Zum Inhalt der Seite

Summer of '99

Die Herren des Todes
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Zauberstab-Kunde

Albus landete hastig vor dem Haus und betrat es durch die Vordertür, um möglichst schnell zu Arianas Zimmer im Erdgeschoss zu gelangen.

„Redite”, sagte er und schickte damit den Eichschaft zurück in sein Zimmer. Dann klopfte er noch einmal gründlich seine Kleidung von verräterischem Staub frei. Zum Glück hatte ihn Gellert darauf hingewiesen! Was hätte Ariana wohl gedacht, wenn er komplett eingeascht vor ihr erschienen wäre?

Vorsichtig lief er den Flur entlang und ließ die Treppe, die rechts nach oben zu seinem Zimmer führte, hinter sich. Arianas Zimmer lag ganz am Ende des Ganges neben der Küche und damit an der Rückseite des Hauses. So zeigte das Fenster auf den Garten, weg von der Straße, und sie konnte hinaussehen, ohne dass sich Neugierige fragten, warum sie wohl nie das Haus verließ. Albus erreichte die Tür und atmete tief durch. Mit etwas Glück war es in diesem Raum ruhig geblieben, während er seine Wut auf dem Feld austobt hatte. Vorsichtig drehte er den Türknauf zu ihrem Zimmer und murmelte: „Lumos!”

Mit leuchtendem Zauberstab voran öffnete er die Tür und lugte in den Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte er das Bett und darin eine zierliche Gestalt erahnen. Alles schien ruhig. Er dimmte das Licht ein wenig und trat leise ans Bett heran.

Ariana lehnte mit dem Rücken an einem aufgebauschten Kissen. Ihr Kopf war im Schlaf zur Seite gesunken, und Strähnen ihres dunkelblonden feinen Haars verdeckten ihr blasses Gesicht. Sie trug kein Nachthemd, sondern ein blaues Hauskleid, und ihre immer noch vor der Brust verschränkten Arme ließen unmissverständlich erkennen, dass sie auf Albus gewartet hatte, bis sie der Schlaf übermannte.

Als er den Zauberstab auf dem Nachtkästchen links neben dem Bett ablegte, erkannte er eine Schale mit einem Rest Milchreis und Spuren von Zimtpulver darin.

Das muss sie selbst gekocht haben, dachte er beschämt. Er wusste, dass sie nicht gerne den Gasherd in der Küche bediente, weil sie Angst vor dem Entzünden der Flamme hatte. Ariana musste dafür Streichhölzer statt des Incendio-Zaubers verwenden, denn durch ihr schweres Trauma war es ihr nicht möglich, präzise Magie zu wirken.

Die Protest-Körperhaltung und das vorwurfsvolle karge Mahl auf dem Nachttisch verfehlten ihre Wirkung nicht: Albus fühlte sich schrecklich.

Natürlich war er im ersten Moment sehr erleichtert gewesen, seine Schwester gesund und so ruhig schlafend vorzufinden, aber er wusste, dass er sie durch sein Verschwinden sehr verletzt hatte.

Behutsam löste Albus ihre verschränkten Arme und schob seine Schwester dann in eine liegende Schlafhaltung. Sie murmelte etwas, blieb jedoch in ihren Träumen, während er die Decke bis zu ihren Schultern zog. An ihrem unpassenden Schlafgewand konnte er nun nichts mehr ändern, aber er öffnete die obersten Knöpfe ihres Kragens, in der Hoffnung, dass es so für sie angenehmer sein würde. Dann strich er die Strähnen aus ihrer Stirn und ließ seine Hand einen Moment auf ihrem Kopf ruhen, ehe er wieder zurückzuckte. Seine kleine Schwester … so zerbrechlich, dass er für einen Moment fast vergessen hatte, was mit Mutter geschehen war … und dass eine unachtsame Berührung und oder ein falsches Wort genügte, damit sich dieser Schrecken wiederholte.
 

Später in seinem eigenen Bett fasste Albus einen Plan, wie er Arianas gekränkte Gefühle besänftigen konnte, für ihr eigenes Wohl und auch für seines. Unter seine Überlegungen mischten sich jedoch immer wieder Gedanken an die Begegnung dieses Abends … an den Jungen namens Gellert Grindelwald. Er hatte ihn im flackernden Licht der blauen Flammen wegen seiner schwarzen Kleidung kaum erkennen können; nur sein hübsches blasses Gesicht mit den markanten Wangenknochen und diesem faszinierenden durchleuchtenden Blick seiner so unterschiedlichen Augenfarben. Er hatte sich durchschaut gefühlt, als könne dieser Fremde seine Gedanken und Gefühle lesen – während er, Albus, nun vor einem Haufen Rätsel stand.

Wie zu Merlins Hutschnur hat er das Dämonenfeuer gelöscht? In Flüche und Gegenflüche steht, dass man es nicht bändigen kann!

Albus schnaubte unzufrieden – es kam nicht oft vor, dass er die Natur eines Zaubers nicht begriff. Er würde Gellerts Verwandte in Godric’s Hollow ausfindig machen müssen und ihn wegen des Zaubers zur Rede stellen. Das würde ihm sonst keine Ruhe lassen! Außerdem, dachte Albus, während er langsam eindöste, war ein weiteres Dankeschön durchaus angebracht. Der sonderbare Junge hatte ihm heute schließlich die Haut gerettet.
 

Am nächsten Morgen weckte ihn Ingrid früh durch lautes Geschrei in ihrem Käfig. Sie war nach ihrem Botenflug in der vergangenen Nacht zu müde zum Jagen gewesen und hatte nun großen Appetit auf frische Feldmaus. Albus, dessen Träume von Dämonenfeuer erfüllt gewesen waren, stand schwerfällig auf und lief zu ihr hinüber. Mit Ingrid hatte ihm seine Mutter eine kleine Lektion in Bescheidenheit erteilt. Als sie ihn damals fragte, was er sich zu seinem Schulanfang in Hogwarts wünschte, hatte er geantwortet: „Eine Schnee-Eule! Die schönste, die sie haben!”

Ich habe sie zweifellos bekommen, dachte Albus, während er den Käfig öffnete. Allerdings war Ingrid, wie alle weiblichen Schnee-Eulen, schwarzweiß gescheckt statt schneeweiß. Eine Tatsache, die Aberforth stets gerne betonte, indem er sie „Zebra“ nannte.

Die Eule pickte neckisch an Albus’ Finger, als er sie auf dem Arm zum Fenster trug. „Bleib nicht zu lange weg, altes Mädchen!”, sagte er und ließ sie hinaus.

Albus sah Ingrid einen Moment nach, wie sie in den nebligen Morgen davonflog, und sog die frische Luft ein. Dort draußen lockte die Welt mit all ihren magischen Geheimnissen, in die er sich hatte stürzen wollen. Wo Elphias wohl nun war, und ob er seinen letzten Brief bekommen hatte?

Dann fasste er sich ein Herz: Er hatte Wiedergutmachung zu leisten!

Wenige Minuten später stand er in der Küche und schwang seinen Zauberstab wie ein Kapellmeister den Taktstock. Auf dem Herd brieten Pfannkuchen, frischer Kürbissaft sammelte sich in einer Karaffe, und auf dem Tisch arrangierten sich Teller, Marmelade und Honig zu einem kleinen aber feierlichen Gedeck. Das emsige Treiben und muntere Klappern der verzauberten Küche hatte Albus’ Laune enorm verbessert. Er hatte seinen Gryffindor-Morgenmantel übergezogen und summte munter die Hogwarts-Hymne vor sich hin, während er sich einen schwarzen Tee aufbrühte, als er die Küchentür knarzen hörte.

„Guten Morgen!“, rief er und drehte sich strahlend mit seiner Teetasse in der Hand um. Ariana stand in der Tür, die eine Hand noch zögerlich am Knauf, die andere umklammerte ein dünnes rosafarbenes Heft. Überraschung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, auch wenn sie offensichtlich ihr Möglichstes tat, eine trotzige Miene aufzusetzen.

„Komm, setz’ dich!“, forderte er sie auf und schnippte mit dem Zauberstab, sodass die Pfannkuchen vom Herd hüpften und sich auf einem extragroßen Teller in der Mitte des Tischs sammelten. Dann nahm er selbst mit seiner Tasse in der Hand Platz und klopfte auf die Küchenbank neben sich.

Ariana folgte der Aufforderung stumm und betrachtete das Essen. „Du bist gemein“, sagte sie.

„Was?“

„Du weißt, ich hab’ Hunger.“

„Natürlich“, bekräftigte Albus und ließ einen Pfannkuchen auf ihren Teller hüpfen. „Deshalb gibt’s ja auch was Schönes. Marmelade oder Honig?“

Sie sah ihn grimmig an.

„Marmelade …“, sagte sie langsam.

Er reichte ihr das Einmachglas und setzte einen unschuldigen Hundeblick auf, denn er spürte, dass er sie fast hatte. Ein Bissen von dem bestrichenen Pfannkuchen genügte, und Arianas trotzige Fassade schmolz dahin.

„Lecker …“, seufzte sie und machte sich genüsslich über den Rest her. Albus lächelte, nicht ohne Stolz.

Wenn ich schon vom Jahrgangsbesten zum Pfannkuchen-Bäcker absteige, dann wenigstens mit Stil!

Er schnippte den Zauberstab erneut, und die Karaffe füllte Arianas Glas mit Kürbissaft. Dann nahm er sich selbst eine Portion Pfannkuchen und griff nach der Himbeermarmelade, die er besonders liebte. Eine Weile aßen sie genüsslich schweigend, und Albus trank seinen Tee, bis Ariana das unvermeidliche Thema ansprach: „Ich wollte eigentlich erstmal kein Wort mehr mit dir reden. Wo warst du denn gestern auf einmal?“

„Noch ein bisschen Kürbissaft?“

„Nein, Al!“

Albus stocherte mit der Gabel in seinem Pfannkuchen. „Ich habe einen Brief von Aberforth bekommen, der mich ziemlich verletzt hat …“ Widerwillig erzählte er von dem Besen, den er als Friedensangebot gekauft hatte – und von Aberforths Heuler; allerdings sparte er aus, wie sein Bruder den Eichschaft verhext hatte, um sich bei ihm zu revanchieren. Auch, was den Rest des Abends anging, entschied sich Albus für die halbe Wahrheit: einem Flug über die Felder, bei dem er ganz die Zeit vergessen hatte. Die Begegnung mit Gellert behielt er für sich.

„Wieso dachtest du, dass Abe ‘nen Besen möchte?“, fragte Ariana ehrlich verwundert.

Albus überraschte es, dass ihr gerade dieses Detail wichtig war. „Naja, Quidditch ist sehr beliebt an unserer Schule …“

„Aber Abe hasst es.“

„Woher weißt du das?“, fragte er.

„Na, weil … er hat’s mir gesagt hat. Redet ihr nicht miteinander?“

„Doch, klar …“, sagte Albus, musste sich aber eingestehen, dass er und sein Bruder außer Beleidigungen in den letzten Monaten nicht viele Worte miteinander gewechselt hatten. „Weißt du, wir sind so verschieden. Ihr beide versteht euch viel besser. Worüber hätte er sich denn gefreut?“

„Er hat mal gesagt, er hätte gerne Ziegen.“ Albus starrte sie an. „Keine Ahnung, warum“, ergänzte sie, fast abwehrend. „Aber auf jeden Fall keinen Besen. Abe ist eigentlich echt ein Lieber … er hat mir das hier gegeben, bevor er abgereist ist.“

Sie tippte auf das rosafarbene Heft, das sie neben sich auf den Tisch gelegt hatte. Albus, der den Gedanken, dass Aberforth gerne Ziegen haben wollte, immer noch nicht ganz verdaut hatte, war dankbar für den Themenwechsel.

„Das ist mir eben schon aufgefallen“, sagte er. „Was ist denn das?“

Dem Einband nach zu urteilen konnte es nicht allzu seriös sein. Er erkannte nun eine zwinkernde Hexe auf der Vorderseite, deren Umhang und Haare von einem unnatürlich starken Wind flatterten.

„Oh, das ist die letzte Ausgabe der Hexenwoche“, sagte Ariana munter. „Abe hat sie von einer Freundin aus seinem Jahrgang. Da stehen faszinierende Dinge über Jungs und ihre Zauberstäbe drin.“

„Bitte, WAS?“, fragte Albus und schnappte sich das Heft.

Es war schwierig zu sagen, was an diesem Titelblatt das Schlimmste war. Die zwinkernde Hexe, die ihm bereits zuvor aufgefallen war, rührte in einem Zaubertrankkessel, auf dem in nahezu unleserlichen, geschwungenen Buchstaben stand:

Brau’s dir selbst: Fünf Zaubertränke für einen flachen Bauch.

Rechts neben ihrem wild wehenden Haar kündigte ein weiterer Spruch an:

Einfach bezaubernd: DAS ist der Gewinner des charmantesten Lächelns 1899!

Und ganz am linken unteren Rand in extra großen Buchstaben stand:

Schau genau: Das verrät dir SEIN Zauberstab über seine Fähigkeiten als Liebhaber.

Albus klappte der Mund auf, und er spürte Hitze in seinen Wangen aufsteigen. Eine Reaktion, die Ariana enorm erheiterte.

Heftig kichernd erklärte sie: „Der Artikel sagt einige faszinierende Sachen über Zauberstäbe. Ob einem der Junge gefallen wird und so …“

Albus schüttelte abwehrend den Kopf. „Ariana, das ist … Unsinn! So ein dummes Zeug solltest du nicht lesen!“ Er hatte große Lust, umgehend einen Heuler an Aberforth zurückzuschicken.

„Naja, stell dir mal vor, du findest einen Jungen süß und dann hat der aber so einen Mini-Zauberstab …“, giggelte sie weiter.

„Wieso soll ich mir das vorstellen?“

„Du bist rot wie eine Tomate!“

„B-bin ich nicht!“ Albus zog die Hexenwoche aus ihrer Reichweite und schickte sie mit „Redite!“, ins Regal zu den Küchenbüchern über dem Herd.

„Albus!“, rief Ariana.

„Das war genug nutzlose Zauberstabkunde für dich!“, sagte er streng.

Albus hatte das dumpfe Gefühl, dass er sich bei diesem Thema noch um Kopf und Kragen reden würde. Immerhin hatte er niemandem, nicht einmal seiner Mutter, verraten, warum er die ganze Schulzeit über – trotz zahlreicher Interessentinnen – nie eine Freundin mit nach Hause gebracht hatte. Wie sollte er es seiner giggelnden Schwester nun erklären …, dass seine Gedanken öfter um die Liebhaber-Fähigkeiten von Jungs kreisten, als ihm selbst lieb war? Dieser dreiste Artikel schien ihn persönlich zu verspotten!

Er hörte leichte Hysterie in seiner Stimme, als er sagte: „Zauberstäbe suchen sich ihren Besitzer wegen seines Charakters aus – nicht wegen seines … du weißt schon!“

„Nun, das sagt der Artikel ja auch“, entgegnete Ariana. „Zum Beispiel heißt es da, wenn jemand einen geknickten oder gebogenen Zauberstab hat, ist dieser Zauberer falsch. Einer, der lügt und eine verbrecherische Seite hat …“

„Sehr gut, dann können wir ja dank der Hexenwoche nun alle Zauberer mit geknicktem Zauberstab verhaften lassen!“, schnaubte Albus sarkastisch.

Arianas dunkle Augen funkelten ihn böse an. „Weißt du, was der Artikel über Zauberstäbe mit einer Spirale sagt?“, fragte sie mit einem Blick auf seinen Zauberstab.

„Ariana …!“

„Dass die Besitzer verdammte Besserwisser sind! Aber nur, weil sie eigentlich unzufrieden mit sich selber sind … und sexuell frustriert – “

„WAS FÜR – GEH’ AUF DEIN ZIMMER! SOFORT!“

Albus war aufgesprungen und deutete zornig mit dem Zauberstab in der Hand auf die Tür.

Ein Ruck ging plötzlich durch Arianas Körper. Fassungslosigkeit zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie, wie von unsichtbaren Händen gepackt, auf die Füße gezogen und rückwärts aus der Küche gedrängt wurde.

„Das … das darfst du nicht“, sagte Ariana entrüstet. „Du bist nicht Mum!“

Albus ließ erschrocken den Stab sinken. Verdammt, das war nicht seine Absicht gewesen! Ariana gegen ihren Willen zu etwas zu zwingen, noch dazu mit Magie, war keine gute Idee!

„Ariana“, flüsterte er zerknirscht, „es tut mir leid …“

Seine Schwester starrte ihn zornig an. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, lief in ihr Zimmer zurück und schlug die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu.

„Merlins Bart!“, fluchte Albus.

Wie hatte er so die Beherrschung verlieren können? Ariana hatte ihn doch nur ein wenig ärgern wollen. Jetzt war alles schlimmer als zu vor, und er würde nun Wiedergutmachung für die Wiedergutmachung leisten müssen!

Wütend tippte er mit dem Zauberstab gegen den Tisch und das Frühstück begann, sich abzuräumen. Er war für diese Aufgabe – dieses kleine und feinfühlige Leben – nicht gemacht. Wann immer er versuchte, Ariana einen wichtigen Rat zu geben, funkte Unsinn, den ihr Aberforth erzählt hatte, dazwischen!

Kurz überlegte er, an Arianas Türe zu klopfen und die Sache ins Reine zu bringen, verwarf das aber gleich wieder. An ihrem eingeschnappten Zustand würde sich bestimmt so schnell nichts ändern. Außerdem war sein Stolz nach dieser „Zauberstab-Analyse“ empfindlich getroffen … sexuell frustriert … was für ein Unsinn! Alles, was er brauchte, war eine Pause von seinen Pflege-Pflichten!

Womit er die verbringen würde, wusste er bereits: Arianas Erwähnung der Mutter hatte ihn auf eine Idee gebracht.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück