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Niichan

von

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Kapitel 14

Kapitel 14

 

Krang fühlt sich eindeutig wohl als Regisseur. Auch wenn seine Art der Regieanweisung ziemlich ungewöhnlich ist: ein gegrolltes „wie wir es geübt haben“, gefolgt von einem scharfen Blick ist alles, wozu er sich genötigt fühlt, bevor er – diesmal in seiner Plexiglaskugel mit den drei elastischen Stahlbeinen – aus der Kommandozentrale stakst, um seinen Gast zu empfangen.

Aber eigentlich hat er Recht: mehr ist nicht nötig, denn sie wissen ganz genau, was alles von dieser Performance abhängt.

Die Tür hat sich kaum hinter Krang geschlossen, da wenden sich Rocksteady und Bebop schon erwartungsvoll grinsend den beiden Brüdern zu. Aber sie sind schlau genug, die Klappe zu halten.

Sie durften sich in genau dieselben Paradeuniformen zwängen wie Shredder und Kazuo: Schwarz und Gold und schwerer Stoff und einfach nur furchtbar unbequem, obwohl man die Jacke hier wohl offen trägt. Das Shirt darunter ist schwarz und schlicht - und liegt an wie eine zweite Haut.

Aber den Brüdern steht diese Uniform natürlich viel besser als ihnen.

Shredder wirft Kazuo einen verlegenen Blick zu.

„Das ist so albern“, murmelt er dabei.

Kazuo zwinkert ihm nur verschmitzt zu. „Es ist doch für einen guten Zweck.“

Daraufhin gluckst Shredder leise. „Ich war noch nie der gute Zweck von irgendwas. Ich fühle mich richtig geschmeichelt.“

„Na ja“, lächelnd tritt Kazuo dicht an ihn heran und richtet seinen Kragen, obwohl es da eigentlich nichts zu richten gibt. „Ich werde mir jedenfalls ganz besondere Mühe geben. Diese Aliendame bekommt dich nicht. Und“, flüstert er, während seine Hand in Shredders Nacken wandert, „mal ehrlich: Krangs kleines Theater wird uns doch wohl keine Überwindung kosten, oder?“

„Nein“, kommt es gehaucht zurück. Shredder versinkt zunehmend in Kazuos braunen Augen.

„Gut.“ Kazuos Lächeln vertieft sich, als er mit seiner freien Hand eine Hand von Shredder einfängt und sich diese auf seiner Hüfte platziert. Shredder begreift sofort, was er beabsichtigt, packt Kazuos Taille fester und zieht ihn mit einem kräftigen Ruck nah zu sich heran.

Der gibt ein kleines, erschrockenes Lachen von sich, schlingt ihm dann aber beide Arme um die Schultern, schmiegt sich der Länge nach an ihn und küßt ihn.

Grinsend stoßen sich Rocksteady und Bebop gegenseitig mit den Ellbogen in die Seite. Auch wenn ihnen viele Kommentare auf der Zunge liegen, verhalten sie sich doch mucksmäuschenstill.

Sie wollen sich schließlich nicht selbst um das Vergnügen dieses Anblicks bringen.

Ihnen zuzusehen ist sehr … herzerwärmend.

Unwillkürlich tastet Rocksteady nach Bebops Hand, um sie zu drücken. Daraufhin wirft ihm Bebop einen überraschten Seitenblick zu, doch dann drückt er nur vergnügt zurück. Rocksteady ist immer sehr vorsichtig mit solchen kleinen Gesten, wenn sie nicht unter sich sind – auch, wenn das bei Krang und Shredder wirklich nicht nötig ist.

Vielleicht – Bebop mustert sein Rhino kurz und richtet seine Aufmerksamkeit dann wieder auf die beiden Brüder vor ihnen – ist Kazuos offensive Art ja ansteckend? Zumindest ein klein wenig?

Es würde ihn freuen.

Sie müssen sich ja nicht so abknutschen wie Shredder und Kazuo.

Obwohl es eine ganz besonderen Reiz besitzt, zuzusehen, wie die beiden immer tiefer in ihrer kleinen, eigenen Welt versinken.

Als Krang mit seinem Gast die Zentrale betritt, müssen sie nicht einmal vortäuschen, daß sie nichts davon mitbekommen.

 

 

Der Gang vor der Kommandozentrale hat nie festlicher ausgesehen.

Kazuo fühlt sich unwillkürlich an die Nominications bei sich Zuhause erinnert. Geschäfte bei einem guten Essen und noch besseren Getränken zu besprechen scheint irgendwie dimensionsübergreifend zu sein. Auch wenn die Gäste auf der Erde wohl eher selten ihren eigenen Hausstand mitbringen. Getränke, Speisen, sogar der Tisch und die Bänke auf denen sie sitzen, all das hat Euer Gnaden mitgebracht, von ihrer Entourage aufstellen und kredenzen lassen.

Und sie sitzen mittendrin wie zwei Fremdkörper in ihren Galauniformen.

Aber sein Niichan hat nie besser ausgesehen.

„Und Sie waren wirklich vier Jahre von Ihrem Bruder getrennt?" Krangs dreiäugige Geschäftspartnerin hat sich als eine sehr neugierige Person herausgestellt.

Und sein Bruder hatte recht: es ist schwierig, nein, geradezu unmöglich, ihr in die Augen zu sehen ohne dass einem dabei übel wird. Nicht nur, dass ihre Augen alle in verschiedene Richtungen sehen, nein, sie bewegen sich dabei auch noch. Und sie sieht tatsächlich aus wie ein Chamäleon. Aber sie ist nicht unsympathisch.

„Wie haben Sie diese lange Trennung nur ausgehalten?"

„Oh. Es waren fünf Jahre", berichtigt Kazuo, legt seine Hand auf die seines neben ihm sitzenden Bruders und sieht ihm dabei lächelnd in die Augen. „Fünf viel zu lange Jahre. Ich habe versucht, mich abzulenken, aber er hat mir sehr gefehlt."

Das Gute daran ist: er muss auf ihre Fragen nicht einmal lügen. Auch wenn er, obwohl der Jüngere, derjenige war, der zuerst ihr Zuhause verließ – weil er mit achtzehn Jahren auf die Polizeiakademie wechselte, während Sakis Lebensmittelpunkt mehr und mehr der Footclan wurde. Ab da sahen sie sich nur noch, wenn Kazuo zu den Feiertagen nach Hause kam, um zusammen mit ihrer Mutter heile Familie zu spielen.

Das endete alles, als Saki vor fünf Jahren Japan verließ, sich ab sofort Shredder nannte und Krang traf.

Shredder lächelt zurück, woraufhin Kazuo näher zu ihm heranrückt und den Kopf an seine Schulter lehnt, während er gleichzeitig ihre Finger miteinander verschränkt.

„Aber jetzt", schmunzelt Kazuo, „wird er mich nicht mehr los."

Vielsagend kuschelt er sich enger an Shredders Seite. Kazuo liegt Unterwürfigkeit nicht so, aber er hat schnell herausgefunden, dass Euer Gnaden eine gewisse Rollenverteilung erwartet. Also liefert er ihr eine überzeugende Show ohne dabei gleich seine gesamte Ehre zu opfern. Außerdem gibt ihm das die einmalige Möglichkeit, seinen Niichan offensiv vor Publikum angraben zu können. Er will Shredder auf die Art auch zeigen, was er haben kann und was möglich ist, wenn er es nur will.

Die Echsenlady richtet das mittlere ihrer drei Augen auf sie beide und das linke auf den neben ihr in seiner Plexiglaskugel sitzenden Krang.

„Eine solch tiefe Verbindung zwischen Geschwistern bedeutet bei uns immer einen Glücksfall für das jeweilige Haus“, erklärt sie salbungsvoll. „Dein Techndodrome ist wahrlich gesegnet, Krang.“

„Vielen Dank, Euer Gnaden“, bedankt sich dieser artig.

„Unter solchen Bedingungen werden Wir natürlich gerne Unsere geschäftlichen Beziehungen mit dir wieder aufleben lassen.“

„Vielen Dank, Euer Gnaden.“

„Meine Erbtochter wird zwar enttäuscht sein, aber ich hoffe, sie durch ein Holo-Foto des glücklichen Paares trösten zu können.“ Auf einen Wink von ihr erhebt sich einer aus ihrer Entourage von seinem Platz und huscht an ihre Seite, um ihr ein reichverziertes Kästchen zu reichen. Sie nimmt es huldvoll entgegen und als sie es öffnet, schwebt eine tischtennisballgroße Kugel heraus. Sie tippt irgend etwas in die unter ihrer Handfläche implantierten Steuereinheit, woraufhin die Kugel höher schwebt und die beiden Brüder umrundet, um dann brav in die Hand ihrer Besitzerin zurückzukehren. Während der Bedienstete die Kugel wieder verpackt und zurück an seinen Platz huscht, erscheint über Echsenladys Handfläche eine dreidimensionale Abbildung von Kazuo und Shredder. Während Shredder nur gelangweilt an seinem Wasserglas nippt, kann Kazuo seine Begeisterung über das lebensecht wirkende Hologramm nicht verhehlen. Dabei erstaunt ihn aber weniger die Qualität als die Tatsache, wie schnell und vor allem wie klein diese Kugel war. So wie er würde sich jetzt wohl ein Fotograf aus dem 19. Jahrhundert fühlen, wenn er mit der Digitaltechnik konfrontiert wird. Vor allem die Alltäglichkeit, mit der hier mit dieser Technik umgegangen wird, ist beinahe erschreckend.

Um nicht wirklich wie ein Neandertaler zu erscheinen, kaschiert er, wie beeindruckt er wirklich ist, mit einem kleinen verlegenen Lachen.

„Oh, ich wußte gar nicht, welch ein schönes Paar wir sind. Euer Gnaden, Ihr seid sicher, daß diese Kamera uns nicht ein wenig aufgehübscht hat?“

Sie ballt die Faust und das Abbild verschwindet. Um ihre Mundwinkel zuckt etwas, was einem Zähnefletschen sehr nahe kommt, als sie plötzlich alle ihre drei Augen auf Kazuo richtet.

„Kazuo, ich kann Ihnen versichern, meine Kamera arbeitet korrekt. Versuchen Sie nicht, mir mit falscher Bescheidenheit zu schmeicheln, Kazuo, denn es steht außer Frage, daß Sie ganz genau wissen, welch eine Augenweide Ihr Bruder ist. Daß dasselbe für Sie gilt, sollte Ihnen ebenfalls bewußt sein, es sei denn, Sie sehen im Spiegel etwas anderes als wir alle.“

Im ersten Moment starrt Kazuo sie nur schockiert an, aber bevor er eine verlegene Entschuldigung stammeln kann, hat Shredder beschützend einen Arm um ihn gelegt.

„Verzeiht, Euer Gnaden, mein Bruder wollte Euch nicht beleidigen. Im Gegenteil: in unserer Kultur gehört es zum guten Ton, sich selbst klein zu machen, je höher der andere im Rang über einem steht.“ Er bittet mit einem Lächeln um Verzeihung, doch in seinen Augen funkelt eine eindeutige Warnung.

Euer Gnaden mustert sie einen Moment schweigend, dann entschwinden ihre Augen wieder in verschiedene Richtungen und sie nickt einmal knapp.

„Ihr seid ein schönes Paar“, bestätigt sie, und das klingt völlig neutral, so, als würde sie ein gelungenes Kunstwerk kommentieren. Noch im selben Atemzug dreht sie sich etwas zur Seite und verwickelt Krang in ein Gespräch, das die Details ihres Geschäftes zum Thema hat.

Den Rest des Essens läßt sie die Brüder links liegen und die beiden sind darüber mehr als erleichtert.

 

 

Es ist gar nicht so schlimm. Normalerweise hasst Shredder diese aufgezwungenen, geselligen Zusammenkünfte – sie sind laut, langweilig und absolute Zeitverschwendung, aber wenn er Kazuo an seiner Seite hat, kann er offensichtlich alles ertragen. Er weiß, all diese zur Schau gestellten Zärtlichkeiten sind genau das: nur Schau, aber sie fühlen sich nichtsdestotrotz gut an. Echt. Und das sind sie ja auch.

Auch wenn ihm die devote Rolle nicht gefällt, die Kazuo hier zu spielen gezwungen ist, bewundert er ihn dafür, mit welchem Gleichmut er es erträgt. Shredder weiß, er sollte ihm gegenüber viel herrischer auftreten, aber alles in ihm sträubt sich dagegen. Seine Rolle als Beschützer scheint überzeugend genug gewesen zu sein – nur war das genauso wenig gespielt wie ihre Emotionen hinter dieser ganzen Scharade.

Und je länger dieses „Geschäftsessen“ dauert, desto mehr gefällt es ihm, von Kazuo so umgarnt zu werden und desto natürlicher kommt ihm jeder Kuß und jede noch so kleine zärtliche Berührung vor.

Er beginnt tatsächlich, sich zu entspannen.

Er ist völlig damit zufrieden, Kazuos Hand auf seinem Oberschenkel zu spüren, alles andere an sich vorbeirauschen zu lassen und ab und an an seinem Wasser zu nippen.

Plötzlich durchstößt ein lautes Geräusch seine kleine Wohlfühlblase: das laute Klonk von Metall auf Metall, gefolgt von einem leisen Fluch und Gelächter – aber das nimmt er schon gar nicht mehr wahr.

Alles, was er hört, ist dieses Klonk.

Und sein Körper reagiert.

 

 

Amüsiert sieht Kazuo zu, wie derjenige aus der Entourage, der soeben eine der Metallplatten, auf denen das Brot gereicht wurde, fallen ließ, unter dem Gejohle seiner Kollegen unter dem Tisch verschwindet, um das Malheur zu beheben, als er spürt, wie sein Bruder neben ihm erstarrt. Und dann fühlt er das kleine Zittern, das dessen Körper plötzlich durchläuft.

„Saki?“ Besorgt wendet er sich ihm wieder zu.

Sakis Miene ist völlig starr, sein Blick ebenso, und die Hand, die sein Wasserglas hält, zittert so stark, daß es ihm fast aus aus den Fingern rutscht.

Hastig nimmt Kazuo es ihm ab und stellt es außer Reichweite, während Saki seine zitternden Hände hastig unter dem Tisch verschwinden läßt und sich bei Kazuo mit einem unsicheren Lächeln bedankt.

Kazuo lächelt aufmunternd zurück, legt ihm einen Arm um die Schultern und zieht ihn dicht an sich heran. Seine andere Hand sucht unter dem Tisch nach Sakis Händen. Sie zittern noch immer, obwohl er sie krampfhaft auf seinem Schoß verschränkt hält. Beruhigend legt Kazuo seine eigene Hand darüber und streichelt sanft mit den Daumen über die immer klammer werdende Haut.

Irgend etwas muß ihn getriggert und diesen Panikanfall ausgelöst haben.

Aber die Klärung dieser Frage ist nebensächlich. Wichtig ist jetzt, daß er Saki dort herausholt. Vielleicht – er wirft einen sichernden Blick zur Echsenlady und Krang hinüber, die glücklicherweise ganz in ihr Gespräch vertieft scheinen – möglichst unauffällig?

„Küß mich“, wispert er ihm daher leise ins Ohr.

Und als Saki daraufhin automatisch den Kopf in seine Richtung dreht, befolgt Kazuo seinen eigenen Befehl und preßt seine Lippen auf die seines Bruders.

Er hat ihn schon einmal aus ähnlichen Gründen geküsst, und das ist sogar erst wenige Stunden her, und vielleicht liegt es daran, daß die Erinnerung daran noch so frisch ist, aber Sakis Zittern verebbt tatsächlich schon nach den ersten Sekunden.

Und dann entgegnet Saki den Kuß – anfangs nur zaghaft, doch dann immer wilder und leidenschaftlicher werdend. Begeistert heißt Kazuo seine Zunge in seinem Mund willkommen, schmeckt Wasser, Brot und ganz einfach nur SakiSakiSaki … und oh, jede Faser in seinem Körper vibriert und jubelt auf vor Freude, denn … oh ja, das ist es. Genau das!

Genau wie damals.

Und plötzlich erinnert er sich an diesen einen, speziellen Tag vor zwölf Jahren, an dem alles begann und endete. Dunkel war es im Zimmer, weil es draußen regnete und stürmte, und es war einer dieser Tage, an denen einfach alles schieflief.

Das Schlimmste war aber das Wissen, daß Saki eine feste Freundin hatte. Da war er mit ihr schon einen Monat zusammen, und das zu ertragen wurde für Kazuo jeden Tag immer schlimmer.

An diesem schicksalshaften Tag nun hatte Kazuo endgültig genug davon und fasste einen Plan. Und so ging er seinem Bruder nach in dessen Zimmer, kaum daß dieser endlich Daheim war. Kazuo hielt sich nicht mit langen Vorreden auf und im nächsten Moment saß er auch schon auf Sakis Schoß, die Arme um dessen Nacken geschlungen und küßte ihn. Es erforderte ein bißchen Überredungsgeschick und eine kleine Notlüge, aber am Ende küßte ihn Saki so wild und hemmungslos zurück wie jetzt.

Es war die ursprünglichste, ehrlichste Kommunikation, zu der sie in ihrem jungen Alter fähig waren und es fühlte sich gut an und richtig und ganz einfach nur perfekt. Und niemals, niemals wieder, weder bei Hikari noch bei irgend einer anderen Frau hat Kazuo auch nur etwas annähernd ähnliches gefunden.

Und als er etwas atemlos wieder aus diesem wunderschönen Kuß zurückkehrt, ist er daher nicht überrascht, sich auf Sakis Schoß wiederzufinden...

Es dauert eine Weile – und für Shredder noch ein paar Sekunden länger - bis sich Kazuo der Totenstille um sie herum gewahr wird.

Und dann klatscht jemand hinter ihm in die Hände. Erst einmal, dann zweimal und beim dritten Mal fallen noch andere mit ein.

Die beiden Brüder tauschen einen entsetzten Blick. Doch als sie sich umsehen, blicken sie nur in ausnahmslos breit grinsende Gesichter. Und am breitesten grinst Euer Gnaden höchstpersönlich – dicht gefolgt von Krang.

 



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