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Was wirklich zählt

von

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Kenny war im Stress. Und der alljährliche vorweihnachtliche Tumult machte es da leider auch nicht besser.

Am liebsten hätte er sich einfach irgendwo eingeschlossen um sich seiner neusten Recherche zu widmen: inwiefern BitBeasts eigenständig die Beschaffenheitsmerkmale eines Blades nutzen konnten und was sie dabei bevorzugten. Er hatte bereits so viele interessante Beobachtungen gemacht und war dabei, einige Theorien aufzustellen und zu prüfen.

Nur kam er dabei leider noch nicht allzu weit dank Weihnachten. Tyson und Max wollten mit ihm lieber auf den Weihnachtsmarkt als ihm bei seinen Forschungen zu unterstützen. Ray war zu sehr damit beschäftigt, irgendwelche weihnachtlichen Dinge für die White Tigers in Japan zu besorgen und dass Kai nicht zu fassen war, war nicht wirklich etwas Neues. Nur das verbleibende Teammitglied saß neben ihm im Zimmer und hantierte mit einigen Angriffsringen herum.

Kenny seufzte. „Hilary, ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir Gesellschaft leistest. Aber um ehrlich zu sein, bist du mir auch keine große Hilfe bei meinen Recherchen, wenn du die Beyteile mal wieder nachFarbe sortierst und damit meine ganze Ordnung

durcheinander bringst.“ „Tse! Da will man dir kleinem Chaoten nur ein bisschen helfen und so wird einem gedankt. Schau dich mal bitte um! Wo zum Henker ist hier bitte schön irgendeine Ordnung? Dein Zimmer sieht mal wieder so aus, als ob eine Bombe

eingeschlagen hätte mit den ganzen Beybladeteilen kreuz und quer!“ Hilary pustete erbost die Wangen auf. „Außerdem macht es wohl Sinn, alles nach Farbe zu sortieren, immerhin soll doch Dragoon immer weiß sein, Dranzer immer blau und so weiter!“ Ein weiteres Seufzen entwich dem Chef. Genau diese Diskussion hatten sie schon einmal geführt. Es war wohl zwecklos ihr zu erklären, dass es für ihn nicht hilfreich war, ALLE blauen Teile, ganz egal welche Funktion, Materialien oder Zustände sie aufwiesen, zueinander geworfen wurden. Und dass dieses Chaos herrschte, gerade WEIL er Hilarys vermeintliche Ordnung wieder sinnvoll sortieren musste, verschwieg er ihr wohl auch besser. Er hatte gerade wirklich keine Lust darauf, mit ihr zu streiten. Also ließ er sie einfach weiter zetern.

Gerade in diesem Augenblick ertönte ein „Bling“. Huch? Wer schrieb ihm denn jetzt noch eine Email? Neugierig sah er nach und als er den Absender erkannte, breiteten sich tausende Fragezeichen auf seinem Gesicht aus. Emily?

„He, ich rede mit dir! Was ist denn jetzt schon wieder? Oh?“ Hilary wurde ganz aufgeregt. „Schnell, mach die Mail auf!“ Sie legte bestimmend ihre Hand auf die Maushand des Computerexperten und öffnete die Nachricht einfach selbst auf diese Art. „Hilary! Sie hat mir geschrieben und nicht dir! Du kannst doch nicht einfach so die Mails anderer Leute lesen!“ Kennys Empörung half leider nichts, denn die junge Dame kicherte darauf einfach nur. Grummelnd las auch er nun den Text.

„Lieber Kenny, Anfang der nächsten Woche werde ich in der Stadt sein – es gibt dort eine internationale Tennisveranstaltung, die ich besuchen wollte, und werde auch ein paar Tage mit Extra-Zeit mitbringen. Ich weiß, dass es sehr kurzfristig ist, aber ich würde mich gerne mit dir treffen. Bitte schreib mir, ob du Zeit hast. Liebe Grüße, Emily.“

Hilary faltete die Hände vor der Brust und seufzte. „Hach, wie romantisch! Eine weihnachtliche Liebesbegegnung! Ohhhh, es ist bestimmt euer Schicksal, dass ihr dieses Jahr zur Weihnachtszeit zueinander findet!“ Bitte was? Beinahe hätte sich Kenny verschluckt und wurde nun ganz rot. „Was? Nein! So ist das doch gar nicht gemeint! Ich... Ich meine...Da...Da ist nichts zwischen uns oder so…“ Immer leiser wurde seine nervöse Stimme und er selbst immer nervöser dabei.

Doch Hilary nahm in alles andere als beim Wort. „Ach, papperlapapp. Überlass das nur mir! Los, schreib ihr schnell zurück und dann gehen wir los.“ „Aber wohin?“ „Jetzt schreib schon!“ So wie Hilary sich gerade mit leuchtenden Augen vor ihm aufbaute, hatte er keine andere Wahl als ihren Befehl auszuführen und sich ihrem Willen zu beugen. Er hoffte nur, dass es nicht in einem Desaster enden würde. Wie er sich da täuschen sollte! Kaum hatte er seine Antwort abgeschickt, zog die Braunhaarige auch schon an seinem Arm und schleifte ihn mit.
 

Kurz darauf fand er sich bei Tyson im Kreise seiner Teamkollegen wieder – bis auf Kai natürlich. Und alle starrten ihn mit offenem Mund an.

Ray, der gerade dabei war, eines der vielen Geschenke zu verpacken, legte Schere und Klebefilm aus der Hand und fing sich als erster. „Verstehe ich Hilary richtig, dass du morgen ein Date hast, Kenny?“ „Nein!“, kam es vom Chef wie aus der Pistole geschossen, woraufhin er einen strengen Blick von Hilary bekam. „Naja...Ja..Vielleicht...Ach, keine Ahnung.“ Ihm wurde heiß und er wusste nicht so recht, was er denn nun eigentlich sagen wollte und starrte so lieber einfach in seinen Schoß.

Verwirrt hob Ray eine Augenbraue in die Höhe und Max fing an zu grinsen, als auch schon Hilary anfing, ihre Version der Sache zu erklären: „Ja, Kenny hat morgen ein Date mit Emily. Sie ist ab nächster Woche, also morgen, in der Stadt. Und sie hat Kenny extra gefragt, ob er Zeit hat, sich alleine mit ihr zu treffen.“ Ihr erfreutes Kichern unterbrach sie kurz, bevor sie weiter redete: „Es kann nur so sein. Ich meine, warum sonst will sie sich ganz alleine mit ihm treffen? Und das auch noch in der romantischen Vorweihnachtszeit? Hach! Glaubt mir einfach, immerhin kenne ich mich als Mädchen mit so etwas aus. Und so eine seltene Chance muss man einfach nutzen! Ich meine, wann bekommt Kenny, unser kleiner Computernerd, sonst wieder so eine Anfrage?“ „Ey!“, empörte sich dieser, doch Hilary schnitt ihm jedes weitere Wort ab. „Wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass sein Date ein voller Erfolg wird! Ich werde ihn also passend herrichten. Irgendwelche Ideen für Orte oder Aktivitäten?“

„Essen natürlich!“, kam es sofort von Tyson. „Ich meine, so ein richtig tolles und gutes Essen. Man kann doch nicht hungrig sein bei so einer Verabredung. Am Ende wird sie noch ungemütlich mit leerem Magen.“ Max musste auf Tysons Erklärung hin nur lachen. „Ja, wenn du die Verabredung hättest, wäre das eine echt ernstzunehmende Gefahr für das Date. Aber ich glaube, einfach nur ein paar Burger wären keine gute Wahl bei so einem Date.“ „Hmmm...“ Tyson überlegte schwer und verschränkte dabei seine Arme. „Wie wäre es dann mit so einem Restaurant, was wirklich gutes Sushi anbietet? Oder was ganz Nobles, wie Französisch oder so? Das schmeckt auch immer fantastisch.“ „Ja!“, rief Max, „Das ist schon viel besser! Und dann müsst ihr unbedingt noch ins Kino und einen romantischen Liebesfilm anschauen. Du musst auf jeden Fall Taschentücher mitbringen.

Mädchen fangen da doch immer an zu weinen und dann kannst du bestimmt glänzen!“ Der Blonde war geradezu begeistert von dieser Idee – ganz im Gegensatz zu Kenny, den die Vorstellung jetzt schon gruselte, sich freiwillig in eine dieser Schnulzen setzen zu müssen.

Nun meldete sich auch wieder Ray zu Wort: „Hm... Erst ein Film und dann Essen also... Es gibt doch dieses eine feine Restaurant im 52. Stock. Von dort aus hat man einen super Blick über die Stadt. Das schafft bestimmt die richtige Atmosphäre. Außerdem kann man nach dem Essen dann noch auf‘s Dach rauf, auf eine Aussichtsplattform. Das ist bestimmt sehr romantisch.“ „Oh, da kannst du ihr dann noch ein kleines Geschenk geben. Das klingt nach einem super Date! Genau so machen wir das!“ Hilary klatschte freudig in die Hände und besiegelte damit Kennys Schicksal. Schnell stand sie auf. „Dann können wir jetzt ja beruhigt shoppen gehen. Vertrau mir, du wirst umwerfend aussehen, Kenny!“ Bevor der Angesprochene auch noch etwas erwidern konnte, wurde er von der energischen, jungen Frau auch schon wieder am Arm gepackt und weitergeschleift...
 

So kam es zu besagtem Date. Hilary hatte alles in die Wege geleitet und besorgt – Kennys Flehen zum Trotz. Nun stand er vor dem Kino und fühlte sich schon jetzt miserabel. Die Braunhaarige hatte ihn in einen feinen Fummel gesteckt, der irgendwie überall zwickte und in dem er sich einfach lächerlich overdressed vorkam. Immerhin hatte er eine Verabredung mit Emily und nahm nicht an einer edlen Spendengala der reichen Majestics in irgendeinem ihrer funkelnden Schlösser teil – und selbst da hätte er sich nicht SO angezogen.

Plötzlich fuchtelte jemand mit einer Hand vor seinem Gesicht herum und beinahe hätte Kenny einen Satz nach hinten gemacht. „Hey, Kenny, ich bin da. Über was denkst du grade so angestrengt nach? Ich will mitdenken.“ „Ah, Emily, Hallo. Ach, vergiss es besser gleich wieder. Ähm...Ich...Äh dachte wir, wir könnten vielleicht einen Film schauen?“ „Ja, das hab ich mir schon fast gedacht, als du sagtest, wir würden uns am Kino treffen. Hast du dich etwa extra für einen Film so herausgeputzt oder hast du heute Abend noch was vor? Das hättest du mir sagen können, dann hätten wir uns morgen getroffen oder so“, brachte die junge Amerikanerin hervor und musterte ihr Gegenüber von Kopf bis Fuß. Dieser schluckte daraufhin und wurde noch nervöser, als er eh schon war.

An der gegenüberliegenden Straßenecke konnte er Hilary erspähen, die mehr oder weniger unauffällig hinter einer Laterne versteckt den Versuch machte, sie beide zu beobachten. Sie wedelte ganz furios mit beiden Händen.

„Äh, ja. Nein. Oh, ich meine...Ich wollte...Mal was Neues anziehen? Also, dann lass uns mal diesen Liebesfilm gucken.“ Emily traute ihren Ohren kaum. „DU willst einen Liebesfilm schauen? Oh...Ich hätte jetzt wirklich auf den Sci-Fi-Streifen gesetzt. Aber gut...Wenn du das gerne so willst.“ Bevor er jetzt doch noch einen Rückzieher machte, kaufte er schnell zwei Tickets und setzte sich mit Getränken und einer Tüte Popcorn für sie beide in den Saal, wo der Film auch schon bald anfing.

Doch anstatt den von Max versprochenen Tränen, regte sich Emily nur in einer Tour auf. Ganz besonders über die bescheuerte Darstellung des weiblichen Hauptcharakters. Sie wurden deswegen sogar von einem Sitznachbarn gebeten, doch bitte etwas ruhiger zu sein und Kenny hatte schon die Befürchtung, dass Emily einfach mitten im Film wutentbrannt den Saal verlassen würde. Glücklicherweise war das nicht der Fall. Dennoch war Kenny die ganze Sache mehr als peinlich und so drückte er sich tief in den Sitz.

Als sie endlich das Kino verlassen konnten, seufzte Kenny leise vor Erleichterung auf, auch wenn sich die junge Frau neben ihm immer noch über den Film her zog. Während sie sich also immer noch aufregte und Kenny ihr immer mal wieder kleinlaut Recht gab, denn sie hatte auch Recht darin, dass der Film furchtbar und die Protagonisten ein wandelndes Klischee waren, schlug er den Weg zum Restaurant ein.
 

Emily lief, ohne zu fragen, einfach neben ihm her. Bis sie dann irgendwann vor dem Eingang des teuren Restaurants im 52. Stock standen. Emily war mit einem Schlag still und starrte die Einrichtung an. Ungläubig drehte sie sich zu Kenny. „Das sieht ganz schön teuer aus. Bist du dir sicher, dass wir nicht einfach nur bei deinen Eltern im Nudelrestaurant was essen sollten?“ „Ich hab gehört, dass das Essen hier echt gut sein soll. Und naja...Da dachte ich mir, dass das doch eine gute Gelegenheit sein könnte, wenn du schon in der Gegend bist und so...“ Ein weiterer gestammelter Versuch, den Vorschlag seiner Freunde als seinen eigenen zu verkaufen. Aber so richtig überzeugt war er selbst nicht.

Besorgt sah sein Date ihn an. „Hm...Na gut...“ So betraten sie das edle Restaurant und wurden an den reservierten Tisch am Fenster gesetzt. Der Blick über die Stadt, deren Lichter wie Sterne funkelten und so die Nacht erhellten, war wirklich hübsch. Doch Emily betrachtete das Lichtermeer eher gelangweilt. Vermutlich sah sie so etwas in ihrer Heimatstadt ständig. Wieso hatte Kenny das nicht vorher bedacht? Aber selbst wenn er daran gedacht hätte, hätte ihn seine liebeswütige Teamkameradin dazu gezwungen.

Also saßen sie nun hier und schwiegen sich an. Die einzigen Worte, die sie sprachen, war ihre Bestellung für den Kellner.

Die Stille war seltsam bedrückend. Doch was sollte er sagen? Aus den Augenwinkeln sah er ein wildes Händefuchteln vom gegenüberliegenden Tisch. Nein, Hilary hatte sich nicht wirklich mit Hut und Sonnenbrille ins Restaurant geschlichen, oder? Doch, das hatte sie...Genervt seufzte Kenny auf, woraufhin Emily ihm einen fragenden Blick zuwarf und sich schon gleich umdrehen wollte. „Ahh, Emily! Was ich dich schon immer mal fragen wollte –“ Es funktionierte und die Aufmerksamkeit der jungen

Dame lag nun ganz bei ihm. Wäre ja noch schöner, wenn Emily Hilary hier entdecken würde. Sie würde am Ende noch ganz was Falsches denken, bei dem Glück, das er in letzter Zeit hatte. Doch, was sollte er jetzt sagen? „Äh...Ähm...Wie lange spielst du

eigentlich schon Tennis?“ Perplex sah die Angesprochene ihn an. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“ „Nun...naja, du hast geschrieben, dass du hier auf eine Tennisveranstaltung gehen wolltest und da hab ich mich das halt gefragt...“ Kurz dachte sie nach, ehe sie eine Antwort gab: „Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht mehr, wann ich damit angefangen habe. Ich war noch ein kleines Kind und es kommt mir so vor, als ob ich es schon immer gemacht hätte. Wahrscheinlich war ich fünf oder so etwas um den Dreh rum. Und seitdem spiele ich Tennis. Bis heute. Also schon gute zehn Jahre.“ „Aha…Gut zu wissen. Danke.“

Damit war ihr kurzes Gespräch wieder beendet und zum Glück kam da auch schon ihr Essen an.

Es war wirklich sehr lecker, das musste Kenny zugeben. „Schmeckt es dir?“, fragte der Chef, um noch einmal einen Versuch zu starten, eine Konversation in Gang zu bringen. Leider gab seine Gesprächspartnerin nur ein kurzes „Ja“ als Antwort, woraufhin Kenny nichts Sinnvolles mehr einfiel und so verfielen sie wieder in die unangenehme Stille – auch

nach dem Essen.

Emily schien nicht besonders gut drauf zu sein, denn sie starrte wieder gelangweilt aus dem Fenster. So viel also zu Tysons Vorhersage, dass ein Essen die Herzdame schon milde stimmen würde.

Schnell zahlte Kenny die schmerzhaft hohe Rechnung und verfluchte Hilary einmal mehr für seine Situation, ehe er zu Emily zurückkehrte. Diese sah ihn hoffnungsvoll an. „Können wir jetzt gehen?“ „Ja, aber ich wollte mit dir noch wohin, wenn das okay ist.“ Dieses Mal machte sich die Amerikanerin kaum die Mühe, ihre Skepsis zu verbergen. „Wohin denn jetzt noch?“ „Ich wollte mit dir noch hoch auf‘s Dach. Da gibt es eine Aussichtsplattform“ beantwortete er ihr kleinlaut ihre Frage. Er hatte schon jetzt ein ungutes Gefühl und dabei sollte dieser Teil doch der Höhepunkt des Dates werden.

Glücklicherweise stand Emily dann doch auf, um ihn auf die Plattform zu begleiten.
 

Wenn er schon die Aussicht im Restaurant bewunderte, so war dieser Anblick umwerfend. Er sah diese Stadt eigentlich viel zu selten von oben und wenn doch, dann in der Regel nicht bei Nacht. Sie erstreckte sich bis über den Horizont in Form von unzähligen Lichtern und Häusern. Leider wehte aufgrund der Jahreszeit und dem Umstand, dass die Sonne längst untergegangen war, ein kalter Wind und schnell schaute Kenny zu seiner Begleitung. Schon wollte er ihr seine Jacke anbieten, als sie ihn am Arm fasste und den Kopf schüttelte. „Mir ist nicht kalt, keine Sorge. Lass du mal lieber deine Jacke an, bevor du dich am Ende noch erkältest.“ Kurz zögerte Kenny, ehe er sich entschloss, ihrem Wunsch nachzukommen und die Jacke einfach selbst zu behalten. Ihr schien wirklich nicht so kalt zu sein wie ihm. Insgesamt schien sie auch nicht so besonders angetan zu sein von dieser Plattform. Rays Idee hatte also auch nichts gebracht.

Dieses Mal wollte er sich nicht erst umschauen, ob Hilary wieder irgendwo lauerte, ehe er zum nächsten Schritt überging. Er atmete einmal tief durch. Doch die Nervosität nahm eher noch zu als ab. Und zwar rapide. „Äh...Ähm E-Emily?“ fing er an zu stottern und schluckte hart. Neugierig drehte sie sich zu ihm um. „Ja? Was ist denn, Kenny?“ Am liebsten wäre er jetzt weggelaufen, aber dann würde Hilarys Predigt danach nie mehr enden. „Ich...ähm...Ich“ nervös kratzte er sich am Kopf, ehe er anfing nach etwas in seiner Tasche zu wühlen. „Hm...Ich wollte nun ja...Ähm, ich wollte dir was schenken...“ Eigentlich

war er sich sicher, dass sie ihn unmöglich verstanden haben konnte bei dem Wind, der hier herrschte und dem leisen Genuschel, in welches er zunehmend verfiel. Trotzdem hielt er ihr das kleine, feine Halskettchen hin. Jede einzelne Sekunde war eine Qual für ihn, als er ihre Reaktion abwartete.

„What the...Oh, for fox sake, Kenny! Jetzt reicht‘s aber!“ Verärgert machte Emily kehrt und stiefelte davon.

Diese Reaktion versetzte ihm einen Stich im Herzen. Was...Was war denn jetzt grade passiert? Er versuchte vergebens, den Schmerz runter zu schlucken und biss sich auf die Unterlippe. Hasste sie ihn jetzt? Hatte er es sich mit ihr endgültig verscherzt?

Zwei Arme schlangen sich um ihn. „Oh, Kenny...Es tut mir so leid. Es lief alles so gut und jetzt das! Und dabei habe ich dir doch garantiert, dass das was wird.“ Hilary wollte ihn nur trösten, das war ihm klar. Doch in diesem Moment überkam ihn eine derartige Wut auf sie, dass er sie von sich stieß, ihr das Kettchen entgegen schleuderte und weglief. Dieser ganze Schlamassel war von Anfang bis Ende ihre Schuld!

Als er endlich zu Hause ankam, stürzte er sich zur Ablenkung sofort seine Beyblade-Arbeit und schlief nur so viel wie absolut nötig.
 

Am nächsten Morgen bekam er seltenen Besuch von Kai und so nutzte der Chef die Chance, um an Dranzer zu feilen und mit neuen Teilen auszustatten. Kai wiederum setzte sich währenddessen einfach still in eine Ecke des Raumes und schwieg, sofern nichts besprochen werden musste.

Kenny war in seine Arbeit vertieft, als die Tür plötzlich aufflog und Hilary hereinplatzte. Diese verlor auch keine Zeit und legte gleich los. „Kenny, es tut mir wirklich leid und ich wollte mich bei dir entschuldigen. Es war nicht richtig von mir, dir so meinen Willen aufzuzwingen und dir zu diktieren, dass und wie du ein Date mit Emily zu haben hast. Ich hoffe so sehr, dass ihr euch wieder vertragen könnt. Ich wollte dir wirklich nicht die Freundschaft mit ihr verderben...“

„Ach? Und du hast dich ihr einfach gebeugt und dir auf die Nase binden lassen, wie du zu sein hast?“, mischte sich nun Kai aus seiner Ecke ein, woraufhin Hilary einen Satz zurück machte. „Oh! Ich hab dich hier gar nicht gesehen, Kai. Hallo.“ „Du hast dir ja auch keine Mühe gemacht, dich mal umzuschauen...“, entgegnete dieser nur genervt.

Der Schmerz von gestern kam nun wieder in voller Stärke in Kenny auf; nicht zuletzt deswegen, weil Kai Recht hatte. „Ja, habe ich. Ich bin also in gewisser Weise wohl auch selbst schuld.“ Kai schnaubte kurz. „Ja, bist du. Also lass dir das eine Lehre sein und sei du selbst. Ich hasse es, wenn Leute vorgeben, jemand anderes zu sein.“ Betroffen fiel Kennys Blick auf seinen mit Beyteilen gepflasterten Boden. „Ja, Kai...Und Hilary? Es tut mir leid, wie ich gestern reagiert habe. Entschuldigung.“ Die Braunhaarige schüttelte ihren Kopf. „Ist schon okay, Kenny. Wäre ich an deiner Stelle gewesen, hätte ich bestimmt noch viel schlimmer reagiert als du. Also...Vertragen wir uns wieder? Ich mache so was auch nie mehr wieder. Versprochen.“ Als Antwort nickte Kenny nur. Erleichtert atmete Kenny auf. „Danke. Dann lass ich euch beide mal weiter werkeln. Kai, lass dich mal wieder öfter blicken.“ Aus der Ecke erklang lediglich ein „Hn...“ und Hilary verließ daraufhin wieder Kennys Zimmer.
 

Bald war auch die Arbeit an Dranzer getan und Kenny somit wieder alleine. Er schrieb eine Entschuldigung an Emily und fragte vorsichtig, ob sie sich heute vielleicht noch einmal treffen könnten, wenn sie nicht schon ein für alle Mal die Nase voll von ihm hätte. Aber anstatt eine Antwort abzuwarten, stürzte sich der Chef einfach in den nächsten Verbesserungsvorschlag für die Blades seiner Teammitglieder.

„Hmmm...Wie mache ich das jetzt am besten?“, fragte sich Kenny selbst, als er verschiedene Parameter für das neue Design von Dragoon gegeneinander abwägte. „Vielleicht versuchst du es mal damit.“ Ein Finger zeigte ihm einen in der Tat interessanten

Wert an. „Ja, das ist vielleicht eine Idee.“ Moment! Das waren doch nicht seine eigenen Gedanken! Erschrocken fuhr er herum, nur um Emily neben sich zu erblicken, die ihrerseits tief in Gedanken um Dragoons Design war. Erst nach einem weiteren Moment

sah sie ihn auch an. „Was denn jetzt? Lass es uns mal damit versuchen“, ihr Lächeln war ansteckend und Kenny war unendlich froh, dass sie wirklich gekommen war und dass sie nun endlich über Beyblades fachsimpeln konnten. Das konnte er sonst ja nicht in der Tiefe mit seinen Teammitgliedern.

So erarbeiteten sie zusammen einige Designvorschläge und evaluierten sie auch. Daraufhin erzählte er ihr auch von seinen Theorien und Beobachtungen, inwiefern BitBeasts eigenständig die Beschaffenheitsmerkmale eines Blades nutzen konnten und

was sie dabei bevorzugten. Emily war dafür sofort Feuer und Flamme und so erforschten sie zusammen das Thema. Zusammen kamen sie auf neue interessante Schlussfolgerungen und neue Aspekte. So merkten sie gar nicht, wie spät es dabei wurde.

Erst als Kennys Mutter den beiden Abendessen auf‘s Zimmer brachte, legten sie eine Pause ein. Dieses Mal schien es der Amerikanerin auch richtig zu schmecken. „Emily, ich wollte mich noch mal wegen gestern entschuldigen.“ „Das hast du doch schon in deiner Nachricht getan. So lange du jetzt wieder der alte Kenny bist, den ich so sehr schätze und mag, ist alles in Ordnung. Ich mag dich genau so, wie du bist. Mit all den technischen und beybladebezogenen Themen, die du im Kopf hast und mit allem, was dich auch sonst ausmacht. Genau deswegen habe ich mich ja auch überhaupt erst bei dir gemeldet. Schön, dass wir nun endlich dazu kommen, uns richtig auszutauschen und zu unterhalten. Ich habe heute wirklich viel Spaß. Danke.“ „Das geht mir ganz genauso“, antwortete Kenny. Der Schmerz war nun fort und stattdessen machte sich ein warmes Gefühl in ihm

breit. Ja, sie hatte Recht und diese Lektion würde er nie mehr vergessen.

Was wirklich zählt, ist, dass man sich traut, man selbst zu sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mitternachtsblick
2020-07-10T15:25:28+00:00 10.07.2020 17:25
Awww die Story ist total süß. Kenny bekommt ohnehin meiner Meinung nach zu wenig Liebe und ihn und Emily habe ich immer schon lowkey geshippt. XD ich kann mir ein Szenario wie dieses echt gut vorstellen - die Charaktere sind sehr realistisch in ihrem Handeln und ich war wirklich amüsiert über Hilarys gut gemeinte, aber nicht besonders hilfreiche Ratschläge, Kennys Bemühungen, alles perfekt zu machen und Emily, die ihn vorher viel besser fand als die kitschige Masche, die vielleicht anderen gefällt, aber nicht ihr. Den letzten Satz habe ich dementsprechend echt gefeiert, was für eine schöne Moral von der Geschicht‘!
Von:  FreeWolf
2019-08-10T07:18:34+00:00 10.08.2019 09:18
Was, kein Kommentar? Das muss geändert werden! Ich finde diesen OS sehr gelungen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Hilary in ihrem Eifer alles anders auslegt als Kenny glaubt, und bin begeistert über den Schluss!


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