Zum Inhalt der Seite

Im Schnelldurchlauf

[Stingue]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich wollte ich gerne die gesamte Story in einem Stück hochladen. Aber leider habe ich das einfach nicht neben den WiPs geschafft und ich weiß auch nicht, wann die anderen beiden Teile online kommen werden. Ich wäre glücklich, wenn ich das dieses Jahr noch schaffen würde, aber na ja~
Dabei ist das Ende dieses Parts wirklich fies^^'

In den einzelnen Szenen werden viele verschiedene Themen angesprochen und auch immer wieder nebenbei die Entwicklungen bei anderen Charakteren angedeutet. Es gibt haufenweise Nebenpaare und Broships und Verwandtschaftsbeziehungen. Der bruchstückhafte Charakter der Story ist übrigens bewusst so gewählt. Immerhin geht es hier im Sauseschritt durch gut 19 Jahre^^'
Ich hoffe, ich habe insbesondere die ersten Szenen altersgerecht hingekriegt!

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Part I - Freundschaft

~*~Gegenwart: Das Fotoalbum~*~
 

„Was hast du da?“

Als er hinter sich den dezenten – und ihm so wohl vertrauten – Geruch einer ganz bestimmten Männershampoosorte wahrnahm, legte Rogue den Kopf in den Nacken, um zu Sting aufblicken zu können. Der hatte sich über die Rückenlehne des Sofas gebeugt, um den Gegenstand in Rogues Händen zu erkennen.

Er trug bereits eines seiner Schlabbershirts, die er nur dann aus dem Schrank zog, wenn er sich todsicher war, nicht mehr aus dem Haus zu müssen, und eine ausgebeulte Jogginghose und auf seinen Haaren lag noch ein Handtuch – und Rogue stellte sich vor, wie wundervoll weich sich diese Haare anfühlen würden, wenn er jetzt mit den Fingern hindurch fahren sollte. Er mochte Stings üblichen Haarstil, auch wenn er ihn immer damit foppte, wie viel Zeit er damit verbrachte, jede einzelne Strähne ganz genau so zu arrangieren, wie er sie haben wollte, aber noch ein kleines bisschen mehr mochte er es, wenn er Sting ohne Haargel sehen konnte.

Bevor Rogue aufgrund seiner abdriftenden Gedanken verlegen werden konnte, ergriff Sting wieder das Wort. „Ist das Yukinos Geschenk? Ein Fotoalbum? Hast du schon rein gesehen?“

Dem Blondschopf stand die Neugierde ins Gesicht geschrieben und er schwang sich einfach über die Sofalehne und quetschte sich rechts von Rogue zwischen eben diesen und die Armlehne. Ein wohliger Schauder erfasste den Schwarzhaarigen, als ihre Beine fest gegeneinander gedrückt wurden, aber er versuchte, sich zu fassen. Irgendwie war er heute ein bisschen zu empfänglich für Stings unbewusste Signale. Dabei hatte der Tag ihn eigentlich mit so vielen Reizen überflutet, dass er abgestumpft sein müsste – aber andererseits war Sting sowieso schon immer in fast allen Dingen eine große Ausnahme bei ihm gewesen.

„Ich habe es gerade erst entdeckt und ausgepackt.“

„Lass’ es uns zusammen ansehen. Wie ich Yukino kenne, wird das sicher lustig.“

Aufgeregt klopfte Sting sich auf beide Oberschenkel und grinste zu Rogue hoch. Der konnte sich ein schiefes Lächeln nicht verkneifen. „Woher nimmst du nach diesem Tag noch so viel Energie?“

„Ich hatte eine sehr belebende Dusche“, erwiderte Sting und seine Stimme war dabei auf einmal eine Nuance tiefer und er schielte absichtlich verstohlen unter seinen langen Wimpern zu Rogue hoch.

Für einen Moment erwog der Schwarzhaarige, Yukinos Geschenk einfach beiseite zu legen. Dafür hatten sie auch noch morgen Zeit, sie mussten erst übermorgen früh los. Und im Gegensatz zu Sting, der Unordnung auf zwei – sehr attraktiven – Beinen, hatte er seinen Koffer auch schon gepackt.

Doch bevor Rogue sich runterbeugen konnte, unterbrach Sting den Blickkontakt und zog so an dem schlichten, ledernen Einband, dass es auch zur Hälfte auf seinem Schoß lag und er einen guten Blick darauf haben konnte. Doch kaum dass er den Deckel des schweren Buches ein paar Zentimeter angehoben hatte, stieß er Japsen aus und schlug ihn wieder zu.

„Ich hab’s mir anders überlegt, lass’ uns das auf später verschieben. Am besten auf niemals!“

„Willst du wirklich so herzlos mit Yukinos Geschenk umgehen?“, fragte Rogue mit erhobenen Augenbrauen.

Interessanterweise hatte sich auf Stings Wangen ein leichter Rotschimmer ausgebreitet. Viel dunkler waren seine Ohren. Die wurden bei ihm immer zuerst rot, auch wenn Rogue eine Weile gebraucht hatte, um das festzustellen, weil es so selten eine Gelegenheit gab, in welcher der Blondschopf tatsächlich mal in Verlegenheit gebracht wurde. Jetzt leuchteten sie regelrecht, während Sting widerwillig auf seiner Unterlippe herum kaute, ehe er sich mit einem gequälten Seufzer geschlagen gab und den Deckel richtig aufschlug.

Im nächsten Augenblick verstand Rogue die Verlegenheit des Anderen und seine eigenen Wangen wurden heiß. Auf der allerersten Seite klebte nur ein einziges Bild. Eines von ihnen Beiden als Babys – Sting gerade einmal ein paar Tage alt, Rogue bereits fünf Monate alt. Sie trugen Beide dasselbe Stramplermodell, nur die Farben waren anders. Auf Stings blauem Strampler waren lauter weiße Drachen abgebildet, auf Rogues rotem waren es schwarze Drachen.

„Ich dachte, wir hätten alle Bilder davon erwischt“, stöhnte Sting und barg das Gesicht in beiden Händen.

Zur Antwort stieß Rogue nur einen schwachen Laut aus. Als Teenager hatten sie zufällig dieses megapeinliche Babyfoto entdeckt, welches Stings Tante von ihnen Beiden geschossen hatte – die Strampler waren auch auf ihre Kappe gegangen. Sting war sofort zur Tat geschritten und hatte jeden einzelnen Abzug, dessen er habhaft werden konnte, konfisziert. Nicht auszudenken, wenn dieses Foto jemals den falschen Leuten in die Hände fallen sollte! Man musste da nur an eine Person denken, deren Name mit M anfing…

„Glaubst du, Minerva hat das auch gesehen?“, krächzte Sting und schielte zwischen seinen Fingern hindurch runter zu dem Bild.

„Bei unserem Glück?“, seufzte Rogue gequält.

„Als wir Yukino damals im Kindergarten getroffen haben, habe ich sie einfach nur für ein unschuldiges, kleines Mädchen gehalten“, klagte Sting und riss theatralisch die Arme hoch. „Wie kann sie uns das nur antun?! Und dann auch noch ausgerechnet heute?!“

„Das ist wahrscheinlich dein schlechter Einfluss“, murmelte Rogue und schlug die Seite um, um dem Elend endlich ein Ende zu machen.

Auf der nächsten Doppelseite verteilten sich weitere Babyfotos von ihnen Beiden, mal Einzelbilder, mal mit ihren jeweiligen Familien. Auf einem Bild mühte sich eine fünfjährige Lucy damit ab, Baby-Sting festzuhalten, der anscheinend sehr aufgeregt mit den winzigen Ärmchen wedelte. Nun, da der große Schock überstanden war, konnte Rogue sich darauf konzentrieren, was für ein niedliches Baby Sting gewesen war. Er hatte damals schon im Sommer lauter kleine Sommersprossen auf Nase und Wangen gehabt. Warum waren die Rogue erst vor ein paar Jahren richtig aufgefallen?

Verwirrt blickte Rogue auf, als ihm klar wurde, dass es neben ihm verdächtig still geworden war. Tatsächlich. Sting hatte beleidigt die Wangen aufgeblasen und die Arme vor der Brust verschränkt. Bevor er eine neutrale Miene aufsetzen konnte, entfuhr Rogue ein amüsiertes Schnauben.

„Ich. Habe. Keinen. Schlechten. Einfluss!“, empörte Sting sich und blies gleich noch mal die Wangen auf.

Rogue konnte es sich nicht verkneifen. Mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand drückte er Stings Wangen ein. „Du hast es selbst gesagt: Als wir Yukino kennen gelernt haben, war sie noch vollkommen unschuldig. Wen willst du sonst dafür verantwortlich machen?“

„Dich?!“, schlug Sting anklagend vor und stach mit dem Zeigefinger in Rogues Brust. „Du kennst sie genauso lange wie ich!“

Zur Antwort zog Rogue wieder nur die Augenbrauen hoch. Es war damals Stings Idee gewesen, das neue Mädchen in ihrer Kindergartengruppe zum Spielen einzuladen. Er war als Vierjähriger bereits genauso gesprächig wie heute gewesen und hatte der damals noch fürchterlich schüchternen Yukino beide Ohren abgekaut mit seinen Fragen. Rogue war gar nicht zu Wort gekommen.

„Oder Minerva!“, fügte Sting mit wild umherschlenkernden Armen hinzu. „Oder Natsu! Ja, ganz bestimmt ist Natsu schuld!“

„Dein Stiefbruder also. Damit fällt es doch wieder auf deine Familie zurück“, stellte Rogue trocken fest.

„Ich hasse dich“, zischte Sting, die Augen zu Schlitzen verengt.

„Ich weiß.“

„Ich werde mich rächen.“

„Ich weiß.“

Einen Moment lang schaffte Sting es noch, seine Posse aufrecht zu erhalten, dann ließ er sich schnaufend gegen die Rückenlehne fallen. „Du bist so gemein!“

„Ich weiß.“

„Hör’ auf damit!“

„Womit denn?“

„Du nimmst mich überhaupt nicht ernst!“, jammerte Sting schon wieder theatralisch.

„Sollte ich das denn?“, lachte Rogue leise.

Er konnte spüren, wie ein Zittern durch Stings Körper ging, aber bevor er es hinterfragen konnte, griff der Blondschopf wieder nach dem Fotoalbum. „Lass’ den Rest hinter uns bringen. Schlimmer können die Bilder wirklich nicht mehr werden.“

Als er umgeblättert hatte, ließ Sting den Kopf hängen. „Ich nehme alles zurück.“

Für den Schein von Mitleid tätschelte Rogue die Schulter des Anderen, während er auf das Bild hinunter blickte, welches Sting wohl meinte und sie Beide im Alter von vielleicht drei Jahren im Sandkasten zeigte. Jemand – wahrscheinlich Lucy, deren zerstörte Sandburg im Hintergrund zu sehen war, hatte einen Eimer Sand über Sting ausgekippt. Schmollend blickte Mini-Sting in die Kamera – und er sah damals schon verboten niedlich aus. Rogue sah es schon kommen, dass sie eine ganze Weile für dieses Fotoalbum brauchen würden. Yukino hatte es anscheinend darauf angelegt, alles an Fotos zu erwischen, was es von ihnen Beiden gab.

Ein paar Seiten weiter war so ein Plastikarmband eingeklebt worden, wie man es früher bei einem Krankenhausaufenthalt bekommen hatte. Obwohl es schon uralt war, war Rogues Name und Geburtstag noch vage darauf zu erkennen, genauso wie das Einlieferungsdatum, welches ihnen verriet, dass sie jetzt im vierten Jahr waren. Unter dem Armband gab es ein Foto von Rogue im Krankenbett, auf seinem Gesicht ein riesiges Pflaster, welches über den Nasenrücken hinweg von Wange zu Wange reichte. Darunter verbarg sich, wie Rogue wusste, die frische Naht, die heute noch als lange Narbe in seinem Gesicht zu sehen war. Neben Rogues Krankenbett saß Sting mit verheulten Augen und verrotzter Nase.

Ausnahmsweise jedoch reagierte der (manchmal) erwachsene Sting nicht verlegen, sondern mit einem schuldbewussten Lächeln. „Habe ich mich eigentlich schon mal bei dir dafür entschuldigt?“

„Nur so etwa eine Million Mal“, erwiderte Rogue und verdrehte die Augen.

Es war nicht wirklich Stings Schuld gewesen. Gut, es war eine dumme Idee gewesen, die Ablenkung der Kindergärtnerin auszunutzen, um unter das Sperrband hindurch zu schlüpfen und auf die morsche Eiche zu klettern, aber Rogue hätte ihm damals ja nicht folgen müssen. Heute wusste Rogue nicht einmal, warum er seinem Freund damals überhaupt hinterher geklettert war. Es war viel zu lange her. Jedenfalls hatte ein Ast, der vorher noch Sting getragen hatte, unter Rogue nachgegeben und der Junge war zu Boden gestürzt, hatte sich dabei den Schnitt zugezogen und war ohnmächtig geworden. Das Ganze war den Erzählungen nach damals ein riesiger Tumult geworden, ohne dass Rogue irgendetwas davon mitbekommen hatte.

„Nein, ehrlich, ich meine… habe ich mich schon mal dafür entschuldigt, dass es mir ein ganz kleines bisschen nicht Leid tut?“, versuchte Sting es noch einmal.

Verwirrt runzelte Rogue die Stirn. „Wie viel hast du von der Bowle getrunken, Sting?“

„Ich meine das ernst! Mit der Narbe siehst du nun einmal heiß aus!“

Für einige Sekunden herrschte peinliche Stille, während der Rogue spürte, wie seine Wangen schon wieder warm wurden. Selbst wenn ihm eine passende Erwiderung eingefallen wäre, seine Kehle fühlte sich auf einmal wie zugeschnürt an. Eine der wenigen Möglichkeiten, mit denen Sting ihn todsicher sprachlos machen konnte, war leider immer noch, wenn er Rogue Komplimente machte. Vor allem solche Komplimente!

Während Rogue auf der Suche nach einer Ablenkung rasch wieder auf das Fotoalbum hinunter blickte, spürte er Stings Hand auf seinem Oberschenkel und auch ohne es zu sehen, wusste er, dass der Blondschopf lüstern grinste. Rogue konnte nur hoffen, dass die nächste Seite es Sting wieder austreiben würde.

Das tat sie.

Sehr gut sogar.

Aber Rogue wünschte sich dennoch, er hätte sie überblättert.

Neben ihm stöhnte Sting entsetzt auf und schlug schon wieder die Hände vors Gesicht. Und dieses Mal fehlte Rogue die Selbstbeherrschung und er legte sich mit einem schweren Seufzer eine Hand auf beide Augen.

„Diese Kinderhochzeit hatte ich vollkommen verdrängt…“
 

---Hochzeit---
 

„Sting, du musst lächeln!“

Nun noch viel griesgrämiger blickte Sting unter der kaputten Gardine hervor, die Yukino sich von Rogues Mutter erbettelt und auf seinem Kopf als Schleier arrangiert hatte.

„Das Spiel ist doof. Hochzeiten sind doof. Ich will was anderes machen.“

Beinahe sofort bereute Sting seine Worte, denn Yukino sah sogleich so aus, als wollte sie in Tränen ausbrechen.

Irgendwie war sie im Moment im Hochzeitsfieber und als sie sich heute alle in Rogues Garten getroffen hatten, hatte sie darauf beharrt, dass sie Hochzeit spielen wollte. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass ihre Eltern sich getrennt hatten. Sting verstand nicht so wirklich, was da passiert war. Von einem Tag auf den anderen war Yukinos Mutter weg gewesen und der Vater wurde seitdem immer häufiger in dem Viertel gesehen, in das Sting und seine Freunde nicht hin durften, weil es da angeblich gefährlich war.

Dabei hatte Sting schon längst durchschaut, dass sein eigener Vater dort neuerdings auch sehr regelmäßig in eine Bar ging – allerdings stank er im Gegensatz zu Yukinos Vater nie nach Alkohol oder Zigaretten, obwohl seine Klamotten manchmal auch ganz schön zerknittert waren. Die alte Schreckschraube in der Wohnung nebenan sah Stings Vater in letzter Zeit sogar noch finsterer als sonst an, aber woran das lag, war dem Jungen schleierhaft. Sein Vater hatte in dieser Straße Spaß, also was sollte es? Er war nicht so wie Yukinos Vater.

Um seine Worte abzuschwächen, stieß Sting ein leises Brummeln aus. „Warum muss ich denn den Schleier tragen? Kann nicht Minerva die Braut sein?“

„Sicher nicht“, erwiderte Minerva, die neben Rogue als dessen Trauzeugin rum stand, obwohl keiner von ihnen wusste, wofür das eigentlich gut war.

„Können wir einfach weiter machen?“, brummte Rogue, von dessen Hals eine Krawatte seines Vaters baumelte. Seine Mutter hatte sie ihm extra gebunden und sogar Rogues Haare gekämmt und zu einem winzigen Zopf gebunden, damit der Bräutigam ordentlich aussah, so ihre Erklärung.

„Wollt ihr denn gar nicht spielen?“, schniefte Yukino, das dicke Buch mit zitternden Händen an die Brust gepresst – wofür auch immer das Buch gut war, Yukino hatte nur gesagt, der Pfarrer hätte immer eines dabei, also hatte sie sich eines von Rogues Mutter geben lassen.

„Doch, natürlich wollen wir“, beeilte sich Orga neben Sting zu sagen und stieß Sting so fest an, dass der beinahe nach vorn fiel.

Böse blickte Sting zu seinem Freund auf, der ihn jetzt schon überragte, obwohl sie im selben Monat Geburtstag hatten. Dann wandte er sich an Yukino. Auch wenn er dieses Spiel hier doof fand, er wollte Yukino nicht weinen sehen. Seit ihre Mutter weg und ihr Vater so komisch war, war ihre Schwester Sorano darum bemüht, Yukino zu beschützen. Und Sorano war sechzehn und total gruselig und hatte auch noch lauter gruselige Freunde. Wer wusste, was die mit Sting anstellten, wenn er Yukino zum Weinen brachte! Außerdem machte es ihn traurig, wenn Yukino weinte. Das tat sie viel zu oft, seit ihre Mutter weg war!

„Lass’ uns weiter machen, Yukino“, versuchte er sie zu ermuntern.

„Wirklich?“, fragte sie kleinlaut und blickte mit bebender Unterlippe zwischen Sting und Rogue hin und her. „Wollt ihr wirklich wirklich wirklich?“

Noch immer fand Sting den Schleier doof und er verstand nicht, warum er die Braut sein musste – immerhin stand Dobengal einfach nur doof neben Rufus rum, der, ausgerüstet mit der Kamera von Rogues Eltern, den Fotografen mimte. Und sowieso: Sting und Rogue waren Beide Jungen. Wie konnte einer von ihnen die Braut sein? Müssten sie nicht Beide Bräuti…game sein? Sagte man das überhaupt so?

Aber er nickte einfach nur eifrig. „Wirklich wirklich wirklich wirklich!“

Neben ihm nickte Rogue wortlos, aber das schien Yukino zu reichen. Sie straffte wieder die Schultern und setzte wieder für ihre Rede an.

„Rogue, willst du Sting zur… Frau?“

„Hey!“

„Aber so geht das.“

„Ich bin aber keine Frau!“

„Sag’ einfach Mann, Yukino. Macht doch nix.“

„Also gut, Rogue, willst du Sting zum Mann nehmen und lieben und… ehren in guten wie in schlechten Zeiten, so antworte mit ‚Ja, ich will’.“

„Ja.“

„Du musst sagen ‚Ja, ich will’!“

Neben Sting schnaufte Rogue leise, ehe er noch mal ansetzte. „Ja, ich will.“

„Gut! Und willst du, Sting-“

„Ja, ich will!“

„Ich war noch gar nicht fertig!“, schmollte Yukino.

„Aber machen die das in den Filmen nicht auch so?“

„Na gut… Hat irgendjemand etwas dagegen zu sagen?“ Herausfordernd blickte Yukino in die Runde, aber keiner meldete sich, also fuhr sie fort. „Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und… äh… Mann! Rogue, du darfst die… den Braut? Wie nennt man das?“

„Egal, Rogue darf Sting küssen“, winkte Minerva ab und drehte Rogue an den Schultern zu Sting herum, während der von Orga in die richtige Position dirigiert wurde.

„Müssen wir wirklich?“, fragte Sting und verzog das Gesicht. „Küssen ist voll doof!“

„Aber das gehört dazu!“, erklärte Yukino energisch. „Rogue, du musst den Schleier weg machen und dann musst du Sting küssen!“

Obwohl auch er alles andere als begeistert aussah, schlug Rogue artig den improvisierten Schleier zurück, und beugte sich vor, hielt dann aber doch inne. Er mochte keinen Protest erheben, aber Sting sah ihm ganz deutlich an, dass er auch keine Lust auf Küssen hatte.

„Stellt euch nicht so an“, schnaubte Minerva und versetzte Rogue einen Stoß.

Der Junge stolperte nach vor und landete in Stings Armen. Weil Orga auf einmal hinter Sting verschwunden war, landeten sie am Boden. Noch bevor Sting sich beschweren konnte, spürte er Rogues Lippen auf seinen. Es fühlte sich echt komisch an – was fanden die Erwachsenen daran so toll?

Im nächsten Moment zog Rogue sich hastig zurück und wischte sich mit widerwilliger Miene über den Mund. Sting richtete sich in eine sitzende Position auf und blickte mürrisch zu Yukino auf. „Zufrieden?“

„Minerva hat es verdorben!“, jammerte Yukino und deutete anklagend auf ihre Freundin. „Wir müssen es noch mal machen!“

„Ich kann aber keine Fotos mehr machen“, meldete sich Rufus im Hintergrund. Neben ihm hatte Dobengal sich umgedreht, aber seine zitternden Schultern verrieten, dass er in sich hinein lachte.

„Aber das war nicht richtig!“, rief Yukino.

Neben Sting stöhnte Rogue leise und fummelte lieber an der Krawatte herum, als sich in die aufkommende Diskussion einzumischen. „Wenn Hochzeiten wirklich so sind, will ich lieber keine.“

„Ich auch nicht“, brummte Sting und zog sich die Gardine vom Kopf.
 

---Einsatz---
 

Draußen schien die Sonne. Es war ein lauschiger Frühsommertag, gerade so noch mild genug, dass Rogue, der den Herbst am liebsten hatte und Hitze überhaupt nicht leiden konnte, sich nicht unwohl zu fühlen brauchte. Ideales Wetter, um sich zwischen die Wurzeln der großen Eiche im Park zu setzen, unter der er sich oft nach der Schule mit seinen Freunden traf. Während die Anderen irgendeinen Blödsinn anstellten und Minerva und Rufus Schach spielten, könnte Rogue den Krimi lesen, den er sich neulich von seinem Taschengeld gekauft hatte.

Der Gedanke war so verlockend…

Stattdessen saß Rogue in einem leeren Klassenzimmer, drückte sich ein in Tuch eingewickeltes Kühlakku auf das linke Auge und lauschte den Geräuschen der wenigen Schüler, die für die Sportclubs noch an der Schule waren. Ihm gegenüber saß Sting mit schlenkernden Beinen auf einem Tisch und starrte aus dem Fenster.

Obwohl Rogue derjenige war, der morgen mit einem blauen Auge zur Schule gehen würde, sah Sting schlimmer aus. Der Kragen seines T-Shirts war eingerissen, am linken Ellenbogen hatte er ein großes Pflaster, unter dem sich eine hässliche Aufschürfung befand, und seine Unterlippe war aufgeplatzt. Haare und Klamotten waren immer noch nass.

Es gefiel Rogue nicht, seinen besten Freund so zu sehen. Als er sich vor einer Stunde von Sting verabschiedet hatte, hatte der noch von Ohr zu Ohr gegrinst, wie er es in letzter Zeit häufiger tat, seit seine Familie um zwei Mitglieder gewachsen war. Irgendwie war es unfair, dass genau dieser Familienzuwachs jetzt indirekt für Stings Zustand verantwortlich sein sollte.

Als die Tür geöffnet wurde, drehte Rogue sich auf seinem Stuhl herum. Schuldirektor Dreyar kam herein, sein sonst so gutmütiges Gesicht von einem Stirnrunzeln gestört, sein Blick scharf und aufmerksam. Ihm folgte Herr Conbolt, Sport- und Mathelehrer und Trainer des Basketballclubs. Seine Miene war ernst.

„Eure Eltern sind auf dem Weg hierher“, erklärte der Schuldirektor. „Bis sie hier sind, würde ich gerne eure Sicht der Dinge erfahren.“

„Herr Dreyar, Rogue hat nichts gemacht“, begann Sting sofort und rutschte vom Tisch. „Er darf keinen Ärger kriegen, er wollte nur helfen, als die zu dritt auf mich losgegangen sind!“

„Wer hier Ärger kriegt und wer nicht, entscheide immer noch ich“, erwiderte Herr Dreyar und bedeutete Sting, sich wieder hinzusetzen.

Widerspenstig blieb der Junge stehen. „Aber er hat nichts falsch gemacht.“

„Er hätte mich oder einen anderen Lehrer rufen können“, wandte Herr Conbolt ein.

„Sting brauchte aber sofort Hilfe“, meldete Rogue sich zu Wort und stand nun auch auf.

„Also hast du einem der Jungen deinen Rucksack gegen den Kopf geworfen und dem anderen ins Gesicht geschlagen.“

„Das stimmt nicht! Haben diese Arsch-“ Sting unterbrach sich, als der alte Lehrer sich laut räusperte. „Haben die das etwa behauptet?! Rogue hat denen zuerst gesagt, dass sie aufhören sollen. Er wollte wirklich nur helfen.“

Die beiden Lehrer tauschten einen kurzen Blick. „Dachte ich mir doch, dass es von der Geschichte unterschiedliche Versionen gibt“, murmelte Herr Conbolt schließlich und Herr Dreyar nickte nachdenklich.

Langsam ließ der Schuldirektor sich auf einem der Stühle nieder und bedeutete den beiden Schülern, es ihm gleich zu tun. Während Rogue sich wieder auf seinen Stuhl sinken ließ, blieb Sting stur stehen.

„Rogue darf keinen Ärger kriegen!“

„Sting…“

Als Sting sogar ihn wütend anfunkelte, zog Rogue die Augenbrauen zusammen. So aufgebracht hatte er seinen Freund noch nie zuvor erlebt. Und wieso verbiss Sting sich so sehr darauf, ihn aus der Sache raus zu halten?

„Setz’ dich, Sting“, befahl Herr Dreyar. Seine Stimme war ruhig und seine Miene etwas sanfter, aber es war klar, dass er keinen weiteren Widerspruch dulden würde. „Ich will zuerst einmal hören, was genau da passiert ist.“

Für einige Sekunden blieb Sting noch stehen, dann stieß er ein frustriertes Knurren aus und ließ sich auf einen Stuhl plumpsen, die Arme demonstrativ vor der Brust verschränkt, der Blick zu Boden gerichtet.

Herr Dreyar ignorierte Stings Gebaren und wandte sich an Rogue. „Fang’ du an, Rogue. Sting ist für den Basketballclub noch in der Schule gewesen, aber was war mit dir?“

„Mir ist aufgefallen, dass ich mein Mathebuch vergessen habe“, antwortete Rogue wahrheitsgemäß. „Ich wollte den Seiteneingang nehmen und bei den Mülltonnen habe ich Geschrei gehört. Also habe ich nachgesehen.“ Er zuckte mit den Schultern, weil der Rest der Geschichte ja bekannt war.

„Du bist also erst dazu gekommen, als Sting und die anderen Jungs sich bereits geprügelt haben?“

„Ja. Sting lag am Boden. Ich hatte keine Zeit, um jemanden zu rufen.“

Wenn Rogue ehrlich war, hatte er in dem Moment überhaupt nicht daran gedacht, jemanden zu rufen. Es war ihm egal gewesen, dass er sein Mathebuch für die Hausaufgaben brauchte, dass seine Freunde im Park auf ihn gewartet hatten – und es vielleicht immer noch taten – und dass die Typen immer noch in der Überzahl und obendrein aus der Sechsten und somit zwei Jahre älter und sehr viel größer als er und Sting gewesen waren. Alles, woran er noch gedacht hatte, war, Sting zu helfen, der sich in seiner Verzweiflung in den Arm eines der Arschlöcher verbissen hatte.

Der forschende Blick des Schuldirektors ließ Rogue beinahe befürchten, dass er ihm nicht glaubte, aber dann nickte er einfach und richtete seine Aufmerksamkeit auf Sting. „Wie hat die ganze Sache angefangen?“

Aufsässig zuckte Sting mit den Schultern. „Weiß ich nicht mehr. Die haben mich mit dem Dreckwasser übergossen, dann habe ich mich gewehrt.“

Herr Conbolt seufzte ungeduldig. „Sting, mit so einer Antwort hilfst du uns nicht weiter.“

„Mir egal.“

„Mir aber nicht“, erwiderte Herr Dreyar scharf. „Was ist wirklich passiert?“

Aufmerksam betrachtete Rogue seinen besten Freund. Er wüsste auch gerne, was genau eigentlich passiert war.

Als Sting auch nach einer Minute noch nichts gesagt hatte, lehnte der Schuldirektor sich langsam zurück. Seine Stirn nun noch stärker gerunzelt und mit einem bitteren Zug um den Mund. „Die Jungen haben behauptet, es hätte nur ein Streich sein sollen, aber weißt du, was ich glaube? Es hat etwas mit deinem Vater zu tun.“

Wie unter einem Schlag zuckte Sting zusammen, dann biss er sich auf die Unterlippe und wandte hastig den Blick ab, die Schultern so weit hoch gezogen, wie es nur ging.

„Sting, haben diese Jungen deinen Vater beleidigt, weil er einen Mann geheiratet hat?“

Ein Zittern ging durch Stings Körper, aber er blickte noch immer stur die Wand an. Wenn es nach Rogue ginge, müsste Sting nichts mehr erklären.

Obwohl Weißlogia und Igneel eigentlich nur im engsten Kreis geheiratet und es auch sonst nirgendwo an die große Glocke gehangen hatten, hatte sich doch sehr schnell in der Schule herum gesprochen, dass Sting, bis dahin als Basketballass super beliebt, jetzt in einem Schwuchtelhaushalt lebte. Überall hatte es Getuschel gegeben und die Leute hatten andauernd mit dem Finger auf Sting gezeigt, als hätte er irgendeine ansteckende Krankheit.

Es klopfte und dann wurde die Klassenzimmertür geöffnet und Herr Neekis steckte den Kopf herein. „Herr Dreyar, die Eltern der anderen Jungen sind bereits da und wollen sofort mit Ihnen reden.“

„Bin gleich da“, seufzte der Schuldirektor und rutschte von seinem Stuhl, blickte jedoch noch einmal in Stings Richtung. „Sting, du musst das nicht in dich hinein fressen. Wenn diese Jungen wirklich deinen Vater beleidigt haben, werde ich ihnen das nicht durchgehen lassen. So etwas lasse ich an meiner Schule nicht zu. Aber du musst mit mir reden.“

Als Sting immer noch keine Antwort gab, verließen die beiden Lehrer den Raum wieder. Erst als die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, stand Rogue auf, legte das Kühlakku auf einen Tisch und ging auf seinen Freund zu, zögerte jedoch, ihm eine Hand auf die Schulter zu legen oder etwas zu sagen.

Das Schweigen lastete tonnenschwer auf ihnen und Sting blickte noch immer krampfhaft die Wand an, aber je länger das Schweigen andauerte, desto mehr begann er zu zittern. Als er auf einmal laut schniefte, machte Rogue einen Schritt nach vorn und legte ihm beide Hände auf die Schultern.

„Ich will nicht, dass Papa sich deswegen von Igneel trennt“, schniefte Sting und blickte zu Rogue auf. Tränen rannen über seine Wangen und seine Lippen zitterten.

„Warum sollte er?“, fragte Rogue verwirrt und zog einen Stuhl heran, um ganz dicht neben seinem Freund sitzen zu können, die Hände nun auf seine Knie gelegt, um den Kontakt aufrecht zu erhalten. „Die Beiden sind doch schon richtig lange zusammen, oder?“

„Aber Igneel hat Papa schon an Weihnachten gefragt, ob er ihn heiraten will, und Papa hat zuerst nein gesagt, weil er nicht wollte, dass die anderen Kinder mich ärgern“, schniefte Sting und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg. „Sie haben sich sogar deswegen gestritten. An Weihnachten…“

Jetzt erinnerte Rogue sich wieder, dass Weißlogia Sting am ersten Weihnachtsfeiertag zu Rogues Familie gebracht hatte, um etwas klären zu können. Rogues Eltern hatten anscheinend Bescheid gewusst, zumindest hatten sie nicht überrascht gewirkt, aber weder sie noch Sting hatten Rogue damals etwas verraten.

„Ich mag Igneel“, krächzte Sting und wischte sich wieder über die Augen. „Und Natsu ist auch lustig und Papa ist glücklich. Es ist toll, eine große Familie zu haben. I-ich…“ Sting schluchzte und krümmte sich zusammen. „Ich will nicht, dass Igneel meinetwegen gehen muss.“

Unsicher sah Rogue sich im Raum um, dann fasste er sich ein Herz und umarmte seinen Freund. Er glaubte nicht, dass Igneel und Weißlogia sich voneinander trennen würden. Nach der Hochzeit hatte er seine Eltern darüber reden gehört, wie froh sie darüber wären, Weißlogia so glücklich zu sehen, und dass Igneel genau der richtige Mann für ihn wäre. Wann genau das mit Stings Vater und dem Barbesitzer angefangen hatte, wusste Rogue nicht einmal. Auf alle Fälle war es schon lange genug, dass es für Sting und Rogue immer völlig normal gewesen war, wenn sie die Beiden mal zusammen gesehen hatten.

Warum das für Andere ein Problem war, ging über Rogues Verständnis hinaus. War es denn wirklich wichtig, dass es zwei Männer waren statt ein Mann und eine Frau? Warum musste man sich darüber lustig machen und sogar Sting deswegen angreifen?

Zaghaft strich Rogue über den zitternden Rücken seines besten Freundes. Hoffentlich dauerte es noch ein bisschen, bis wieder jemand in den Raum kam, damit Sting sich bis dahin wieder beruhigen konnte.

Insgeheim nahm er sich vor, ab sofort besser auf Sting aufzupassen. Wenn es sein müsste, würde er sich sogar noch ein weiteres blaues Auge verpassen lassen, wenn er damit nur Sting beschützen konnte. Um nichts in der Welt würde er seinen besten Freund jemals im Stich lassen!
 

---Nähe---
 

Campen war blöd! So, nur mal so zur Information!

Wandern – kein Thema, das konnte sogar lustig sein. An einem abgelegenen See baden – ein Riesenspaß! Am Lagerfeuer sitzen und Marshmallows in sich hinein stopfen – himmlisch! Aber Campen – nie wieder!

Als er mit seinem Vater alles für den dreitägigen Klassenausflug in der Wildnis gekauft hatte, war ihm allerdings noch nicht klar gewesen, wie unbequem Isomatten und Schlafsäcke waren. Er hatte sich einfach auf das Abenteuer gefreut und sich weder von Rogues sehr verhaltener Begeisterung noch von Minervas miesepetriger Miene irritieren lassen.

Jetzt wusste er es besser. Isomatten waren keine vernünftige Alternative für ein gemütliches Bett und Schlafsäcke fühlten sich an wie Zwangsjacken. Sting hasste es abgrundtief, seine Beine nicht wirklich bewegen zu können und das Rascheln des Stoffs war ätzend!

Ganz langsam versuchte Sting, sich auf die andere Seite zu drehen, um vielleicht doch endlich eine bequeme Liegeposition zu finden. Jede noch so leichte Bewegung war wegen des blöden Schlafsacks sofort zu hören, was Sting bangend zu seinem Zeltgenossen blicken ließ.

Er wusste ganz genau, dass Rogue einen sehr leichten Schlaf hatte. Sein bester Freund brauchte normalerweise feste Rituale, um einschlafen zu können. Als Sting mit seinem Vater zu Igneel und Natsu gezogen war und Rogue das erste Mal in Stings neuem Zimmer übernachtet hatte, hatte er am Morgen danach furchtbar ausgesehen, einfach weil er in der neuen Umgebung keine Ruhe gefunden hatte.

Jetzt allerdings lag Rogue vollkommen ruhig da. Machte ihm das alles hier etwa gar nichts aus? Sting konnte es kaum glauben!

Just in dem Moment, als Sting darüber nachdachte, sich noch einmal herum zu drehen, stieß Rogue ein frustriertes Seufzen aus und drehte den Kopf. Im Dunkeln konnte Sting nur Rogues Konturen erkennen, aber auch so wusste er beim Klang der Stimme sofort, was für ein Gesicht sein bester Freund gerade machte.

„Bist du immer noch der Meinung, dass Campen toll ist?“

„Nein, es ist beschissen“, murmelte Sting.

Vor Rogue konnte er zugeben, dass er Blödsinn von sich gegeben hatte. Rogue war ja nicht so gehässig wie Minerva, die es Sting wahrscheinlich ewig unter die Nase reiben würde, sollte er ihr gegenüber auch so ein Geständnis machen.

Wieder seufzte Rogue leise. Seine Stimme klang jetzt tiefer, nicht so kratzig wie während des Tages – was wohl einer der Gründe gewesen war, warum Rogue noch wortkarger als sonst schon gewesen war. Sting, der erst vorgestern wieder das Problem gehabt hatte, dass seine Stimme immer wieder zwei, drei Oktaven in die Höhe geschossen war, konnte es seinem Freund nachempfinden. Stimmbruch war auch beschissen!

„Wollen wir etwas spielen?“, schlug Sting auf der Suche nach Ablenkung vor.

„Wir dürfen keine Taschenlampe mehr anmachen und laut werden sollten wir auch nicht“, wandte Rogue ein und klang dabei sehr bedauernd.

Wahrscheinlich hätte er schon längst seine Taschenlampe angeknipst und angefangen zu lesen, wenn es dieses blöde Verbot nicht gäbe. Während der ersten paar Übernachtungen in Stings neuem Zimmer hatte Rogue auch immer sein kleines Leselicht herausgeholt und gelesen, was Sting allerdings erst beim dritten oder vierten Mal mitbekommen hatte. Damals hatte er sich beschwert, warum Rogue ihm nichts von seinem Problem gesagt hatte.

Die Erinnerung an den Vorfall damals brachte Sting auf eine Idee. Langsam strampelte er sich den Schlafsack von den Beinen und rollte sich von der Isomatte herunter, um sie zu verschieben. Ohne auf Rogues verwirrte Frage zu reagieren, rollte er sich wieder herum, bis er gegen seinen besten Freund stieß.

Sofort umfing ihn Rogues vertrauter Geruch und ganz unwillkürlich kuschelte Sting sich gleich noch mehr an die vertraute Wärmequelle.

„Sting, was wird das?“

Von Nahem klang Rogues Stimme noch tiefer. Sie jagte Sting einen richtigen Schauder über den Rücken.

„So können wir vielleicht doch einschlafen“, erklärte Sting und hob den Kopf an, wobei seine Nase versehentlich über Rogues Kinn strich. „Hat doch früher auch gut funktioniert, wenn du bei mir übernachtet hast und nicht einschlafen konntest.“

„Das ist ewig her“, murmelte Rogue.

Verwirrt runzelte Sting die Stirn. „So lange hast du schon nicht mehr bei mir übernachtet?“

Zur Antwort erhielt er zuerst nur ein Seufzen, das einen Luftstrom durch seine Haare schickte. „Nein, ich habe mich irgendwann doch an die Gästematratze gewöhnt.“

„Heißt das, dass du gar nicht mehr mit mir kuscheln willst?“, jammerte Sting gespielt.

„Ganz genau, du übergroße Katze“, schnaubte Rogue.

Seiner Worte zum Trotz strampelte er sich ebenfalls den Schlafsack von den Beinen und drehte sich dann richtig zu Sting herum, ehe er einen Arm um ihn schlang.

Selig grinsend kuschelte Sting sich noch etwas mehr an seinen besten Freund. Eigentlich waren sie schon viel zu alt und zu cool, um noch miteinander zu kuscheln, aber ganz ehrlich: Wenn es ihnen dabei half, trotz dieser bescheuerten Isomatten einzuschlafen, dann war es Sting gerade herzlich egal, wie uncool er war. Außerdem konnte er sich darauf verlassen, dass Rogue nie und nimmer etwas hiervon Minerva verraten würde!
 

---Erwachsenwerden---
 

WhiteDragon14 Rogue, ich habe eine Frage~

RCheney Wenn es um die Matheklausur nächste Woche geht, ja, ich gebe dir heute Extra-Nachhilfe.

WhiteDragon14 Irks! Als ob ich an einem SAMSTAG Mathe machen würde!

RCheney Leute, die versetzt werden wollen, machen so etwas…

WhiteDragon14 Du bist so gemein! T__T

RCheney Ich weiß. Was wolltest du denn nun fragen?

WhiteDragon14 Also… Ich hatte einen „Traum“…

RCheney Einen Traum? Wieder so einen, bei dem du auf Schlangen in der Wüste reiten kannst?

WhiteDragon14 Nein, einen Traum! >//////<

RCheney

RCheney Meinst du einen feuchten Traum?

WhiteDragon14 Ganz genau >.<

RCheney Und was willst du jetzt wissen? Für die Praxis gibt es Filme, weißt du?

WhiteDragon14 Nein, ich frage mich nur… Der Traum war halt sehr real und das hat mich ziemlich verwirrt. Was glaubst du, was das bedeutet?

RCheney Dass du endlich in die Pubertät gekommen bist?

WhiteDragon14

WhiteDragon14 DU BIST BLÖD!
 

Frustriert klappte Sting seinen Laptop zu, ohne ihn ordentlich herunter zu fahren. Sein Bürostuhl rollte durchs halbe Zimmer, als er sich abrupt aufrichtete, aber er achtete gar nicht darauf, sondern war mit wenigen Schritten beim Bett und ließ sich mit einem Schnaufen darauf fallen, das Gesicht ins Kissen gepresst, während er mit den Fäusten auf die Matratze trommelte.

„Hey, was ist denn mit dir los?“

Abrupt hob Sting den Blick. Im Türrahmen seines Zimmers stand Natsu. Er trug bereits Jogginghosen und ein Schlabbershirt und sah sehr verwirrt aus ob des Umstands, dass sein Stiefbruder noch nicht für die allmorgendliche Runde bereit war.

„Rogue ist ein Arschloch!“, erklärte Sting nur und setzte sich auf, um bockig die Arme vor der Brust zu verschränken.

Nun noch viel ratloser legte Natsu den Kopf schräg. „Aha… heißt das jetzt, dass du heute nicht mit kommst?“

„Ich habe keine Lust!“

„Na dann…“ Natsu drehte sich herum, blickte jedoch noch mal über seine Schulter. „Keine Ahnung, was Rogue gemacht hat, aber ihr werdet euch schon wieder vertragen. Rogue ist ja nicht so wie dieser Idiot Gray.“

Sting stieß bloß ein Knurren aus. Sein Bruder mochte mit seinen neunzehn Jahren vielleicht über einiges besser Bescheid wissen, aber dieses Mal hatte er keine Ahnung!

Allerdings machte Natsu sich nicht das Geringste aus Stings Gebaren. Er schloss die Zimmertür hinter sich und ließ den Jüngeren alleine mit seiner Wut.

„Rogue ist der Idiot!“, murmelte Sting und ließ sich wieder zurück aufs Bett fallen, die verschränkten Arme aufs Gesicht gelegt, um nichts und niemanden sehen zu müssen.

Normalerweise machte Sting sich nichts aus Rogues trockener Art. Ganz im Gegenteil sogar, meistens fand er das witzig und er konnte auch ziemlich gut heraus hören, wie Rogue es eigentlich meinte. Aber dieses Mal war es anders. Dieses Mal hätte Sting wirklich den Rat seines besten Freundes gebraucht, aber er hatte sich einfach nicht getraut, es direkt anzusprechen.

Wie zur Hölle sollte man auch seinem besten Freund erklären, dass man einen Traum von ihm gehabt hatte, der einem eine Morgenlatte beschert hatte?
 

---Erwartungen---
 

Willst du mit mir gehen?
 

Sting konnte nicht erklären, was in ihm vorging, als dieser an Rogue adressierte Zettel an ihm vorbei die Runde durchs Klassenzimmer machte, aber sein erster Gedanke war tatsächlich, aufzuspringen und lauthals „Nein!“ zu schreien. Weil… weil Rogue auf eine Bessere als ausgerechnet Juliet warten sollte.

Ob sie hübsch aussah oder nicht, konnte Sting nicht so wirklich beurteilen. Er konnte mit seinen sechzehn Jahren in Frauen in der Hinsicht nichts sehen. Ihn berührten eher männliche Muskeln und große Hände. Schwarze, lange Haare waren sexy und in letzter Zeit hatte er einen heimlichen Piercing-Fetisch.

Juliet bediente keine dieser Vorlieben. Sie war ein Püppchen, das viel Zeit in seine Haarpflege investierte, bereits etwas geschickter mit Make up war als gleichaltrige Schülerinnen und oft mit schräg gelegten Kopf, großen Augen und ständig klimpernden Wimpern vor Vertretern des männlichen Geschlechts kokettierte. Bei den anderen Jungs war sie beliebt. Sting konnte es nicht nachvollziehen.

Wenn er schon ein Mädchen an Rogues Stelle nehmen müsste, würde er Yukino nehmen. Sie sah definitiv nicht schlechter aus und war tausendmal netter. Allerdings wusste Rogue wahrscheinlich genauso gut wie Sting, dass Yukino schon seit zwei Jahren in Stings Bruder verschossen war. Was für ein Jammer, denn Natsu behandelte sie nur wie eine kleine Schwester, wenn sie mal zu Besuch war. Er legte ihr kameradschaftlich die Arme um die Schultern oder zauste ihre Haare oder boxte ihr gegen die Schulter. Ihre mehr als nur eindeutigen Reaktionen darauf bekam er nie mit.

Ein Schnauben lenkte Stings Aufmerksamkeit wieder auf den Weg des Zettels. Er war mittlerweile bei Minerva, von der wohl auch das Geräusch gekommen war – Sting kannte niemanden sonst, der so verächtlich schnauben konnte. Jetzt hatte Minerva den Kopf gehoben und sich herum gedreht, um Juliet ansehen zu können. Irgendwie konnte Sting nicht so vollständig deuten, was Minervas Miene zu bedeuten hatte. Auf alle Fälle hielt sie nicht viel von der Blondine. Mit so etwas hielt Minerva nie hinterm Berg. Deshalb war sie auch so unbeliebt, aber so etwas hatte sie noch nie gekümmert.

Dann warf Minerva einen raschen Blick nach vorn, wo Herr Yuri noch immer vor der Tafel stand und in seiner athritisgezeichneten Sauklaue Matheaufgaben anschrieb. Als klar war, dass die Luft rein war, blickte Minerva aus irgendeinem Grund kurz zu Sting. Sie runzelte dabei die Stirn und sah so aus, als wollte sie Sting zu irgendetwas auffordern.

Was wollte sie denn? Der Zettel war für Rogue. Von Sting wollte Juliet doch nichts…

Schließlich schüttelte Minerva den Kopf, wie sie es immer tat, wenn Sting irgendetwas in ihren Augen Dummes anstellte, ehe sie sich streckte, Rogue mit dem Finger in den Rücken stach und ihm mit spitzen Fingern den Zettel weiter reichte.

Rogue als einer der wenigen, die ganz vorbildlich die Matheaufgaben von der Tafel abschrieben – und deshalb auch der erste Kandidat, den Sting in der Pause anbetteln würde, eine Kopie machen zu dürfen –, nahm den Zettel mit einem Stirnrunzeln entgegen. Als er die Nachricht gelesen hatte, ließ er den Blick schweifen. Ihm konnte dabei unmöglich entgehen, dass die Hälfte des Klassenzimmers nun eher auf ihn als auf die Tafel achtete, aber er war schon immer ein Genie darin gewesen, so etwas an sich abprallen zu lassen.

Sein Blick ging direkt zu Juliet und als Sting zu ihr zurück blickte, sah er, wie sie den Kopf schräg legte und Rogue zuzwinkerte. Hatte die was im Auge…?

Für einen winzigen Moment blickte Rogue in Stings Richtung, dann sah er sehr schnell wieder auf den Zettel hinunter. Verwirrt starrte Sting seinen besten Freund an. Wollte der ihn um seine Meinung fragen? Dann würde er ihm definitiv von Juliet abraten. Rogue hatte so etwas nicht nötig, nur weil gerade alle im Dating-Fieber waren!

Doch zu Stings Enttäuschung zuckte der Schwarzhaarige schließlich mit den Schultern und nickte Juliet dann zu. Ein albernes Kichern hallte durch den Klassenraum und dann setzten unter den anderen Schülern die geflüsterten Gespräche ein. Hinter Rogue schüttelte Minerva schon wieder den Kopf und bückte sich, um ein Oktavheft aus ihrer Tasche zu ziehen und etwas darin zu notieren.

Sting zwang sich, den Blick von Rogue abzuwenden und auf die einzige Matheaufgabe hinunter zu blicken, die er bisher abgeschrieben hatte. Auf einmal war er sauer, aber er konnte nicht so richtig erklären, warum. Es war schließlich Rogues gutes Recht, auszugehen, mit wem immer er wollte.

Dennoch zog Sting einen kleinen Zettel aus seiner Federmappe und krakelte eine Nachricht an Rufus, die er zielsicher auf den Tisch schräg vor ihm warf:
 

Kann ich mir nachher die Aufgaben von dir abschreiben?
 

---Gerüchte---
 

„Es ist mir ein Rätsel, warum wir Kunst weiter machen müssen.“

Mit der Sorte Miene, die kleine Kinder zum Weinen bringen konnte, lief Minerva neben Rogue her durch den vollgestopften Schulkorridor. In der linken Hand hielt sie ihre lieblos gefaltete Kunstarbeit, für die sie soeben eine leidlich akzeptable Note bekommen hatte – zumindest wenn man bedachte, dass sie so wenig Zeit und Energie wie möglich in das Stillleben gesteckt hatte. In der rechten hielt sie eine Wasserflasche, aus der sie sich von Zeit zu Zeit einen Schluck genehmigte.

„Müssten wir nicht, wenn wir stattdessen Musik oder DS machen würden“, murmelte Rogue düster und dachte an seine eigene miserable Note.

Er war heilfroh, dass er Kunst bald abwählen konnte und dass es nicht in sein Abschlusszeugnis rein zählte. Ansonsten würde sein Untalent ihm noch den guten Durchschnitt ruinieren.

Obwohl es andererseits angenehm war, mal ein Fach nicht mit Juliet zu haben, die in jeder Pause geradezu an ihm klebte und so jedes normale Gespräch mit seinen Freunden störte. Es war eigentlich von Anfang an nicht so richtig Rogues Ding gewesen, mit der Blondine auszugehen, aber seit ein paar Wochen nahm es wirklich überhand und er fragte sich, wie er möglichst taktvoll mit ihr Schluss machen konnte.

„Pest, Cholera oder Lebra“, schnaubte Minerva so abfällig, als ginge es tatsächlich um die besagten Krankheiten. „Sie sollten so etwas nur als Wahlmöglichkeit für Freaks wie Sting, Rufus und Yukino lassen.“

„Lass’ das bloß nicht Sting hören, dass du ihn Freak genannt hast“, sagte Dobengal, der wie aus dem Nichts zu Rogues anderer Seite aufgetaucht war.

Der Schwarzhaarige zuckte im Laufen leicht zusammen und zog die Augenbrauen zusammen. Schon in der Vorschule hatte Dobengal diese Marotte gehabt, immer und überall ganz plötzlich aufzutauchen. Als wäre er ein Ninja oder so etwas. Sting regte sich immer furchtbar darüber auf – für Dobengal natürlich nur ein Grund, es gerade bei ihm erst recht zu machen.

„Ach, unser Luftikus kann das ab“, erwiderte Minerva und machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Du meinst wohl eher, er verzeiht dir sowieso alles, sobald du auch nur das Wort Kuchen fallen lässt“, meinte Dobengal trocken.

Minervas Antwort bestand aus einem überheblichen Lächeln. Innerlich schüttelte Rogue den Kopf. Sein bester Freund war eine Naschkatze, wie sie im Buche stand, und damit das perfekte Versuchsobjekt für Minervas Backorgien. Das mochte auf dem ersten Blick wie eine sehr oberflächliche Zweckgemeinschaft aussehen, aber unter ihrer hochnäsigen Schale machte Minerva sich viel aus Stings Meinung, das wusste Rogue genau – und umgekehrt ging es Sting keineswegs nur um Süßkram. Ihm war sicherlich genauso klar wie Rogue, dass Minerva um jede Stunde froh war, die sie backend in Stings Elternhaus verbringen konnte, statt alleine im viel zu großen Penthouse Apartment ihres Vaters zu sitzen.

Gemeinsam mit Minerva und Dobengal schob Rogue sich durch einen Pulk von Schülern, die so dumm waren, ausgerechnet im viel zu engen Treppenhaus stehen zu bleiben, um miteinander zu quatschen. Als sie die Treppe hinab stiegen, konnte Rogue einige Stufen unter sich einige Schüler aus dem Abschlussjahrgang reden hören.

„Habt ihr eigentlich auch schon gehört, dass der Schönling aus der Zehnten ne Schwuchtel sein soll?“

„Welcher? Der Blonde aus der B mit seiner Fidel?“

„Genau der. Ein Schwanzlutscher vom Feinsten ist das.“

Das widerlich jaulende Gelächter trieb Rogues Puls in die Höhe.

Sting hatte vor einem Jahr vor seinen Freunden und seiner Familie gestanden, dass er schwul war. Offiziell hatte er aber nie ein Coming Out gehabt, andersherum aber auch nie versucht, seine Sexualität großartig zu verstecken. Wenn er mit Jungen flirtete, war er ziemlich eindeutig. Was Andere darüber dachten, war ihm egal – oder er ließ sie das zumindest glauben.

Nach den Mobbingvorfällen vor sechs Jahren, nachdem Stings Vater einen Mann geheiratet hatte, hatte Sting sich in der Hinsicht eine ziemliche harte Schale zugelegt, auch wenn der Kern darunter immer noch ein Problem mit den ganzen homophoben Arschlöchern in seiner Umgebung hatte.

„Der soll ja jeden Tag nen anderen Schwanz lutschen“, johlte einer der Typen.

„Echt? Ich habe gehört, dass er voll das gute Fickloch ist. Quasi die Schulschlam- Uäh!!!“

Tropfnass drehte der Schüler sich herum und blickte nach oben. Neben Rogue stand Minerva mit der nun leeren Wasserflasche in der Hand da und blickte verächtlich auf die Älteren hinunter.

„Was soll das, du Hexe?!“, brüllte der Typ, von dessen Haaren noch immer Wasser tropfte, und machte einen bedrohlichen Schritt nach oben.

„Ups…“, machte Minerva, sah jedoch nicht im Mindesten reumütig aus. „Mir muss die Hand ausgerutscht sein.“

„Du Schlampe!“

Bevor der Typ Minerva auch nur erreichen konnte, war Rogue vorgetreten und hatte zum Schlag ausgeholt. Im Grunde war ihm klar, dass es Sting nicht helfen würde, wenn er sich mit diesen Arschlöchern prügelte, dass er sich damit auf deren Niveau herab begab und dass er seinen Eltern damit nur Scherereien machte…

Dennoch ließ er seine Faust gegen die Nase dieses Widerlings krachen und verspürte sogar noch grimmige Genugtuung, als er ein Knacken hörte.
 

---Zusammenhalt---
 

In Stings Weltbild gab es nur wenige Dinge, die schlimmer waren als Mathematik. Das stand sogar noch vor einer übellaunigen Minerva, einer gerissenen Saite oder Natsus Kochkünsten auf der Liste. Mathematik war der ewige Feind, das Große Böse schlechthin! Ein Folterinstrument, das man sich einzig und allein ausgedacht hat, um Schülern den ansonsten passablen Notendurchschnitt zu versauen.

Aber dummerweise hatte Stings Vater alle Klagen darüber, wie langweilig, unlogisch und nutzlos Mathe doch sei, noch nie gelten lassen. Wenn Sting eine Chance haben wollte, den Weg einzuschlagen, den er sich wünschte, dann musste er in Mathe wenigstens bestehen.

Und da die meisten in Stings Umfeld, die gut in Mathe waren – Minerva, Dobengal, unfassbarerweise auch Natsu –, miserable Lehrer waren, blieb Sting sei Jahren nur ein Nachhilfelehrer/Retter übrig: Rogue mit seiner schier unendlichen Geduld und Ruhe, seiner bedachten Herangehensweise und seinen einfachen Erklärungen. Rogue, der Sting eben nicht das Gefühl gab, einfach nur ein Vollidiot zu sein – denn wie sollte Sting sich nicht wie ein Vollidiot fühlen, wenn Natsu ihm eine Formel erklärte, als wäre sie selbstverständlich, und er ihn dennoch nicht verstand?

Aber selbst wenn sein Bruder nicht so ein grottiger Didaktiker wäre, wäre Stings erste Wahl dennoch Rogue gewesen. Schon allein deshalb, weil er den Schwarzhaarigen seit einigen Monaten nicht mehr so oft zu Gesicht bekam, wie er das gerne würde. Sicher, in der Schule sahen sie einander täglich, aber viele Pausen verbrachte Rogue jetzt immer mit seiner Freundin Juliet.

Beziehungsweise die hing einfach wie eine Klette an ihm, setzte sich einfach auf Rogues Schoß, wenn der eigentlich gerade mit seinen Freunden redete, bombardierte ihn geradezu mit Textnachrichten und wollte an jedem freien Nachmittag und an jedem Wochenende etwas mit Rogue unternehmen.

Bei all dem mussten Sting und die Anderen zurückstecken. Eine der wenigen außerschulischen Aktivitäten, die Sting daher noch mit Rogue blieben, war die wöchentliche Mathenachhilfe. Jeden Dienstag nach der Schulorchesterprobe machte Sting sich auf dem Weg zum Haus der Cheneys, um sich von Rogue all das noch mal richtig erklären zu lassen, was Herr Yuri ihnen vorher auf seine kompromisslos-umständliche Art vorgehaucht hatte.

Das machte Mathe für Sting immer noch nicht sympathischer, aber zumindest gab es ihm die Gelegenheit, endlich mal wieder mit Rogue alleine zu sein. Es war ihm früher gar nicht bewusst gewesen, wie wichtig Rogue eigentlich für seinen Alltag war, bis eben diese nervige Trulla aufgetaucht war!

Als Sting in die Sackgasse einbog, an deren Ende das weiß verputzte Elternhaus seines besten Freundes lag, das de facto sein Zweites Zuhause war, erkannte er Rogue am Gartentor. Über die linke Schulter hatte Rogue sich den Riemen seiner großen Sporttasche geschlungen, in der sich seine Kendo-Ausrüstung befand. Eigentlich hatten sie bei der Trainingshalle Schließfächer dafür, aber seit dort mal eingebrochen worden und unter anderem auch ein ziemlich hochwertiger Bokken von Rogue gestohlen worden war, nahm der Schwarzhaarige seine Sachen lieber immer mit nach Hause. Sting konnte es verstehen, er ließ den Koffer mit seiner geliebten Violine in der Schule auch nie im Schließfach, sondern behielt ihn immer bei sich.

„Hey, Rogue!“

Sofort drehte der Schwarzhaarige sich zu Sting um, der in einen Laufschritt fiel, um schneller am Gartentor anzukommen. Um die Lippen seines besten Freundes spielte zur Begrüßung der Anflug eines Lächelns.

„Du bist zu früh. Hast du es so eilig, Mathe zu machen?“

„Oh ja, ich bin ganz heiß auf Stochastik“, schnaubte Sting und streckte seinem Freund die Zunge heraus. „Nein, wir haben heute beim Orchester früher Schluss gemacht, weil Frau Olietta noch einen Termin hatte.“

„Dann musst du aber noch ein paar Minuten warten. Ich muss noch duschen, bevor wir anfangen können“, erklärte Rogue, während er seinen Haustürschlüssel hervorkramte.

„Sind die Wasserleitungen bei der Trainingshalle immer noch nicht wieder dicht?“

Wie selbstverständlich folgte Sting seinem Freund und streifte sich die Sneaker von den Füßen, ohne sich danach zu bücken. Mit dem Fuß schob er sie so beiseite, dass niemand darüber stolpern konnte. Als Rogue sich dennoch bückte, um die Schuhe neben seine eigenen in das kleine Schuhregal zu stellen, grinste Sting frech.

„Nächste Woche ist das hoffentlich endlich fertig“, murmelte Rogue und führte Sting zur Wohnzimmertür, die seltsamerweise verschlossen war.

„Da solltet ihr nicht rein gehen.“

Aus der gegenüberliegenden Küchentür trat Rogues Mutter Grandine heraus. Sie hatte die langen, weißen Haare bereits zu einem festen Dutt hochgebunden, ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie bald los zur Spätschicht im Krankenhaus musste.

„Hallo Sting, bereit für Mathe?“

„Nie“, antwortete Sting prompt, grinste jedoch unbekümmert.

„Ma, wer ist da im Wohnzimmer?“, fragte Rogue mit einem Stirnrunzeln.

Über die weichen Züge der Kinderärztin huschte ein amüsiertes Lächeln. „Deine Schwester hat einen Klassenkameraden für die Arbeit an einem Partnerprojekt eingeladen. Sie wollte lieber mit ihm ins Wohnzimmer.“

Sting kicherte leise. „Was haben Mädchen bloß damit, dass sie Jungs nicht in ihre Zimmer lassen wollen?“

„Wenn ich böse wäre, könnte ich sagen, dass Mädchen mehr Wert auf ihre Privatsphäre legen“, erwiderte Grandine mit einem schalkhaften Funkeln in den blauen Augen.

„Das klingt, als würden wir auf offener Straße masturbieren“, lachte Sting.

Neben ihm seufzte Rogue geplagt und wandte den Blick endlich von der Wohnzimmertür ab. Anscheinend wollte er nur zu gerne wissen, was das für ein Junge war, mit dem Wendy da drinnen arbeitete. Grandines Andeutungen schienen ihm nicht zu gefallen. Wenn er die Schnauze voll von Mathe hatte, würde Sting diese Gelegenheit, seinen Kindheitsfreund zu ärgern, definitiv aufgreifen. Mit Großer-Beschützerbruder-Rogue konnte man immer wieder eine Menge Spaß haben!

„Ich gehe duschen“, murmelte Rogue und ging hinüber zur Treppe. „Viel Spaß nachher bei der Arbeit, Ma.“

„Danke, dir auch viel Spaß bei der Arbeit“, erwiderte Grandine amüsiert und wandte sich an Sting. „Du nimmst dir einfach, was du brauchst, ja? Wir haben auch noch Eis in der Gefriertruhe, bedien’ dich ruhig, wenn ihr fertig seid.“

„Wenn es danach geht, darf Sting das Eis nie essen. Der wird nie mit Mathe fertig sein“, kam es von oben.

„Hey, das war gemein!“, rief Sting zurück und beeilte sich, die Treppe hinauf zu kommen.

Während sein Freund mit einem Bündel sauberer Kleidung ins Badezimmer ging, machte Sting es sich in dessen Zimmer bequem. Es war gewohnt ordentlich, fast schon penibel rein. Die Bücher in den beiden deckenhohen Regalen – eines zur Hälfte für Fachliteratur, der Rest für Romane – waren sogar nicht nur nach Fachgebiet oder Genre, sondern auch noch alphabetisch sortiert, genauso die DVDs. Alles hatte seine Ordnung. Das Bett war gemacht worden, auf dem Schreibtisch lag nicht einmal ein Stift schief. Sogar die Sporttasche befand bereits in der Lücke zwischen Kleiderschrank und Raumecke.

Obwohl das alles vollkommen anders war als seine eigenen chaotischen Vier Wände, fühlte Sting sich sofort pudelwohl. Summend stellte er seinen Geigenkoffer neben dem Bett ab und ging hinüber zum Schreibtisch, vor dem bereits ein zweiter Stuhl neben dem Bürostuhl stand. Den musste Rogue heute vor dem Aufbruch zum Kendo-Training noch dort bereit gestellt haben. Sowieso war er wie immer bestens vorbereitet. Auf dem Tisch lagen bereits Tafelwerk, Mathebuch, Mathehefter und Taschenrechner. Sogar das Kapitel über Stochastik hatte Rogue im Mathebuch schon aufgeschlagen. Ahnungsvoll zog Sting eine der Schubladen auf – und mit einem breiten Grinsen registrierte er die Tüte mit Gummibärchen. Dass er von Rogue für gute Leistungen quasi wie ein Hund mit Leckerlis belohnt wurde, störte ihn nicht. Hauptsache Gummibärchen!

Er hatte gerade artig die Schublade wieder geschlossen – Rogue würde es definitiv merken, wenn Sting die Tüte auch nur anrühren sollte! –, als die Zimmertür geöffnet wurde. Es war allerdings nicht Rogue, der da herein kam, sondern Juliet. Die Blondine schlenkerte schrecklich schief trällernd mit ihrer Handtasche und sah sich suchend im Raum um.

„Ah, hallo, Sting“, säuselte sie. „Ist Rogue noch nicht fertig? Frau Cheney meinte, er würde duschen.“

„Er ist erst vor zwei Minuten ins Bad“, murmelte Sting und hielt sich gar nicht erst an einer Begrüßung auf.

Es erfüllte ihn mit einer gewissen Genugtuung, dass Grandine der Freundin ihres Sohnes immer noch nicht das Du angeboten hatte. Das war allerdings auch das einzige Anzeichen dafür, dass die Kinderärztin mit Rogues Wahl nicht einverstanden war. Ansonsten hielt sie sich da raus. Als Sting seine eigenen Väter mal darauf angesprochen hatte, hatten die einvernehmlich darüber gesprochen, dass man als Elternteil die Kinder manche Erfahrungen einfach machen lassen musste, auch wenn man schon wusste, dass sie diese nicht in guter Erinnerung behalten würden. Sting hoffte, dass Rogue sich endlich damit beeilte. Juliet war kaum noch zu ertragen.

Vor allem ihr Kichern, das sie auch jetzt hören ließ. „Und da sag’ mal einer, Männer würden sich nicht um Körperhygiene kümmern…“

„Was willst du eigentlich hier?“, fragte Sting und ignorierte die Tatsache, wie unhöflich er damit war. Auf den dummen Kommentar ging er gar nicht erst ein. „Rogue hat heute keine Zeit für dich.“

„Ach, so lange kann das mit der Mathenachhilfe doch gar nicht dauern“, erwiderte Juliet und machte eine wegwerfende Handbewegung, ehe sie schon wieder so eklig kicherte. „Und ich dachte, ich könnte heute hier übernachten.“

Sting erschauderte. Eigentlich war der Spruch platt, aber er musste an Minervas Aussage denken, laut der Juliet die Art Mädchen war, die beinahe jeden Mann über kurz oder lang in die Homosexualität treiben könnte. Wenn solche Sprüche von Minerva kamen, machte Sting sich nichts daraus. Bei ihr wusste er, dass sie nie bösartig gemeint waren. Außerdem hatte er sehr wohl von ein paar Situationen gehört, in denen Minerva Leuten, die geglaubt hatten, sich über seine Sexualität das Maul zerreißen zu können, eben jenes auf die besonders garstige Art gestopft hatte.

„Mittlerweile sieht Rogue ja auch wieder gut aus“, trällerte Juliet weiter und ging zum Bett hinüber, um sich dreist darauf nieder zu lassen.

Sting zog die Augenbrauen zusammen. Bei der Prügelei vor anderthalb Wochen hatte Rogue eine Platzwunde an der Lippe davon getragen, aber das war es auch schon gewesen. Wahrscheinlich hätte er mehr abbekommen, wenn Orga nicht zufällig in der Nähe gewesen wäre und die Prügelei schnell beendet hätte. So hatte er zum Glück nur für ein paar Tage ein Pflaster an der Lippe tragen müssen. Was daran dafür gesorgt haben sollte, dass er „nicht gut“ aussah, war Sting schleierhaft. Auch mit zwei blauen Augen hätte Rogue noch viel besser ausgesehen als beinahe jeder andere Mann auf Erden.

Zumindest sah Sting das so und der war bei Männern schon ein wenig wählerisch. Nicht dass er etwas von Rogue wollte – sie waren beste Freunde und nicht mehr, außerdem schwärmte Sting in letzter Zeit heimlich für Rogues Cousin, der ihn jedoch wegen der fast sechs Jahre Altersunterschied kaum beachtete.

„Dann kann er am Wochenende mit mir zur Party des Fußballclubs gehen.“

Vollends verwirrt drehte Sting sich auf dem Bürostuhl zu Juliet herum. „Warum sollte Rogue zu dieser Party gehen? Er hat mit diesen Fußballtypen nichts zu tun.“

„Das wäre aber seine Chance, die Gerüchte zu beenden“, erwiderte Juliet und verengte die Augen auf einmal zu Schlitzen. „Das heißt, wenn er auch endlich aufhört, sich in der Öffentlichkeit mit dir blicken zu lassen.“

Auf einmal hatte Sting das Gefühl, als würde sich ein eiskalter Klumpen in seinem Inneren ausbreiten. Seine Hände umfassten die Armlehnen fester als nötig und er biss sich auf die Unterlippe.

Ob sie sich darüber in Klaren war, wie hart sie Sting mir ihren Worten getroffen hatte, oder ob es einfach nur ein Glückstreffer war, Juliet fuhr ungerührt fort, ihre Stimme härter als sonst, ihre Augen blitzend. „Ist ja schön für dich, wenn du dir mit deiner Schwulennummer Aufmerksamkeit verschaffst, Sting. Jedem das seine. Aber du hättest dir echt überlegen sollen, was dein Coming Out für Rogues Ruf bedeutet. Die ganze Schule redet davon, dass Rogue für eine Schwuchtel in die Bresche gesprungen ist. Viele glauben sogar, zwischen euch Beiden würde etwas laufen und ich wäre nur Rogues Alibi-Freundin. Ist dir eigentlich klar, wie demütigend das für mich ist?“

Natürlich ging es Juliet bei all dem im Grunde nur um sich selbst. Das war überhaupt nicht verwunderlich. Dennoch hatte sie einen Punkt angesprochen, der Sting seit der Prügelei, über die er nie richtig mit Rogue geredet hatte – Rogues Worten zufolge war es keine große Sache gewesen –, schwer im Magen lag. Nämlich dass seine Entscheidung, seine Sexualität eben nicht zu verstecken, auch Auswirkungen auf seine Freunde hatte.

Als Rogue und die Anderen so entspannt auf sein Coming Out reagiert hatten, hatte er geglaubt, dass ihn an der ganzen Sache nichts mehr erschüttern konnte. Dabei hätte er es nach den Ereignissen vor sechs Jahren eigentlich besser wissen müssen. Die Leute zogen bei so etwas anscheinend gerne auch Personen mit hinein, die streng genommen nichts damit zu tun hatte.

Wie Sting seinen Sandkastenfreund kannte, war es dem herzlich egal, ob man ihn für schwul hielt, und speziell darum machte Sting sich auch keine Gedanken. Was ihm jedoch so zusetzte, war die Vorstellung, was das alles mit sich brachte. Wie viele Anfeindungen würde Rogue sich anhören müssen und das einzig und allein deshalb, weil er zu Sting gestanden hatte? Ob Yukino, Minerva und die Anderen sich so etwas auch bald anhören mussten? Bei der Vorstellung wurde Sting beinahe schlecht.

„Wenn du ein echter Freund bist, solltest du dich von Rogue fernhalten, Sting“, fuhr Juliet nun beinahe zischelnd fort. „Ansonsten ruinierst du noch unser Leben.“

„Sting ruiniert gar nichts.“

Überrascht drehte Sting sich zur Tür herum. Mit einem Handtuch um den Schultern und noch feuchten Haaren stand Rogue da, die roten Augen gefährlich glühend auf Juliet gerichtet. Die sprang abrupt vom Bett und eilte zur Tür, um Rogue die Arme um den Hals zu schlingen.

Bevor sie ihm auch nur nahe kommen konnte, machte Rogue einen Schritt zur Seite und ging einfach an Juliet vorbei zum Bett. Wortlos hob er Juliets Handtasche auf und ging damit zurück zu der Blondine, um ihr die Tasche in die Hände zu drücken.

„Du weißt, wo die Tür ist. Verschwinde.“

„W-was?!“, rief Juliet schrill aus, die Augen weit aufgerissen. „Rogue, was soll das heißen?!“

„Das soll heißen, dass jemand, der so über Sting spricht, nichts in diesem Haus verloren hat“, erwiderte Rogue. Seine tiefe Stimme war ein bedrohliches Grollen, wie Sting es noch nie zuvor gehört hatte. Er bekam davon eine richtige Gänsehaut.

„Machst du etwa mit mir Schluss?!“

„War das eben nicht deutlich genug? Verschwinde!“

„Weißt du eigentlich, was du da tust?! Alle Welt wird denken, dass du Stings Stecher bist! Damit ruinierst du dir alles!“

„Die Schule ist wohl kaum alle Welt und selbst wenn, ist mir das herzlich egal. Verschwinde und lass’ meine Freunde und mich in Ruhe.“

Für einige Sekunden stand Juliet noch vollkommen ungläubig da, die Augen übertrieben weit aufgerissen, die Lippen geöffnet, die Hände um den Riemen ihrer Handtasche gekrallt. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und rauschte hoch erhobenen Hauptes zur Tür. „Das wirst du noch bereuen, Rogue, das schwöre ich dir!“, keifte sie noch, dann knallte sie die Tür hinter sich zu.

In der darauffolgenden Minute konnte Sting hören, wie Juliet die Treppe runtertrampelte und schließlich die Haustür zuknallte. Hoffentlich war dabei nichts zu Bruch gegangen.

„Das war schon längst überfällig“, seufzte Rogue schließlich in die Stille hinein und kam zum Tisch herüber, um sich auf dem Stuhl neben Sting nieder zu lassen. „Tut mir Leid, dass du dir diesen Mist anhören musstest. Wollen wir loslegen?“

Statt zu antworten, musterte Sting das Gesicht seines Freundes. Nun, da Juliet verschwunden war, wirkte Rogue wieder entspannter, ja, sogar erleichtert. Dennoch wurde Sting von Zweifeln geplagt.

„Bist du dir dabei sicher?“, fragte er vorsichtig.

„Wobei? Bei der Trennung? Darüber habe ich schon eine Weile nachgedacht, aber bisher habe ich noch geglaubt, es vielleicht weniger melodramatisch über die Bühne zu kriegen“, antwortete Rogue mit einem humorlosen Lächeln.

Sting war nicht nach Lächeln zumute. „Was ist, wenn sie Recht hat? Was ist, wenn du es irgendwann bereuen wirst?“

Dieses Mal ließ Rogue sich Zeit mit seiner Antwort. Er blickte Sting direkt in die Augen. Seine eigenen waren vollkommen ruhig und dennoch wirkte ihr Blick unglaublich intensiv. Je länger sie Sting ansahen, desto ruhiger fühlte er sich. Seine Gedankenwogen glätteten sich wieder und das Übelkeitsgefühl verflüchtigte sich langsam.

„Werde ich nicht“, sagte Rogue schließlich, ehe er die Hand hob und Sting gegen die Stirn schnippte. „Und jetzt zerbrich dir nicht mehr den Kopf darüber, sondern kümmere dich um Mathe. Wir müssen dich schließlich ins nächste Schuljahr kriegen.“

Sofort sprang Sting darauf an. Er drückte sich eine Hand auf die Stirn und jammerte filmreif. „Rooooogue! So schlecht bin ich schon lange nicht mehr!“

Zur Antwort schnaubte Rogue nur und deutete auf die erste Aufgabe im Mathebuch. „Beweise es mir!“
 

---Pläne---
 

Einer der deutlichsten Gegensätze zwischen Rogue und seinem Sandkastenfreund war eindeutig der Zustand ihrer jeweiligen Zimmer. Wie oft er Weißlogia bereits hatte sagen hören, Sting sollte sich bei seinem Zimmer doch endlich einmal ein Beispiel an Rogues nehmen, konnte er gar nicht mehr zählen. Minerva und Dobengal nannten Stings Zimmer gerne Das Minenfeld – womit sie gar nicht so Unrecht hatten – und Rogues Zimmer war von Gajeel mal als „piekfeine Bibliothek, in der nur noch die Regalbeschriftungen fehlen“ bezeichnet worden.

Dennoch fühlte Rogue sich in Stings Zimmer wohl. Sicherlich, nachdem Sting und Weißlogia in die geräumige Wohnung der Dragneels über dem Dragon’s Nest gezogen waren, hatte Rogue während der ersten paar Übernachtungen seine Schwierigkeiten mit dem Einschlafen gehabt, aber das hatte einfach nur etwas mit der ungewohnten Umgebung zu tun gehabt. Tatsächlich vermutete Rogue sogar, dass ihm das Einschlafen leichter gefallen war, je heimischer Sting sich selbst in seinem neuen Zimmer gefühlt und daher auch selbiges in Unordnung gebracht hatte.

Heute war es Rogue genauso vertraut wie sein eigenes Zimmer. Die vielen kreuz und quer übereinander gepinnten Poster, Eintrittskarten, Fotos und Postkarten an der langen Dachschräge. Der kaum noch als solcher erkennbare Schreibtisch. Die ständig offen stehenden Schranktüren. Der Kleiderhaufen in der Ecke, der sich bei Rogues Ankunft noch auf den Boden verteilt hatte. Und die kleine Kommode, auf der Stings Geigenkoffer stand und in deren Schubladen sich Notenhefte, Ersatzsaiten, Pflegemittel und allerlei anderes Zubehör, sowie einige kleinere Instrumente wie Stings alte Melodica und die Okarina, mit der er letztes Jahr angefangen hatte, befanden – quasi so etwas wie Stings Musik-Schrein und der einzige Ort im Zimmer, der immer ordentlich war.

Das gesamte Zimmer spiegelte im Grunde Stings chaotischen und doch so liebenswerten Charakter wieder. Es hatte so viel über sein Seelenleben, seine Erfahrungen, seine Prioritäten, Vorlieben und Abneigungen zu erzählen, war eine wilde Mischung, die Rogue so vertraut wie nichts anderes war. Diese fortwährende Unordnung war eine Konstante in seinem Leben, die ihn vom Sandkastenalter an irgendwie immer zu beruhigen vermocht hatte. In diesem Zimmer klärten sich nur allzu oft Rogues mitunter völlig verschlungene Gedanken. Hier konnte er durchatmen, sich entspannen, Zweifel abschütteln, Kraft schöpfen.

Vielleicht war er deshalb in letzter Zeit wieder häufiger hier. Denn seit er vor einem Monat mit seinen Freunden das neue Jahr begrüßt hatte, hatte er das Gefühl, als würde die Zeit viel schneller als noch letztes Jahr vergehen. Das erste Schulhalbjahr war so gut wie vorbei und im zweiten würde der Prüfungsdruck quasi durch die Decke gehen.

Eigentlich hatte Rogue wenig zu befürchten. Sein Durchschnitt war tadellos, die Probeprüfungen waren ihm gut von der Hand gegangen und seit Anfang des Schuljahres trafen er und Minerva sich dreimal in der Woche zum Lernen – da sie Beide vorhatten, Jura zu studieren, hatten sie dasselbe Arbeitspensum.

Dennoch wurde ihm beim Gedanken an das Bevorstehende immer wieder flau im Magen. Immer wieder erwischte er sich bei der Frage, was er machen sollte, wenn er aller Bemühungen zum Trotz an keiner Uni angenommen wurde. Immerhin war der Andrang auf die wenigen Studienplätze für Jura groß. Mittlerweile wurde im Grunde an allen Universitäten ein perfekter Durchschnitt erwartet – plus Praktika, plus Zusatzqualifikationen…

„Rogue… du bist noch wach, oder?“

Überrascht wandte Rogue den Blick vom Dachfenster ab und dem Bett zu, auf welchem Sting sich aufgerichtet hatte. Sie hatten Neumond, deshalb war nicht mehr als Stings ungefähre Gestalt zu erkennen, aber sein Tonfall verriet Rogue genug über seine momentane Mimik. Er hatte die Stirn gerunzelt und die Lippen geschürzt.

Wenn er das tat, bog sich die frische Narbe an seiner rechten Augenbraue immer etwas, Rogue hatte es ganz deutlich vor Augen, dabei hatte Sting die Narbe erst seit dem einen Ausflug zum See im letzten Sommer, als er unglücklich vom eigentlich abgesperrten Steg gefallen war. Damals hatte Yukino wie ein Rohrspatz auf Stings Leichtsinn geschimpft – womit sie Rogue im Grunde aus der Seele gesprochen hatte, er hatte nämlich damals auch einen Riesenschreck bekommen. Mittlerweile gehörte diese Narbe genauso zu Sting wie der Anhänger am linken Ohr, den er sich vorletztes Jahr zugelegt hatte. Rogue konnte sich seinen besten Freund kaum noch ohne diese Narbe vorstellen.

Langsam richtete er sich auf seiner Gästematratze auf und drehte sich dem Bett zu. „Du bist auch wach. Hast du schon wieder Cola aus dem Nest entwendet?“

Zur Antwort schnaufte Sting empört. „Das klingt, als wäre ich ein Krimineller!“

„Na ja, rein faktisch ist es Diebstahl, wenn du es außerhalb deiner Schichten tust. Die Freigetränke gelten nur für deine Arbeitszeit.“

„Ja ja, Herr Anwalt, verklag’ mich doch.“

„Wo kein Kläger, da kein Beklagter. Du kannst froh sein, dass Igneel so nachsichtig ist.“

„Er kann ja wohl schlecht seinen Sohn wegen einer Flasche Cola anklagen – die ich heute übrigens nicht angerührt habe. Ich hatte wirklich vor, heute zu einer normalen Uhrzeit zu schlafen. Und ich dachte, du hättest das auch vor.“

„Dann scheinen wir ja heute etwas gemeinsam zu haben“, stellte Rogue trocken fest.

Im Dunkeln erkannte er vage, wie Sting den Kopf schräg legte. „Sieht ganz so aus…“

Seufzend drehte Rogue sich so, dass er sich mit dem Rücken gegen Stings Bett lehnen und durch das Fenster zum Nachthimmel hochblicken konnte. Kurz darauf saß Sting so dicht neben ihm, dass ihre Schultern einander berührten. Es hatte irgendwie etwas Beruhigendes, ihm so nahe zu sein.

Im normalen Alltag taten sie das nicht. Rogue hatte den Verdacht, dass es auch daran lag, was man auch jetzt noch an der Schule über sie Beide erzählte, obwohl das mit Juliet nun schon fast drei Jahre zurück lag. Aber er sprach es nicht an. Wie sollte er denn auch erklären, dass er es gern hatte, wenn er Stings Geruch und Wärme wahrnehmen konnte?

„Ich will Musik studieren“, durchbrach Sting das Schweigen schließlich. „An der Domus Flau Akademie.“

Das war ein hochgestecktes Ziel. Rogue hatte seinen besten Freund mehrere Male zu Konzerten in Crocus begleitet, er wusste, dass die Domus Flau Akademie an das namengebende antike Theater angeschlossen war, in welchem die besten Orchester- und Solokünstler von ganz Fiore auftraten. Sogar außerhalb von Fiore waren die Musiker, die dort auftraten, weithin bekannt. Wahrscheinlich gab es jedes Jahr hunderte von Bewerbern für die wenigen Plätze in der Akademie und dementsprechend hoch wurden die Anforderungen im Auswahlverfahren sicherlich gesetzt.

Allerdings wusste Rogue auch, dass Sting außergewöhnlich talentiert hatte. Solange er sich erinnern konnte, hatte Sting schon immer auf dem Klavier seines Vaters herumgeklimpert. Die Violine war irgendwann um ihre Einschulung herum mit dazu gekommen und daneben hatte Sting sich aus reinem Spaß an einigen kleineren Instrumenten ausprobiert. Er besaß ein wahnsinnig gutes Gespür für die Töne und Rhythmen und vor allem liebte er die Musik so sehr wie nichts anderes auf der Welt. Wenn jemand die irrsinnig hohen Standards der Domus Flau Akademie erfüllen konnte, dann war das Sting.

„Was spricht dagegen?“, fragte Rogue leise, ohne den Blick vom Nachthimmel abzuwenden.

Sting schnaubte leise. „Du meinst, abgesehen von den super krassen Eingangsprüfungen?“

„Genau, abgesehen davon“, erwiderte er ruhig und drehte sich nun doch Sting zu.

Nun, da sie einander so nahe waren, konnte er mehr vom Gesicht des Anderen erahnen. Die vom Gel befreiten Haare hingen ihm in die Augen, die unter den spärlichen Lichtbedingungen so dunkel wie der sternenlose Nachthimmel wirkten und für Rogue unleserlich blieben.

„Ich müsste dafür aus Magnolia fort“, murmelte Sting schließlich und senkte den Blick auf seine Hände.

„Oh…“

Es fiel Rogue wie Schuppen von den Augen. Die ganze Zeit hatte er sich so viele Gedanken um die Prüfungen gemacht, hatte sich auf den Seiten von diversen Universitäten mit deren jeweiligen Bewerbungsverfahren vertraut gemacht, hatte sogar schon recherchiert, was er machen konnte und wollte, wenn er an keiner Universität zugelassen wurde – und irgendwie hatte immer etwas an ihm genagt. So ein penetranter Gedanke, dass er irgendetwas vergessen hatte.

„Das ist eine komische Reaktion“, sagte Sting und stieß Rogue mit dem Ellenbogen an. Seine gespielte Flunschmiene stand Rogue nur allzu leicht vor Augen. „Heißt das, du bist froh, wenn ich weg bin?“

„Ganz genau das“, erwiderte Rogue übertrieben sarkastisch und verdrehte die Augen, ehe er einen ernsthaften Tonfall anschlug. „Nein, mir ist nur gerade klar geworden, dass ich auch aus Magnolia fort muss. In Hargeon haben sie keine Juristische Fakultät.“

„Oh…“ Sting klang so betroffen, als hätte Rogue ihm gesagt, dass er ans andere Ende der Welt musste. „Und Minerva…“

„Wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um an die beste Juristische Fakultät des Landes zu kommen. Crocus also. Glück für dich, Minerva kann dich weiterhin mit Süßkram versorgen, wenn ihr beide in Crocus studiert.“

Schon wieder stieß Stings Ellenbogen in seine Rippen und er konnte sich ein amüsiertes Schnauben nicht verkneifen.

„Du bist so gemein, Rogue! Mach’ nur weiter so, dann rede ich nie wieder mit dir!“

„Das hältst du ja doch nicht aus“, erwiderte er so trocken wie möglich.

Ein frustriertes „Hmpf!“ verriet ihm, dass er mit seinen Worten Recht hatte. Sting konnte sich wunderbar über alles Mögliche aufregen, hatte einen kleinen Hang zur Theatralik – wenn auch nicht einmal ansatzweise so schlimm wie seine Cousine Lucy –, aber letztendlich war er viel zu friedliebend, um jemandem, der ihm wichtig war, lange zu grollen.

Seufzend legte Rogue den Kopf in den Nacken und starrte zu dem hoch, was er von den Postern an der Dachschräge erkennen konnte. „Das heißt, dass wir uns weit verstreuen werden…“

„Leider“, murmelte Sting betrübt. „Dob will hier bleiben und an die Polizeiakademie gehen.“

„Er will sicher bei Flare bleiben“, mutmaßte Rogue.

Der Braunhaarige würde es wahrscheinlich nie zugeben, aber die frische Beziehung mit Stings angeheirateter Cousine Flare war ganz offensichtlich etwas sehr Ernstes für ihn. Und da Flare in Magnolia bleiben und eine Ausbildung zur Friseuse machen wollte, sobald sie nächstes Jahr ihren Schulabschluss hatte, war es für Dobengal wohl nur logisch gewesen, in Magnolia zu bleiben.

„Orga, Lisley und Yukino wollen in Hargeon studieren, also können sie hier in Magnolia wohnen bleiben“, fuhr Sting mit einem schweren Seufzer fort.

„Und Rufus geht mit Kagura nach Margaret“, endete Rogue leise.

Diese Entscheidungen waren vollkommen logisch. Das Lehramtsprogramm an der Universität von Hargeon war hoch angesehen, dort konnten Orga, Lisley und Yukino ihre Ziele am besten verfolgen und die Stadt war nur eine Stunde mit der Regionalbahn entfernt, die angenehmerweise in einem relativ zuverlässigen Stundentakt fuhr. Außerdem hatte Rogue in Verdacht, dass Yukino in Natsus Nähe bleiben wollte, auch wenn der immer noch blind für ihre Gefühle war und sie sich nach wie vor nicht traute, ihm gegenüber etwas anzudeuten. Und für Rufus’ Ziel, ans Theater zu gehen, war die Fachhochschule für Darstellende Künste in Margaret nun einmal die beste Wahl. Da Kagura mit Rufus zusammen bleiben wollte, wollte sie sich an der Polizeiakademie in Margaret bewerben.

Das alles hieß nicht zwangsläufig, dass ihre Freundschaft auseinander brechen würde. Tatsächlich bezweifelte Rogue das sogar. Sie kannten einander alle schon viel zu lange und hatten viel zu viel miteinander erlebt, um sich von einigen Bahnstunden Entfernung ins Bockshorn jagen zu lassen. Dennoch würde es Rogue fehlen, jeden Tag die vertrauten Gesichter seiner Freunde zu sehen.

„Und du?“

Rogue drehte den Kopf, um Sting sehen zu können, der sich ihm ebenfalls wieder zugewandt hatte. „Ich?“

„Gehst du auch nach Crocus, um mit Minerva an der Juristischen Fakultät zu studieren?“ Aus irgendeinem Grund klang Stings Stimme auf einmal hoffnungsvoll.

„Das weiß ich noch nicht“, antwortete Rogue langsam und richtete den Blick wieder auf die Dachschräge. „Ich werde mich an allen Juristischen Fakultäten bewerben, die gut sind, in der Hoffnung, irgendwo zugelassen zu werden.“

Dieses Mal kam der Rippenstoß überraschend und warf Rogue auf die Seite. Bevor er sich bei seinem Freund darüber beschweren konnte, kauerte dieser über ihm und zerzauste seine Haare. „So etwas will ich gar nicht hören, Rogue! Die werden dich allesamt mit Kusshand nehmen, auch die Uni in Crocus!“

„Du übertreibst“, protestierte Rogue und versuchte, sich aufzurichten, aber Sting bewegte sich nicht von der Stelle.

„Tue ich nicht!“, erwiderte Sting energisch und tippte gegen Rogues Stirn. „Du bist verdammt gut, Rogue, mindestens genauso gut wie Minerva. Ihr werdet es Beide nach Crocus schaffen!“

Eigentlich wollte er Protest erheben, wollte darauf aufmerksam machen, dass sich beinahe jeder Schulabgänger, der mit Jura als Studienfach liebäugelte, zuallererst in Crocus bewerben würde, dass er nicht so viele Praktika wie Minerva in seinem Lebenslauf hatte, dass seine Erfolge bei den Jugend-Kendo-Meisterschaften letztes Jahr keine Zusatzqualifikation waren und dass ja überhaupt erst noch die Abschlussprüfungen geschrieben werden mussten. Aber Sting hielt ihm den Mund zu und bei seinen nächsten Worten klang er unverhohlen aufgeregt.

„Wenn du in Crocus studierst, können wir uns dort regelmäßig treffen! Wir könnten sogar schauen, ob wir eine gemeinsame Wohnung finden. Eine WG ist für uns Beide doch viel besser. In einem Studentenwohnheim wirst du doch garantiert kirre.“

Schon wieder war Sting Rogue gleich mehrere Schritte voraus. Daran, wo er dann wohnen würde, sollte er es tatsächlich an die Universität von Crocus schaffen, hatte er noch gar nicht gedacht. Dabei war Stings Vorschlag im Grunde offensichtlich. Die Universität und die Akademie lagen Beide in Crocus’ Altstadt. Zu zweit und mit der finanziellen Unterstützung ihrer Eltern – und später vielleicht auch Nebenjobs – konnten sie sich eine Wohnung leisten. Denn Sting hatte natürlich Recht: Ein Studentenwohnheim war definitiv nichts für Rogue. Schon die Jugendherbergen bei Klassenfahrten waren für ihn immer ein Graus gewesen und er konnte sich nicht vorstellen, dass Studentenwohnheime besser waren.

Vor allem aber hieße es, dass Rogue weiterhin den Kontakt zu Sting pflegen konnte. Seinem besten Freund und engsten Vertrauten, seine Konstante im Leben…

„Also?“, fragte Sting. Er hibbelte mit den Knien und Rogue war sich sicher, dass er von Ohr zu Ohr grinste. „Dann wären wir auch nicht so alleine in Crocus. Ansonsten kenne ich da ja nur Natsus Cousin Zeref, aber der hat seinen Job und ist vor kurzem Vater geworden und ich weiß auch nie, was ich mit dem reden soll. Und seien wir mal ehrlich, mit Minerva in eine WG zu ziehen, ist keine Option für dich. Die würde dich entweder mästen oder in den Wahnsinn treiben. Unter Garantie sucht die sich etwas Eigenes mit super moderner Küche. Besuchen könnten wir sie ganz oft, dann müssten wir nicht so viel selber kochen. Wenn wir zusammen wohnen, können wir auch gemeinsam joggen gehen. Ich verspreche auch, nur mein eigenes Zimmer zu zumüllen und ich-“

Augenrollend zog Rogue die Hand von seinem Mund und schnipste Sting gegen die Stirn. Abrupt endete der Redeschwall, aber das Grinsen blieb, da war Rogue sich sicher.

Falls ich tatsächlich in Crocus zugelassen werden sollte, können wir nach einer gemeinsamen Wohnung suchen.“

„Pah! Das schaffst du mit Links! Und ich auch! Wir kommen Beide nach Crocus, du wirst schon sehen!“

Dieses Mal war es Rogue, der dem Blondschopf den Mund zuhielt, bevor der endgültig überschnappte und in seinem Überschwang völlig vergaß, dass es mitten in der Nacht war. Aber während er seinen besten Freund zischelnd ermahnte, leiser zu sein, konnte er das Lächeln nicht unterdrücken.

Natürlich würde seine Heimatstadt ihm dennoch fehlen. Auch wenn es an der Schule mit all den Idioten nicht immer leicht gewesen war, er war hier aufgewachsen, hier lebte seine Familie, hier hatte er viele Freunde und viele gute Erinnerungen. Irgendwann würde er wohl hierher zurück kommen wollen. Zurück zu seinen Wurzeln.

Aber wenn er Sting bei sich hatte, würde er sicher auch eine Weile ohne seine Wurzeln zurecht kommen.

Auf einmal machte ihm die Zukunft nicht mehr ganz so viel Angst.
 

---Freude---
 

WhiteDragon19 Rogue!!!!!!!

RCheney Sting?

WhiteDragon19 Rogue!!!!!!!!!!!!!!!!!

RCheney

RCheney Sting, ich spiele dieses Spiel nicht -.-

WhiteDragon19 Du bist so ein Spielverderber! .__.

RCheney Ja ja… Was ist denn los?

WhiteDragon19 Ich habe gerade Post von der Akademie gekriegt! Sie nehmen mich! Ich bin drin! Ich werde Musik studieren!!!!

RCheney Gratuliere! Hast du etwa daran gezweifelt?

WhiteDragon19 Natürlich! Die hatten so viele Bewerber und die waren alle sooooooo gut! >__<

RCheney Aber du warst besser. Habe ich dir damals schon gesagt.

WhiteDragon19 >///////////////////////////<

RCheney Soll ich dich zur Feier des Tages zum Essen einladen?

WhiteDragon19 YES!!! Du bist der Beste!!! *////////////////////*

RCheney Das sagst du zu Minerva auch immer, wenn sie dir etwas gebacken hat. Ich erkenne ein Muster.

WhiteDragon19 Fiese Unterstellung! >_<

RCheney Getroffene Hunde bellen.

WhiteDragon19 Dieser getroffene Hund redet gleich nicht mehr mit dir ò.ó

RCheney Dann kann der getroffene Hund mir aber auch nicht mehr sagen, wohin ich ihn einladen soll.

WhiteDragon19

WhiteDragon19 Ich HASSE es, wenn du das machst, Rogue! >__<

RCheney Ich habe nicht die geringste Ahnung, was du meinst…
 

---Einzug---
 

„Und ihr seid euch wirklich sicher, dass ihr den Rest alleine schafft?“

Mit einer beinahe schon herzerweichenden Mischung aus Fürsorge und Panik stand Yukino im engen Flur der kleinen Wohnung und ließ den Blick über ein Sammelsurium von Umzugskisten und noch nicht aufgebauten Möbeln gleiten, die durch den offenen Türbogen im noch nicht eingerichteten Wohnzimmer zu sehen waren. Es war ein Riesenberg an Arbeit, keine Frage, aber bei Yukinos Gesichtsausdruck könnte man meinen, sie würde kleine Kinder fragen.

Aber Sting beschloss, es seiner Freundin nicht übel zu nehmen. Erstens meinte sie es nur gut und zweitens hatte ihre Panik einen ganz anderen Grund als die Tatsache, dass Sting und Rogue noch längst nicht fertig damit waren, ihre WG einzurichten. Und der stand mit hinter dem Kopf verschränkten Armen an der Wohnungstür und wartete unbekümmert grinsend auf sie.

„Natürlich schaffen wir das, Yukino“, versicherte Sting eifrig und schlang beruhigend einen Arm um die schmalen Schultern der Weißhaarigen. „Natsu muss heute nach Magnolia zurück fahren, weil er morgen arbeiten muss. Wenn du mit ihm mit fährst, sparst du dir die lange Bahnfahrt, vom Ticketpreis ganz zu schweigen.“

Selbstredend würde Sting seiner Freundin das Ticket bezahlen, wenn sie lieber mit der Bahn zurück fahren wollte, aber das ließ er wohlweislich unerwähnt. Immerhin wollte er, dass Yukino mit Natsu zurück fuhr. Das war vielleicht endlich die Chance, damit Yukino sich traute oder Natsu auch einfach so ein Licht aufging. Beides würde an ein Wunder grenzen, aber man sollte ja die Hoffnung nicht aufgeben.

Denn Sting würde es gefallen, wenn Yukino so richtig offiziell zu seiner Familie gehören würde. Zum einen, weil sie vom Gefühl her sowieso schon so etwas wie eine Schwester für ihn war, und zum anderen, weil er dann sicher wüsste, dass sie nicht so oft alleine wäre. Wegen ihrer Verpflichtung für Auslandseinsätze war Sorano schon seit drei Jahren immer wieder Monate lang weg und sie war alles, was Yukino jetzt noch an Familie hatte, seit ihr gemeinsamer Vater vor vier Jahren an einer viel zu spät entdeckten Leberzirrhose gestorben war. Von der Mutter fehlte ja schon seit langer Zeit jedwede Spur.

„Ihr habt noch so viel zu tun, ich fühle mich schuldig, wenn ich euch damit alleine lasse“, wandte Yukino vorsichtig ein.

„Die wichtigsten Sachen haben wir geschafft“, meldete sich Rogue zu Wort, der am Türrahmen seines eigenen Schlafzimmers lehnte.

Vom kleinen Flur aus gingen vier Türen ab. Vorne links war das winzige Badezimmer, daneben das Wohnzimmer samt Küche. Auf der anderen Seite lagen Rogues und Stings Schlafzimmer. Es war alles ein bisschen klein – vor allem jetzt mit den ganzen Kisten –, aber sowohl die Juristische Fakultät als auch die Akademie waren von hier aus mit Bussen gut zu erreichen und die Miete war erschwinglich. Ein echter Glücksgriff im Grunde.

„Den Rest können wir langsamer angehen, also fahr’ ruhig nach Hause.“

„Also gut“, seufzte Yukino, ehe ihr etwas einfiel und sie sich hastig zu Natsu umdrehte. „Das heißt, wenn es für dich in Ordnung ist, mich mitzunehmen?“

„Na klar, dann ist die Fahrt nicht so langweilig“, lachte Natsu ausgelassen und schlug Yukino auf die Schulter, sodass die Weißhaarige ein wenig in die Knie ging.

Sting rollte mit den Augen. Er war auf dem Gebiet ja auch kein Experte, aber sein Bruder war ein echter Idiot, wenn es um Frauen ging. Kein Wunder, dass das mit Lucy damals nur ein paar Monate gehalten hatte. Der Abenteurer-Charme konnte nicht ewig darüber hinweg täuschen, dass Natsu in vielen Dingen keine Unze Feingefühl hatte. Und gerade Lucy wollte ja am liebsten immer wie eine Prinzessin behandelt werden. Da war sie mit ihrem Loke eindeutig besser beraten. Wahrscheinlich war das mit Natsu damals einfach ein Hormondesaster gewesen, aber zumindest hatten sie es nach einer krampfigen Phase geschafft, doch wieder Freunde zu werden.

Während Rogue sich mit einer freundschaftlichen Umarmung von Yukino verabschiedete, schlug Sting in die Hand seines Stiefbruders ein. „Vielen Dank für deine Hilfe.“

„Klar doch, Brüderchen“, winkte Natsu grinsend ab und nickte Rogue noch mal zu, ehe er die Wohnung verließ.

Das war so typisch für ihn. Übernachtete drei Nächte lang auf einer Luftmatratze inmitten von lauter Möbeln und Umzugskartons und tat es mit einem Lachen ab. Dabei war es schon alleine eine Tortur gewesen, die vielen Kisten und Möbel über eine viel zu enge Treppe bis in den fünften Stock zu kriegen. Bis dahin war noch alles einfach gewesen: Weißlogia und Skiadrum hatten jeder einen Kleintransporter für die Kisten und neu angeschafften Möbel ihrer Söhne besorgt. Natsu hatte sein eigenes Auto mit Helfern vollgepackt und so waren sie in einer kleinen Kolonne nach Crocus gefahren.

Nachdem sie es endlich vollbracht hatten, alles in die Wohnung hoch zu kriegen, hatten Stings und Rogues Väter wieder zurück fahren müssen, um die Kleintransporter wieder abzugeben – ansonsten hätten sie für den Folgetag noch mal Miete zahlen müssen. Gajeel, Orga und Dobengal waren an dem Tag mit ihnen zurück nach Magnolia gefahren, aber Natsu und Yukino waren länger geblieben, um noch bei einigen Renovierungsarbeiten zu helfen.

Dass die notwendig sein würden, war bei der Besichtigung noch nicht zu erkennen gewesen. Der vorherige Mieter hatte sich da um einiges gedrückt, wozu er eigentlich verpflichtet gewesen war. Deswegen würde Skiadrum ihnen noch helfen, den Vormieter zur Kasse zu bitten, aber auf den Spachtel- und Malerarbeiten waren sie nun erst einmal selbst sitzen geblieben. Da war die zusätzliche Hilfe durch Yukino und Natsu wirklich Gold wert gewesen.

Bis er wieder für einen Besuch nach Magnolia fahren konnte, musste Sting sich unbedingt noch etwas einfallen lassen, wie er sich bei allen Helfern ordentlich revanchieren konnte.

Mit einer festen Umarmung verabschiedete er sich von Yukino. Für einen Moment fühlte er sich richtig wehmütig. Natürlich würden seine Familie und seine anderen Freunde ihm auch fehlen, aber neben Rogue war Yukino nun einmal der Mensch, dem er am meisten vertraute. Er würde sie schmerzlich vermissen!

„Trau’ dich endlich mal, Natsu beißt nicht“, flüsterte er ihr noch ins Ohr, um nicht noch irgendetwas mega Sentimentales von sich zu geben.

Grinsend drehte er die auf einmal hochrote Freundin an den Schultern herum und führte sie noch bis zur Tür. Stocksteif ging sie die Treppen runter. Sting konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Nach fünf Jahren des Schwärmens sollte man meinen, sie hätte es besser im Griff, aber sie war noch genauso lustig wie damals.

„Du bist der schlimmste Freund aller Zeiten“, stellte Rogue trocken fest und zog Sting am Shirt in die Wohnung zurück, um die Tür schließen zu können.

„Gar nicht wahr! Ich will Yukino doch nur helfen!“, ereiferte Sting sich und folgte seinem frisch gebackenem Mitbewohner ins Wohnzimmer, wo sie die Tür zu ihrem winzigen Balkon öffneten, um Natsu und Yukino draußen noch mal winken zu können.

Es dauerte nicht lange, bis die Beiden auf der Straße auftauchten. Selbst aus der Entfernung sah Yukinos Gesicht noch immer rot aus, aber Natsu schien das nicht aufzufallen. Konnte man wirklich dermaßen blind sein?

Enthusiastisch winkte Sting den Beiden noch zu, bis sie in Natsus Auto gestiegen waren, dann ließ er die Hand sinken. „Das war’s dann also“, stellte er ernüchtert fest.

„Genau, jetzt musst du dich mit mir begnügen“, sagte Rogue trocken.

„Gah! So meinte ich das nicht!“, rief Sting und riss empört die Arme hoch.

Zu spät ging ihm auf, dass Rogue ihn nur aufzog, und er zog einen Flunsch, aber sein Freund ging ungerührt zurück in die Wohnung und hinüber zur Wohnküche, die bereits ganz gut ausgestattet war. Nur der Esstisch musste noch aufgebaut werden und wahrscheinlich fehlten ihnen noch lauter Kleinigkeiten, aber fürs Erste waren sie gut versorgt. Es gab sogar noch ein paar von den Leckereien, die Minerva ihnen beim Abschied in die Hand gedrückt hatte. Beim Umzug hatte sie nicht helfen können, weil ihr eigener einen Tag später vonstatten gegangen war. Natürlich hatte sie sich dabei einfach ein Umzugsunternehmen vom Geld ihres Vaters geleistet, für irgendetwas musste der ja auch mal gut sein.

„Ich meinte doch nur, dass für uns jetzt wirklich und wahrhaftig das Studentenleben anfängt! Das ist doch schon irgendwie krass, oder?“

„Stimmt“, murmelte Rogue und holte eine Dose mit dem Nudelsalat seiner Mutter aus dem Kühlschrank, sowie zwei Gabeln aus dem Schubfach. Er stellte die Dose auf die taktisch übereinander gestapelten Kisten, die momentan als Tisch dienten, und setzte sich auf einen der daneben aufgestellten Stühle, ehe er Sting eine der Gabeln anbot. „Aber wir kriegen das schon hin. Immerhin haben wir lange genug darauf hingearbeitet. Und die Anderen werden wir besuchen können. Sie sind ja nicht aus der Welt.“

Dankend nahm Sting die Gabel an und tat sich an Grandines Meisterwerk gütlich. Klar, eigentlich war Nudelsalat keine große Kunst, aber irgendwie bekam sie es immer hin, dass er besonders schmeckte. Dabei kannte Sting ihr Rezept – für Grillpartys und dergleichen im Garten der Cheneys hatte er oft genug auch mal an ihrer Seite in der Küche ausgeholfen –, aber er bekam den Nudelsalat nie so gut wie sie hin.

Schweigend leerten sie die Dose und machten sich danach wieder an die Arbeit. Sie halfen einander beim Aufbau der Möbel in ihren Zimmern – die hatten jetzt natürlich erst einmal Priorität, um das Wohnzimmer konnten sie sich auch später noch kümmern – und schleppten die ersten Kisten in die Zimmer, um sie zu leeren.

Es war merkwürdig befriedigend, so einvernehmlich mit Rogue zu arbeiten. Sting hatte wirklich ein gutes Gefühl, was das Zusammenleben mit Rogue betraf. Trotz des Ärgers mit den Renovierungsmängeln mochte er die Wohnung immer noch und es war beruhigend, inmitten des riesigen Crocus seinen besten Freund an der Seite zu haben.

Auch wenn sie einander bei ihren jeweiligen Studienfächern überhaupt nicht helfen konnten, gemeinsam würden sie die nächsten mindestens fünf Jahre schon meistern. Daran gab es absolut nichts zu rütteln!
 

---Fehler---
 

Sie hatten Scheiße gebaut. So richtig, richtig üble Scheiße.

Fassungslos lag Rogue in seinem Bett und starrte zur Decke hoch. Sein Atem ging schwer und sein Körper war von einem Schweißfilm überzogen und wahrscheinlich war er noch weit davon entfernt, tatsächlich wieder nüchtern zu sein, aber er fühlte sich hellwach, beinahe schon zu wach.

Überdeutlich war er sich des erhitzten Körpers neben ihm bewusst, hörte dessen keuchende Atemzüge, roch dessen Schweiß. Sein eigener Körper kribbelte unter längst vergangenen Berührungen, spürte noch raue Fingerspitzen, die über seine Schultern und Rippen fuhren, erschauderte unter Fingernägeln, die sich in seine Schulterblätter gruben. Ein harter Griff an seiner Kehrseite und… Hitze in seiner Lendengegend…

Schwer schluckend legte Rogue sich einen Arm übers Gesicht.

Er hatte schon Sex gehabt. Mehrmals. Diese Sinnesreize waren in der Theorie nichts Neues für ihn. Nicht einmal ein Blowjob war ihm fremd, auch wenn er genau das bisher nur selten zugelassen hatte.

Aber noch nie hatte der Sex derartig nachgehallt! Kein einziges Mal hatte er sich so tief berührt gefühlt.

Und vor allem hatte er noch nie mit seinem besten Freund geschlafen…

Als es neben ihm raschelte, drehte Rogue den Kopf, ohne seinen Arm weg zu ziehen. Schwer schluckend beobachtete er, wie Sting mit steifen Fingern nach seiner Boxershorts griff, die im Eifer des Gefechts auf Rogues Nachttisch gelandet war. Quälend langsam kam es Rogue vor, als sein Freund in das Kleidungsstück stieg und dann aufstand, um es sich über den Hintern zu ziehen. Für einen Moment konnte Rogue die Male sehen, die er auf Stings Oberschenkeln ganz in der Nähe des Intimbereichs hinterlassen hatte.

Was hatte ihn dabei bloß geritten?

Auch wenn er auf der Studentenparty mehr getrunken hatte, als vernünftig war, er war noch genug bei Sinnen gewesen, um mit Sting zurück zur WG zu finden. Aber irgendwo auf dem Weg vom Studentenkeller bis hierher hatte sich bei ihnen Beiden anscheinend ein Schalter umgelegt.

Rogue biss sich auf die Unterlippe, während er darüber nachdachte, ob er irgendetwas sagen sollte. Es hatte sich gut angefühlt. Mehr als das. So berauschend war Sex selten zuvor für ihn gewesen und das hatte eher wenig damit zu tun, dass dies sein Erstes Mal mit einem Mann gewesen war. In dem Moment, als er Sting geküsst und berührt und schließlich aufs Bett gedrückt hatte, hatte es sich einfach gut und… richtig angefühlt.

Aber jetzt?

Ein Teil von Rogue wünschte sich, es ungeschehen machen zu können.

Bisher hatte es nie ein gutes Ende genommen, wenn er mit jemandem Sex gehabt hatte. Er war einfach kein Beziehungsmensch. Und damit hatte er auch immer leben können. Es hatte ihn nie viel ausgemacht, wenn wieder eine Beziehung in die Brüche gegangen war.

Wenn allerdings seine Freundschaft mit Sting in die Brüche gehen würde, würde ihm das sehr wohl etwas ausmachen.

„Rogue…“

Stings Stimme war heiser und obwohl er über seine Schulter blickte, schaffte er es nicht, Rogue direkt anzusehen. Hilflos rang er die Hände, strich sich durch die Haare. Schließlich räusperte er sich.

„Können wir… einfach Freunde bleiben?“

Obwohl das genau das war, was er auch wollte, verspürte Rogue ein merkwürdig hohles Gefühl in der Brust. Als wäre ihm gerade etwas weg genommen worden.

Wie albern.

„Okay“, krächzte er und nahm endlich den Arm vom Gesicht. „Es war nur… ein Ausrutscher.“

„Genau... Ein Ausrutscher“, echote Sting, aber Rogue bildete sich ein, dass er nicht besonders überzeugt klang.

Dennoch stand Sting auf, klaubte seine restlichen Klamotten vom Boden und verließ das Zimmer.

Stöhnend legte Rogue sich wieder den Arm übers Gesicht.

Was hatte er da bloß angerichtet…?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Arianrhod-
2019-09-23T18:53:00+00:00 23.09.2019 20:53
So, nach gefühlten 1.ooo Jahren schaffe ich es auch endlich mal, hier einen Kommentar zu hinterlassen. *schäm* Irgendwie bin ich voll rausgekommen. Jedenfalls hab ich mir vorgenommen, die fehlenden Kommentare alle demnächst nachzuholen. Du kannst mir ruhig in den Hintern treten, falls das nicht passieren sollte.

Anyway, wie du meinem anderen Kommentar sicher schon entnehmen konntest, habe ich mich wahnsinnig über diese Fic gefreut und tue es immer noch und finde sie ziemlich klasse. :)
Ich weiß gar nicht richtig, wo ich anfangen soll, weil ich einfach alles toll fand und nicht viel zu meckern habe. Darum hör ich jetzt hier einfach auf, genug gesagt. (Nix gemotzt ist gelobt genug. XP)

Die Idee, es in eine solche Rahmenhandlung (ganz klassisch am Hochzeitstag) mit den Fotos einzubetten, ist nicht neu, aber du hast sie ziemlich gut umgesetzt, wie ich finde. Die kleinen Hints auf den Hintergrund der Situation und die gleichzeitige Einführung der beiden Hauptcharaktere hat mir gut gefallen, insbesondere, dass du sie gleich sehr passend ins Bild setzt und charakterisierst. :) Da konnte man sie gleich erkennen und auch das Zusammenspiel zwischen ihnen fand ich super. Da war die Vertrautheit richtig zu spüren. :D
Die langsame Hinführung über die ‚unwichtigeren‘ Fotos zum ersten Flashback fand ich auch geschickt. So hat man ein paar kleine Einblicke gekriegt, ohne dass es gleich zu lang und ausführlich wurde. Die beiden kennen sich aber auch schon … naja, immer eigentlich, oder? XD Siehe gleich das erste Foto mit den Stramplern. (Die zwei brauchen gar nicht so zu tun, immerhin sitzen sie im gleichen Boot.)

Und jetzt direkt zu den Erinnerungen. Ich fand sie alle schön gewählt und dem roten Faden konnte man trotz den Timejumps gut folgen.
Sting, der Braut. XDDDD Mit Schleier, weil das muss, offensichtlich. Schon allein diese Vorstellung ist einfach nur zum Wegwerfen. Den Sprung von Hochzeit zu Hochzeit (wenn auch eine … etwas andere *lol*) fand ich übrigens sehr geschickt. Auch wenn während der einen Hochzeit eigentlich niemand eine Ahnung hat, was so abläuft und warum. Na, zum Glück sind echte Hochzeiten nicht so. Und … naja, alles andere, das damit so zusammenhängt, auch nicht.
(Wobei der Hintergrund/Anstoß mit Yukino schon traurig war. :( Zum Glück hat sie Sorano und ihre Freunde.)

Aber in der zweiten Szene schlägt der Tonfall ziemlich rapide um. o.ô Und gibt dann auch gleich das Thema der Story an. Mir hat der Throwback auf den IgWeiß-OS sehr gut gefallen und auch, dass du das Thema Homophobie zuerst nicht im direkten Zusammenhang mit Sting einführst, sondern über jemand anderen (in diesem Fall halt seine Väter.)
Ich mochte Stings bockiges Verhalten in dieser Szene sehr, obwohl es ihm natürlich nicht zum Vorteil gereicht hat. Aber es ist gut nachvollziehbar, vor allem mit der Erklärung später, die er Rogue liefert. Er tut mir voll leid. :( Sein Umfeld scheint alles zu tun, um ihm die neue Familiensituation zu vermiesen. :( Dabei scheint es für ihn nur positiv zu sein.
Ich hoffe, Makarov hat eine anständige Strafe für diese Typen gefunden! Nicht nur, dass der Grund für ihren Angriff völlig bescheuert ist, sie stürzen sich zu mehreren auf einen Schwächeren, was soll das denn? >.< Nur gut, dass Rogue dabei war, auch wenn er ebenfalls auf die Nase (oder eher das Auge) gekriegt hat.
Den Abschluss der Szene fand ich super. :) Da hat man sehr gemerkt, wie nahe die beiden sich stehen und wie eng ihre Beziehung ist. Rogues innerer Schwur passt super zu ihm. >////<

Dass Sting vorher noch nie campen war, wundert mich ein wenig, tbh. Er und seine Familie (vor allem der neuere Anteil davon) scheinen schon der Typ dafür zu sein. Auch wenn die Nächte ein wenig unbequem sein können, dass muss ich zugeben. XD“
Aber gut, darum geht es nicht wirklich, oder?
Die Szene war echt süß und irgendwie unschuldig. Die beiden stehen sich schon hier viel näher als jedem anderen, auch wenn sie es noch nicht begriffen haben. Zum Glück haben sie einander und können sich aufeinander verlassen, auch mit ihren kleinen Geheimnissen. <3 Auch wenn sie eigentlich viel zu alt und zu cool für sowas sind. XD“

Da hat Sting ja echt ein kleines Problemchen… ^^“ Er tut mir allerdings nur bedingt leid. Außerdem lässt er hier echt den Teenager raushängen, da ist sogar Natsu erwachsener als er, ein Umstand, der trotz allem eher selten vorkommt. XD“ Wobei ich Sting zustimmen muss, Natsu wäre in dieser Situation sicher auch ein wenig aufgeschmissen. *lol* Aber ich schätze mal, Sting wird es überleben.
(Interessant, btw, dass Sting diesmal früher bemerkt, dass er und Rogue mehr als nur beste Freunde sind bzw. sein können. Auch wenn er mit dieser Information noch nicht viel anfangen kann.)

Mit dem Thema geht es dann in der nächsten Szene gleich weiter. Ich frage mich ein wenig, wie alt sie gerade sind, weil so per Zettel nachfragen scheint mir eher Grundschuldniveau zu sein. Und Rogue hat auch nicht wirklich irgendwelche Erwartungen oder Erfahrungen oder großes Interesse, wenn er auf diese Art zustimmt… Ein Schulterzucken? An Juliets Stelle wäre ich da nicht so aufgeregt. Aber gut, die hat nix anderes verdient.
Noch ist Sting wohl nicht ganz dahintergestiegen, was eigentlich läuft oder eher, er ist sehr gut im Verdrängen und Verleugnen. Außerdem ist da ja noch Gajeel. *lol* Da kann ich verstehen, dass es ihm leicht fällt das schwerere Thema zu verdrängen. Minerva jedenfalls hat den Durchblick, wie nicht anders von ihr zu erwarten. Aber wenn sie was bewegen will, muss sie echt deutlicher werden. Wobei es eigentlich ganz gut ist, dass sie es auf sich beruhen lässt, da weder Sting noch Rogue im Moment in der Verfassung sind, sich allem wirklich zu stellen.
(Yay für die NaYu-Andeutungen. :D :D)

(Was ist DS?)
Warum hat Rogue zugestimmt, wenn es nicht sein Ding ist? Einfach mal ausprobieren? Nein sagen wäre zu anstrengend gewesen? Jugendliche Dummheit?
Anyway, mir gefällt die Freundschaft zwischen Rogue und Minerva sehr! :) Die beiden sind echt gute Freunde. Mir gefiel auch der kleine Einblick in Minervas Background, auch wenn es um ihre Familienverhältnisse natürlich sehr bescheiden steht. Aber das ist halt Jiemma, von dem ist nicht viel zu erwarten.
Und dann wieder solche widerlichen Typen. :( Sting hat es echt nicht leicht auf dieser Schule (auch wenn er anscheinend genug Partner findet?) und sie lassen ihm keine Ruhe. Harte Schale hin oder her, das ist sicher nicht leicht für ihn. Ich hätte mich gefreut, etwas mehr von seiner Seite darüber zu erfahren. Bis jetzt ist in den Situationen nur Rogue zur Sprache gekommen.
Minerva scheint alles jedenfalls nicht zu beeindrucken. Das passt zu ihr, einschließlich der ‚netten‘ Reaktion darauf. Und Rogue scheint immer nur dann gewalttätig zu werden, wenn es um Sting geht. Auch wenn es völlig unvernünftig ist, da scheinen bei ihm die Sicherungen durchzugehen. Woran das wohl liegen mag? Hm… XD

Rogue der Matheheld. XD Wie gut, dass Sting ihn hat. Und nicht nur wegen Mathe…
Ugh, manche Leute müssen echt begreifen, dass ihr Partner auch ein Leben außerhalb der Beziehung hat. Man muss auch als Paar nicht 24/7 aufeinanderkleben. >___>
Was ich toll fand an der Szene, war, wie zuhause Sting in Rogues Elternhaus ist. Die beiden kennen sich schon ewig, ihre Familien sind eng befreundet und es ist alles vertraut und familiär und das hat man hier richtig gut gemerkt. Das merkt man auch sehr an Grandine und wie sie mit Sting umgeht; ihr Auftritt gefiel mir sehr. Das Ganze steht auch ein wenig/sehr im Kontrast zu der Beziehung zu Juliet. (Absichtlich, wie ich annehme, Sting weißt ja auch darauf hin.)
Awww, RoWen. :3 Die zwei sind so niedlich. ^^ Und Rogue soll sich nicht so haben, seine kleine Schwester ist alt und vernünftig genug!
*lol* @ Gummibärchen
Aber Juliet ist echt mal eklig. >.< Bei ihrer ganzen Art sträubt sich mir alles. Wobei ich sie gar nicht OoC finde, ich mochte ihre Art im Manga auch schon ganz und gar nicht. *shudder* Schon da fand ich sie ziemlich abstoßend. (Da gefiel mir Heine echt besser.) Die Art, wie sie ihren kleinen Feldzug gegen Sting führt, ist auch echt hintenrum. >.< Und Sting lässt sich auch noch davon beeinflussen – vermutlich, weil sie genau in die Kerbe schlägt, in der man ihn erwischen kann, über seine Freunde. Wenn sie nur ihn selbst angegangen wäre, hätte ihn das wohl kalt gelassen.
Rogue kommt da echt im richtigen Moment dazu! :D Er ist hier wieder der Retter, das Thema scheint sich zu wiederholen. Und er macht da echt nicht viele Worte. Da, Tür, geh. ^^“ Ein wenig sehr hart, aber auf der anderen Seite, Juliet hat das nicht anders verdient.
Ich find es auch herrlich erfrischend, wie Rogue alles in ein richtiges Verhältnis setzt. Er hat ganz recht, die Schule ist nicht ‚alle Welt‘, auch wenn das für Teenager manchmal so wirkt. Juliet jedenfalls scheint dieser Ansicht zu sein. Aber Rogue hat wohl schon größere Pläne.
Der kleine Moment zwischen Sting und Rogue am Ende (inklusive Mathe) fand ich auch echt süß. :) Obwohl nicht viel passiert ist. Aber da wurde viel gesagt, wenn auch mit wenigen Worten.

Die folgende Szene war gegenüber der vorherigen sehr ruhig, aber ehrlich gesagt gehört sie zu meinen Lieblingsszenen in diesem Kapitel. Das fängt bei der Atmosphäre an – Rogues Unruhe und der unsicheren Zukunft (auch wenn er sich eigentlich gar keine Sorgen zu machen braucht, das Gefühl ist trotzdem da), etwas, das ich sehr gut nachvollziehen kann, inklusive aller Ängste um Prüfung, das Von-Zuhause-Weggehen, etc., die sich langsam wandelt zu Aufregung und Vorfreude, denn natürlich werden sie es schaffen, wie könnten sie nicht? Sie hat sich auch schön eingefügt zwischen den ‚lauteren‘ Szenen der Story.
Mir gefiel auch die Vertrautheit, die zwischen ihnen herrscht, auch ganz ohne romantische Gefühle (wobei, so ganz ohne war das ja doch nicht, auch wenn sie noch nicht so weit sind.)

Yay, er hat es geschafft! :D Ganz genau, wie sie es gewusst haben. :D

Yukino ist einfach süß. <3 Sie hat bis jetzt noch nicht so viel zu sagen gehabt, aber sie ist und bleibt einfach toll. :) Auch wenn sie sich etwas ziert, allein mit Natsu zurückzufahren. Aber gut, ich glaube, viele Leute können ihre Gefühle da nachvollziehen. Allein mit dem Schwarm ein paar Stunden im Auto? Uh-oh. Ich hoffe, Natsu weiß mit der Situation umzugehen. ^^“ Wobei er ja ziemlich blind ist bei sowas… Da muss Yukino sich schon selbst einen Ruck geben. Ob das noch was wird?
Aber ugh, Umziehstress. Zum Glück muss man das in der Regel nicht so häufig machen. All den Plunder von einer Wohnung in die nächste zu schaffen ist schon schlimm genug, wenn die Entfernung nicht groß ist. Was hier ja nicht so der Fall war… Wie gut, dass es Familie und Freunde gibt!
Was ich viel mehr zu der Szene sagen kann, weiß ich jetzt nicht. Nicht, dass ich sie als nutzlosen Filler empfand, aber sie war eine Überleitung und entsprechend wenig ist eigentlich passiert.

Dafür wiegt die nächste umso schwerer!
Du fängst sie auch schon so an; als wäre alles fürchterlich und furchtbar, auch wenn ein Außenstehender das vermutlich gar nicht so beurteilen würde. ^^“ Die beiden machen ein wenig einen Elefanten aus einer Mücke. Allerdings … ist es für sie beide ein großer Bruch. Ich bin sehr gespannt, was sie daraus machen und wie sie es kitten wollen. Denn ich befürchte, sie wollen die Situation totschweigen und vergessen, auch wenn sie zu letzterem nicht in der Lage sein werden. Und das ist ja nur ein Rezept für ein Desaster. :D Die beiden müssen sich echt noch über vieles klar werden und sich einigem stellen. Aber so einfach wird das nicht für sie.

Ein wenig Kritik hab ich aber auch… ^^“ Vielleicht nicht so gut, dass ich das ganz am Ende bringe, aber ich weiß jetzt nicht, wo ich es sonst unterbringen soll. Aber ich hatte das Gefühl, dass viele der Schlüsselszenen alle aus Rogues Sicht erzählt wurden. Bei Sting blieb das vieles im Dunkeln. Gerade negativ aufgefallen bei den Szenen, wo es um Homophobie ging. Außer das mit Juliet war alles in Rogues PoV und es ging ja doch eigentlich um Sting. Auch seine Beziehung mit Rogue ist teilweise recht undefiniert – ist ihm klar, dass er mehr für seinen besten Freund empfindet als nur Freundschaft? Rogue tappt da komplett im Dunkeln, aber bei Sting habe ich das Gefühl, dass dem nicht so ist, er versucht es nur sehr zu verdrängen, eben weil von Rogues Seite gar nichts kommt. Gerade in der letzten Szene wirkt es ein wenig, als ob er alles auf sich nimmt und sich die Schuld an dem Ausrutscher gibt. (Obwohl ja immer zwei dazugehören.)
Noch etwas technisches: Teilweise empfand ich, dass zu viel erzählt bzw. im Nachhinein beschrieben wurde. Mir ist klar, dass das mit der Erzählform zusammenhängt, weil das alles so gerafft werden musste und nur kleine Szenen herausgepickt wurden, aber teilweise wog es doch sehr schwer.

Jetzt hoffe ich, dass du die Fic wirklich dieses Jahr noch fertig kriegst! Ich freue mich auf das nächste Kapitel und werde weiterhin geduldig abwarten. ;)
Gruß
Arian


Zurück