ihm. Ich möchte nicht Norwegen regieren, sondern nur mein eigenes Volk.“

„Ja, das ist es, was ich mit Interessenkonflikten meinte...“
 

„Können Sie ein Personaldokument vorweisen, beispielsweise einen Reisepass?“

„Für so etwas hatte ich nie Verwendung. In Asgard wusste jeder, wer ich bin.“

„Also ‚nein‘...“
 

„Geburtsort?“

Loki schwieg für einen Moment.

„Jotunheim.“

„Ernsthaft? Jotunheimen? Heißt das, Sie sind gebürtiger Norweger?“

Loki blinzelte.

„Es gibt Frostriesen in Norwegen?“

„Was?“

„... was?“
 

„Staatsangehörigkeit?“

„Asgard.“

„Volkszugehörigkeit?“

„Jötunn“, sagte Loki im selben Moment, in dem Thor sagte: „Æsir.“

Die Brüder sahen sich an.

„Loki, du hast Jahrtausende in Asgard gelebt. Du bist ebenso sehr Ase, wie ich.“

„Aber das ändert nicht, was ich bin.“

„Was du bist, ist mein Bruder. Deine Herkunft und die Farbe deiner Haut sind für mich nicht von Bedeutung. Das waren sie nie.“

„Entschuldigen Sie die Unterbrechung, aber... besteht die Möglichkeit, dass Sie an Ihrem Geburtsort noch Familie haben?“, fragte die Sachbearbeiterin.

Loki starrte Thor weiterhin an, während er erwiderte:

„Keine, die nicht sofort versuchen wird, mich umzubringen, sobald ich auch nur einen Fuß auf ihr Land setze...“
 

„Grund Ihres Antrags?“

„Hela und Surtur haben unsere Heimat in eine galaktische Staubwolke verwandelt.“

„Ihre Flucht war also demnach politisch motiviert?“

„Ich weiß nicht. Wie würden Sie das Bedürfnis einer größenwahnsinnigen Gottheit bezeichnen, alles und jeden zu ermorden, der ihr über den Weg läuft?“

„... also ein klares ‚Ja‘.“

Die junge Frau tippte mehrere Minuten lang etwas in ihren Computer, bevor sie ihnen beiden schließlich zunickte.

„Vielen Dank für Ihre Geduld; ich habe vorerst keine weiteren Fragen an Sie. Wir werden uns zeitnah bei Ihnen melden.“
 

„Das lief doch besser, als erwartet“, sagte Thor optimistisch, nachdem sie das Gebäude verlassen hatten und auf die kalten, verregneten Straßen von Oslo hinausgetreten waren. „Findest du nicht auch? Loki...?“

Er sah zu seinem Bruder hinüber, der die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben hatte.

„Ich bin außer mir vor Freude“, erwiderte Loki missmutig. Als wäre ihre Situation nicht schon unerträglich genug, so hatten die Fragen der Sachbearbeiterin auch noch ein paar Erinnerungen geweckt, die er nicht umsonst vor langer Zeit begraben hatte.

Thor blieb stehen und griff nach Lokis Hand.

„Wir haben es bis hierher geschafft“, sagte er leise und zog ihn in seine Arme. „Wir werden auch alles andere überstehen.“

Loki schloss die Augen und hielt sich an Thor fest, seinem Fels in der Brandung all dieses Wahnsinns. Wie sein Bruder angesichts der Ereignisse so ruhig bleiben konnte, war ihm ein Rätsel, doch zum ersten Mal an diesem Tag ließ Lokis Anspannung nach und er gab sich ganz der Wärme und Sicherheit des anderen hin.

„Ich wünschte, ich hätte deine Zuversicht, Bruder“, entgegnete er, während sich der Sturm über ihnen weiter zusammenbraute und die Wolken dunkler wurden.

Thor grinste nur, wie er es immer tat, wenn er das Schicksal herausforderte, dann hob er seinen Arm und streckte die Hand gen Himmel.

Blitze erhellten die schwarzen, regenschweren Wolken, als Thor mit den Elementen eins wurde.

Im nächsten Augenblick lag die Straßenecke, an der sie eben noch gestanden hatten, wieder verlassen da.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Votani
2019-07-29T02:19:05+00:00 29.07.2019 04:19
Zwar habe ich erst die beiden Thor-Filme + den ersten Avengers gesehen, aber ich wollte nicht mehr warten, um deine FF zu den beiden zu lesen, die ich vor einigen Wochen entdeckt habe. *-* Gluecklicherweise kenne ich die Storyline der anderen Filme bereits grob, so dass ich trotzdem weiss, wo und wann es spielt.
Jedenfalls haben Thor und Loki es mir im Moment richtig angetan, gerade auch als Ship - und deine FF ist einfach wunderbar. :D Genau so koennte es passieren. Du hast die Charaktere super getroffen und das Ship gut dargestellt bisher. Ich liebe es! Es ist auch einfach urkomisch, dass sie in Norwegen Asyl suchen + die Norweger dann ploetzlich eine Stadt/Palast ueber Nacht bei sich stehen haben. Ganz zu schweigen von dem Gespraech mit der Sachbearbeiterin. Da muss ich meinen Vorgaengern zustimmen, das war der lustigste Teil von allen!
Die anderen Kapitelchen werde ich in den kommenden Tagen auch noch lesen/kommentieren. Ich will es mir einteilen, damit ich mehr von habe. XD

Antwort von: Morwen
10.08.2019 10:31
Hey~!
Wow, ich bewundere deine Geduld und Selbstkontrolle bei Lesen. Ich glaube, ich könnte nicht warten, wenn ich eh schon gerade im Fieber bin. xD
Das Szenario war einfach zu interessant, als dass ich die Finger davon hätte lassen können. Und Thor und Loki als (gezwungenermaßen) Co-Regenten der Überlebenden von Asgard haben erstaunlich gut funktioniert. Ich denke, sie würden sich beim Regieren gut ergänzen. :(
Ich danke dir! <3
Morwen~
Von:  Sensenmann
2018-04-28T06:04:04+00:00 28.04.2018 08:04
Hallo!

Ich bin gestern nach IW über deine FF gestolpert :)

Mir gefällt dein Schreibstil richtig, richtig gut! Die Geschichte las sich sehr flüßig und war gut strukturiert. Du kannst Sätze sehr schön formulieren und ich freue mich jetzt schon über die Kapitel, die noch folgen werden ♡

Für much hast du die Charaktere auch sehr, sehr gut umgesetzt! Ich hätte an keiner Stelle das Gefühl, dass die Charaktere ooc seien! Auch die Sprache und Wortwahl von Thor, Loki und Tony passten zu ihren Charakteren.

Der Einstieg gefiel mir besonders gut. Die süßen Momente zwischen Loki und Thor ♡ die zwei sind mein Schwachpunkt ;^; Die Szene war so schön geschrieben! Wie Thor Loki umarmt !

Am witzigsten fand ich das Gespräch mir der Sachbearbeiterin xD Da müsste ich mehrmals laut lachen :'D die Antworten von den beiden waren einfach der Hammer xD

LG
Antwort von: Morwen
29.04.2018 10:39
Hallo! :D

Aww, das freut mich~! Ich glaube, nach IW wünschen wir uns alle eine etwas weniger düstere Alternative. xD

Vielen lieben Dank! Ich freue mich, dass dich meine Darstellungen überzeugen konnten. :)
Die beiden sind auch einfach super süß, und gerade nach "Thor: Ragnarok" haben sie zum ersten Mal seit langem wieder einen Punkt erreicht, an dem sie so offen miteinander umgehen können. Es war so wundervoll mitanzusehen, mir ist im Kino damals richtig das Herz aufgegangen. <3

Ich hoffe, der Rest kann dich noch genauso gut unterhalten. :)

Vielen Dank noch mal & noch ein schönes Wochenende,
Morwen~
Von:  HikariHodako
2018-04-27T18:09:45+00:00 27.04.2018 20:09
Ohhh... fluff :D
Interessant! Also die Sachbearbeiterin habe ich sofort ins Herz geschlossen und tonys sarkastischen Ton hast du gut getroffen. Ich habe auch bereits infinity war gesehen... ja. Mehr sag ich jetzt nicht dazu XD
Schöne Alternative Welt <3 mal sehen was sie noch so zu bieten hat :)
Antwort von: Morwen
29.04.2018 10:29
Es war echt reiner Zufall, dass es so fluffig geworden ist, wie gesagt, ich kannte bis dahin nur die Trailer zu Infinity War und hatte KEINE Ahnung, was mich erwarten würde... xD
Mittlerweile bin ich über meine Entscheidung, hemmungslosen Fluff zu schreiben, aber ganz glücklich, weil DIESER FILM, EY. ;___;

Es freut mich jedenfalls sehr, dass dir meine Darstellungen gefallen haben, und ich danke dir für die lieben Worte! :D

Liebe Grüße,
Morwen~


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