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Daemon 3

Akte Chase
von

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Kapitel 9

[JUSTIFY]Mein Herzschlag hämmerte durch meinen gesamten Körper, als ich um die Ecke bog und mit seitlich erhobenen Händen auf den Parkplatz vor dem Rathaus trat. Es war meine Idee gewesen, aber das bedeutete nicht, dass ich keine Angst hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wie Takeo beschrieben hatte, stand Ramona regungslos vor dem Gebäude. Ich musste den Kopf in den Nacken legen und meine Augen gegen die Sonne abschirmen, um sie komplett sehen zu können. Einer ihrer gewaltigen, unförmigen Arme ragte durch ein Loch in der Wand des Rathauses.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Neben ihren klobigen Füßen, deren schwarze Krallen einen guten Meter maßen, stand unbekümmert William. Es dauerte nur wenige Sekunden, bevor er mich bemerkte. Ruckartig fuhr er herum, offensichtlich bereit, Ramona in Sekundenschnelle zu warnen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Aber ich war allein. Takeo, die anderen Hunter und Ida waren zurückgeblieben. Der Dae entspannte sich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„William“, fauchte ich, als ich nah genug war, dass er mich hören konnte. „Was zur Hölle geht hier vor sich?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Hallo Raccoon“, begrüßte er mich, scheinbar unbekümmert. „Ramona wartet. Ich weiß nicht, worauf, aber ich denke, Elias gibt ihr irgendwelche Anweisungen.“ Er runzelte die Stirn. „Es müssen sehr komplizierte Befehle sein.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du bist blind“, sagte ich und blieb einige Meter neben ihm stehen. Ehrfürchtig und mit einer Gänsehaut sah ich von unten zu der Daemonenkönigin hinauf. Ihre schwarze Masse glänzte ölig, vollkommen undurchsichtig und wirkte kompakter als die eines normalen Daemons. Selbst Isaac war nicht so stark gewesen, und er hatte achtzehn Jahre lang Dae und Daemonen gefressen. Dann wiederum war Ramona schon sehr viel länger im Ödland unterwegs. Siebzig, achtzig Jahre. Die Stärke der beiden war nicht zu vergleichen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Blind?“ William sah überrascht zu mir. „Wovon sprichst du?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Siehst du wirklich nicht, was Elias vorhat? Er will Ramonas Stärke für sich. Er wird sie fressen, und weil sie ihm gehorcht, wird sie sich nicht mal wehren.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Aber ihre Stärke bleibt erhalten“, entgegnete William sofort. „Sie wird in einer neuen Hülle weiter existieren.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wird sie nicht.“ Ich rieb meine steifgefrorenen Hände zusammen. „Elias hat seine Identität vollständig zurückerlangt. Sobald er Ramona gefressen hat, wird von deiner Tochter nichts mehr übrig sein. Wo ist ihr Blutdurst hin, den du so angepriesen hast? Schon jetzt steht sie nur hier herum und wartet darauf, dass Elias genug Kraft gesammelt hat. Ramona wird endgültig sterben. Und du hilfst ihm dabei. Ein schöner Vater bist du.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]William wurde ganz still. Er regte sich nicht, zuckte nicht mal mit der Wimper. Aber aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass die Dunkelheit seiner Hände langsam die Arme emporkletterte. „Du lügst“, sagte er. „Ich habe immer getan, was das Beste für Ramona war.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Bis jetzt“, gestand ich. „Aber was wirst du tun, wenn ich die Wahrheit sage? Ramona wird sich nicht wehren. Und wenn du versuchst, etwas gegen ihn zu unternehmen, wird er deine eigene Tochter gegen dich aufhetzen. In dem Moment, da du sie hergebracht hast, war ihr Schicksal besiegelt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nein“, flüsterte William. Schwarze Schlieren strömten durch seinen ganzen Körper, füllten ihn mit dunklem Rauch. „Nein, das ist nicht wahr. Ramona, ich wollte nicht … Du lügst! DU LÜGST!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er stürzte sich auf mich, Mund zum Biss aufgerissen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Elf Fixierungsschlüssel prasselten von allen Seiten auf ihn herab und rissen ihn mit solcher Gewalt zu Boden, dass der Asphalt unter ihm aufplatzte. Ich tauschte einen dankbaren Blick mit Takeo, der sich während meines Gesprächs mitsamt der restlichen Hunter von hinten angeschlichen hatte. Sam reckte mir grinsend beide Daumen entgegen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Misstrauisch schielte ich zu Ramona hinauf, doch wenn sie bemerkte, was ihrem Vater geschehen war, zeigte sie keinerlei Interesse oder Reaktion. Sie war vollständig auf Elias fixiert, der in diesem Moment in dem Loch in der Wand auftauchte. Er trug immer noch die Gestalt des Sekretärs Robert Hill, doch etwas war anders. Während die Hunter Schlüssel über Schlüssel lagerten, damit William sich keinen einzigen Zentimeter rührte, kniff ich die Augen zusammen, um Elias besser zu erkennen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Mann wirkte um Jahre gealtert. Seine Haut war grau und fleckig und ihm schienen ganze Haarbüschel ausgefallen zu sein. Blut lief in dünnen Rinnsalen aus seinen Ohren und sein Kinn herab. Er sah aus wie ein sterbenskranker Mann.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Schnell!“, schrie ich und drehte mich abrupt um. „Ida, wo bist du?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sie kommt nicht!“, rief Andrew aus der hintersten Reihe. „Sie ist … ich glaube, sie hat Angst vor Ramona!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Scheiße“, flüsterte ich und machte auf dem Absatz kehrt. William stöhnte, die schwarze Färbung füllte ihn immer weiter aus. „Bald ist deine Tochter für immer fort“, sagte ich im Vorbeigehen. „Vielleicht verstehst du dann, was du mir genommen hast. Ida!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Meine Gefährtin befand sich einige Meter hinter den Huntern, Bauch eng auf den Boden gepresst und mit gefletschten Zähnen. Als sie mich sah, knurrte sie und schlug mit einer Pranke nach mir. Ich hob die Hände, um ihr zu zeigen, dass ich nichts Böses wollte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ida, alles wird gut. Dieser Dae, dieser Mann neben der Königin, ist derjenige, der meinen Tod vorgetäuscht hat. Er ist schuld daran, dass du mutiert bist. Er ist an allem Schuld, was heute hier passiert ist. Ohne deine Hilfe schaffen wir es nicht, zu gewinnen. Bitte, vertrau mir.“ Ich ging vor ihr auf die Knie. Ihre gelben Glubschaugen fixierten mich. „Ich verspreche dir, ich werde dich nie mehr verlassen. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert. Und ich werde dich niemals aufgeben, egal in welcher Form du existierst. Aber jetzt müssen wir für unsere Heimat kämpfen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Behäbig rappelte Ida sich auf und warf mir einen letzten Blick zu. Für einen kurzen Moment schien sie bis in meine Seele zu sehen, tief in meine Erinnerungen, so als wären wir wieder verbunden, Geist zu Geist, Gedanke zu Gedanke.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dann war sie schon an mir vorbei und schritt auf William zu. Ich hielt den Atem an, sah prüfend zu Ramona zurück, zu Elias, doch die beiden schenkten uns keine Beachtung.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]William knurrte, Augen nun leicht gelblich gefärbt. Ramona war noch in Sicherheit, aber ein erwachsener Dae wie er hatte längst nicht die Stabilität eines Kindes. Allein der Gedanke an ihr Ableben, die Panik, gefangen zu sein, reichten aus, um ihn langsam aber sicher in die Finsternis zu treiben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein kleiner Teil von mir fühlte Mitleid. Der andere, größere Teil, lächelte, als Ida über ihm zum Stillstand kam. Sie legte den Kopf schief, kniff die Augen zusammen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Erkennst du ihn?“, fragte ich sie. Ida knurrte leise. Dann öffnete sie das Maul und riss einen riesigen Bissen aus seiner Schulter.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]William kreischte. Ramona zuckte, sah in Zeitlupe zu uns herab. Ein Grollen formte sich in ihrer Brust, als sie ihre Aufmerksamkeit von Elias weg und auf ihren Vater lenkte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Schneller!“, schrie ich Ida zu, die augenblicklich begann, den mutierten Dae zu zerreißen. Williams Winseln wurde leiser, seine Masse schrumpfte in sich zusammen. Ida wuchs mit jedem Bissen, bis sie Ramona zuerst bis zum Knöchel, dann zum Knie reichte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein Plan war aufgegangen. William mochte selbst nie Daemonen gefressen haben, aber er war in dem letzten Jahrhundert trotzdem stärker geworden. Genau wie Holland es damals prophezeit hatte. Die Masse eines Daes nahm stetig mit seinem Alter zu. Nichts konnte das verhindern, kein noch so sanftes und gutes Gemüt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Dunkelheit, die sich in all den Jahren in William angesammelt hatte, füllte nun Ida. Sie schwoll weiter an, bis von William nur noch der Krater blieb, in dem er bewegungsunfähig gelegen hatte, und Ida die Maße von Isaac zu Beginn seiner Mutation angenommen hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein Herz versank in den Tiefen meines Magens. Sie war nicht annähernd so groß, wie ich gehofft hatte. Nicht annähernd groß genug, um gegen Ramona zu bestehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ida!“, schrie ich zu ihr hinauf, während ich mich langsam rückwärts Richtung Rathaus bewegte. „Verschaff mir etwas Zeit, und denk daran: Die Gegner sind die Daemonen, nicht die Menschen!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mit diesen Worten drehte ich mich um und humpelte zum Rathaus, so schnell mein lahmes Bein mich ließ.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein Grollen ertönte, lauter als Donner. Ich riss beide Hände hoch, um meine Ohren zu bedecken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein schwarzer, klobiger Fuß schlug neben mir in den Boden ein und begrub zwei Autos unter sich. Die meterlangen Krallen rissen den Beton auf, Schutt und kleine Asphaltsplitter regneten auf mich herab. Ich warf mich hinter ein Auto, Arme über dem Kopf zusammengeschlagen. Hinter mir konnte ich die panischen Fixierungsschlüssel der anderen Hunter hören, aber ich wusste, dass sie keine Chance hatten, Ramona auch nur zu verlangsamen. Ich hoffte, Takeos Verstärkung würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wenn Hunter woanders überhaupt noch zu entbehren waren.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich nutzte die kurze Pause im Steinhagel, um hinter dem Auto hervorzukriechen und die Strecke zum Rathauseingang abzuschätzen. Es waren gut fünfzig Meter freies Gelände. Den einzigen Schutz bot ein umgestürzter Jeep, der auf der Seite lag und noch immer schwelte. Schnell sah ich zu Ramona hinauf. Ihr riesiger, hundeähnlicher Kopf schwang von einer Seite zur anderen, bis er endlich herabsank und die gelben Augen auf mein Versteck fixierte. Erneut ertönte das Grollen aus den Tiefen ihres Brustkorbs.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie hob ihren Fuß und holte Schwung.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich schaffte es gerade noch, Protectio zu rufen, bevor ein Vorschlaghammer aus schwarzer Daemonenmasse mich mitsamt Auto durch die Luft schleuderte. Durch pures Glück landete ich in einer Zierhecke, rollte heraus und schlug mit einem dumpfen Laut auf dem halbgefrorenen Boden auf. Nach Atem ringend und meine schmerzenden Rippen haltend sah ich in den Himmel, wo der Jeep genau auf mich zu flog.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich hechtete zur Seite, rollte mich mühsam ab, holte stöhnend Luft. „Fuck“, fluchte ich und humpelte zur Eingangstür, die sich in ein Scherbenmeer verwandelt hatte und aus den Angeln gerissen war.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein letzter Blick zu Ramona zeigte, dass Ida sich in ihrem Bein verbissen hatte. Die Daemonenkönigin schlug nach ihr, so als wolle sie eine nervige Fliege vertreiben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Halt durch“, flüsterte ich und duckte mich unter den Stahl- und Glasfragmenten hinein ins Rathaus.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Drinnen war absolutes Chaos. Blumenerde ergoss sich aus zerbrochenen Töpfen auf die weißen Fliesen und Blutspritzer bedeckten Wände und Fußboden.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die blonde Empfangsdame lag hing über der Theke, Augen glasig und leer. Zwei Bisswunden bedeckten ihren Arm und Rücken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Oben sah es nicht besser aus. Das Gitter eines Lüftungsschachtes lag verbogen auf dem Boden und einige Mitarbeiter mit Bisswunden blockierten den Flur. Ein junger Mann in Anzug und Krawatte schien in der Massenpanik tot getrampelt worden zu sein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Obwohl ich innerlich wusste, dass ich mich beeilen musste, wandelte ich wie ein Gespenst durch die Flure. All diese Menschen, die sich nichts zu Schulden hatten kommen lassen, als zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, waren tot.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wegen mir.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wieder wegen mir.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein Zischen riss mich aus meinen Gedanken. Mit jahrelang trainierten Reflexen riss ich die Arme hoch, während ich mich auf der Stelle drehte, und entdeckte so den Daemon gerade rechtzeitig.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Haesitare. Deficere. Decedere. Occidere. Haesitare.” Die Flut aus Schlüsseln riss den Daemon aus seinem Sprung und schleuderte ihn zu Boden, wo er betäubt und bewegungsunfähig am Boden liegenblieb. Schwarzer Rauch stieg auf, wo die roten Lichtlinien meiner Schwächungsschlüssel sich überlagerten. Vorsichtig trat ich näher und ging neben ihm in die Hocke. Ich streckte eine Hand nach ihm aus. „Obitu—“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Spitze Krallen bohrten sich in meinen Rücken, als ein zweiter Daemon aus dem Lüftungsschacht in der Decke auf mich herabsprang. Eiskalter Speichel tropfte in meinen Nacken, als er das Maul öffnete, um zuzubeißen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Protectio!“, rief ich, packte hinter mich und riss den kleinen Daemon aus meinem Genick. Seine Klauen zogen tiefe Risse in meinen Rücken und ich schrie, während ich den fixierten Daemon mit der anderen Hand packte und beide gleichzeitig mit einem schmerzverzerrten Mors exzidierte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Keuchend sackte ich auf meine Knie. Der schweflige Gestank der implodierten Daemonen füllte meine Nase. Mein Herz hämmerte wild in meiner Brust. Das war knapp gewesen. Zu knapp.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich richtete mich auf und zischte. Die Bewegung zerrte an den Wunden in meinem Rücken und ich musste flach atmen, um den Schmerz zu minimieren. Mein lahmes Bein nachziehend und beide Hände für den Ernstfall überkreuzt, stieg ich die Treppen hinauf.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Im nächsten Stockwerk überprüfte ich als allererstes die Lüftungsschächte und drehte mich alle paar Meter im Kreis, damit mich nicht noch ein Daemon von hinten überraschte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Vor der Treppe zum dritten Stockwerk blieb ich stehen. Mein Bein zitterte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber ich war fast am Ende meiner Kräfte. Seit gestern Nacht war ich auf den Beinen, ohne Gehstock, ohne Pause. Ich war gesprintet, geklettert, Treppen gestiegen. Mein Rücken war zerkratzt und aufgerissen, meine Fingerknöchel blutig, meine Knie aufgeschrammt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Meine Kehle brannte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nicht aufgeben, dachte ich und presste die Lippen zusammen, bevor ich den ersten Schritt machte und mich mühsam am Geländer entlang zog. Noch zwei Stockwerke. Du schaffst zwei Stockwerke.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich hatte Glück. Die Flure der oberen Geschosse waren bis auf drei kleine Daemonen verlassen, die bei meinem Anblick das Weite suchten. Vielleicht hatte Elias zu zurückgerufen, oder sie sahen an meiner Haltung, dass heute nicht mit mir zu spaßen war.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Im fünften Stock angekommen schleppte ich mich endlich zum Büro des Chiefs und seines Sekretärs. Die Tür war nur angelehnt. Ich trat ein. Der Raum dahinter lag verlassen da. Ich humpelte zur zweiten Tür auf der anderen Seite und stieß sie auf.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Elias erwartete mich bereits.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er saß auf dem Ledersessel des Chiefs, den er in die Mitte des Raumes geschoben hatte, Hände gefaltet und die Augen geschlossen. Die Haut seines Gesichts hatte sich von dem Fleisch darunter abgepellt und hing lasch herab. Dunkle Schatten untermalten seinen Augen, die vereinzelten Büschel Haare, die noch nicht ausgefallen waren, waren schlohweiß.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Etwas, oder jemand, hatte die Glasfront zu meiner Linken eingerissen. Mein Blick glitt über den funkelnden Teppich aus Glasscherben zu der schwarzen Pranke, die wie eine gewaltige Spinne hinter dem Schreibtischstuhl ruhte und ihre langen Krallen in den Boden presste. Chief Keynes lag mit dem Gesicht nach unten in einer Ecke neben dem Kamin, den Sunny noch vor wenigen Tagen inspiziert hatte. Blut tränkte den Teppich und bildete eine dunkelbraune Lache unter dem fülligen Mann.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Meine Tochter“, sagte Elias und öffnete die verklebten Augen. Er rührte sich nicht. Ich war nicht sicher, ob er es überhaupt noch konnte. Seine Gliedmaßen hingen schlaff. Hatte er die Kontrolle über den Körper bereits soweit aufgegeben? „Es ist schwieriger als gedacht, mich dieser Hülle zu entledigen. Sie hält mich fest, so als spüre sie ihren nahenden Tod.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du machst mich krank“, sagte ich. Es kam kratzig heraus. Die vielen Exzisionen heute brachten mich an meine Grenze. „Wenn du unbedingt Ramonas Stärke willst, warum bist du nicht einfach zu ihr ins Ödland gegangen? Warum hast du sie nicht alleine hergerufen?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein schwaches Lächeln formte sich auf seinen spröden Lippen und er schloss die Augen. „Ah, Nora. Wie naiv du bist.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nenn mich nicht so!“, fauchte ich und machte einen drohenden Schritt auf ihn zu. „Mein Name ist Raccoon.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Was bedeuten schon Namen?“ murmelte Elias. „Es ist egal, wie du dich nennst, wie andere dich nennen. Du bist meine Tochter, mein Experiment. Sag mir, wie weit bist du in deiner Verwandlung fortgeschritten?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wovon redest du?“, fragte ich. „Ich kann mehr sehen, aber das weißt du längst.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Deine Seele“, sagte er und zog dabei jede Silbe lang, so als koste ihn das Reden unglaubliche Anstrengung, „ist pechschwarz. Es kann nicht mehr lange dauern … Hast du dich nie gewundert, woher der erste Daemon kam?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nein.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Es muss ihn gegeben haben“, fuhr Elias leise fort. „Einen Menschen, der so tief in der Dunkelheit versank, dass er an seinem Kummer starb und nach seinem Tod zu einem Daemon wurde. Sein Biss infizierte die Menschen und so wurde die Rasse der Daemonen geboren. Aber einer muss den Anfang gemacht haben. Du wirst dasselbe Schicksal erleben, geliebte Tochter. Du wirst der Anfang und das Ende sein.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du redest Stuss“, zischte ich und hob die Hände in Hunterform. Ich zielte auf seine eingefallene Brust. „Ich helfe dir aus deiner menschlichen Hülle heraus, und danach werde ich dich exzidieren, wie jeden anderen Daemon auch. Nichts wird von dir übrigbleiben. Dein Plan ist gescheitert.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wenn ich erst meine alte Stärke erlangt, nein, übertroffen habe“, flüsterte Elias, als hätte er kein Wort gehört, „werde ich die Welt überrennen. Meine Daemonenarmee ist hier, mein Weg bereitet. Kein Distrikt wird mir widerstehen können. Sie werden alle fallen. Die Menschheit wird fallen. Der Krieg hat begonnen, mein Kind, und ich werde als Sieger daraus hervorgehen, mit dir an meiner Seite, dem ultimativen Daemon, der Dunkelheit in Person.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Weißt du, was das traurige ist?“, fragte ich. „Mein ganzes Leben hast du versucht, mich zu brechen, mich in die Verzweiflung zu treiben. Du hast meine Eltern getötet, meine Zieheltern, hast mich zum Instrument des Untergangs meines Distrikts gemacht und du hast mir Ida genommen, die ich mehr liebe als alles andere in der Welt. Aber ich bin immer noch hier. Ich kämpfe immer noch gegen dich an. Ich habe Freunde, die mich unterstützen. Du hast versucht, mich abzuschotten und zu isolieren, aber das ist dir nicht gelungen. Du kannst dir deine Experimente und Welteroberungspläne sonst wohin stecken.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du wirst sehen … dass ich … Recht behalten werde …“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Elias‘ Kopf sackte zur Seite. Er hatte die restliche Kontrolle aufgegeben. Die Klaue hinter dem Tisch zuckte, krallte sich zusammen. Grollen erfüllte den kleinen Raum. Von draußen erklang Idas schrilles Kreischen, gefolgt von Schreien der Hunter.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er ruft sie.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„RELICTUS!“ Mit letzter Kraft schleuderte ich den Austreibungsschlüssel in seine Richtung. Ich sah ihn zum ersten Mal mit meiner neuen Sicht. Ein gleißend weißer Lichtstrahl traf auf Robert Hills Brust und füllte seinen ganzen Körper mit Licht aus. Dunkelheit sammelte sich hinter seinen geschlossenen Lidern, in seinem Mund. „RELICTUS!“ Der zweite Lichtblitz traf den gealterten Mann mitten ins Herz.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sein Kinn sackte herab, der Kopf fiel ihm in den Nacken, und zäh wie Teer zerrte sich die schwarze Masse von Elias aus dem leblosen Körper seines Wirts heraus. Er landete als formloser Klumpen auf dem Teppich. Stöhnend wälzte sich die Pfütze, bis sie sich langsam zusammenzog und die lose Form eines Daemons annahm. Die kugelrunden Augen glommen schwachgelb und trüb. Die Zähne schienen matt im geöffneten Maul.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Von draußen wurden die Rufe lauter. Das blaue Netz, das Elias mit jedem seiner erschaffenen Daemonen verband, zog sich langsam enger. Sie kamen. Mein Blick wanderte zu der eingerissenen Glasfassade nach draußen, wo eine Armada aus Daemonen durch alle Straßen und Gassen auf den Parkplatz und das Rathaus sprintete.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich wartete. Wartete. Wartete.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ida packte zwei Daemonen im Lauf und zerriss sie in der Luft. Ein dritter huschte zwischen ihren Beinen hindurch, doch die nächsten vier verschlang sie in Sekundenschnelle.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Lass es reichen, dachte ich und hob die Hände. Ich wandte mich zu dem winzigen Daemon zurück, der auf die gewaltige Pranke zu krabbelte. „Deine Zeit ist abgelaufen, Elias“, sagte ich und zielte. „Occi—“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ramonas Arm rauschte über Elias hinweg auf mich zu und schmetterte mich mit aller Kraft gegen die Wand. Ich spürte das Knacken meiner Rippen, schmeckte das Blut in meinem Mund. Die Klaue zog sich zurück und ich rutschte zu Boden.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Stöhnend sank ich in mir zusammen, unfähig, mich zu bewegen. Mein Atem ging rasselnd. Mein Pulli fühlte sich feucht unter der Winterjacke an. Die Polsterung hatte mich vor dem schlimmsten des Aufpralls geschützt, aber trotzdem konnte ich nicht glauben, dass ich noch lebte. Selbst mit so wenig Platz zum Schwungholen hätte Ramonas Stärke ausreichen sollen, um mich wie eine Fliege an der Wand zu zermalmen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das will er nicht, dachte ich träge und spuckte Blut aus. Ich sollte ihn nicht davon abhalten, sie zu fressen, aber er wollte auch nicht, dass ich starb, bevor ich mich nicht selbstständig in einen Daemon verwandelt hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Eli…as“, brachte ich hervor. Meine Stimme war fast vollständig verschwunden. Ich konnte kaum den Atem aufbringen, um dieses eine Wort zu sagen. Ich wusste nicht einmal, warum ich es gesagt hatte. Ich wollte ihm sagen, dass sein Kampf sinnlos war. Dass Ida all seine kleinen Daemonen fressen und schließlich ihn oder Ramona besiegen würde, wer immer von den beiden die Kontrolle behielt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]In dem Moment erzitterte meine Verbindung zu Ida. Der graue Strang, der uns verband, wurde nach seinem Riss nur noch durch vereinzelte Fäden zusammengehalten, die sich jetzt langsam auflösten. Etwas geschah dort unten, etwas, das Idas Selbstbeherrschung zerreißen ließ.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Antwort kam mir fast augenblicklich. Erst William. Jetzt die Daemonen. Es geschah dasselbe, wie damals, als sie Isaac komplett verschlungen hatte. Ida war nicht mit der schieren Masse fertig geworden. Sie hatte nicht die Kontrolle verloren, aber sie war verwirrt gewesen, abwesend, manisch.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wenn sie jetzt zurückmutierte, sich in den brutalen Daemon zurückverwandelte, als den ich sie aufgefunden hatte, würde Distrikt 16 es nicht nur mit einer, sondern mit zwei Daemonenköniginnen zu tun haben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dann war alles verloren.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Vielleicht sogar die ganze Menschheit, so wie Holland es prophezeit hatte. Genau wie er hatte ich Ida in eine Kriegsmaschine verwandelt, um sie für das Gute einzusetzen, ohne das Risiko zu bedenken, falls sie die Kontrolle verlor.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das Bewusstsein glitt mir durch die Finger, doch ich zwang mich, wachzubleiben, der unendlichen Müdigkeit und dem Schwindel von dem Blutverlust nicht nachzugeben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wenn ich jetzt ohnmächtig wurde, war alles aus. Ich war die Einzige, die Ida aufhalten konnte, die einzige, auf die Ida eventuell noch hören würde, wenn sie die Kontrolle verlor.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und Ida war die Einzige, die Ramona besiegen konnte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Stöhnend lehnte ich mich zur Seite, öffnete den Reißverschluss meiner Jacke und betastete meinen Brustkorb. Ich war kein Arzt und hatte keine Ahnung, wie sich gebrochene Rippen bemerkbar machten, aber die Dellen in meinem Brustkorb fühlten sich verräterisch danach an. Während ich um die Kontrolle meiner Knie kämpfte und versuchte, mich aufzurichten, ohne vor Schmerzen aufzuschreien, sah ich zu Elias hinüber. Er hatte sich in Ramonas Daumen verbissen und begonnen, kleine Stücke aus ihr herauszureißen. Zu Anfang würde es ihm noch schwerfallen, sie zu fressen, aber wenn er erstmal eine gewisse Größe erreicht hatte …[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mit zusammengepressten Zähnen zwang ich mich in eine gebückte, aber stehende Position, einen Arm noch immer um meinen Oberkörper geschlungen. Blut tropfte stetig unter meiner Jacke hindurch auf den Teppichboden.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Verbindung zu Ida zitterte stärker. Zwei dünne Fäden rissen. Ich wollte fluchen, aber selbst dazu fehlte mir die Kraft. Wenn ich an die fünf Treppen dachte, die mich von Ida trennten, wurde mir regelrecht schlecht.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich sah mich verzweifelt im Raum um. Gab es denn nichts, was ich verwenden konnte?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein Blick fiel auf den Stuhl, auf den Schreibtisch. Es gab keine Gardinen, nur Regale voller Bücher und Dokumente. Kurz dachte ich an mein Handy, aber die Einzige, die nah genug war, um mir zu helfen, war Sam, und sie war gerade mit einem Dutzend Daemonen beschäftigt, wenn ich die Geräusche von draußen richtig deutete.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dann fiel mein Blick auf Ramona.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Mehr als sterben kann ich nicht“, murmelte ich tonlos zu mir selbst und humpelte los. Jeder Schritt jagte schmerzhafte Stiche durch meinen Bauchraum und meine eingedrückten Rippen. Dass mein rechtes Bein inzwischen so gut wie nutzlos war, half nicht. Wie in Zeitlupe ging ich auf den Schreibtisch zu. Meine Hand fuhr suchend über das Holz, bis sich meine Finger um den Griff des Brieföffners schlossen, den ich dort bei meinem ersten Besuch bewundert hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Bei meinem Näherkommen hob Elias den Kopf und Ramona ballte warnend die Hand zur Faust. Ich ließ die Hände gesenkt, als Zeichen, dass ich nicht versuchen würde, Elias anzugreifen. Sein Maul öffnete sich breit. Wenn es nicht so grausig aussähe, könnte es fast als Lächeln gelten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Elias glaubte, ich sei geschlagen. Er glaubte, ich hatte aufgegeben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er kannte mich sehr schlecht.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als ich an der Kante stand, blies mir eisiger Wind und die Schreie von Huntern und Daemonen entgegen. Ida fraß sich wie eine Verhungernde durch die Massen der Daemonen und erlaubte Takeos Gruppe so, in ihrem Windschatten die Handvoll von Daemonen zu bekämpfen, die an ihr vorbeikamen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mit einer merkwürdigen Ruhe, die ich in dieser Situation nie erwartet hätte, stieß ich meinen Brieföffner in Ramonas schwarze Schulter, die sich gleich neben dem Loch in der Wand befand. Umklammerte den Griff mit beiden Händen. Holte Luft.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und sprang.[/JUSTIFY]



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kerstin-san
2020-12-19T10:15:37+00:00 19.12.2020 11:15
Hallo,
 
wuah, Ramona ist schon eine ganz schöne Hausnummer, da kommt einem Coon im Vergleich zu ihr so klein und hilflos wie eine Ameise vor. Das Elias sie so vollständig im Griff hat, dass sie sich sogar ohne jede Gegenwehr von ihm aufessen lässt - irks! Dann hoffen wir mal, dass Ida noch durchhält und schnell zuschlagen kann als der aktuell nicht in Topform befindliche Elias.
 
Und ein schickes Abseilmanöver, das Coon da am Ende auf gut Glück probiert.
 
Liebe Grüße
Kerstin


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