Zum Inhalt der Seite

Sir Peter Wolfstöter - Der Prächtige

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Spießrutenlauf

Peter befand sich einem alten Gemäuer. Die Steine, aus welchen das Bauwerk einst hergestellt worden war, wirkten verwittert und abgeschliffen. Moos wucherte über den dunklen Granit, der von einem Meer aus Fackeln erhellt wurde. Im Gegensatz dazu war der Boden blank poliert und sauber, geradezu neuwertig. Eine Decke schien nicht zu existieren. Dort wo normalerweise auch Stein sein Heim gefunden hätte, oder zumindest Holz, war nichts als gähnende Leere.
 

Riesige Säulen aus schwarzem Marmor reckten sich ins Nichts. Alle waren kunstvoll verziert und bearbeitet worden. Jede Stele hatte man mit einer Szene versehen. Ein Zentaur reckte beispielsweise sein Schwert in die Höhe, und viele andere taten es ihm gleich. Ein verzweifelt wirkender Zwerg wurde von einer schillernden Lichtgestalt besucht. So setzte sich das Bild fort. Nachdenklich legte Peter seine rechte Hand auf eine der Säulen und erschrak: Silberne Kettenglieder überspannten seine Finger.
 

Ein Blick an sich herab ließ ihn einen lauten Schrei ausstoßen: Er trug eindeutig eine Kettenrüstung. Das Silber stach aus dem dunklen Gestein hervor und hob sich deutlich von diesem ab. Über dem Kettenhemd trug er einen roten Wappenrock mit einem gelben, sich aufbäumenden Löwen in der Mitte. Auf seinem Rücken befanden sich sein Schwert und der Schild, den ihm der Weihnachtsmann gegeben hatte. Jeden Schritt, den er machte, war von einem Klappern begleitet. Metall schabte über den Stein.
 

Wo war er überhaupt? Was hatte Aslan mit ihm gemacht? Träumte er jetzt im Traum? Wurde er allmählich wahnsinnig? Was war mit seinen Geschwistern? Verzweiflung machte sich in dem Jungen breit. Er war kein Krieger, und wollte es eigentlich auch nicht sein. Wie kam er von hier wieder weg? Sein Blick fiel dabei auf den einzigen Ausgang: Ein großes, goldenes Tor. Die Streben waren aus massivem Metall gefertigt. Peter musste mehrmals blinzeln und schüttelte dann den Kopf.
 

Vor dem Tor waren wie aus dem Nichts verschiedene Gestalten aufgetaucht. Ein Zentaur mit schulterlangem, schwarzen Haar und einem weißen Pferdeleib. Neben ihm stand ein alter Zwerg, dessen Bart bereits ergraut war. Dieser hatte seine Hand auf einen Fuchs gelegt, der dabei den Kopf schrägte. Ein bullenähnliches Wesen mit zotteligem, weißen Fell, schwarzen Hörnern und einer schweren Plattenrüstung scharrte mit dem rechten Huf. In seiner rechten Pranke hielt er eine Streitaxt. Neben diesem Hünen war ein Riese aufgetaucht, der alle anderen, was Größe anging, in den Schatten stellte. Seine Figur war dicklich, sein Gesicht feist und abgesehen von seinen buschigen Augenbrauen komplett haarlos. Er trug ein einfaches Leinenhemd und eine dazu passende Stoffhose. Seine Füße waren nackt und entblößten Zehen, die von der Größe her Peters Armlänge erreichten. Nach und nach gesellten sich noch weitere Wesen dazu: Ein Faun, ein Satyr, ein Feuervogel, ein Einhorn… Sie alle schienen auf ihn zu warten.
 

Zögernd ging Peter auf den bunten Haufen zu. Was wollten sie von ihm? Was wollte er von ihnen? „Du bist hier, um den Spießrutenlauf auf dich zu nehmen, Junge?“, erkundigte sich der Zwerg und streichelte dabei den Fuchs. Peter schüttelte den Kopf: „Nein, ich will eigentlich nach Hause.“ Der ergraute Zwerg sah ihn lange an und entgegnete dann lächelnd: „Wenn dem so wäre, dann wärst du nicht hier.“ Der Zentaur verschränkte die Arme vor der Brust und fuhr mit einer ruppigen Stimme fort: „Der Spießrutenlauf ist die ultimative Prüfung für Körper und Geist. Wer ihn besteht, der wird als Krieger zurückkehren. Er wird ein Anführer ohnegleichen sein, eine Inspiration für alle, die ihm folgen.“ Peter schluckte schwer. Der Minotaurus öffnete sein Maul und stieß einen grellen Schrei aus. „Der Spießrutenlauf verlangt Opfer, die nur wenige bereit sind zu bringen. Wir alle haben sie einst gebracht, zum größeren Wohl – wirst du das auch, Adamssohn?“ fragte er Peter schnaubend. Dieser zögerte erneut. „Was, was, wenn ich dabei versage?“ erkundigte sich der Junge ängstlich. „Dann wirst du von der Schwärze verschluckt“ entgegnete der alte Zwerg.
 

Die ganze Gruppe stimmte eine Art Singsang an. Das Lied war schaurig und ermutigend zugleich. Sie muteten wie ein geisterhafter Chor an. Langsam aber sich verblasste jede einzelne Gestalt vor Peters Augen. Zuerst wurden sie durchsichtig, dann waren sie kaum noch zu sehen, und beim nächsten Blinzeln waren sie komplett verschwunden. Er war wieder alleine. Sollte er diesen seltsamen Spießrutenlauf wagen? Welche Prüfungen würden ihn erwarten? Wenn er versagte, dann…
 

„Habe Mut und Vertrauen in dich“ echote eine Stimme von irgendwoher. Schluckend trat Peter an das Tor heran und atmete tief durch. „Ich will mich den Prüfungen des Spießrutenlaufs unterziehen, um ein wahrer Krieger zu werden“, brüllte er in die Leere hinaus. „Wer reinen Herzens ist, der mag passieren. Ich frage dich nun, Peter Pevensie, Sohn des Adam, fünfzehn Lenze alt: Sind deine Motive edel? Ist dein Herz rein?“, fragte ihn eine weitere Stimme aus dem Nichts heraus.
 

Peter zögerte mit seiner Antwort. Sollte er lügen? War dies bereits seine erste Aufgabe? War er zum Scheitern verurteilt? Sollte er Selbstsicherheit vortäuschen? „Angst zu haben ist nichts Schlimmes“, erinnerte er sich an Aslans Worte. „Ich möchte Narnia vor der Weißen Hexe retten. Ich möchte meine Geschwister beschützen und ich möchte nach Hause“, antwortete der Junge. Eine Zeit lang passierte nichts, aber dann donnerte die Stimme erneut: „Du hast meine Frage nicht beantwortet. Ist dein Herz rein? Bereust du die Dinge, die du getan hast?“ Peter schluckte und ließ die Zeit verstreichen. Aus Sekunden wurden Minuten, aus Minuten Stunden, oder waren es nur flüchtige Momente? Schlussendlich fasste er eine Entscheidung nahm all seinen Mut zusammen: „Nein, mein Herz ist nicht rein. Egal wer du auch bist, ja, ich bedauere einige Dinge in meinem Leben. Ich kann meine Eltern nicht beschützen, genauso wie ich meine Geschwister nicht beschützen kann. Ich habe Angst, Aslan zu enttäuschen, genauso wie ganz Narnia. Vor allem.“ Peter stoppte beim letzten Satz. Was er nun sagen wollte, war eine Art Schuldeingeständnis: „Vor allem bedauere ich es, dass mein Bruder Edmund davongelaufen ist. Wäre ich fürsorglicher gewesen, liebevoller, dann wäre er wahrscheinlich geblieben. Ich habe als sein großer Bruder versagt.“
 

Wind kam aus dem Nichts. Er pfiff durch Fugen und Ritzen, die nicht da waren, brachte die Fackeln fast zum Erlöschen. Peter hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Der brüllende Wind wurde zu einem Sturm, der ihn beinahe von den Füßen riss. Mit aller Kraft stemmte sich der Junge gegen die tosende Naturgewalt. „Ist das deine Antwort, Peter Pevensie, Sohn des Adam?“, donnerte die Stimme. „Ja! Ja, ist es!“, brüllte Peter.
 

In dem Moment, als die letzte Silbe seine Lippen verließ, beruhigte sich der Wind. Die Fackeln knisterten wieder wie gewohnt. Das Tor schwang auf und gab den Weg zur ersten Prüfung preis. Es führte ins Nichts, in eine unendliche Schwärze. „Ein echter Krieger gibt zu, dass er Angst hat, lässt sich aber nicht von ihr beherrschen. Er ist ehrlich, sowohl zu sich selbst, als auch zu anderen. Seine Fehler lasten schwer auf seiner Seele, doch er muss lernen, dass die Vergangenheit nicht geändert werden kann. Die Zukunft kann er beeinflussen, und versuchen, seine Fehler nicht zu wiederholen. Geh weiter, Peter Pevensie“ forderte ihn die Stimme auf. Der Junge schluckte einmal lautstark und schritt dann in die Schwärze hinein, auf zur ersten Prüfung.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück